Wellenreiter

14.04.1999
Optische Netze auf Basis von SDH und Sonet sind Schlüsselkomponenten für Carrier, Internet-Serviceprovider und Firmen mit "Corporate Networks". Zusammen mit IP, Wellenlängenmultiplexing und ATM werden sie noch an Bedeutung gewinnen.

ATM ist die bekannteste, aber nicht die einzige Technik, die Anwendungen eine bestimmte Dienstgüte zur Verfügung stellen kann. Gleiches tun die Synchrone Digitale Hierarchie (SDH) beziehungsweise ihr amerikanisches Pendant Sonet (Synchronous Optical Network) im Zusammenspiel mit IP. Allerdings unterscheidet sich die "Quality of Service" (QoS) von "IP over Sonet" (IPoS) erheblich von der QoS über ATM. So kann IP über das Feld "Type of Service" (TOS) im Paketkopf nur Prioritäten festlegen, sogenannte "Classes of Services" (CoS). Hochleistungsrouter, wie die von Cisco, unterstützten diese Eigen-

schaft. Dabei finden Verfahren wie "Random Early Detection" (RED) und "Weighted RED" (WRED) Verwendung.

Gelangen IP-Pakete in das Netz, legen die Edge-Router zunächst deren Priorität fest und ermitteln an-schließend den Verbindungspfad. Das erfolgt mit Hilfe der "Committed Access Rate" (CAR): Sie legt die Durchsatzgrenzen am Rande des Netzes fest. RED und die Weiterentwicklung WRED sind dagegen Mechanismen, die eine Überlastung des Netzes (Congestion) verhindern sollen. Zu diesem Zweck kontrollieren sie den Datenfluß über die variablen Fenstergrößen von TCP.

Zu den Kernfunktionen von IP über SDH/Sonet gehören:

- Support von Layer-3-Switches,

- Kontrolle von Multicast und Broadcast,

- Verkehrsmanagement und Überlastungskontrolle und

- QoS, damit Serviceprovider Anwendungen wie Sprache und Video anbieten können.

Die Basis von IPoS ist "PPP over Sonet/SDH". PPP ist ein Link-Layer-Protokoll mit folgenden Eigenschaften:

- Es verpackt und überträgt Pakete von "Multiple Network Layer"-Protokollen über dieselbe Verbindung.

- Es baut die Link-Layer-Verbindung auf und konfiguriert beziehungsweise testet sie.

- Es ist für Aufbau und Konfiguration des Network-Layer-Protokolls zuständig.

Effizienter durch Wellenlängenmultiplexing

Das Point-to-Point-Protokoll definiert also das Link-Control-Protocol (LCP) und die Methode, wie Pakete eingekapselt werden. Für die Au-thentifizierung oder Überwachung der Verbindung und kontrolle greift PPP auf weitere Protokolle zurück. PPP behandelt Sonet/SDH wie eine byteorientierte synchrone Verbindung. Es fügt Rahmen als Datenstrom in die Sonet/SDH-Nutzlast ein und markiert sie durch Flags.

Protokoll-Overheads im Vergleich

Eine Möglichkeit, SDH-Strecken besser auszunutzen, eröffnet das Wellenlängenmultiplexing (WDM=Wavelength Division Multiplexing). Carrier entwickelten diese Technik, um Glasfaserleitungen mehrfach zu nutzen. WDM basiert mit Ausnahme des "Kanalentscheiders", der Wellenlängen statt Zeit analysiert, auf "Frequency Division Multiplexing" (FDM). Ein WDM-System wandelt jeden Eingangsdatenstrom in separate farbige Wellenlängen um - im Bereich 850 nm, 1300 nm und 1500 nm. Jede Applikation erhält eine separate Wellenlänge. Das System kombiniert die Kanäle und überträgt sie über dieselbe Glasfaser. Da jede Wellenlänge von den anderen isoliert ist, können auf derselben Leitung unterschiedliche Protokolle zum Einsatz kommen.

Heute sind Systeme mit 4, 8 oder 16 Kanälen im Einsatz. Dadurch stehen Bandbreiten von 10, 20 und 40 GBit/s auf einer Faser zur Verfügung. Das optische System arbeitet mit einem passiven Beugungsgitter, das heißt, zwei Fasern werden zu einem Prisma zusammengeführt, und ist somit äußerst zuverlässig.

Keine Anwendung kann die volle Bandbreite eines Kommunikationsmediums ausnutzen, weil der Overhead einen Teil der Bruttoübertragungsrate für sich beansprucht. Müssen Protokollstrukturen umgesetzt werden, die auf höheren Schichten angesiedelt sind, summieren sich mehrere Overheads, denn jede Protokollschicht fügt den Daten einen Header beziehungsweise Trailer hinzu. Um die Zuverlässigkeit des Protokolls zu überprüfen, werden weitere Felder angehängt, beispielsweise "Header Error Control" (HEC) oder die AAL-5- und IP-Prüfsumme. Hinzu kommen Felder für die Multiplexfunktionen, darunter ATM-VPI/VCI, IP-Quellen- und Empfängeradresse sowie UDP/TCP-Portnummern.

Alle Felder enthalten außerdem Längeninformationen der "Protocol Data Unit" (PDU) und Daten über die Verbindungszustände. Die Frage bei der Umsetzung der Protokoll- und Kontrollstrukturen ist, wie effizient letztendlich eine Datenübertragung bei kleineren Nettobitraten ist.

Bei der STM-1-Rahmenstruktur treten drei Arten von Overhead auf:

- "Regenerator Section Overhead",

- "Multiplex Section Overhead" sowie

- "Path Layer Overhead".

STM-1 überträgt alle 125 µs einen Rahmen von 2430 Byte mit einem Overhead von 90 Byte. Bei einer Bruttoübertragungsrate von 155,520 MBit/s bedeutet dies einen Gesamt-Overhead von 5,760 MBit/s. Die Nettoübertragungsrate sinkt auf 149,760 MBit/s. Der "Wasserkopf" beträgt damit 3,7 Prozent pro Rahmen. Ist ein Rahmen komplett mit Nutzdaten belegt, beträgt die Nettodatenrate bei STM-1 149 MBit/s, bei STM-3 599 MBit/s.

Die nebenstehende Tabelle vergleicht drei MTU-Größen: 576 Byte (Standardgröße für das Internet), 9180 Byte (Standardgröße für IP-Übertragung über ATM) und 65 527 Byte (maximale IP-Paketgröße über die AAL-Typ-5-Schicht). Bei einer MTU von 576 Byte ist der Overhead deutlich größer als bei den anderen Varianten. Die LAN-Emulation erreicht einen maximalen MTU-Wert von 1500 Byte und benötigt außerdem einen zusätzlichen Header. Deshalb ist dieses Verfahren nicht so effizient wie beispielsweise Classical IP mit 9180 Byte.

MTU-Werte von mehr als 9180 Byte wirken sich dagegen kaum noch positiv auf die Nettoübertragungsrate aus. Deshalb wurde dieser Wert als "Default Maximum Transmission Unit" (D-MTU) festgelegt. Dank dieser Begrenzung treten weniger Übertragungsfehler auf, weil der Verlust einzelner ATM-Zellen nicht dazu führt, daß ein komplettes AAL-Typ-5-Paket weggeworfen wird. Die maximale Größe von 65 527 Byte über die Anpassungsschicht 5 ist deshalb nur ein theoretischer Wert, der in der Praxis nicht angestrebt werden sollte.

Vergleicht man den Overhead von IP over Sonet mit dem von IP over ATM, wird deutlich, daß IP over PPP zusammen mit Sonet/SDH-Verbindungen (STS-3c/OC-3c) eine größere Nutzdatenrate erlaubt. Bei einem direkten Vergleich mit einer MTU von 576 Byte lassen sich etwa 14 Prozent Overhead vermeiden. Dieser Wert reduziert sich auf fünf bis sechs Prozent, wenn Integrationsverfahren wie "Multi-Protocol Label Switching" (MPLS) eingesetzt werden.

Integrationsverfahren sind dann notwendig, wenn mehr "Intelligenz" im Netz erforderlich ist, etwa für das Verkehrsmanagement. Um Routing-Informationen im Netz zu verteilen, verwenden diese Techniken allerdings mit eigenen Protokollen, was auf Kosten der Bandbreite geht.

Bei ATM gehört dagegen ein Management für die Zuteilung der Datenraten, die über "Virtual Circuit Connections" (VCCs) gelenkt werden, zur Grundausstattung. Dank des "Cell Switching" ist ATM zudem in der Lage, auf einer Verbindung unterschiedliche virtuelle Pfade und Kanäle zuzuteilen. Jeder ist mit einer eigenen QoS und Bandbreitengarantie ausgestattet. Außerdem läßt sich die Auslastung des Netzes besser steuern. Durch integriertes Routing und Addressing ist ATM zudem in der Lage, mittels SVC-Verbindungen Router miteinander zu koppeln oder bei Ausfall eines Routers automatisch ein Re-Routing durch P-NNI durchzuführen. Im Gegensatz dazu ist PPP nicht für ein Bandbreitenmanagement ausgelegt. Die TCP/IP-Schicht teilt die Verbindungen zu und ist dafür zuständig, daß die Pakete über die Punkt-zu-Punkt-Verbindung korrekt übertragen werden. Bei langsamen Verbindungen kann das zu einem Problem werden, vor allem dann, wenn große Pakete geringer Priorität einen Datenstrom mit höherer Priorität blockieren. Auch "Classes of Services" (CoS) können die Qualität einer Verbindung nicht sicherstellen.

Vorteile von ATM bei Flußkontrolle und Bandbreitenverwaltung

Bei der Flußkontrolle (Flow Control) schneidet ATM ebenfalls besser ab als IP over Sonet. ATM verwendet Verfahren wie "Call Admission Control" (CAC), "Traffic Shaping" und "User Parameter Control" (UPC) beziehungsweise Policing. Verkehr, der eine festgelegte "Peak Cell Rate" (PCR) überschreitet, wird durch die "Cell Loss Priority" (CLP) im ATM-Header gekennzeichnet und nur dann weitergeleitet, wenn die Netzlast das zuläßt.

ATM arbeitet relativ schlecht mit der Flußkontrolle von TCP zusammen. Deshalb wurden auf der Anpassungsschicht AAL-5-Mechanismen wie "Partial Packet Discard" (PPD) und "Early Packet Discard" (EPD) implementiert. Sie ermöglichen es einem Switch, bei Überlast Zellen wegzuwerfen. Ein weiterer Vorteil von ATM ist die Fehlertoleranz.

PPP verwendet dagegen keinen Kontrollmechanismus; die TCP-Flußkontrolle setzt direkt auf der PPP-Verbindung auf. Router, die über ATM oder SDH miteinander verbunden sind, "sehen" nur eine Pipe mit einer bestimmten Bandbreite. Um einen ausreichenden Durchsatz zu erzielen, müssen Pakete zwischengespeichert werden.

PPP ist zwar nicht fehlertolerant, doch kann die darunterliegende Sonet/SDH-Schicht einen redundanten Ring nutzen, wenn eine Verbindung ausfällt. Diese Möglichkeit steht natürlich auch ATM über SDH zur Verfügung. Zusammenfassend lassen sich folgende Anwendungsgebiete für IPoS und IPoATM definieren:

- ISP-Backbones: Dort sind hauptsächlich schnelle Verbindungen gefragt, ohne komplexe Anpassungs- oder Integrationsverfahren. Gegen den Einsatz von IPoS spricht das Fehlen von Traffic Management und QoS. ATM wird deshalb in diesen Netzen eine wichtige Rolle spielen. Ein Konkurrent ist jedoch MPLS über Sonet/SDH.

- Corporate Networks (CN): Sie verbinden Intranets über große Entfernungen hinweg. Dafür sind statische Verbindungen mit einer möglichst hohen Nettodatenrate notwendig. In diesem Fall eignet sich Sonet/SDH besonders gut. Allerdings sind die Komponenten im Vergleich zu ATM noch sehr teuer. Hinzu kommt, daß ATM die Bandbreite optimal aufteilen kann, um unterschiedlichen Protokollen, etwa IPX/SPX, SNA oder Decnet, eigene virtuelle Verbindungen zuzuteilen.

- Campus-Backbones: Hier dominiert ATM, zumal die Kosten erheblich gesunken sind und viele Schnittstellen (UTP, STP, MMF, SMF) zur Verfügung stehen. Deshalb hat Sonet/SDH im Campus keine Chance.

- Carrier-Netze: Carrier setzen häufig Sonet/SDH ein, weil es einfach zu handhaben ist. Größere Verbreitung hat aber ATM über SDH gefunden, weil diese Technik ein flexibles Traffic Management und QoS zur Verfügung stellt.

ATM bleibt also die bessere Lösung für den Kern eines Netzwerks. Der Anwender kann mit seiner Hilfe wesentlich flexibler auf Anforderungen reagieren. Zudem garantiert es ein hohes Maß an Skalierbarkeit und Dienstgüte, und Dienste lassen sich schneller implementieren und bereitstellen. Allerdings fehlt oft das nötige Know-how; hier hat SDH Vorteile gegenüber ATM. Bei den Kosten hat ATM wegen des hohen Verbreitungsgrades die Nase vorn.

Entscheidend für den Erfolg von IPoATM oder IPoS werden letztendlich aber MPOA oder MPLS sein. Voraussetzung für den Einsatz von MPOA ist eine ATM-Struktur. MPLS setzt dagegen nicht auf einer bestimmten Technik auf. Welches Verfahren am Ende das Rennen macht, dürfte allerdings weniger von den Funktionen als von den Kosten abhängen. (re)

Literatur

[1] Detken, K.-O.: ATM in TCP/IP-Netzen. Hüthig-Verlag, Heidelberg,1998.

[2] Detken, K.-O.: IP over SDH; I.I.R.-Konferenz: Das SDH-Forum (01.-04.12.1998). Köln, 1998.

[3] Detken, K.-O: IPoS, IPoATM & Co. NET 1-2/99.

[4] Cisco’s Packet over Sonet/SH (POS). White Paper Technology Support, 1997.