Unüberlegt und blauäugig bei der Jobwahl

Wenn die neue Stelle zur Sackgasse wird

28.06.2014 von Renate Oettinger
Immer wieder erweisen sich scheinbar attraktive Stellen als berufliche Reinfälle. Insbesondere dann, wenn die Führungskräfte oder Spezialisten, die sie antreten, vorab nicht ausreichend geprüft haben: Was kommt da auf mich zu? Details von Bernhard Kuntz.

"Höher, schneller, weiter." Nach dieser olympischen Maxime agieren viele hochqualifizierte Spezialisten und Führungskräfte bei der Jobsuche – und landen zuweilen auf dem Hosenboden. Das heißt, verführt von einem Stellenangebot, das ihnen einen höheres Gehalt, mehr Sozialprestige oder ein schnelleres berufliches Fortkommen verspricht, nehmen sie eine neue Stelle an, die sich nach kurzer Zeit als Sackgasse erweist.

So zum Beispiel Nicole Nagel*. Die 39-jährige Betriebswirtin erhielt, nachdem sie fast ein Jahrzehnt als Controllerin für einen Chemiekonzern im Rheinland tätig war, von einem mittelständischen Maschinenbauer im Schwabenländle, der gerade in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, das Angebot, dessen Controlling neu aufzubauen. Und da Nagel neben der Aufgabe die Position und das Gehalt reizte, schlug sie spontan zu.

Doch dann saß das Stadtkind in der schwäbischen Provinz und merkte: Die ticken hier ja ganz anders. In Köln sprach ich mit meinen Kollegen über die neusten Filme und Theaterstücke sowie angesagten Bars. Doch hier drehen sich die Gespräche um den örtlichen Feuerwehrverein und Strickanleitungen. Und mein direkter Chef, der Geschäftsführer Finanzen des Betriebs? Der sagte zwar in den Auswahlgesprächen, ich hätte beim Aufbau des Controllings weitgehend freie Hand. Doch faktisch pfuscht er mir permanent ins Handwerk.

Das heißt: Bereits nach wenigen Tagen bereute Nagel ihren Entschluss und sehnte sich nach Köln und ihren Freunden zurück – auch weil die Single-Frau, wenn sie abends in ihrem angemieteten möblierten Zimmer saß, das Gefühl hatte: "Wenn ich nicht aufpasse, werde ich hier zur alten Jungfer."

Auf Jobsuche mit Xing und LinkedIn -
Karrierturbo Headhunter
Im Internet auf Jobsuche? Die Headhunterin Viktoria Balensiefen gibt im Buch "Karriereturbo Headhunter - Mit dem Personalberater auf Kurs Traumjob" Tipps, wie Sie sich auf Xing, LinkedIn und Co. richtig präsentieren. Die besten Tipps verrät sie hier:
Headhunter bewegen sich gern auf Xing
Über zwölf Millionen Menschen weltweit haben ein Xing-Profil. Diese Zahl zeigt schon, warum sich Headhunter hier so gerne umschauen – zwölf Millionen meist berufstätige Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Personalberater hier einen guten Kandidaten findet, ist also sehr hoch. Für Sie heißt das: Polieren Sie Ihr Xing-Profil! 90 Prozent nutzen es übrigens kostenfrei – das stellt also keinen Nachteil dar.
Interessen
Indem Sie Hobbys nennen, kann man Sie als Menschen schon ein wenig einschätzen. Wenn aber z. B. Vertriebler ausschließlich stille Hobbys wie „Briefmarken sammeln“ und „Angeln“ benennen, sieht das seltsam aus. Und auch wenn Sie es lieben: Bitte schreiben Sie nie „Party machen, mit Freunden chillen“. Seltsam muten auch die an, die als Hobby ihre Familie nennen. Und wenn der Hobby-Bereich detaillierter ausgefüllt ist als der Berufsteil, deutet das auch Ihre Prioritäten an – für eine Führungsposition passt das dann wohl weniger.
Wie weit oben sind Sie schon?
Position: Geben Sie hier klar an, wie Ihre korrekte Job- Bezeichnung ist bzw. was Sie aktuell berufl ich tun. Also „Junior Account Manager“ und nicht „Industriekauffrau“, „Controller Dienstleistungseinkauf international“ und nicht „Betriebswirt Controlling“. Karrierestufe: Wählen Sie aus zwischen Student/Absolvent, Berufseinsteiger (bis zu drei Jahre nach Ausbildung/ Studium), mit Berufserfahrung, Manager (vor allem, wenn Sie Personalverantwortung haben), Direktor (ab Ebene Abteilungsleiter). Positionsbeschreibung: Hier schreiben Sie detailliert über Ihren Verantwortungsbereich und Ihre Erfolge. Wenn Sie schon einige berufliche Stationen vorweisen können, geben Sie hier auch die jeweiligen Positionstitel und -beschreibungen an. So kann man anhand Ihres Xing-Profils erkennen, wie Ihr bisheriger Berufsweg verlief.
Ausbildung, Sprachkenntnisse und Auszeichnungen
Ausbildung: Notieren Sie hier Ihre Ausbildung und ggf. Hochschule. Zum Beispiel „Master of Engineering, Fachrichtung Elektrotechnik, RWTH Aachen“ oder „Dipl.-Betriebswirt, Schwerpunkt Markting, Uni Münster“. Sprachen: Listen Sie alle Sprachen und das jeweilige Sprachniveau auf, die Sie beherrschen. Dateianhänge: Hier können Sie Ihren Lebenslauf als PDF hinterlegen. Dies empfehle ich aber nur, wenn Sie Absolvent/ Student sind, eine befristete Anstellung haben oder sowieso schon gekündigt sind bzw. haben. Auszeichnungen: Bitte geben Sie hier nur berufsrelevante Auszeichnungen an. Ihr Seepferdchen von 1984 hat hier nichts zu suchen.
Bitte nur echte Bewerbungsfotos!
Bitte stellen Sie ein Foto mit beruflichem Touch bzw. ein professionelles Bewerbungsfoto ein. Keinesfalls ein Foto in Freizeitkleidung, mit Ihren Kindern, vom letzten Urlaub oder das halbe Hochzeitsporträt, weil Sie da mal einen Anzug tragen.
Personalberater suchen über Stichwörter
Personalberater suchen auch über Xing, und zwar mit Stichwörtern, die die Jobanforderungen betreffen. Notieren Sie daher Ihre Interessen, Erfahrungen und vor allem Ihre Fachkenntnisse. Schreiben Sie diese in Stichworten auf, trennen Sie diese mit Komma voneinander. Und vermeiden Sie unbedingt Schreibfehler! Das ist nicht egal, es wirkt nicht lässig, sondern einfach nur unprofessionell.
Berufserfahrungen
"Berufserfahrung und Ziele: Nutzen Sie diesen Raum, um Ihre letzten wichtigen berufl ichen Aufgaben und Erfolge zu benennen. Dabei fassen Sie knapp und eher in Stichworten das Wichtigste zusammen. Hier einige Beispiele: „Markteintrittsstrategien für Design-Küchenzubehör in vier europäischen Ländern mitentwickelt und erfolgreich umgesetzt“. „Erfahrener kaufmännischer Leiter, langjährig in der Event-Branche, Führungserfahrung bis zu 120 Mitarbeiter, Umsatzverantwortung bis zu 280 Mio. Euro. Sicher im nationalen und internationalen Ausbau des Unternehmens inkl. Gründung und Führung von Auslandsniederlassungen. Erfahren in der Implementierung von Ticketing-Systemen und Unternehmens-Betriebssystemen wie SAP.“."
Was ist Ihr Spezialgebiet?
Spezialgebiete: Bei Personalern könnte das z. B. Abrechnungswesen oder europäischer Betriebsrat sein. Bei Marketeers vielleicht Online- Strategien oder Marketing für Non-Profit-Organisationen. Bei Vertrieblern indirekter Vertrieb oder Unterhaltungselektronik. Bei Anwälten Patent- und Bankenrecht. Berufserfahrung: Notieren Sie hier Ihre beruflichen Stationen und nennen Sie ggf. Arbeitgeber, vor allem aber die Position. Geben Sie Informationen zu Ihren jeweiligen Aufgaben Erfahrungen. Erwähnen Sie auch wesentliche Erfolge und Ihr Verantwortungsspektrum hinsichtlich Personal, Budget und Umsatz. Ausbildung: Notieren Sie hier Ihre Ausbildung und ggf. Hochschule, beispielsweise „MBA, London School of Economics“ oder „Dipl.-Betriebswirt, Schwerpunkt Controlling, Uni Köln“. Da Sie sich im internationalen Umfeld bewegen, nutzen Sie eventuell internationale Bezeichnungen für Ihre Abschlüsse.
Sprachniveau
Sprachen: Listen Sie alle Sprachen, die Sie beherrschen, und das jeweilige Sprachniveau auf. Wenn Sie unsicher über die Einstufung der Sprachkenntnisse sind, testen Sie diese eventuell online bei www.sprachtest.de.
Empfehlungen
LinkedIn ermöglicht Empfehlungen. Hier könnte Ihr ehemaliger Chef oder ein Projektkollege eine Referenz für Sie aussprechen. Personalberater schauen sich dies an und nehmen die inhaltlichen Informationen daraus auch gerne an. Aber wir wissen alle, dass man Referenzen nur dort erbittet, wo man auch eine positive Referenz erhalten wird. Und so wird die Referenz nicht automatisch etwas anderes überstrahlen, auch wenn sie sehr positiv ist. Über den Tab „Abschnitte einfügen“ können Sie weitere Angaben machen, z. B. ehrenamtliches Engagement oder Detailnoten Ihrer Abschlüsse. Schauen Sie sich die Beispiele an und führen Sie dann nur die wirklich herausragenden Extras an. Sie können mit Ihrem Profil verschiedene Online-Anwendungen verknüpfen, beispielsweise Google Presentations, Slideshare Presentations oder Ihren Blog. Überlegen Sie, ob es Ihrem guten Online-Ruf zuträglich sein könnte. Ihren Lebenslauf können Sie ebenfalls als Dokument hochladen.
Karriere-Portale
Wenn Sie sich aktiv auf die Suche machen wollen, können Sie Ihr Profil auch in die Karriereportale einsetzen. Diese Portale werden zum einen von Personalberatern und Firmen genutzt, um offene Stellen auszuschreiben. Sie werden aber auch genutzt, um potenzielle neue Mitarbeiter zu finden und sich einen ersten Eindruck von ihnen zu verschaffen. Es gibt unzählige Portale, die Jobs anbieten. Genauso gibt es unzählige Portale, bei denen Sie Ihre Daten hinterlegen können. Damit Sie nicht nur damit beschäftigt sind, Ihre Profile zu verwalten, sollten Sie auswählen. Die unten genannten fünf sind meiner Erfahrung nach die wichtigsten Portale für den deutschsprachigen Raum. Hier vereinen sich hohe Nutzerzahlen, eine hohe Verbreitung und ein gutes Job-Angebot.
Absolventa, Monster und Stepstone
Diese Portale können Sie ohne Anmeldung kostenfrei nutzen, um nach Wunsch-Jobs zu suchen. Wenn Sie gefunden werden möchten, können Sie hier ein Profil anlegen. So werden Sie gesehen und gefunden! Bei allen drei Portalen ist der Basis-Eintrag kostenfrei. Auf den Community-Seiten gibt es Foren und Tipps für die Jobsuche. Außerdem finden Sie hier auch Stellenangebote von potenziellen Arbeitgebern. Man kann sich auch eine automatische Benachrichtigung einstellen, um sofort zu erfahren, wenn eine neue Stelle eingestellt wird, die den eigenen Wunschkriterien entspricht. Informationen, wie Sie Ihr Profil am besten gestalten, finden Sie oben in den Abschnitten über Xing und LinkedIn.
Karriereturbo Headhunter
Diese und noch viele weitere praktische Tips finden Sie in Viktoria A. Balensiefens "Karriereturbo Headhunter - Mit dem Personalberater auf Kurs Traumjob", Verlag C.H. Beck, München 2013, €6,90, ISBN: 978-3-406-64827-4.

Kernfrage: Stimmt die Chemie?

Nicht einmal enttäuscht war Nagel denn auch, als der Geschäftsführer Finanzen nach der Hälfte der Probezeit, nach drei Monaten ihr mitteilte: "Wir werden die Zusammenarbeit mit Ihnen beenden." Auch überrascht war sie nicht. Denn auch sie spürte: Die Chemie stimmt nicht. "Und weil ich kein Schwäbisch schwätze und mein Leibgericht nicht ‚Linse‘ mit Spätzle‘ ist, würde ich hier immer die hochnäsige Zugezogene bleiben."

Die eigentlichen Probleme begannen für die Controllerin erst, als sie wieder in Köln in ihrer Wohnung saß. Denn dort wurde ihr erst so richtig klar: "Meine alte Stelle bei dem Chemiekonzern habe ich nicht mehr. Wenn ich jedoch eine neue, meiner Qualifikation angemessene Stelle finden möchte, muss ich mich eigentlich bundesweit bewerben – obwohl ich inzwischen weiß: Ich möchte im Raum Köln bleiben." "Mit Handkuss", sagt Nagel denn auch heute, "würde ich wieder meine alte Stelle nehmen." Doch hierfür ist es zu spät.

Welche Konsequenzen hat ein möglicher Flop?

Ähnliche Fehler begehen laut Alexander Walz, Geschäftsführer der Personalberatung Conciliat, Stuttgart, hoch qualifizierte Stellensucher oft. Sie manövrieren sich, weil sie die Konsequenzen eines Stellenwechsels nicht ausreichend reflektieren, "in eine Situation, in der es nur in Ausnahmefällen noch eine optimale Lösung gibt".

Denn ihre Arbeitsmarktsituation ist eine andere als die von Handwerkern. Erweist sich bei einem Elektriker ein neuer Job als Flop, dann findet er meist am selben Ort oder zumindest in derselben Region einen neuen Arbeitsplatz. Anders ist es, wenn sich bei einem hoch qualifizierten Spezialisten oder einer gehobenen Führungskraft der neue Job als Flop erweist. Dann muss sich der Kandidat meist bundesweit bewerben – also einen erneuten Umzug in Kauf nehmen. Außer er ist, wenn er zum Beispiel eine Familie hat, bereit, künftig eine Wochenend-Ehe zu führen.

Was dies bedeutet, unterschätzen viele. So zum Beispiel der Diplom-Kaufmann Claus Steger. Der gebürtige Hamburger erhielt von dem IT-Unternehmen, für das er in der Hansestadt arbeitete, vor fünf Jahren das Angebot, in dessen Münchner Zentrale deren "Salesmanager Europe" zu werden. Steger schmeichelte dieses Angebot nicht nur, er rechnete sich auch aus: "Wenn du den Job zehn Jahre machst, hast du ausgesorgt." Seine Frau war von dem Job-Angebot nicht so begeistert. Denn sie wollte mit ihren beiden pubertierenden Kindern keinesfalls nach München ziehen. Doch sie gab Steger freie Hand: "Wenn du den Job machen willst, dann tue es. Dann führen wir eben eine Wochenend-Ehe." Also trat Steger die Stelle an und pendelte fortan hin und her.

Doch rasch erwies sich die neue Stelle in München als deutlich herausfordernder als gedacht. Und was er völlig unterschätzt hatte: Als Salesmanager Europe musste er immer wieder in die entlegensten Ecken Europas reisen. Folglich wurde aus den geplanten regelmäßigen Wochenendflügen nach Hause, nach Hamburg oft nichts. Und wenn doch? Dann war seine Tasche voller Arbeit. Nach kurzer Zeit merkte Steger: Die neue Stelle nagt an meiner Substanz. Und nach eineinhalb Jahren wurde er mit einem Burn-out in eine Klinik eingeliefert. Und nachdem er ein halbes Jahr krankgeschrieben war, unterschrieb er einen Auflösungsvertrag mit seinem Arbeitgeber – "mit einer satten Abfindung".

Doch was hat er davon? Wenig! Gesundheitlich ist Steger zwar wieder auf dem Damm. Doch eine neue Festanstellung hat der heute 54-Jährige in den letzten drei Jahren nicht mehr gefunden. Stattdessen jobbt er ab und zu für einige Monate als "Interimsmanager" - oder wie er selbst ironisch sagt, als "gut bezahlter Leiharbeiter".

Was ist mir in meinem Leben wichtig?

Den Fehler von Steger begehen gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte immer wieder, betont Michael Schwartz vom ilea-Institut für integrale Lebens- und Arbeitspraxis, Esslingen. Sie reflektieren nicht ausreichend, was eine neue Stelle konkret bedeutet. Zum Beispiel mehr Arbeit. Mehr Stress. Mehr Reisen. Ein höheres Kündigungsrisiko. Eine extreme Spezialisierung, die sich langfristig als berufliche Sackgasse erweisen könnte. Und was sie noch weniger reflektieren, ist: Passt der neue Job zu meiner Lebensvision beziehungsweise meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben? Zum Beispiel: Macht mir die Arbeit voraussichtlich langfristig Spaß und erachte ich sie als sinnvoll? Kann ich abends zuhause bei meiner Familie sein? Kann ich weiterhin meinen Hobbys frönen? Kann ich mich spontan mit Freunden treffen?

Dabei wäre dies wichtig. Denn wenn eine Führungskraft mit ihrem Leben unzufrieden ist, sind ihre Akkus schnell leer. Also erbringt sie auch keine Top-Leistungen mehr.

Ähnlich sieht dies Steger rückblickend. "Klar", sagt er, "der Salesmanager-Job war stressig. Doch das ist jede exponierte Führungsposition. Deshalb wird sie ja auch gut bezahlt." In Hamburg, dessen ist sich Steger sicher, hätte er den Job problemlos gemeistert. "Doch ich kam mit dem ewigen Hin und Her zwischen Hamburg und München nicht klar. Ich bin ein Familienmensch und brauche meinen Heimathafen."

Drum prüfe, wer sich bindet …

Den braucht nicht jeder. Kai Diemler würde zum Beispiel seinen Heimathafen im hessischen Städtchen Kronberg gern seltener sehen. Der Betriebswirt verlor vor sechs Jahren in Folge einer Umstrukturierung - "nach zwölf Jahren" – seinen Job als Geschäftsführer der deutschen Niederlassung eines internationalen Automobilindustriezulieferers. Nach fast einem Jahr erzwungener Auszeit nahm er eine Stelle als Geschäftsführer bei einem mittelständischen Baumaschinen-Hersteller an, obwohl er wusste: Dessen Inhaber hat in den zurückliegenden vier Jahren drei Geschäftsführer verschlissen. Fortan pendelte Diemler zwischen dem Wohnort seiner Familie und dem 400 Kilometer entfernten Standort des Unternehmens hin und her. Was weder ihm, noch seiner Frau etwas ausmachte.

Doch circa 15 Monate später stand Diemler erneut auf der Straße – vermutlich weil dem 77-jährigen Firmeninhaber, wie er sarkastisch sagt, "meine gestreiften Krawatten nicht mehr gefielen". Es folgte eine weitere erzwungene Auszeit von über einem Jahr, bevor Diemler Geschäftsführer bei einem Start-up in Bayern wurde. Also pendelte er erneut. Bis er circa 1,5 Jahre später wieder auf der Straße stand. Dieses Mal, weil er sich mit der Private-Equity-Gesellschaft, die das Start-up finanzierte, über dessen Strategie zerstritten hatte.

Und seitdem hat Diemler ein "echtes Problem". Denn wenn er sich nun als Geschäftsführer irgendwo bewirbt, dann kann er in den Augen seiner Gegenüber regelrecht die Frage lesen: Warum wurde der in nur sechs Jahren drei Mal gefeuert? "Dass ich zuvor ein Dutzend Jahre erfolgreich Geschäftsführer bei dem Automobilindustriezulieferer war, nimmt niemand mehr wahr. Ich bin heute für die Unternehmen", konstatiert Diemler bitter, "bestenfalls noch zweite oder gar dritte Wahl."

Vorsicht: Macher

Personalberater Walz teilt diese Einschätzung. Nach seiner Auffassung machte Diemler "als echter Macher, weil ihm zuhause die Decke auf den Kopf fiel, zwei Mal denselben Fehler" – obwohl er finanziell gut abgesichert war: Er nahm vorschnell eine Stelle an.

Bei ihm hätten zum Beispiel alle Alarmglocken schrillen müssen, als er erfuhr, dass der Inhaber des mittelständischen Unternehmens vor ihm in vier Jahren drei Geschäftsführer entlassen hatte. "Doch Diemler dachte vermutlich mit dem Hang zur Selbstüberschätzung, den viele Top-Manager haben: Ich schaffe das schon." Ähnlich war es, als die Private-Equity-Gesellschaft ihn bereits im Auswahlverfahren mit völlig unrealistischen Erwartungen bezüglich der Entwicklung des Start-ups konfrontierte. Auch da hätten bei ihm die Alarmglocken schrillen müssen. "Doch da dachte er vermutlich: Ich werde denen schon noch zeigen, wie der Hase läuft."

Diemler gibt Walz nur bedingt recht: "Es stimmt, mir fiel die Decke auf den Kopf, und ich nahm vorschnell die beiden Stellen an." Ausschlaggebend hierfür war aus seiner Warte jedoch ein anderer Punkt. Jedes Mal, wenn er arbeitslos oder freigestellt war, fing es in seiner Ehe zu kriseln an. Denn seiner Frau ging es rasch auf die Nerven, dass sie ihren Mann, denn sie zuvor nur am Wochenende sah, plötzlich täglich von morgens bis abends um sich hatte; außerdem, dass er sich plötzlich in die Haushaltsführung und Kindererziehung einmischte. Außerdem, dass er sie, wenn sie mal weg ging, stets fragte: Wo gehst du hin? Wann bist du wieder da? Soll ich dich begleiten? "Das nervte meine Frau", so Diemler, "und führte zunehmend zu Reibereien." Deshalb war ihm klar: Ich muss rasch wieder eine neue Stelle finden.

Doch inzwischen ist Diemler erneut seit über zwei Jahren arbeitslos. Deshalb hat er "als Beschäftigungstherapie" ein Beratungsunternehmen gegründet. Denn dass ihn noch einmal ein größeres Unternehmen zu seinen Konditionen als Geschäftsführer einstellt, diese Hoffnung hat er schon fast aufgegeben. Und das tägliche Joggen sowie Tennis- und Golfspielen? Das hat ein Macher wie er schnell satt.

* Die Namen und Personendaten der erwähnten Personen wurden verändert.

Kontakt und Infos: Bernhard Kuntz ist Inhaber und Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151-896590, E-Mail: info@die-profilberater.de, Internet: www.die-profilberater.de