Cloud Computing

Windows Azure - Microsoft öffnet seine Cloud

23.06.2010 von Wolfgang Miedl
Bislang stellt Microsoft Windows Azure ausschließlich in seinen eigenen Rechenzentren als Hostingangebot zur Verfügung. Dies könnte sich in Zukunft ändern, so soll es Kunden und Partnern möglich sein, eine Private Cloud im eigenen Rechenzentrum zu betreiben.

Seit dem Februar 2010 sind die Cloud-Lösungen Windows Azure und SQL Azure offiziell verfügbar. Kunden und Partner von Microsoft können seit diesem Zeitpunkt produktive Anwendungen und Services auf Basis von Windows Azure mit vollen Service Level Agreements anbieten.

Microsoft tritt als Plattform-Anbieter auf, sprich es wird der Ansatz Platform as a Service (PaaS) verfolgt. Das Zentrum bildet dabei das Cloud-Betriebssystem Windows Azure. Die erste Community Technology Preview von Windows Azure hatte Microsoft bereits Ende 2008 vorgestellt.

Bislang stellt Microsoft Windows Azure als exklusives Hostingangebot ausschließlich in seinen zentralen Rechenzentren zur Verfügung. Das wird nicht von allen Kunden gleichermaßen goutiert - insbesondere in Deutschland sieht man dies in Hinblick auf den Datenschutz kritisch. Wie auch eine aktuelle Studie belegt, richten sich viele Bedenken von Anwendern hinsichtlich Cloud-Diensten vor allem gegen Schwächen in der Sicherheit und dem Datenschutz (siehe auch Cloud-Computing - Anwender misstrauen wichtigen Anbietern).

Bildergalerie:
Windows Azure Einsatzszenarien
Softwarehersteller stellt SAAS (Software as a Service) Anwendung bereit. (Quelle: Microsoft)
Windows Azure Einsatzszenarien
Softwarehersteller erweitert existierende Anwendung um Cloud Funktionalitäten (Quelle: Microsoft)
Windows Azure Einsatzszenarien
IT-Dienstleister baut Abteilungslösung für Mittelständler. (Quelle: Microsoft)
Windows Azure Einsatzszenarien
IT-Dienstleister baut eine integrierte Anwendung für Mittelständler. (Quelle: Microsoft)
Windows Azure Einsatzszenarien
Web-Agentur entwickelt Webpräsenz und Shop-System für großen Unternehmenskunden. (Quelle: Microsoft)
Windows Azure Einsatzszenarien
Web 2.0 Website / Startup. (Quelle: Microsoft)

In Zukunft soll sich Microsofts Strategie hinsichtlich des Hosting voraussichtlich ändern. In einem Gespräch mit den Kollegen von der Computerwoche erklärte Prashant Ketkar, weltweit verantwortlich für das Azure-Marketing, wie es mit Azure im Detail weitergehen soll. Für viele überraschend gab er dabei die Abkehr vom Exklusivmodell bekannt: "Wir werden Azure auch für Kunden und Partner öffnen. Auf Basis Cloud-fähiger Windows-Server können diese dann beispielsweise eine Private Cloud in ihren eigenen Rechenzentren installieren und betreiben." Zunächst seien dazu aber noch einige technische Hürden und Marketing-Fragen zu lösen.

IaaS und PaaS - Cloud Computing

Derzeit lassen sich die Cloud-Computing-Angebote unter anderem in zwei Gruppen einteilen: Infrastructure as a Service (IaaS) und Platform as a Service (PaaS).

Charakteristisches Merkmal von IaaS ist, dass hierbei eine virtuelle Maschine (VM) in der Cloud betrieben wird. Dabei setzt der Anwender die VM vorab mit Betriebssystem und allen benötigten Anwendungen auf und lädt sie anschließend auf den Server. Der Cloud-Dienstleister kümmert sich um den sicheren Betrieb der VM als Ganzes, für den störungsfreien Betrieb der Applikationen innerhalb der VM muss der Kunde sorgen.

Bei PaaS-Angeboten muss nur der Anwendungscode in das Cloud-System hochgeladen und konfiguriert werden. Die Verteilung beschränkt sich also auf ein Anwendungspaket, wie es der Entwickler erstellt. Das setzt voraus, dass alle Werkzeuge und Schnittstellen, die eine Anwendung für den Betrieb benötigt, bereits in der PaaS-Umgebung vorhanden sind.

Die Azure-Technik

Interessante Einblicke gab Ketkar in die technische Basis des Cloud-Systems: "Azure ist stark vereinfacht betrachtet nichts anderes als ein Windows Server plus Verwaltungskomponenten aus der System-Management-Suite System Center." Damit trat er dem Eindruck entgegen, wonach es sich um ein technisch weitgehend neuartiges System handle, das die Entwicklung komplett neuer Anwendungen erforderlich mache. Zwar habe man viele Elemente neu entwickelt und auch eine Reihe von neuen Programmierschnittstellen geschaffen, jedoch bestehe das Cloud-System im Kern aus Windows-Techniken.

Prashant Ketkar, bei Microsoft für das weltweite Marketing von Windows Azure zuständig: . "Wir werden Azure auch für Kunden und Partner öffnen."
Foto: Microsoft

Dass sich Azure im aktuellen Entwicklungsstand dennoch nicht wie ein herkömmliches Windows verhält, liegt in erster Linie an der neuen Architektur, die auf Service-Management und einfache Installation ausgelegt ist. "Uns ging es vor allem darum, die Anwendungsentwicklung von der Plattform zu entkoppeln und die Infrastruktur zu automatisieren", sagt Ketkar. Davon profitieren in erster Linie Entwickler, weil sie sich zukünftig keine Gedanken mehr über Verteilungs- und Administrationsaspekte ihrer Software im Unternehmensnetz machen müssen. Sollte sich beispielsweise die Nutzung einer Applikation stärker als erwartet entwickeln oder tritt zu bestimmten Zeiten eine extrem hohe Last auf, dann kümmert sich im Hintergrund die Azure-Plattform nach den Scale-out-Prinzipien um ein automatisches Hoch- oder Herunterskalieren der Systeme. Scale-out steht dabei für eine stufenlose Skalierung der Infrastruktur je nach der Auslastung einer Anwendung. Demgegenüber steht das klassische Scale-up für ein relativ starres Erweitern mit immer größeren beziehungsweise mehr Maschinen, die dann bei sinkender Nachfrage unausgelastet weiterlaufen.

SQL Azure

SQL Azure ist eine Cloud-Variante des Datenbanksystems Microsoft SQL Server. Daneben gibt es mit Windows Azure Storage eine weitere Form der Datenspeicherung mit Tabellen, Bobs und Queues. SQL Azure zeichnet sich durch folgende Features aus:

Nahtlose Migration von Windows Server auf Azure

Um diesen hohen Grad der Betriebs- und Provisioning-Automatisierung zu erreichen, müssen Azure-fähige Anwendungen derzeit gewisse formale Kriterien erfüllen. So sind Web-Standards einzuhalten, indem beispielsweise ein Silverlight-Frontend und eine SQL-Azure-Datenbank im Backend zum Einsatz kommen. Azure-Applikationen werden dabei nach einem einheitlichen Paketierungsverfahren in die Cloud hochgeladen, wo sie sich in die Mechanismen zur automatischen Verwaltung und Skalierung einklinken.

Die Beschränkungen bezüglich der Anwendungsarchitektur sind dem aktuellen Entwicklungsstand geschuldet, betont Ketkar. Langfristig laute das Ziel aber ganz klar, dass es weder für Entwickler noch für Anwender einen Unterschied zwischen der Online- und der Offline-Plattform geben soll: "Wir arbeiten an einer Brücke, die eine nahtlose Migration von Windows-Server-Anwendungen auf Azure ermöglicht. In Zukunft wird es egal sein, ob eine Anwendung lokal, also On Premise, oder in der Cloud installiert wird." Doch derzeit ist das noch Zukunftsmusik, da eine Reihe technischer Unterschiede zwischen einem lokalen Windows Server und Azure existieren. Organisatorisch haben die Redmonder die Weichen für diese Verschmelzung aber schon gestellt, indem sie im vergangenen November die Entwicklungsabteilungen für Windows Server und Azure zusammenlegten.

Derzeit nicht möglich ist der Betrieb von klassischen Windows-Desktop-Applikationen auf Azure. Als Lösungsansatz würde sich ein Applikations-Hosting auf Terminal-Server-Basis anbieten, wie es beim alten ASP-Modell praktiziert wurde. Hierbei steigt jedoch der Speicherbedarf auf den Servern enorm, da für jede Benutzersitzung das Basis-Image einer Betriebssystem-Instanz geladen wird. Denkbar wäre laut Ketkar, künftig eine Virtual-Machine-(VM-)Rolle in Azure zu implementieren, die der Administrator als Terminal-Server konfiguriert. Konkret geplant ist hingegen die Option, komplette Windows Server aus dem unternehmenseigenen Rechenzentrum auf Azure und zurück zu migrieren.

Neben der Betriebsplattform wird Microsoft auch andere Produktbereiche zunehmend Cloud-orientiert ausrichten. Exchange 2010 wurde laut Ketkar bereits auf Scale-out-Fähigkeit getrimmt und lässt sich so in On-Premise- und Cloud-Umgebungen flexibel einsetzen. Im Zuge der neuen konzernweiten Cloud-Strategie seien alle Produktgruppen angehalten, ihr Portfolio auf Cloud-Möglichkeiten zu überprüfen. "Wir werden Azure nicht nur als ein Platform-as-a-Service-Angebot unseren Kunden zur Verfügung stellen, sondern Schritt für Schritt auch unsere Anwendungen darauf portieren. Die gehosteten Office-Services BPOS sind dabei erst ein Anfang."

Praxisbeispiele für Azure

Eine Reihe von deutschen Unternehmen hat inzwischen erste Erfahrungen mit Windows Azure sammeln können.

Höltl PosFlow 5.0: Kassensystem aus der Cloud.
Foto: Malte Jeschke

So beispielsweise die Höltl Retail Solutions in Bad Hersfeld, die sich auf ERP-Systeme für den Einzelhandel spezialisiert hat. Höltl entwickelte ein neues Kassensystem auf Cloud-Basis mit einem Silverlight-Client. Im Unterschied zu herkömmlichen Kassen fällt bei diesem System die Hardwareinstallation beim Kunden flach. Wo bisher ein Techniker zum Kunden fahren und vor Ort PC-Kassen installieren und konfigurieren musste, reicht heute die Eingabe einer URL auf einem beliebigen Browser-Client. Damit lädt sich die Kassenoberfläche aus dem Netz, die Geschäftslogik läuft im Azure-Rechenzentrum.

Im Siemens-Konzern hat die Tochter Siemens IT Solutions und Services (SIS) auf AzureBasis eine neue Generation ihrer Software-Management-Plattform cRSP entwickelt. Sie dient der ferngesteuerten Softwareverteilung und -wartung für etwa 80.000 von Siemens weltweit installierte Apparate und Anlagen vom Kraftwerksbau bis zur Medizintechnik. Da die Betreuung der Installationen über bisherige VPN-Verbindungen einen enormen Ausbau der Infrastruktur erfordert hätte, wurde die Architektur auf ein Cloud-System umgestellt. Installationspakete werden hierbei zentral in einer SQL-Azure-Datenbank gespeichert und über Internet-Verbindungen an lokale Verteil-Server ausgebracht. Unter anderem entfällt die direkte Verbindung der Endgeräte mit dem Rechenzentrum. Siemens verspricht sich niedrigere Kosten, da die Infrastruktur bei Lastspitzen hochskaliert und bei niedriger Auslastung nur wenige Ressourcen in Anspruch nimmt. (mje)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche.