Business-Tauglichkeit hinterfragt

Wie sich Tablets im Business einsetzen lassen

07.08.2012 von Juergen Hill 
Egal, ob die Entscheidung für Apple oder das Android-Lager fällt: Ohne die richtige Software nützt die beste Hardware wenig. Wir haben die Exchange-Eignung sowie die Arbeit mit Office-Suiten und eigenen Apps untersucht.

Für das Business-Umfeld wird ein entsprechend konfiguriertes Tablet wohl vor allem zwei Anforderungen erfüllen müssen. Die eine ist die problemlose Anbindung an den Kommunikations-Workflow, der heute meistens über Exchange läuft. Das zweite Muss im Pflichtenheft für ein Enterprise-Tablet dürfte die Unterstützung von Microsoft-Office-Dokumenten sein - hier sowohl für Präsentationen beim Kunden als auch beim Bearbeiten von Dokumenten. Punkt drei auf der Liste sollte die Frage sein, ob und wie sich besondere Unternehmensapplikationen unterwegs auf den Tablets nutzen lassen.

Zumindest die erste Frage nach der Anbindung an Exchange ist in der Apple-Welt einfach zu beantworten: Seit der Betriebssystemversion iOS 5 bereitet sie keine Probleme mehr. Ob Replizierung von Mails, Kalendereinträgen oder Adressdaten oder die Arbeit mit der gerne in Unternehmen verwendeten "Global Adress List" (GAL): Apple-Anwender können nur Positives berichten. Die Zusammenarbeit mit der Exchange-Welt funktioniert auf Anhieb. Allerdings muss sich der Anwender an einigen Stellen an Apples Nomenklatur gewöhnen. So heißen etwa die von Outlook/Exchange her bekannten "Aufgaben" in der Apple-Welt "Erinnerungen". Sieht man davon einmal ab, kann man in Sachen Exchange-Anbindung in der Apple-Welt eigentlich nichts bemängeln. Und auch das immer wichtiger werdende "Autodiscover" funktioniert reibungslos. Bisher führte die Exchange-Autodiscover-Funktion eher ein Schattendasein und galt als Komfortmerkmal, da die Adresse eines Exchange-Servers auch von Hand eingegeben werden kann. Im Cloud-Zeitalter, in dem vermehrt "Hosted-Exchange"-Angebote wie etwa Office 365 genutzt werden, hat Autodiscover aber eine fundamentale Bedeutung: Führt beispielsweise Microsoft ein Loadbalancing durch, weil ein Cloud-Server überlastet ist, dann verbindet Autodiscover den Exchange-Benutzer automatisch mit dem neuen Server - zumindest in der iOS-Welt.

Bildergalerie: Benchmarks Sandy Bridge
Office2 HD
Cloud-Unterstützung Top, Bedienung Flop: So lässt sich Office² HD zusammenfassen. Dokumente lassen sich leicht zu Google Docs, Dropbox und weiteren Online-Speicherdiensten übertragen. Abstriche macht man als Anwender dafür bei der Handhabung.
Documents To Go Premium
Mit Word-, Excel- und Powerpoint-Dateien arbeitet Documents To Go anstandslos. Zurecht werben die Entwickler mit der starken Kompatibilität zu den Office-Formaten von Microsoft. Cloud-Features bietet die App en masse.
Quickoffice Pro HD
Quickoffice gibt es neben iOS auch für Android und Symbian. Dementsprechend handelt es sich um eine ausgereifte Office-Suite, der es jedoch noch an vielen Features mangelt, wie sie etwa unter Android zu finden sind.
Apple Pages
Apples Pages eignet sich nur für sehr einfache Textverarbeitung. Vor allem stört, dass vorhandene Word-Dokumente, die auf dem iPad weiterverarbeitet werden, ihre Formatvorlagen verlieren. Die Import- und Export-Funktion ist eingeschränkt und umständlich. Bilder, grafische Elemente und Tabellen lassen sich zwar sehr einfach einfügen, für eine professionelle Nutzung eignet sich Pages aber wenig. Die Funktionalität einer Desktop-Textverarbeitung sollte man sich beim Kauf der App somit nicht erwarten.
Apple Numbers
Numbers ist die Tabellenkalkulation der iWork-Suite. Die Bedienbarkeit ist gut, dafür sind die Exportmöglichkeiten eingeschränkt - insbesondere was die Kompatibilität mit Microsoft Office angeht.
Apple Keynote
In Keynote erstellen Sie Slideshows und präsentieren sie zugleich. Zusammen mit dem VGA- beziehungsweise HDMI-Adapter funktioniert auch der Präsentationsmodus. Dabei bleiben eigene Notizen auf dem iPad angezeigt, während die Präsentation normal weiterläuft.

Das Gros der Android-Anwender kann von dieser Funktionalität nur träumen. Hier rächt sich die Fragmentierung von Android in diverse Betriebssystemvarianten, verbunden mit dem Unwillen der Hersteller, Updates auf aktuelle Releases bereitzustellen. Die entsprechenden Änderungen an der Autodiscover-Funktion nahm Microsoft bereits Ende 2011 bei einem Update des Exchange-ActiveSync-Protokolls vor. Dass lediglich Geräte ab der Android-Version 4.0 Ice Cream Sandwich Autodiscover beherrschen, ist kein Ruhmesblatt für die Hersteller im Android-Lager. Auch sonst haben sich die Anbieter meist zu wenig um die Business-Tauglichkeit ihrer Geräte gekümmert - mal funktioniert die Synchronisierung eines Kalenders mit Exchange nicht fehlerfrei, mal werden Neueinträge im Adressbuch des Tablets nicht mit dem Exchange-Server repliziert. So groß wie die Vielzahl an Tablets ist auch die Zahl an Fehlermöglichkeiten, da hier jeder Hersteller sein eigenes Süppchen bei der Implementierung kocht. Deshalb sollte jedes einzelne Android-Tablet in Sachen Exchange auf Herz und Nieren geprüft werden.

Alternative Exchange-Clients

Oder es wird alternativ die "Exchange Suite" eines Drittherstellers wie Nitrodesk, Moxier oder Dataviz angeschafft. Hier schlägt der Administrator zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen muss er sich nicht mehr mit den unterschiedlichen Implementierungen der Hersteller herumärgern, zum anderen achten diese spezialisierten Anbieter im Gegensatz zu Samsung und Co. darauf, dass ihre Produkte mit den aktuellen Exchange-ActiveSync-Varianten reibungslos zusammenspielen. Ferner warten die Tools schon mit rudimentären Mobile-Device-Management-Funktionen auf sowie mit zahlreichen Einstellmöglichkeiten für die persönliche Arbeit mit Exchange.

In verschiedenen Tests kristallisierte sich "Touchdown" von Nitrodesk als unser Favorit heraus. Für Touchdown sprach die sehr stark am Desktop-Outlook orientierte Bedienung und optische Aufmachung der Benutzeroberfläche. Auf Platz zwei folgt Moxier Mail, das in unseren Augen zwar mit Touchdown generell mithalten kann, aber in den meisten Punkten ein wenig abfällt. Sicher sind hier aber auch die Geschmäcker unterschiedlich, weshalb es sich empfiehlt, die im Google-Play-Store erhältlichen Testversionen ausgiebig zu untersuchen. Wenig Begeisterung rief bei uns "RoadSync" von Dataviz hervor. Das Tool war im Vergleich zu den beiden Konkurrenten zu langsam (Synchronisation vieler Kalendereinträge oder Mails) und bei der Bedienung eher zäh.

Geht es um den Einsatz von Exchange auf dem Tablet, spricht insgesamt wenig für Android- und eine Menge für Apple-Geräte. Wer "out of the box" eine sorgenfreie Exchange-Anbindung sucht, ist hier richtig. Zwar bieten Touchdown oder "Moxier Mail" auf den Android-Tablets jede Menge Funktionalität, doch die erkauft sich der Anwender mit zusätzlichen Kosten und einigem Installationsaufwand.

Office-Dateien bearbeiten

Unentschieden - um es gleich vorwegzunehmen - fällt dagegen der Vergleich in unserer nächsten Disziplin aus. Weder auf Android- noch auf iOS-Tablets lassen sich Office-Dokumente vernünftig und verlustfrei verarbeiten. Wer das tun möchte, kommt auf Geschäftsreisen um das Notebook nicht herum. Selbst das richtige Präsentieren von fertigen Dokumenten stellt die eine oder andere App vor Riesenprobleme: So fehlen in PowerPoint-Präsentationen auf den Tablets plötzlich Bilder, Bullet Points in Aufzählungen werden falsch gesetzt, und Überblendeffekte zwischen Folien verschwinden.

Auch bei anderen Office-Produkten stellten sich Probleme ein. So stimmte etwa in Word-Dokumenten mit eingebetteten Fotos und Stilelementen wie Überschriften und Zwischenüberschriften das Seitenlayout nicht mehr, und Formatierungen fehlten. Excel-Dateien vergaßen Dropdown-Listen und teilweise berechnende Verknüpfungen zwischen den Zellen einer Tabelle. Für viel Ärger sorgten zudem unsere Makros, die auf den Tablets meist nicht funktionierten.

Externe Tastatur unerlässlich

Zudem sollte eine Grundvoraussetzung nicht vergessen werden: Für das produktive Arbeiten mit den Office-Apps ist eine externe Tastatur unerlässlich. Ferner sollten iPad-Benutzer auf einen Online-Speicher wie etwa Apples iCloud zugreifen können, um den störrischen Datenaustausch über das von vielen ungeliebte iTunes zu umgehen.

Eine klare Empfehlung für die eine oder andere Office-Suite auszusprechen fällt schwer. Egal ob Office² HD von Byte Squared, Documents To Go Premium von Dataviz, Quickoffice Pro HD oder Pages, Numbers und Keynote von Apple - alle haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Die Office-Apps von Apple sind am besten zu bedienen, dafür fehlt es ihnen aber an Office-Kompatibilität und Cloud-Support - nur iCloud ist möglich. Bei den anderen getesteten Apps verhält es sich umgekehrt. Viele Cloud-Features lassen sich kaum nutzen. Letztendlich muss sich eine Entscheidung an den eigenen Prioritäten orientieren. Wer auf Bedienbarkeit Wert legt, liegt bei den Apple-Apps Pages, Numbers und Keynote richtig. Wer auf möglichst große Office-Kompatibilität oder Cloud-Unterstützung angewiesen ist, fährt beispielsweise mit Office² HD besser.

Mangelhafte Office-Suiten

Ein ähnliches Bild ergibt sich in der Android-Welt, wo eine externe Tastatur zum Arbeiten ebenfalls unverzichtbar ist. Allerdings kristallisierte sich bei unseren Versuchen mit Quickoffice Pro ein klarer Favorit heraus. Für die Suite spricht im Vergleich zur Konkurrenz die klare Anordnung der Menüs. Ansonsten patzte Quickoffice Pro ebenso wie ThinkFree Office oder Document To Go bei etlichen Formatierungen. Letztlich gibt auch hier wieder der persönliche Bedienungsgeschmack den Ausschlag. Bei Googles eigener Office-Suite (früher als Google Docs bekannt), jetzt mit Google Drive verknüpft, sollte der Anwender bedenken, dass er "always on" sein müsste, um vernünftig arbeiten zu können. Gerade bei den Tablets, die nicht immer mit einer Mobilfunkkarte ausgerüstet sind, kann dies ein Problem sein.

Um unternehmensspezifische Anwendungen, egal ob aus dem CRM- oder ERP-Bereich oder anderen, zu nutzen, hat der Tablet-User häufig zwei Optionen: Die einfachste Möglichkeit ist, dass der Hersteller für Android und iOS spezielle Apps als Frontend offeriert. Hatte hier anfangs iOS klar die Nase vorn, so unterstützen mittlerweile viele Hersteller beide Plattformen.

Gibt es keinen nativen Support in Form von Apps, so wäre eventuell noch ein webbasierter Zugriff eine Alternative. Im Zuge der allgemeinen Web- und Java-Euphorie statteten fast alle Hersteller ihre Enterprise-Applikationen mit einem webbasierten Zugriff aus. iPad-User müssen hier allerdings mit der Tatsache leben, dass sich Apple bislang weigert, weit verbreitete De-facto-Standards (etwa Flash) zu unterstützen. An diesem Umstand ändert auch die Verwendung eines alternativen Browsers wie iCab Mobile nichts. Doch auch Adobe verabschiedet sich mit Android 4.1 Jelly Bean von der Flash-Unterstützung.

Unternehmens-Apps per Web

Auf eine deutlich breitere Palette an unterstützten Webtechniken kann der Android-Benutzer zugreifen. Hier ist die Frage, ob Flash oder nicht zumindest bis Android 4.0, kein Thema. In der Praxis haben wir mit dem Dolphin-Browser HD, Firefox sowie Opera gute Erfahrungen gesammelt. Allerdings ist auch hier erst eine Versuchsreihe angesagt, denn nicht jeder Browser unterstützt alle Web-Features.

Weder bei Android-Tablets noch beim iPad haben wir einen Browser gefunden, der beispielsweise Microsofts Silverlight unterstützt. Grundsätzlich sollten Unternehmen bei der Realisierung eines webbasierten Zugriffs auf ihre Anwendungen vermeiden, dass diese spezielle Browser-Plugins voraussetzen. Während in der Welt der PCs ein entsprechendes Plugin schnell gefunden ist, bereitet dies bei den Tablets Schwierigkeiten, oder es ist keines erhältlich.

Citrix als Alternative

Eine Alternative zum internetgestützten Zugriff auf Unternehmensanwendungen ist Citrix. Wie vom PC her gewohnt, kann auch auf dem Tablet auf die gehosteten Anwendungen zugegriffen werden. Sowohl auf dem iPad als auch auf einem Android-Tablet ist hierzu der Citrix Receiver erforderlich. Die App ist kostenlos im jeweiligen Market zu finden. Über den Citrix Receiver ließ sich selbst das komplexe, gehostete Redaktionssystem unserer Schwesterpublikation Computerwoche auf einem Tablet verwenden. Für Unternehmen, die bereits eine entsprechende virtualisierte Anwendungsumgebung fahren, ist dies also sicher die beste Wahl, um auf Tablets die eigenen Unternehmensanwendungen zu nutzen.

Fazit

Unter Anwendungsaspekten gibt es "das" richtige Tablet für den Business-Einsatz nicht. So ist Apples iPad zwar einfach in Exchange-Umgebungen zu integrieren, dafür bieten Android-Geräte mehr Freiheiten. Letztlich muss jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden: Vendor-Lockin und einfacher Rollout oder Freiheit bei teilweise aufwendiger Anpassungsarbeit?

Egal, wie die Plattformentscheidung ausfällt, wer unterwegs mit dem Tablet arbeiten will, kommt um eine externe Tastatur sowie einen Adapter für Fernseher oder Monitor nicht herum.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)