Windows 2000 Status Check

03.06.2000 von Mike Hartmann
Windows 2000 steht laut Microsoft kurz vor der Vollendung. Ist diese Aussage realistisch, was ist neu an der Jahrtausend-Edition, lohnt sich das Warten und für wen lohnt sich der Umstieg?

Nach wie vor hält Microsoft an seiner Roadmap für Windows 2000 fest, den designierten Nachfolger von Windows NT bis zum Jahresende herauszubringen. Bis zum 9. Dezember will der Softwaregigant aus Redmond alle schwerwiegenden Bugs behoben haben. Dann soll das neue Betriebssystem in die Produktion gehen. Allerdings wird sich Microsoft "nicht drängen lassen. Es gibt keinen Grund, Windows 2000 auszuliefern, bevor es absolut richtig ist", so Steve Ballmer, Präsident von Microsoft, auf der ITxpo 99. Selbst CEO Bill Gates hat auf der DirectConnect Konferenz von Dell angekündigt: "Wir sind ziemlich sicher, dass die Builds bis Ende des Jahres fertig werden". Auch hier schwingt schon die Ankündigung mit, dass es vielleicht doch nichts mehr werden könnte. Ein wichtiger Punkt bei Windows 2000 ist nämlich noch nicht zufrieden stellend geklärt: Die Kompatibilität mit bestehenden Windows-Anwendungen. Hier ist man laut Aussage von Brian Valentine, Vizepräsident und Leiter der Entwicklungsabteilung von Windows 2000, noch "knapp 15 Prozent unter Plan". Das heißt, es laufen bei weitem noch nicht alle Schlüsselapplikationen unter Windows 2000 und das kann sich Microsoft nicht erlauben, wenn das neue Windows ein Erfolg werden soll.

Im Februar in den Regalen

Selbst wenn Microsoft dennoch bis Ende des Jahres fertig wird, und das könnte man in Redmond ohne direkt zu lügen als Einhaltung des Release-Datums bezeichnen, kommt Windows 2000 wohl nicht vor Mitte Februar in die Läden. Bei Windows 98 hat es vom so genannten RTM (Ready to Manufacturing) bis zum fertigen Produkt im Laden noch glatte sechs Wochen gedauert.

Kritische Stimmen behaupten, dass es Microsoft sogar gar nicht mal unrecht ist, wenn Windows 2000 erst im Februar im Laden steht. Immerhin dürften sich mindestens die ersten zwei Wochen des neuen Jahres mit einem ganz anderen Thema beschäftigen, nämlich den Folgen der Jahrtausendwende. Im Februar dagegen kann sich Microsoft ziemlich sicher sein, im Fokus der Presse zu stehen.

Ein anderer Faktor ist allerdings Microsofts Reputation bei den Enterprise-Kunden: Endkunden haben sich vielleicht inzwischen daran gewöhnt, dass die Gates-Mannschaft bei den Features gern zu viel verspricht, aber bei den Lieferterminen nicht mithalten kann. In den großen Firmen dagegen ist man nicht so tolerant. Microsoft wird sich dann sehr schwer tun, Windows 2000 auch im Enterprise oder bei den Serviceprovidern für Applikations-Hosting unterzubringen.

Versteckte Kosten und Lizenzpolitik

Bei den effektiven Kosten für die Implementation von Windows 2000 im Unternehmen (TCO) streiten sich die Geister. Die Giga Information Group erwartet eine Kostenreduzierung durch Windows 2000, auch wenn wegen der höheren Hardwareanforderungen neue Rechner angeschafft werden müssten. Ähnliche Ergebnisse liefert Andersen Consulting, eine von Microsoft beauftragte Firma. Gartner dagegen prophezeit deutlich höhere Kosten, vor allem auf Grund einer vermuteten Änderung in der Lizenzpolitik von Microsoft.

Diese Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, immerhin sind im Zuge des Kartellrechtsprozesses einige Dokumente ans Tageslicht gekommen, die zeigen, dass Microsoft schon seit Jahren eine Art Softwareleasing in Erwägung zieht. Dieses hat Steve Ballmer nun kürzlich auf der Gartner-Konferenz in Florida erneut aufs Parkett gebracht. Er sagte auch: "Microsoft wird nicht mehr sehr lange Softwarepakete als solche verkaufen, sondern versuchen Geld mit einem automatisierten webbasierten Dienst zu verdienen." Er sei sich jedoch nicht sicher, ob Benutzer Software mieten würden oder anhand der Benutzung zahlen.

Bei Licht betrachtet hätte ein solches Modell einen echten Vorteil: Wenn man irgendwann zu dem Schluss gelangt, dass Microsofts Software doch nicht das Wahre ist, kann man bedenkenlos umsteigen und hat nicht ein teures Softwarepaket im Schrank stehen. Besonders für Firmen könnte das interessant sein, weil eine Änderung in der IT-Struktur dann nicht zu totem Kapital führt. Zudem sind die anfänglichen Kosten geringer, weil nicht gleich der komplette Betrag für das Betriebssystem auf den Tisch gelegt werden muss.

Den endgültigen Preis für die verschiedenen Versionen von Windows 2000 wird Microsoft jedoch erst bei Erscheinen bekannt geben. Bis dahin lässt sich nichts Genaues über die Kosten für die Implementation von Windows 2000 im Unternehmen sagen.

Neue Features - Hardware

Der Fokus liegt bei Windows 2000 auf dem Wort "einfacher": einfachere Benutzerschnittstelle, einfachere Netzwerkanbindung und einfachere Hardwarekonfiguration. Viel ist dabei von Windows 98 in das neue Betriebssystem eingeflossen. Auf der anderen Seite finden sich bewährte Strukturen von Windows NT in Windows 2000 wieder, um Stabilität und Sicherheit zu erreichen.

Die erste Verbesserung zeigt sich bereits bei der Installation von Windows 2000. Die Hardwareerkennung läuft deutlich flüssiger und kommt jetzt auch mit PnP-ISA- und AGP-Karten zurecht. Die ursprüngliche Ankündigung von Microsoft, Windows 2000 werde hinsichtlich der unterstützten Hardware eine Obermenge von Windows 98 sein, hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Es gibt - besonders im Bereich TV-Karten und andere Multimediageräte - noch eine ganze Reihe von Lücken zu schließen. Hier könnte das Windows Driver Model (WDM) eine große Hilfe sein. Über diese neue API ermöglicht es Microsoft den Hardwareherstellern, Treiber für Windows 98 zu entwickeln, die auch unter Windows 2000 laufen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis eine ausreichend große Anzahl an Treibern vorhanden ist. Die aktuelle Liste (452 KByte) unterstützter Hardware findet sich in der HCL von Microsoft.

Eine weitere Verbesserung betrifft USB: Es ist jetzt endlich im Betriebssystem integriert und die Treiber für neue USB-Geräte lassen sich ohne Neustart installieren.

Auch bei der Verwaltung der Geräte hat sich einiges getan: Microsoft hat den äußerst rudimentären Gerätemanager von Windows NT endlich in der Mottenkiste verschwinden lassen und durch ein Programm ersetzt, das an den Manager von Windows 98 angelehnt ist.

Windows 2000 für den Laptop

Für den mobilen Einsatz ist Windows 2000 nun ebenfalls etwas besser geeignet. Cardbus findet sich endlich in der Liste unterstützter Hardware, auch hier lassen sich die Karten im Betrieb ohne Neustart austauschen. Die wichtigste Neuerung für Laptopnutzer ist allerdings ACPI . Damit können Anwender ihren mobilen Rechner wie bei Windows 9x für verschiedene Szenarien konfigurieren, um den Stromverbrauch unterwegs zu reduzieren. Die aktuelle Beta verwendet allerdings zur Erkennung von ACPI das Datum des BIOS. Bei einem Datum nach dem 1.1.99 nimmt Windows 2000 an, dass der Rechner über ACPI verfügt. Ist das jedoch nicht der Fall, gibt es einen Crash. Ein weiteres Problem für Laptopbesitzer: die hohen Hardwareanforderungen. Notebooks mit PII-300 und 64 (128 sind deutlich besser) MByte RAM sind immer noch nicht ganz billig.

Für Spieler ist der mitgelieferte Support für DirectX 7.0 recht interessant. Allerdings gibt es auch hier einige Einschränkungen: Erstens gibt es das Problem mangelnder Hardwareunterstützung (gerade bei 3D-Karten) und zweitens überprüfen viele Spiele gezielt auf Windows 9x oder DirectX 6. Letzteres hat eine Versionsnummer von 4.x, während DirectX 7 eine Versionsnummer von 5.x meldet.

Neue Features - Dateisysteme

Das bereits bewährte Dateisystem NTFS hat Microsoft einigen Veränderungen unterzogen. Wichtigste Neuerung: Echtzeitverschlüsselung für lokale Dateien. Bisher war es mit Tools wie NTFSDos möglich, DOS zu booten und dann vollen Zugriff auf die NTFS-Partition zu erhalten. EFS (Encrypted File System) verschlüsselt die Dateien auf der Platte und ohne den richtigen Schlüssel ist kein Zugriff mehr möglich. Dieser Schutz lässt sich, ähnlich wie die Komprimierung, auf Dateiebene einstellen. Auch auf Partitionen mit dem FAT32-Dateisystem kann Windows 2000 nun zugreifen. Zudem gibt es endlich ein Defragmentierungstool. Dabei handelt es sich um eine abgespeckte Version des Diskeepers von Executive Software.

Über das schon für NT 4 als Add-on erhältliche Distributed Filesystem (DFS) können Administratoren mehrere Shares zu einem Großen zusammenfassen und freigeben. Das lässt sich auch lokal anwenden, wie es beispielsweise unter Unix per Mount in ein Unterverzeichnis schon lange möglich ist. Der große Vorteil: langwieriges Hantieren mit unzähligen Laufwerksbuchstaben entfällt.

Ein verbesserter Indexdienst analysiert die auf dem Rechner gespeicherten Daten und ermöglicht umfangreiche Suchfunktionen. So lässt sich beispielsweise nicht nur nach Inhalten Suchen, sondern auch nach Eigenschaften von Dokumenten, wie etwa dem Namen des Autors. Der Dienst schließt alle Dokumente mit ein, für die ein entsprechender Filter vorliegt, darunter Officedokumente, HTML-Seiten oder Internetmails.

Oberfläche und Softwareinstallationen

Die Oberfläche von Windows 2000 ist nach wie vor stark an die von Windows 9x angelehnt. Einige Änderungen fallen jedoch sofort ins Auge. Das Startmenü beispielsweise merkt sich, ähnlich wie Office 2000, welche Menüs selten verwendet werden. Diese versteckt es dann, sodass das Menü deutlich aufgeräumter aussieht. Bei Bedarf lassen sich die Menüs wieder hervorholen wie bei Office 2000.

Bisher war bei NT4 die Installation neuer Software häufig ein Vabanquespiel. Manche Software will etwa partout bestimmte Systemtreiber "auf den neuesten Stand bringen", das Resultat ist allerdings oft ein ganz anderes: Das System läuft gar nicht mehr. Windows 2000 überwacht seine Systemdateien und lässt ein Überschreiben nicht zu. Spinnt trotzdem mal ein Treiber und 2000 startet nicht mehr, gibt es nun endlich den abgesicherten Modus oder im Extremfall sogar eine Konsole (SRC, System Recovery Console). Über diese lassen sich Systemdateien auch auf NTFS-Partitionen manipulieren. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich ein zusätzliches NT auf dem Rechner installieren musste, um im Notfall das richtige NT zu warten.

Für Anfänger interessant, für Fortgeschrittene oft ein Dorn im Auge: Ähnlich wie Office 2000 drängt auch Windows 2000 bei jeder Gelegenheit seine Hilfe per Assistent auf.

Neue Features - Netzwerk

Auch im Netzwerkbereich hat Microsoft einiges bei Windows 2000 verbessert. Wichtigstes Feature hier: Der Remote Installation Server für die Installation von Clientstationen über das Netzwerk. Der Vorgang dabei ist unkompliziert. Über ein Hilfsprogramm erzeugt man eine Imagedatei auf dem Server und eine Bootdiskette. Letztere übernimmt vollautomatisch die Installation des Betriebssystems auf dem Client. Dabei ist der RIS nicht nur auf Windows-Betriebssysteme beschränkt. Ähnliches bietet Windows 2000 auch für Softwarepakete.

Ein häufiges Ärgernis für Administratoren sind Benutzer, die ständig ihr Home-Verzeichnis auf dem Server für alle Möglichen Zwecke missbrauchen und dabei den Festplattenplatz des Servers verbrauchen. Mit den neuen Disc Quotas lassen sich nun, wie bereits bei Unix oder Netware, Kontingente zuweisen, deren Überschreitung der Server nicht zulässt.

Auf dem Weg zu offenen Standards, hat Microsoft Unterstützung für Kerberos in 2000 integriert, einen Standard unter den Protokollen zur Authentisierung in Netzwerken. Dazu kommt das neue Active Directory (AD), der Verzeichnisdienst von Microsoft. AD erlaubt die einfache Verwaltung und Suche von Benutzern und Ressourcen im Netzwerk. Die Public Key Infrastructure (PKI) hilft bei der Verwaltung und Authentisierung von öffentlichen Schlüsseln, über die sich beispielsweise E-Mails oder Dateien sichern lassen.

Management von Windows 2000

Auch wenn der Begriff Microsoft Management Console (MMC) bei manchen Administratoren ein müdes Lächeln hervorruft, ist sie jetzt standardmäßig bei Windows 2000 dabei. Unter Windows NT war der Versuch von Microsoft misslungen: Die Integration der Verwaltungstools war nicht so weit fortgeschritten, wie Microsoft in Ankündigungen glauben machen wollte. Jetzt ist das anders: Die MMC ist ein zentrales Tool zur Verwaltung von Servern und Diensten. Über Snap-ins lassen sich beliebige weitere Module einbinden, etwa von Drittherstellern.

Zwei Features, auf die sich viele Benutzer gefreut haben, hat Microsoft allerdings wieder aus Windows 2000 herausgenommen. Die In Memory Database war scheinbar beim besten Willen nicht mehr bis zum geplanten Release realisierbar. Von der Konzeption her arbeiten diese Datenbanken wie ein Memory Mapped File, also eine Datei, die direkt in einen Speicherbereich eingeblendet wird. Daraus hätte ein erheblich schnellerer Zugriff auf die Datenbank erfolgen können.

Auch der Load Balancing Support für COM+ (CLB) ist, entgegen früherer Ankündigungen, nicht mehr in Windows 2000 Advanced Server und Datacenter Server drin. Er soll stattdessen in den zukünftigen AppCenter Server integriert werden. CLB ermöglicht die Lastverteilung eines COM-Objekts auf mehrere Server.

Windows-2000-Versionen

Es wird folgende Versionen von Windows 2000 geben:

Windows 2000 Professional

Das ist der Ersatz für Windows NT Workstation. Hauptsächliches Einsatzgebiet sind nach Microsofts Konzeption Computer in Unternehmen. Es unterstützt maximal zwei Prozessoren und vier GByte RAM.

Die Professional Edition ist nicht direkt an den Endanwender gerichtet. Die relativ hohen Hardwareanforderungen (PII-233, 64 MByte RAM) sowie die noch nicht in ausreichender Anzahl verfügbaren Treiber für Multimediageräte dürften die Hauptgründe dafür sein. Das nächste Windows für Verbraucher wird vorerst Millennium sein, das weiterhin auf dem Kernel von Windows 98 basiert und noch im Jahr 2000 erscheinen soll. Erst die nächste Version, Codename Neptune, wird auf Windows 2000 basieren. Voraussichtliches Release-Datum ist Anfang 2001.

Windows 2000 Server

Das ist der Ersatz für Windows NT Server. Diese Variante von Windows 2000 soll als Server in kleinen bis mittleren Unternehmen dienen. Wie der bisherige NT Server unterstützt diese Version bis zu vier Prozessoren, entgegen Microsofts ursprünglichen Plänen, nur zwei zu unterstützen.

Windows 2000 Advanced Server

Vormals die Enterprise Edition von Windows NT. Diese Version ist für große Netzwerke mit vielen Benutzern gedacht. Er unterstützt acht Prozessoren (geplant waren ursprünglich vier) und acht GByte RAM. Wichtigstes Feature ist das Clustering in Form einer Two-Node-Failover-Konfiguration. Dabei lassen sich zwei Server zusammenschalten, sodass sie für die Benutzer wie einer erscheinen. Ein Ausfall eines der beiden Systeme macht sich also nicht bemerkbar. Speziell programmierte Applikationen kann der Cluster Server ebenfalls automatisch wieder starten. Neu ist auch das Load Balancing, das Microsoft von Valence Research übernommen hat. Einer Firma, die Microsoft 1998 gekauft hat. Load Balancing verteilt eingehende IP-Anfragen wie beispielsweise HTTP oder FTP auf verschiedene Rechner, sodass keiner überlastet wird. Bis zu 32 Systeme lassen sich derart zusammenschließen, um bessere Antwortzeiten zu ermöglichen und die Ausfallsicherheit von IP-Diensten zu erhöhen.

Windows 2000 Datacenter Server

Mit dem Datacenter Server stößt Microsoft in einen Anwendungsbereich vor, der bisher Unix-Maschinen vorbehalten blieb. Es kann Server-Cluster mit bis zu vier Rechnern verwalten. Theoretisch kann das System mit bis zu 32 Prozessoren umgehen und bis zu 64 GByte RAM adressieren. Diese Rechenleistung wird im Allgemeinen in Datawarehouses oder bei Online-Transaktionssystemen gebraucht. Auch Administratoren große Netzwerke, die ihre Server konsolidieren wollen, sind Zielgruppe dieses Produkts. Der Datacenter Server wird nicht zusammen mit den anderen drei Produkten ausgeliefert, sondern erst 90 bis 120 Tage später.

Das bisher als Terminal Server Edition separat verkaufte Produkt wird in alle Serverprodukte integriert. Darüber lassen sich Thin Clients ins Netz einbinden. Applikationssoftware, wie etwa Office, läuft auf dem Server und die Clients erhalten lediglich die Bildschirmausgabe der Anwendung. (mha)