Als Kim Jung noch freiberuflich Computerspiele entwickelte, arbeitete er sehr viel. Die Grenzen zwischen Beruf und Hobby verschwammen. In der Spielewelt hatte er große Erfolge mit Game Engines erzielt. Auch heute noch beschreibt er die Auseinandersetzung mit Spiel-Engines als "überaus spannend", auch wenn er die Branche verlassen hat. Zu volatil erschien ihm der Games-Markt, zu unsicher die eigenen finanziellen Perspektiven. "Wer mehrere Insolvenzen miterlebt hat, wird schlichtweg nervös", sagt Jung. Vor einigen Jahren wechselte er darum zur Deutsche-Bahn-Tochter DB Systel in eine Festanstellung. Seitdem entwickelt und produziert Jung hochauflösende 3D-Real-Raummodelle für das Produkt "WorldInsight", dessen Vertrieb er auch unterstützt. Seine Arbeitszeiten sind heute deutlich planbarer und familiengerechter. Mittlerweile ist Jung verheiratet und zweifacher Vater: Er ist froh, finanziell sicher auf beiden Beinen zu stehen. "Vom Spieleentwickler zum Berater bei der Deutschen Bahn", blickt Jung zurück - und findet seine Karriere gar nicht so ungewöhnlich.
Familienplanung gab den Ausschlag
Auch Medieninformatiker Jost Künzel empfand immer eine gewisse Unsicherheit in puncto finanzielle Sicherheit und Zukunftschancen, als er freiberuflich unterwegs war. Künzel hatte ausreichend Aufträge, aber eben auch jede Menge Stress, so der heute 37-Jährige. Zwar sei Urlaub für ihn kein Fremdwort gewesen, aber Verdienstausfall sowie Vor- und Nachbereitungszeiten mussten berücksichtigt werden. Den Ausschlag, die selbständige Tätigkeit für einen festen Job aufzugeben, gab die private Situation: "Als meine Frau und ich Kinder planten, entschieden wir uns gleichzeitig gegen eine weitere Freiberuflichkeit."
Durch den Rat eines Bekannten landete Künzel vor fünf Jahren beim Hamburger Spielehersteller Innogames. Damals waren dort 50 Mitarbeiter tätig, heute sind es mehr als 350. Mit dem Wachstum ergaben sich neue Karrierechancen: Künzel leitet inzwischen ein siebenköpfiges Team. In der Abteilung Corporate Systems werden Systemlösungen, die für Spiele sowie für Business Intelligence gebraucht werden, entwickelt, optimiert und gewartet.
Bislang musste Künzel noch kein Wochenende durcharbeiten. Geregelte Arbeitszeiten seien an der Tagesordnung. Dass vor nahenden Abgabeterminen Kollegen auch mal am Wochenende arbeiten müssen, hält er für normal. Da dem zweifachen Vater seine junge Familie sehr wichtig ist, legt er Wert darauf, dass die Balance zwischen Arbeit und Privatleben stimmt: "Bei Innogames herrscht in puncto Arbeitszeit eine große Flexibilität, und das weiß ich zu schätzen." Braucht er eine Auszeit, zeigen die Chefs Verständnis. Heute ist er froh, sich gegen die Selbständigkeit und für einen festen Job entschieden zu haben.
Auch Tom Wendel hat schon einen Wechsel von der Freiberuflichkeit in die Festanstellung hinter sich, nach fünf Jahren bei Microsoft entschied er sich aber für die Rückkehr in die Freiberuflichkeit. Noch vor dem Studium hatte Wendel begonnen, Spiele zu entwickeln. Später baute er mit einem Kommilitonen ein Lernspiel auf Basis von Microsoft-Technik: Die Teilnehmer hatten die Aufgabe, Gehirne von Ameisen zu programmieren, und sollten so programmieren lernen. Auf der Game Convention in Leipzig erschien ein Microsoft-Vertreter und fragte Wendel, ob er nicht bei dem Konzern ein Praktikum machen wolle. Wendel stimmte zu, schrieb seine Abschlussarbeit bei Microsoft und wurde als Evangelist übernommen.
Projekte in Eigenregie umsetzen
"Mit dem Herzen war ich Spieleentwickler, befand mich aber unter dem sicheren Dach eines ganz Großen", blickt Wendel zurück. Bei Microsoft hat er die Spieleentwickler betreut und sich um das Marketing gekümmert. Den Job als Evangelist vergleicht er mit einem "fahrenden Händler". Die vielen Reisen seien spannend, aber auch anstrengend gewesen.
"Nach fünf Jahren Festanstellung und mehrfachem Anecken wurde mir immer klarer, dass ich nicht der Typ bin, der in einem Großkonzern irgendwie nebenher läuft oder gar untergeht", beschreibt Wendel sein Motiv, wieder freiberuflich zu arbeiten. "Ich wollte frei entscheiden, welche Projekte mich interessieren, und sie dann in Eigenregie umsetzen."
Wendel kündigte also und wurde wieder Freiberufler. "Freiheit ist mir eben doch wichtiger als existenzielle Sicherheit", resümiert er. Als Freelancer kümmert er sich heute um "normale" Softwareprojekte - Spiele entwickelt er aber als Hobby nebenher. Wendel hat seine Bestimmung gefunden. Für ihn steht sowieso fest: Gute Softwareexperten müssen keine Angst vor der Zukunft haben. (am)