Will IBM seine PC-Sparte verkaufen?

03.12.2004 von Rainer Doering
Einem Bericht der New York Times zufolge will IBM sein PC-Geschäft an den chinesischen PC-Anbieter Lenovo (ehemals Legend) verkaufen. Edward Barbini, Sprecher von Big Blue, sagte, das Unternehmen äußere sich grundsätzlich nicht zu Gerüchten und Spekulationen.

Das US-amerikanische Blatt bezieht sich auf Quellen, die mit den Verhandlungen zwischen IBM und Lenovo eng vertraut seien. Danach ist der weltgrößte Computerkonzern in ernsthaften Diskussionen mit dem größten chinesischen Anbieter von PCs. Außerdem soll es noch mindestens einen weiteren Interessenten für IBMs PC-Division geben.

Gerüchte über eine Abstoßung des PC-Geschäfts von Big Blue gab es schon seit Jahren, denn dieses Produktsegment generiert nur minimale Gewinnmargen, wenn nicht gar Verluste. Allerdings hatte sich im gerade abgelaufenen dritten Quartal die Geschäftssituation bei PCs (Desktops, Notebooks etc.) deutlich verbessert. Das Unternehmen konnte in diesem Segment 3,3 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaften und arbeitet profitabel.

Allerdings ist dies - über die vergangenen Jahre gesehen - eher die Ausnahme von der Regel. Im Geschäftsjahr 2003 (Ende: 31. Dezember 2003) musste IBM bei der Personal Systems Group einen Vorsteuerverlust von 118 Millionen US-Dollar hinnehmen. Im Jahr zuvor erwirtschaftete das Unternehmen zwar einen minimalen Vorsteuergewinn von 57 Millionen US-Dollar, was bei einem Umsatz von knapp 11,1 Milliarden US-Dollar einer zu vernachlässigenden Gewinnmarge von 0,5 Prozent gleichkommt. Im Jahr 2001 aber hatte IBM bei einem höheren Umsatz in der Personal Systems Group (knapp 12 Milliarden US-Dollar) einen Vorsteuerverlust von 153 Millionen US-Dollar erlitten.

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Ziel: Konsolidierung

Gemäß der Politik von Firmenchef Samuel Palmisano, der schwächelnde Unternehmensteile mit wenig Gewinn oder gar Verlust aussortiert, geben die jetzigen Gerüchte Sinn. IBM hat seinen weltweiten Marktanteil im PC-Segment in den vergangenen Jahren nicht steigern können, sondern sogar Boden verloren. Hinter dem Marktführer Dell mit 16,8 Prozent und Hewlett-Packard, dessen 15-Prozent-Anteil nicht unwesentlich auf die Fusion mit Compaq zurückzuführen ist, liegt Big Blue nach Zahlen der Marktforscher von Gartner mit lediglich 5,6 weltweitem Anteil abgeschlagen auf Rang drei der PC-Anbieter.

Palmisano hatte bereits im Januar 2002 die Herstellung der PCs an den kalifornischen Auftragsfertiger Sanmina-SCI ausgelagert. Davor ließ Big Blue zudem einzelne Notebooks-Serien - wie andere PC-Hersteller auch - in Taiwan zusammenbauen. Das Unternehmen behielt sich noch das Design und die Produktspezifizierungen vor. Der IBM-Chef hatte sich zudem vom Massenspeichergeschäft verabschiedet und diese Division an Hitachi verkauft.

Dafür konzentrierte er sich - ganz im Sinn seines Vorgängers Louis Gerstner - auf das Geschäft mit Dienstleistungen. Diese Unternehmenssparte erwirtschaftet mittlerweile fast 50 Prozent der gesamten Firmenumsätze. 2003 erzielte die Global Services Divison einen Umsatz von 45,5 Milliarden US-Dollar. Insgesamt kam IBM 2003 auf 96,66 Milliarden US-Dollar Umsatz. Um sich im Services-Geschäft zu verstärken hätte IBM im Oktober 2002 die Beratungssparte von PricewatersCoopers für 3,5 Milliarden US-Dollar gekauft.

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PC-Geschäft allgemein ertragsschwach

Gartner-Analystin Leslie Fiering, Research Vice President bei Gartners Client Platforms Group, hatte zudem gerade erst in einer Studie vorhergesagt, dass unter den zehn größten PC-Anbietern weltweit das große Sterben losgehen werde. Bis 2007 werden sich nach Fierings Meinung drei der großen PC-Hersteller wegen allgemein zu erwartender Umsatz- und Gewinnrückgänge im PC-Markt aus diesem Segment verabschieden.

Nach Gartners Markterhebungen sind momentan weltweit Dell, HP, IBM, Fujitsu/Fujitsu Siemens, Toshiba, Acer, NEC, Legend (= Lenovo), Gateway and Apple die zehn größten PC-Hersteller. Von diesen Top-Ten-Anbietern konnte nur ein einziges Unternehmen, Dell, in den vergangenen Jahren in jedem Quartal Profite ausweisen.

Gefährdet sind nach Ansicht von Gartner-Analystin Fiering insbesondere die PC-Divisionen von Hewlett-Packard und IBM. Wenn deren geringe Profitmargen und Gewinne beziehungsweise ihre Verluste von den jeweiligen Mutterkonzernen nicht mehr toleriert würden, dann liege eine Ausgliederung nahe. Zumindest für die PC-Sparte der IBM könnte dieser Zeitpunkt jetzt gekommen sein. (Jan-Bernd Meyer/doe)

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