Business Intelligence

Wege zu prozessorientiertem BI

16.09.2009 von Carsten Bange und Christian Fuchs
Business Intelligence soll nicht nur Prozessergebnisse erfassen, sondern den Prozess selbst. Es gibt verschiedene Lösungsansätze.

Prozessorientierung beziehungsweise ein prozessorientiertes Management ist ein immer populärerer Weg zur Steigerung von Effektivität und Effizienz in Unternehmen. Vor diesem Hintergrund darf Business Intelligence (BI) zukünftig nicht mehr nur Prozessergebnisse (traditionelles BI) betrachten, sondern muss auch die Prozessausführung in Form von einschlägigen Kennzahlen in die Entscheidungsunterstützung einbeziehen. Ziel ist die zeitnahe Überwachung und Steuerung von Abläufen. Diese prozessorientierte BI umfasst die Sammlung, Aufbereitung und Nutzung von Informationen, die sowohl den Vorgang selbst als auch dessen Ergebnisse betreffen.

Foto: Fotolia/Joachim Wendler

Die zentralen IT-Herausforderungen liegen dabei in der prozessorientierten Datensammlung und Ereignisverarbeitung. Hinzu kommen die analytische Informationsaufbereitung im "operativen Takt" sowie die zunehmende Informationsmenge und -vernetzung. Die Umsetzung von BI kann hier in mehreren Ansätzen erfolgen: auf strategisch-taktischer Ebene, auf operativer Ebene sowie als integraler Prozessbestandteil in Form von analytischen Services. Diese Wege sind grundsätzlich unabhängig voneinander und können deshalb parallel verfolgt werden.

Lösung auf strategisch-taktischer Ebene

Prozessorientiertes BI ermöglicht auf strategisch-taktischer Ebene die Analyse und Verbesserung von Prozessen. Hierzu werden Informationen über den Prozessaufbau und -ablauf sowie darauf bezogene Kennzahlen zu Qualität, Zeit und Kosten benötigt. Um an solche Informationen zu kommen, gibt es zwei Szenarien:

  1. Prozessrekonstruktion: Steuert keine Engine die Prozesse, müssen entsprechende Instanzen nachträglich aus den operativen Systemen über Bewegungsdaten extrahiert werden. Hierzu muss der Ablauf einerseits identifizierbar (zum Beispiel durch eine Auftragsnummer), andererseits müssen die gewünschten Kennzahlen (etwa Durchlaufzeiten, Kosten etc.) aus der Ausführungsumgebung ableitbar sein. Die Abbildung der Prozesse kann lückenhaft sein (Prozessfragmente), besonders dann, wenn das operative System wenige Daten zum Ablauf speichert oder ein Vorgang über mehrere operative Anwendungen hinweg ausgeführt wird.

  2. Prozess-Engine: Sofern eine Engine die Ausführung der Prozesse steuert, fallen aus dieser Ausführungsumgebung sehr viele nutzbare Daten für prozessorientierte BI an. In der Engine sind Strukturen hinterlegt. Hier sind Informationen zum Ablauf, vor allem zu Struktur- und Bewegungsdaten, zu Zeitaspekten und eventuell auch zu den Kosten direkt verfügbar. Da eine Prozess-Engine somit den gesamten Ablauf einschließlich der menschlichen Interaktionen kennt, sind auch übergreifende Prozesse durch vollständige Instanzen transparent darstell- und rekonstruierbar.

Die vier Lösungsansätze für prozessorientiertes BI.

Die Bewertung der Prozessqualität erfolgt grundsätzlich anhand inhaltlicher Kennzahlen und ist damit in beiden Szenarien ähnlich. Ebenfalls ähnlich in beiden Szenarien werden die Prozessdaten in einer gesonderten Datenbank gespeichert, einem Process Mart beziehungsweise Warehouse oder direkt im Enterprise Data Warehouse.

Für die Analyse von Prozessen werden einerseits Strukturanalysen genutzt (typischerweise ausgeführte Prozesspfade und Ausnahmen), andererseits Kennzahlen einzelner Prozessschritte oder ganzer -ketten erhoben (beispielsweise Durchlaufzeiten, Ausschussquoten oder Kosten). Daten der Ist-Prozesse werden hierzu in regelmäßigen Abständen aus den Quellsystemen oder einer Engine ausgelesen, visualisiert und durch Vergleiche mit festgelegten Soll-Prozessen analysiert. Durch die Überwachung von Kennzahlen und die Protokollierung aller Ereignisse im Prozess können Schwachstellen in aggregierten Prozessmodellen aufgedeckt und Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet werden.

Lösung auf operativer Ebene

Auf operativer Ebene wird prozessorientierte BI vor allem durch Business Activity Monitoring (BAM) unterstützt. Primäres Ziel ist die kontinuierliche Überwachung von Prozessen in Bezug auf Ausnahmesituationen in Echtzeit, um möglichst schnell reagieren und operativ eingreifen zu können. BAM nutzt hierzu neben BI-Techniken und -Verfahren insbesondere auch die Ereigniserfassung und -verarbeitung.

BI über Prozesse mit Business Activity Monitoring (BAM).

BAM extrahiert prozessbezogene Kennzahlen ereignisgetrieben aus den operativen Systemen, filtert sie und bringt sie in einen Kontext mit den entsprechenden Geschäftsprozessen. Der Kontext entsteht durch die Verbindung von Kennzahlen mit Unternehmenszielen, historischen Daten beispielsweise aus einem Data Warehouse und einem Prozessbezug.

Die logische BAM-Architektur umfasst drei Schichten:

Lösung über Embedded BI

Prozessorientierung erfordert ein Umdenken von IT-Anwendungen hin zu Prozessen. IT-Anwendungen stellen Funktionen als Services bereit, die gemäß der Ablauflogik in den Prozessen anwendungsunabhängig orchestriert werden (SOA). Dies bedeutet auch eine Evolution von analytischen Anwendungen hin zu analytischen Services. Ein Vorteil der Serviceorientierung ist die Wiederverwendbarkeit der Services.

BI im Prozess (Embedded BI) bezeichnet die direkte Implementierung von BI-Funktionen in operativen Prozessen, beispielsweise in Form von Entscheidungs- und Vorhersagemodellen (Data Mining) oder integrierten Analyse- und Berichtsmöglichkeiten. Diese Einbettung kann als Programmcode oder als analytische Services erfolgen.

BI wird damit zur integralen Komponente eines Prozesses. So erhöht sich der Informationsgrad von Prozessbeteiligten aufgrund der eingebetteten Analysen und Berichte. Entscheidungs- und Vorhersagemodelle erlauben es, Entscheidungen zu automatisieren.

Der Markt für prozessorientierte BI

Durch den Trend in Richtung Prozessüberwachung mittels Kennzahlen und damit verbunden der kontinuierlichen Prozessverbesserung dürften Business Intelligence und Business-Process-Management (BPM) langfristig verschmelzen. Hierfür müssen BPM, BAM und BI zum Process-Performance-Management zusammenwachsen und Bestandteil eines übergeordneten Corporate-Performance-Managements werden.

Softwarelösungen für prozessorientiertes BI.

Barc sieht prozessorientierte BI als ein sehr junges Thema mit großem Potenzial, das sich aktuell noch in einer frühen Entwicklungsphase befindet. Einsatzbereiche finden sich heute vorerst in bestimmten Unternehmensbereichen, vor allem in der Logistik, dem Vertrieb und der Produktion. Mit der stärkeren Prozessorientierung von Unternehmen wird aber prozessorientierte BI entsprechend wichtiger.

Der Markt für Softwarelösungen für prozessorientierte BI ist sehr heterogen, dadurch stark segmentiert und unübersichtlich. Große Anbieter wie SAP, SAS, IBM oder Oracle bieten Basistechniken an. Viele Nischenanbieter offerieren Lösungen für bestimmte Aufgaben im prozessorientierten BI, so etwa Sensoren oder Tools für BAM/CEP und die Prozessanalyse. Der Dienstleistungsmarkt präsentiert sich ähnlich fragmentiert.

Mit der angekündigten Übernahme von IDS Scheer durch die Software AG entsteht ein breites Angebot für prozessorientierte BI. Die Software AG ergänzt die bestehenden Möglichkeiten für Daten-Management und Business Activity Monitoring mit den IDS-Scheer-Lösungen für Prozessmodellierung und vor allem Prozessanalyse. (ue)

Praxisbeispiel

Das IT-Innovations-Management der ZF Friedrichshafen AG hat zusammen mit Barc die Grundlagen, Lösungsansätze und Potenziale einer prozessorientierten BI für das Unternehmen untersucht. Bei dem Autoteilezulieferer gewinnt die Erhebung und Auswertung prozessbezogener Kennzahlen zunehmend an Bedeutung, sei es in der JIT/JIS-Fertigung oder im IT-Service-Management. Den Chancen auf eine verbesserte Prozesstransparenz und -steuerung stehen aber auch große Herausforderungen gegenüber. Neben der Bereitstellung der erforderlichen IT-Lösungen sind dies:

  • Die Schaffung einer End-to-End-Sicht auf Prozesse und Prozesskennzahlen;

  • die Regelung und konsequente Umsetzung der Fach- und IT-Verantwortung für Prozesse, Daten(-qualität) und Kennzahlen, kaskadiert über alle Entscheidungsebenen;

  • die Bündelung von Fach- und IT-Know-how zu BPM und BI.