Abmahn-Riskio

Wie legal sind WLAN-Hotspots in Deutschland?

12.09.2015 von Friedrich Stiemer
Das eigene Drahtlosnetzwerk mit anderen zu teilen, bringt mobilen Surfern viele Vorteile. Wir zeigen hier, welche Möglichkeiten es gibt und wie die neueste Rechtslage in Sachen Störerhaftung ist.

In Zeiten von Volumen-Datentarifen, in denen Provider resolut nach verbrauchten Datenkontingenten die Surfgeschwindigkeit drosseln, sind kostenlose WLAN-Hotspots fast schon Balsam für Mobilnutzer. Doch mit der zunehmenden Verbreitung dieser Freifunk-Oasen spitzt sich auch die Gesetzeslage unangenehm zu, Stichwort Störerhaftung. Wir zeigen Ihnen Möglichkeiten, Ihr drahtloses Netzwerk mit anderen zu teilen und klären über den Status Quo der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland auf.

Deutschland, die Hotspot-Wüste

In Deutschland kommen auf v10.000 Einwohner kommen gerade einmal 1,87 Hotspots.

Leider ganz zu Recht muss sich Deutschland als „Hotspot-Wüste“ bezeichnen lassen. Denn im internationalen Vergleich hängt die Bundesrepublik deutlich hinterher, wie der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco e.V.) in einer Studie aus dem vierten Quartal 2014 beweist: Hierzulande stehen 15.108 frei zugängliche Hotspots zur Verfügung, was 1,87 Hotspots pro 10.000 Einwohner macht. Spitzenreiter sind Südkorea und England, die weit über 180.000 Gratis-Drahtlosnetzwerke im Land haben, was in Abhängigkeit zur Bevölkerung 37,35 respektive 28,67 Hotspots pro 10 000 Einwohner ergibt. Fairerweise soll aber auch erwähnt sein, dass unsere schwedischen Nachbarn in Sachen Freifunk noch weniger als wir in petto haben mit über 9.500 Hotspots – allerdings stehen aufgrund der geringeren Einwohnerzahl 9,94 Gratis-Zugänge pro 10.000 Bürger zur Verfügung.

Des Weiteren ist im Ausland auch der Zugang zu diesen Netzwerken möglichst einfach gehalten und setzt in der Regel nicht einmal eine Registrierung voraus. Hierzulande fast undenkbar, da die WLANs meist verschlüsselt sind und auch bei Gratis-Nutzung eine Registrierung voraussetzen. Doch trotz Anstrengungen zur Popularisierung von Hotspots verhindert die aktuelle Rechtsunsicherheit eine weitere Verbreitung von kostenfreien Hotspots. Anbieter und Betreiber sind sich schlussendlich nicht sicher, ob sie nun für eventuelle Straftaten der eingeloggten Nutzer haften müssen – oder nicht. Dieses Problem ist auch der Bundesregierung bekannt, weshalb das Abmildern der Störerhaftung auch Teil der Koalitionsvereinbarung aus dem Jahre 2013 ist. Übrigens ist diese Art der Haftung in anderen Ländern nicht bekannt.

WLAN-Hotspot-Betreiber haften für Dritte – oder nicht?

Der Bundesgerichtshof hat die Störerhaftung im Jahre 2004 folgendermaßen definiert: Störer ist derjenige, der, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beiträgt, und er kann daher als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (BGH I ZR 304/01; Seite 18). Im Klartext heißt das also, dass der Anbieter eines frei zugänglichen WLANs für Straftaten haftet, die unbekannte Dritte in seinem Netzwerk begehen. Dazu zählt zum Beispiel der illegale Download von urheberrechtlich geschützter Musik. Der Grund: Der Betreiber hat dem Täter die Infrastruktur, also in diesem Fall den Internetanschluss, bereitgestellt.

Im gleichen Urteil auf Seite 19 schränkt der BGH die Haftung jedoch wieder etwas ein: „Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist“. Und genau hier gibt es bereits die ersten Unsicherheiten, denn die Prüfpflichten sind nicht näher beschrieben. Reicht es nun aus, dass sich der WLAN-Nutzer vorab mit seinen Daten anmeldet? Oder müssen die Betreiber noch einen Schritt weiter gehen und das Surfverhalten protokollieren und speichern? Endgültig und rechtskräftig ist hier noch keine Entscheidung vorhanden. Diese Unwissenheit, um nicht in Rahmen der Störerhaftung rechtlich belangt zu werden, verhindert in den meisten Fällen die Verbreitung von Gratis-WLAN.

Wirtschaftsministerium mit neuen Gesetzentwürfen zum TMG

§ 8 des Telemediengesetzes besagt eine bedingte Haftungsfreistellung für Hotspot-Betreiber. Dafür muss man aber „zumutbare Maßnahmen“ ergreifen.

Mittlerweile hat sich die Rechtsprechung aber etwas mehr zugunsten der WLAN-Anbieter gewandt. Einige jüngere Urteile verweisen nämlich auf § 8 des Telemediengesetzes (TMG). Dort ist eine bedingte Haftungsfreistellung für Hotspot-Betreiber vorgesehen. Ein neuer sowie auf eigene Initiative hin entwickelter Referentenentwurf zur Änderung des TMG des Bundesministeriums für Wirtschaft sieht wiederum Folgendes vor: Hotspot-Betreiber sollen nur dann nicht für die Rechtswidrigkeiten Dritter haftbar sein, wenn sie „zumutbare Maßnahmen“ ergreifen, „um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern“. Um diesen Anspruch gerecht zu werden, müssen die Betreiber beispielsweise eine Verschlüsselung des Anschlusses vornehmen und vorab die Zustimmung des Nutzers einholen, dass er nichts Illegales im Drahtlosnetzwerk vorhat. Hier genügt beispielsweise eine vorgeschaltete Webseite mit den Nutzungsbedingungen, die der Nutzer mit Setzen eines Hakens akzeptieren muss.

In einer überarbeiteten Version des Entwurfs strich das Ministerium den umstrittenen Passus, dass private WLAN-Betreiber zusätzlich noch die Namen der Surfer kennen müssen, um einer Haftung zu entgehen. Nichtsdestotrotz sieht vor allem die Initiative „Freifunk statt Angst“ auch in der Überarbeitung „keinen wirklichen Fortschritt“ in Sachen WLAN-Rechtssicherheit, da immer noch Unklarheit über die Störerhaftung herrscht.

Private Hotspots für die Öffentlichkeit

Mit der Homespot-Option von Kabel Deutschland hat es der Anbieter hierzulande zum größten Anbieter von Hotspots geschafft, das 750.000 Zugänge umfasst.

Das größte Hotspot-Netz Deutschlands hat Kabel Deutschland nicht zuletzt dank konsequentem Ausbau auf die Beine gestellt. Etwas ungewöhnlich daran ist, dass der Provider neben eigenen Hotspots auch die WLANs von Firmen- und Privatkunden in ein Netz vereint, womit der Anbieter auf über 750.000 Hotspots kommt. Kabel Deutschland nennt diesen Service Homespot, bei der der Router mithilfe der SSID-Technik (Service Set IDentifier) ein weiteres virtuelles Netzwerk eröffnet. Die Nutzung dieser Netzwerke kostet Kunden von Kabel Deutschland bis zu 10 Euro im Monat, je nach bestehendem Vertrag. Ohne die Homespot-Option ist die tägliche Surf-Dauer auf 30 Minuten beschränkt, auch für Personen ohne laufenden Vertrag. Doch auch die Nichtkunden des Unternehmens können sich ins umfangreiche Hotspot-Netz einwählen, wenn sie rund 20 Euro im Monat bezahlen. Kabel Deutschland verspricht an den Homespots Geschwindigkeiten von 10 MBit/s. Der eigene Zugang soll dabei nicht beeinträchtigt sein, da der Provider diese Bandbreite noch einmal extra bereitstellt. Einmal gebucht, lässt sich der Dienst nur deaktivieren, wenn Sie den Router vom Strom nehmen. Natürlich ist es auch möglich, Homespot monatlich zu kündigen. Ein Zugriff vom öffentlichen auf das private Netzwerk soll nicht möglich sein.

Doch nun stellt sich die berechtigte Frage, wie es in diesem Falle mit der Störerhaftung aussieht. Bei den Homespots tritt Kabel Deutschland als Betreiber des Drahtlosnetzwerks auf und nimmt damit den Privatanschlüssen die Störerhaftung ab. Darüber hinaus erfolgt die Anmeldung zum Dienst über das Kundenportal, was eine Eingabe der persönlichen Daten erfordert. Somit ist es Kabel Deutschland auch möglich, Verbindungen zurückzuverfolgen. Auch die Telekom hat auf der Cebit 2015 einen ähnlichen Dienst angekündigt.

Mobile App Instabridge teilt Ihr WLAN mit anderen Nutzern

Die App Instabridge zeigt Ihnen verfügbare WLAN-Hotspots in Ihrer Nähe. Doch beim Thema Sicherheit und Anonymität müssen die Entwickler nachbessern.

Riskanter ist da die App namens Instabridge (für Android und iOS), die nach eigenen Angaben die „weltweit größte WLAN-Community“ besitzt, da es international rund drei Millionen Hotspots anbietet. In diese App tragen Sie Ihr eigenes WLAN ein, um es dann entweder nur Ihren Freunden oder auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Voraussetzung für den Zugang ist natürlich immer ein installiertes Instabridge. Damit sich Personen in Ihr Netzwerk einwählen können, müssen Sie einmalig Ihr WLAN-Passwort in der App eingeben. Instabridge speichert das Passwort auf unternehmenseigenen Servern und übermittelt es verschlüsselt an die anderen Nutzer. Der AES-256-Standard soll sicherstellen, dass keine Hacker die Passwörter klauen respektive entschlüsseln. Eine 100-prozentige Sicherheit können die Entwickler aber nicht garantieren. Wer beispielsweise ein gerootetes Smartphone hat, ist prinzipiell in der Lage das Passwort auszulesen. Hinzu kommt, dass der Anbieter auch Daten zum Zwecke der Strafverfolgung bereitwillig an die Behörden herausgibt.

„Weg mit der Störerhaftung“ - Ein Wort vom Autor

Als Redakteur komme ich viel in der Welt herum und freue mich stets über die Komplimente zu meiner Heimat Deutschland: Wir gelten als fortschrittlich, tüchtig und ordentlich. Und damit gehe ich gerne konform. Doch wenn es um das Internet in unseren Gefilden geht, dann gibt es hier seit etlichen Jahren enormen Nachbesserungsbedarf.

Neben der mangelnden Verbreitung von Breitbandzugängen in ländlicheren Gebieten (oder sogar auch in städtischen) ist die geringe Verbreitung frei zugänglicher WLAN-Hotspots ein leidiges sowie fortwährendes Thema. Die bisherige Rechtsprechung und die seichten Entwürfe zur Änderung des Telemediengesetzes sorgen nicht nur für Unsicherheit beim Betreiben eines Hotspots, sondern bieten dreisten Abmahn-Anwälten einen fruchtbaren Boden für eine florierende Abzocke. Deshalb schließe ich mich ganz den Verbänden und Initiativen an, die die Abschaffung der Störerhaftung fordern.

(PC-Welt/ad)