Ausgebremste Karriere

Wenn der neue Job in der Sackgasse endet

22.09.2014 von Alexander Walz
Winken eine neue Aufgabe oder ein schöner Titel, entscheiden sich Fach- und Führungskräfte oft schnell für einen neuen Arbeitgeber. Die wenigsten fragen sich, welche Veränderungen der Jobwechsel mit sich bringt. Drei Beispiele zeigen, wenn ein vermeintlicher Karrieresprung zur Sackgasse wird.

Nicht selten nehmen hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte eine scheinbar attraktive neue Stelle an, die sich nach kurzer Zeit als Sackgasse erweist. Die Betriebswirtin Nadja Zagel (alle Namen geändert) arbeitete fast zehn Jahre als Controllerin für einen Konzern im Rheinland, bevor sie zu einem mittelständischen Maschinenbauer wechselte, um dort das Controlling neu aufzubauen. Bald merkte sie, dass die Uhren in der schwäbischen Provinz anders ticken. Die Gespräche zwischen den Kollegen drehten sich nicht mehr über die neuesten Filme oder angesagte Bars, sondern über den gesangsverein und Strickmuster.

Zagels Vorgesetzter hatte ihr in den Auswahlgesprächen weitgehend freie Hand beim Aufbau des Controllings zugesichert. Doch nun mischte er sich in fast jeden Handgriff ein. Schon nach wenigen Tagen bereute die Controllerin ihren Entschluss und sehnte sich nach Köln zurück. Deshalb war Zagel nicht enttäuscht, als ihr der Geschäftsführer Finanzen nach drei Monaten mitteilte: "Wir beenden die Zusammenarbeit mit Ihnen". Auch sie hatte gespürt, dass die Chemie nicht stimmte. Zurück in ihrer Kölner Wohnung geriet sie in Panik, da ihr klar wurde: "Wenn ich eine neue, meiner Qualifikation angemessene Stelle finden möchte, muss ich mich bundesweit bewerben - obwohl ich inzwischen weiß: Ich möchte im Kölner Raum bleiben." Mit Handkuss hätte sie denn auch wieder ihre alte Stelle in dem Konzern angenommen. Doch hierfür war es zu spät.

Der berufliche Flop und seine Folgen

Ähnliche Fehler begehen hochqualifizierte Stellensucher oft. Da sie die Konsequenzen eines Stellenwechsels nicht ausreichend reflektieren, manövrieren sie sich oft in eine Situation, in der es nur in Ausnahmefällen noch eine optimale Lösung gibt. Denn ihre Arbeitsmarktsituation ist eine andere als die von Handwerkern. Erweist sich bei einem Elektriker ein neuer Job als Flop, dann findet er meist in derselben Region einen neuen Arbeitsplatz. Anders ist es bei hochqualifizierten Spezialisten oder gehobenen Führungskräften. Ist bei ihnen der neue Job ein Flop, dann müssen sie sich meist bundesweit bewerben - also einen (erneuten) Umzug in Kauf nehmen. Außer sie sind bereit, künftig eine Wochenendbeziehung zu führen.

Viele unterschätzen, was dies bedeutet. So der Diplom-Kaufmann Klaus Feger. Sein IT-Arbeitgeber bot ihn an, von Hamburg in die Münchner Zentrale zu wechseln und dort zum "Salesmanager Europe" aufzusteigen. Feger schmeichelte das Angebot. Zudem rechnete sich aus: Wenn ich den Job zehn Jahre mache, habe ich ausgesorgt. Seine Frau war von der Jobofferte weniger begeistert. Sie wollte mit ihren beiden pubertierenden Kindern keinesfalls nach München ziehen, ließ aber ihrem Ehemann freie Wahl: "Wenn du den Job annehmen willst, dann mache es. Dann führen wir eben eine Wochenendehe."

Feger trat die Stelle an, die sich rasch als deutlich herausfordernder als gedacht erwies. Als Salesmanager Europe musste er in die entlegensten Ecken Europas reisen. Folglich wurde aus den geplanten regelmäßigen Wochenendflügen nach Hamburg oft nichts. Und wenn doch? Dann war seine Tasche voller Arbeit. Nach kurzer Zeit merkte Feger: Die neue Stelle nagt an meiner Substanz. Und nach eineinhalb Jahren wurde er mit einem Burnout in eine Klinik eingeliefert. Und weitere sechs Monate später unterschrieb er einen Auflösungsvertrag mit seinem Arbeitgeber - "mit einer satten Abfindung". Doch was hat er davon? Wenig! Gesundheitlich ist Feger zwar wieder auf dem Damm. Doch eine neue Festanstellung hat der heute 53-Jährige in den vergangenen drei Jahren nicht gefunden. Stattdessen jobbt er ab und zu einige Monate als Interimsmanager - oder wie er selbst ironisch sagt "gutbezahlter Leiharbeiter".

Was ist mir im Leben wichtig?

Den Fehler von Feger begehen hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte immer wieder. Sie reflektieren zu wenig, was eine neue Stelle konkret bedeutet. Zum Beispiel mehr Arbeit. Mehr Stress. Mehr Reisen. Ein höheres Kündigungsrisiko. Eine sehr starke Spezialisierung, die sich langfristig als berufliche Sackgasse erweisen könnte. Und noch weniger reflektieren sie: Passt die neue Stelle zu meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben? Zum Beispiel:

Dabei wäre das wichtig.Ist eine Führungskraft mit ihrem Leben unzufrieden, sind ihre Akkus schnell leer. Also erbringt sie auch keine Top-Leistungen mehr.

So hätte zum Beispiel Feger in Hamburg den Salesmanager-Job gewiss problemlos gemeistert. Doch mit dem "ewigen Hin und Her zwischen Hamburg und München" kam er nicht klar. Denn er ist ein "Familienmensch" und braucht seinen "Heimathafen".

Drei Mal entlassen in sechs Jahren

Maik Diemer dagegen würde seinen Heimathafen im hessischen Friedberg gern seltener sehen. Der Betriebswirt verlor 2008 in Folge einer Umstrukturierung nach elf Jahren seinen Job als Geschäftsführer der deutschen Niederlassung eines Industriedienstleisters. Nach fast einem Jahr erzwungener Auszeit nahm er die Geschäftsführerstelle bei einem mittelständischen Verpackungshersteller an, obwohl er wusste: Dessen Inhaber hat in vier Jahren drei Geschäftsführer verschlissen. Fortan pendelte Diemer zwischen dem Wohnort seiner Familie und dem 300 Kilometer entfernten Standort des Unternehmens hin und her. Was weder ihm noch seiner Frau etwas ausmachte.

Doch circa 15 Monate später stand Diemer erneut auf der Straße - aufgrund persönlicher Differenzen mit dem 74-jährigen Firmeninhaber. Es folgte eine weitere erzwungene Auszeit von über einem Jahr, bevor Diemer Geschäftsführer bei einem Startup in Niedersachsen wurde. Also pendelte er erneut. Bis er circa 1,5 Jahre später wieder auf der Straße stand. Dieses Mal, weil er sich mit der Private-Equity-Gesellschaft, die das Start-up finanzierte, über dessen Strategie uneins war. Und seitdem hat Diemer ein echtes Problem. Wenn er sich irgendwo als Geschäftsführer vorstellt, kann er in den Augen seiner Gesprächspartner regelrecht die Frage lesen: Warum wurde der in nur sechs Jahren drei Mal entlassen? Dass er zuvor elf Jahre erfolgreich Geschäftsführer bei dem Industriedienstleiter war, nehmen seine potenziellen Arbeitgeber gar nicht mehr wahr. Er ist in ihren Augen "verbrannt". Seine Einstellung wäre in ihren Augen mit zu hohen Risiken verbunden. Deshalb ist er für sie, wenn es um das Besetzen einer Geschäftsführerstelle geht, maximal noch zweite Wahl.

Vorschnelle Jobwahl

Diemer machte zwei Mal denselben Fehler. Trotz finanzieller Absicherung nahm er vorschnell eine Stelle an. Bei ihm hätten alle Alarmglocken schrillen müssen, als er erfuhr, dass der Inhaber des mittelständischen Unternehmens vor ihm in vier Jahren drei Geschäftsführer entlassen hatte. Solche Bedenken wischte Diemer mit dem Hang zur Selbstüberschätzung, den viele Top-Manager haben, beiseite und dachte: Ich schaffe das schon. Ähnlich war es, als die Private-Equity-Gesellschaft ihn bereits im Auswahlverfahren mit völlig unrealistischen Erwartungen bezüglich der Entwicklung des Startups konfrontierte. Auch da hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Doch Diemer dachte vermutlich: Wenn ich erst mal da bin, zeige ich denen, wie der Hase läuft.

Dass Diemer die Stellen annahm, ohne die Pros und Contras sauber abzuwägen, hatte auch folgenden Grund: Jedes Mal, wenn er arbeitslos oder freigestellt zuhause saß, fing es in seiner Ehe an zu kriseln. Seine Frau nervte es rasch, dass sie ihren Mann, den sie zuvor nur am Wochenende sah, plötzlich täglich von morgens bis abends um sich hatte. Zudem mischte er sich in Haushaltsführung und Kindererziehung ein. Das führte zunehmend zu Streitereien. Auch deshalb nahm Diemer sozusagen die erstbeste Stelle an.

Inzwischen ist Diemer erneut seit über zwei Jahren arbeitslos. Deshalb gründete er "als Beschäftigungstherapie" ein Beratungsunternehmen. Denn dass ihn noch einmal ein größeres Unternehmen zu seinen Konditionen als Geschäftsführer einstellt, diese Hoffnung hat er fast aufgegeben. Und das tägliche Joggen und Tennisspielen? Das hat ein Macher wie er schnell satt.

Der erfolgreiche Jobwechsel auf einen Blick -
Der Flurfunk
Reagieren Sie möglichst frühzeitig auf die Zeichen des Marktes. Nehmen Sie die Gerüchteküche ernst. Agieren Sie selbst.
Absichern?
Verlassen Sie sich nicht auf vermeintliche Sicherheiten. Manch einer steht schneller auf der Straße, als er meint.
Haltung bewahren
Hängen Sie Ihren Frust nicht an die große Glocke – weder vor noch nach einer Kündigung.
Außen vor
Informieren Sie Kollegen oder gar den Vorgesetzten auf keinen Fall zu früh, denn von da an sind Sie von allen wichtigen Informationen abgeschnitten.
Präsenz zeigen
Stellen Sie Ihr Profil in die relevanten Online-Portale ein. Tun Sie dies frühzeitig. Erste Erfolge zeigen sich frühestens nach vier bis sechs Monaten.
Externe Unterstützung
Nehmen Sie Kontakt mit ausgewählten Personalberatern Ihrer Branche auf. Signalisieren Sie Ihr Interesse an neuen Herausforderungen in allen relevanten Netzwerken, aber werden Sie nicht zu deutlich, ehe die Kündigung tatsächlich ausgesprochen ist.
Profilieren Sie sich
Wenn noch nicht absehbar ist, ob und wann Sie wechseln werden, nutzen Sie bereits die Zeit, um sich zunächst im eigenen Haus zu profilieren. Beteiligen Sie sich an Projekten, die für die Zukunft relevant sind, schlagen Sie sinnvolle Sparmöglichkeiten vor. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Engagement auch extern publik wird. Netzwerke und Arbeitskreise bieten dafür gute Möglichkeiten.
Eine gute Bewerbung ...
... ist immer noch sehr wichtig. Überarbeiten und vervollständigen Sie Ihre Bewerbungsunterlagen.
Eigenwerbung stinkt?
Das war einmal. Kümmern Sie sich um Ihr Selbstmarketing. Erarbeiten Sie Ihr eigenes Stärkenprofil. Besonders in der Krise geht es um Effizienz. Im Bewerbungsgespräch müssen Sie kurz und knapp darlegen können, worin Ihre Stärken liegen. Unterstützung bieten Karriereberater.
Bereit sein
Besorgen Sie sich ein Zwischenzeugnis.
Mehr Mobilität?
Überdenken Sie Ihre Flexibilität. Längere Anfahrtswege oder geringeres Gehalt können trotzdem zielführend sein.
Keine Katastrophe
Ist die Kündigung bereits ausgesprochen, bewahren Sie die Ruhe.
Ups, zu spät ...
Wenn Sie selbst gehen, bereiten Sie die Trennung sorgfältig vor. Beachten Sie die Fristen.
Viele Wege führen zum neuen Job
Nutzen Sie alle Bewerbungswege: Print, online und auch persönlich.
Hilfreich: ein langer Atem
Befassen Sie sich mit der Psychologie des Vorstellungsgespräches, und zwar nicht nur in der ersten Runde.
Falsche Kompromisse?
Bei potenziellen Stellenangeboten: Bleiben Sie kritisch, sich selbst und Ihrem Können gegenüber – aber auch dem suchenden Unternehmen.
Im Guten trennen
Ist die Entscheidung zum Wechsel gefallen, nutzen Sie auch Ihren Abgang zur Profilierung.
Es ist soweit
Wenn Sie dann tatsächlich gehen: Hinterlassen Sie einen bestellten Acker.
Neu ankommen
Agieren Sie im neuen Unternehmen besonnen. Lernen Sie, hören Sie gut zu.
Los geht's!
Nehmen Sie die eigenen Gefühle ernst – auch wenn sie negativ sind. Bei Zweifeln: Starten Sie neu!