Berufsbild mit Perspektive

Wie man zum Web-Analysten wird

27.09.2013 von Hans Königes
Sie kennen sich im Controlling aus, sind in der Internet-Welt zu Hause - und begehrt: die Web-Analysten. Ein neues Kursangebot bildet Interessierte für diesen Beruf aus.

Ob Online-Shop oder eigener Internet-Auftritt - sie sind für Unternehmen und Institutionen als Vertriebs- und Kommunikationskanal unverzichtbar geworden. Damit gewinnt auch das Controlling der eigenen Website kontinuierlich an Bedeutung. Es gilt, die gesamte digitale Wertschöpfungskette zu analysieren und zu optimieren. Dazu zählen Usability-Analysen und Online-Marktforschung ebenso wie die Analysen von Online-Marketing-Kampagnen.

"Was jedoch fehlt, sind entsprechend ausgebildete Web-Analysten", beobachtet Anna Denejnaja, Leiterin der etracker Academy, die auf die Schulung dieser künftigen Web-Experten spezialisiert ist. Es mangele an Qualifizierungsangeboten für diese Berufsgruppe - vor allem im deutschen Sprachraum.

Anna Denejnaja, Leiterin etracker Academy: "Ein Web-Analyst sollte über Erfahrungen im Umgang mit Web-Analyse-Software verfügen und wissen, wie Online-Marketing-Kampagnen erfasst und ausgewertet werden".
Foto: etracker Academy

"Die Aufgabenbereiche eines Web-Analysten sind komplex, vielseitig und dem eines Controllers sehr ähnlich", skizziert Akademieleiterin Denejnaja das Kurzprofil. Seine Tätigkeiten gliederten sich in die vier Bereiche: Planung, Analyse, Reporting und Optimierung. Er entwickelt Konzepte und definiert die Erfolgskennzahlen (KPIs). Zudem analysiert er das Besucherverhalten sowie die Konversionsraten der Website und der Online-Marketing Aktivitäten, erstellt bedarfsgerechte Reports, gibt Handlungsempfehlungen und optimiert auf dieser Basis oft selbst die Website und die Online-Marketing-Aktivitäten. Darüber hinaus begleitet der Web-Analyst die Einführung einer geeigneten Software und gewährleistet, dass sämtliche unternehmensrelevanten Daten erfasst werden.

Neun Tipps für Web-Controlling
Neun Tipps fürs Web-Controlling
Das beste Marketing ist nutzlos, wenn Kunden auf eine unattraktive Website landen. Aber wie erfährt man, wie gut die eigene Site ist?
1.Keine Einmallösung
Etablieren Sie Web-Controlling als kontinuierlichen Prozess mit klaren Ressourcen und Verantwortlichkeiten.
2. Erst vebessern, dann werben
Beginnen Sie immer erst mit der Optimierung der Website, bevor Sie Besucher über teure Online-Marketing-Maßnahmen auf Ihre Website lenken.
3. Der dringendste Bedarf
Identifizieren Sie zuerst die kritischsten Stellen auf Ihrer Website anhand einer Analyse: Finden Sie heraus, auf welchen Einstiegsseiten Besuch häufiger verzweifeln. Auch Seiten mit unnatürlich vielen Ausstiegen, hohe Abbruchraten in Bestellprozessen oder Seiten mit sehr kurzen oder sehr langen Verweildauern sind Indikatoren für einen dringenden Optimierungsbedarf.
4.Die Feinanalyse
Beobachten Sie das Nutzerverhalten an den kritischen Stellen genauer - am besten durch Mouse-Tracking: Was nehmen die Besucher wirklich wahr, wie weit scrollen sie, welche Texte lesen sie, welche ignorieren sie, in welchen Formularfeldern zögern sie oder brechen sie ab?
5. Den Nutzer fragen
Optimieren Sie nicht nur die Kundenwandlungsrate ("Conversion Rate") und den Umsatz, sondern auch die Besucherzufriedenheit und -loyalität. Informationen darüber gewinnen Sie durch die kontinuierliche Befragung Ihrer Besucher. Nutzen Sie hierfür etablierte Marktforschungsmethoden, dann erhalten Sie zusätzliche Erkenntnisse über die Zufriedenheitstreiber, die Motivation oder die Soziodemografie Ihrer Besucher.
6. Die Mittel des Marketings
Erst wenn die Website optimiert ist und die Besucher hoch zufrieden sind, sollten Sie ins Online-Marketing investieren. Nutzen Sie dazu alle Möglichkeiten wie Newsletter, Affiliate-Marketing, Display- und Video-Advertising, Social Media etc. Ausschließlich Suchmaschinen-Optimierung (SEO) zu betreiben oder bezahlte Anzeigen in Suchmaschinen (Keyword-Advertising) zu schalten ist falsch. Beginnen Sie nicht mit zu kleinen Budgets - Einsparungen und gezielter Mitteleinsatz lassen sich später durch einen gezielteren Mitteleinsatz erreichen. Das ist in der Regel aber erst nach dem Test aller Kanäle praktikabel.
7. Kampagnen-Überwachung
Analysieren Sie sämtliche Kampagnen mit Hilfe eines Systems, das alle Kontaktpunkte eines Besuchers mit Ihren Werbemitteln und Ihrer Website erfasst. Neben der Konversionsrate sollten auch die Kampagnen-Kosten, -Umsätze und Renditen auf Artikelebene ausgewiesen werden. Achten Sie darauf, dass Kampagnen nicht nur nach statischen Attribuierungsmodellen bewertet werden. Wichtig ist es, die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Kampagnen zu analysieren. Nur so lassen sich Hebelwirkungen zwischen Werbeträgern ausnutzen und Budgets effizient verteilen.
8. Branchen-Benchmarks
Um die erzielten Ergebnisse und Verbesserungen einordnen zu können, reicht der Vergleich mit der früheren Leistung der eigenen Website nicht aus. Bessere Ergebnisse liefern Branchen-Benchmarks. Sie erlauben ein Urteil darüber, ob die Optimierungsmaßnahmen und das Online-Marketing auf oder über dem Niveau vergleichbarer Unternehmen liegen.
9. Die Kirsche auf der Sahne
Wenn alles zu Ihrer Zufriedenheit funktioniert, erweitern Sie Ihr Marketing um Targeting- und Retargeting-Maßnahmen. Das sind gezielte Werbemaßnahmen, die anhand des Nutzungsverhaltens eines Besuchers ausgesteuert werden, sich also an seinen Interessen orientieren. Denken Sie darüber hinaus auch in Richtung Offline-Marketing.

Aufgeben nicht nur im Online-Marketing

"Inzwischen spielt Web-Controlling nicht mehr nur für die Online-Marketing-Abteilung eine wesentliche Rolle", gibt Denejnaja zu bedenken. Der Web-Analyst arbeite eng mit anderen Abteilungen zusammen. Diese interdisziplinäre Tätigkeit spiegele sich auch in einer fehlenden Abteilungszugehörigkeit wieder.

So zeigt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsuniversität Wien, Department für Informationsverarbeitung und Prozessmanagement, dass eine eindeutige Zuordnung des Web-Analysten zu einer Abteilung noch nicht stattgefunden hat und Web-Analysten sowohl in eigenen Web-Analyse-Abteilungen als auch in E-Business-, Marketing- oder IT-Abteilungen angesiedelt sind.

"Ein Web-Analyst sollte über Erfahrungen im Umgang mit gängiger Web-Analyse-Software verfügen und wissen, wie Online-Marketing-Kampagnen erfasst und ausgewertet werden", ergänzt die Bildungsfrau das Berufsbild. Hinzu komme die Anforderung, statistische Auswertungen auch auf Rohdatenbasis mit speziellen Statistikprogrammen umzusetzen. Grundkenntnisse in Webtechnologien wie HTML, CSS, JavaScript, Ajax, PHP und XML seien von Vorteil, wenn es um die Implementierung und Umsetzung der Datenerfassung geht. "Neben einem starken Interesse an Online-Trends und -Themen sollte ein Web-Analyst eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes analytisches Denkvermögen besitzen", weiß Denejnaja. Er müsse komplexe Sachverhalte klar und verständlich darstellen können und ein interdisziplinärer Teamspieler sein.

Unternehmensweite Business Intelligence-Prozesse, in denen Web-Controlling Daten mit weiteren Daten aus anderen Abteilungen angereichert und verarbeitet werden, verdeutlichen, dass der Web-Analyst über den Tellerrand des Web-Controlling hinausschauen muss, so die Web-Frau. Auch der Bereich Predictive Analytics, also die Analyse von historischen Daten zur Identifizierung zukünftiger Unternehmenschancen und -risiken, werde sich in den kommenden Jahren verstärken. Statistische Verfahren, Modelle und Data- Mining-Prozesse rückten hierdurch noch stärker in den Vordergrund und "die Rolle des Web-Analysten wird die des zentralen Ansprechpartners im Unternehmen", ist Anna Denejnaja überzeugt.

Ein Weg zum Web-Analysten

Die Zertifizierungsprogramme zum Web-Analysten der etracker-Academy kombinieren Online-Seminare und Präsenzveranstaltungen. Innerhalb von zwei Wochen durchlaufen die Teilnehmer vier bis fünf Online-Kurse à zwei Stunden. Zusätzlich finden zwei Präsenztage statt, an denen auch eine Prüfung abgelegt werden kann. Im Rahmen der Zertifizierungslehrgänge erfahren die Teilnehmer, wie sie Websites und Online-Marketingkampagnen im Detail analysieren und optimieren. Als Grundlage dafür erlernen sie unter anderem anhand von Beipsielen den Umgang mit Werkzeugen aus den Bereichen Web-Analyse, Online-Marktforschung und Kampagnen-Analyse.