Was kommt nach 10-Gigabit-Ethernet?

14.12.2001
Vom 12. bis zum 16. November traf sich in Austin (Texas) die Projektgruppe 802 des "Institute of Electrical and Electronics Engineers" zu ihrer 71. Sitzung. Mehr als 1000 Netzwerkspezialistenaus der ganzen Welt diskutierten über Themen wie 10-Gigabit-Ethernet, Stromversorgung über Twisted-Pair-Kabel sowie Ethernet als Zugangstechnik.

Von: Thomas Schramm, Bernd Reder

Im wahrsten Sinne des Wortes turbulent ging es auf dem 71. Meeting der IEEE-Arbeitsgruppe 802 in Austin zu. Zum einen wurde mit über 1000 Teilnehmern eine neue Rekordmarke erreicht, sodass sich die 20 Arbeitsgruppen auf zwei Hotels und ein Kongresszentrum in Austin verteilen mussten. Zusätzliche Unruhe brachte ein Tornado, der die Stadt mehrere Stunden lang in Angst und Schrecken versetzte.

Zu den Aufgaben, mit denen sich die Teilnehmer des Treffens beschäftigten, zählte unter anderem der Feinschliff am 10-Gigabit-Ethernet-Standard IEEE 802.3ae. Mit 235 Stimmberechtigten verzeichnete diese Gruppe, wie auch bei den vergangenen Treffen, das größte Interesse. Dieses Mal waren außer den großen Netzwerkfirmen auch viele "Startup"-Firmen vertreten. In den Draft 3.3 wurden rund 150 Kommentare eingearbeitet, wodurch das Dokument auf über 500 Seiten anwuchs. Als Draft 3.4 gab die Working Group die neue Version anschließend zur Begutachtung frei. Sie enthält folgende Neuerungen:

- Einige technische Probleme wurden gelöst, etwa im Zusammenhang mit Jitter, Loopback-Steuersignalen und Testverfahren.

- Insgesamt 13 Firmen wiesen nach, dass sich die physikalischen Schnittstellen 10GBASE-SR und 10GBASE-SW technisch realisieren lassen. 10GBASE-SR ist für Multimode-Lichtwellenleiter mit 850 nm und eine serielle Kodierung vorgesehen; 10GBASE-SW ebenfalls für Multimode-LWL, jedoch im Zusammenspiel mit der Synchronen Digitalen Hierarchie (SDH).

- 10GBASE-LW4 feierte ein Comeback. Dieses Übertragungsverfahren war ursprünglich Bestandteil des 10-Gigabit-Standards, wurde jedoch im März 2001 entfernt. Beim Meeting in Austin feierte 10GBASE-LW4 nun auf Drängen der Firma Blaze ein Comeback und wird aller Voraussicht nach in den nächsten Draft eingearbeitet.

- Die Firmen Molex, Blaze Network und Pine Photonics belegten die technische Machbarkeit von 10GBASE-LX4, sprich einer Übertragung von 10 GBit/s mithilfe vier unterschiedlicher Wellenlängen. Ebenso wurde der Wunsch geäußert, bei Singlemode-Glasfasern die Übertragungsdistanz von 10 auf 40 Kilometer zu erhöhen.

Die endgültige Fassung der Spezifikation dürfte nicht, wie vorgesehen, beim nächsten Meeting im März kommenden Jahres verabschiedet werden, sondern erst im Juli. Das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Yankee Group hat unterdessen den Markt für 10-Gigabit-Ethernet analysiert und bescheinigt der Technik ein beträchtliches Potenzial. Vor allem Geschäftskunden wünschen sich demnach flexiblere und günstigere Internetverbindungen in den Stadtnetzen. Allerdings sind die Umsätze mit Ethernet-Services in Metro-Netzen noch recht bescheiden. Für das laufende Jahr erwarten die Serviceprovider in den USA demnach Einnahmen in Höhe von 265 Millionen Dollar, im nächsten Jahr sollen es 548 Millionen Dollar sein.

Nur unter der Hand wurde in Austin darüber diskutiert, wie der nächste Quantensprung bei Ethernet aussehen könnte. Einige Chiphersteller ließen anklingen, dass sie als nächsten Schritt am liebsten 40-Gigabit-Ethernet, und nicht die Version mit 100 GBit/s sehen würden. Es sei bereits bei 40 Gigabit schwierig, entsprechende Halbleiter-Bausteine zu entwickeln. Allerdings gibt es die Alternative, vier 10-GE-Kanäle zu multiplexen. Dafür ließe sich mit vertretbarem Aufwand ein Chip designen.

Eine andere Fraktion setzt sich dagegen für 100-Gigabit-Ethernet ein. Sie hält an dem bislang üblichen Verfahren fest, die Übertragungsrate in Zehnerschritten zu erhöhen. Hier stellt sich das gleiche Problem wie bei 40 Gigabit: Die Technik ist äußerst komplex, sodass entweder nur eine Multiplexing-Lösung infrage kommt oder optische Switches und Switching-Chips eingesetzt werden müssen. Vermutlich beim nächsten Treffen im März 2002 oder spätestens im Juli wird sich die IEEE-Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigen, welcher Gigabit-Ethernet-Standard als nächster in Angriff genommen werden soll.

Strom über Twisted-Pair-Leitungen

Ziel der Workgroup 802.3af "DTE Power via MDI" ist es, über Twisted-Pair-Kabel neben Datenpaketen auch den Strom für die Endgeräte zu übertragen, etwa IP-Telefone oder Webkameras. Die Mitglieder überarbeiten gegenwärtig den Draft 2.0. Sie wollen schnellstmöglich den nächsten Entwurf aufsetzen, um die Fertigstellung des Standards zu beschleunigen. Viele Fragen wurden bereits geklärt (siehe "Eckdaten von Stromversorgung" in der Tickerleiste). Allerdings gibt es noch Unstimmigkeiten, die dazu führten, dass die Gruppe in allen sechs Abstimmungen keinen Konsens erreichte. Strittig sind beispielsweise die elektrischen Daten der Stromübertragung sowie die Verfahren, mit denen die Endgeräte identifiziert werden.

belung mit Energie versorgen.

Ein Erfolg versprechender Ansatz, dem die Working Group größere Beachtung schenken will, sieht vor, die Spannung "midspan" einzukoppeln. Dies bedeutet, dass ein Twisted-Pair-Patchfeld, das zwischen den Ethernet-Switches und dem Endteilnehmer liegt, die Endgeräte mit Spannung versorgt, und nicht die Switches. Der 802.3af-Standard soll Ende 2002 fertig sein.

Ethernet als Zugangstechnik "in the First Mile"

Ähnlich wie Telefondienste soll künftig auch Ethernet in Haushalten und Büros zur Verfügung stehen. Mit Ethernet im Teilnehmeranschluss-Bereich beschäftigt sich die Arbeitsgruppe 802.3ah "Ethernet in the First Mile" (EFM). Dieser Technik wird ein großes Marktpotenzial bescheinigt; wohl auch deswegen arbeiten die Mitglieder der Working Group besonders intensiv an den Spezifikationen.

In der EFM-Arbeitsgruppe fanden sich 100 Teilnehmer aus 50 Firmen zusammen. Deshalb wurden vier Teams formiert, die sich mit folgenden Themen auseinander setzten:

- EFM über Kupferkabel: Dabei stehen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über vorhandene Kupferkabel im Mittelpunkt. Die Datenrate soll 10 MBit/s betragen, die maximale Entfernung bis zu 750 Meter. Allerdings wurden auch Ansätze vorgestellt, die Distanzen von 1,2 Kilometern überbrücken.

- Ethernet über Lichtwellenleiter: Für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen wird die Übertragung über eine einzige Glasfaser diskutiert. Angedacht sind Applikationen mit 1000 MBit/s über Entfernungen bis 10 Kilometer. Zusätzlich beschäftigt sich die Untergruppe mit Punkt-zu-Multipunkt-Verbindungen. An eine Glasfaser werden in diesem Fall 16 weitere Lichtwellenleiter angekoppelt.

- EFM EPON, also Ethernet über passive optische Netze: Hier liegt der Schwerpunkt auf Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen über bis zu 16 Fasern.

- EFM OAM (Operations, Administration and Maintenance): Diese Gruppe beschäftigt sich mit der Inbetriebnahme, Verwaltung und der Wartung von EFM-Netzen. Die Fachleute erarbeiten insbesondere Vorschläge für "Remote Loopback" oder die Linkkontrolle.

Einen interessanten Vorschlag machten die Vertreter von acht Firmen: Sie wollen das Präambel-Datenfeld von Ethernet-Frames dazu nutzen, um darüber Informationen für EFM zu transportieren. Die sieben Byte große Präambel dient in Ethernet-Netzen dazu, die so genannte Takt-Rückgewinnung sicherzustellen. In Netzen mit Koaxialleitungen fallen von den sieben Byte am Anfang eines Frames bis zu vier dem Schwingungsverhalten der Kabel zu Opfer. Andere Kabeltypen, etwa Lichtwellenleiter oder Twisted-Pair-Kupferleitungen, kommen mit kleineren Präambeln aus.

Die Mitglieder der EFM-Gruppe argumentieren, dass heutzutage kaum noch Koax-Leitungen in lokalen Netzen eingesetzt werden. Deshalb ließe sich ein Teil der Präambel für andere Zwecke einsetzen. Sie wollen zwei bis vier Byte für OAM nutzen; zwei Byte sind für die Logical-PHY-ID reserviert und eines für die Checksumme (CRC). Die Alternative besteht darin, weitere Tags in den Ethernet-Frame einzufügen. Das ist insofern problematisch, als bereits vor einiger Zeit ein vier Byte großes Feld für Virtuelle LANs (VLAN) hinzukam. Mit noch größeren Paketen hätten ältere Komponenten Probleme. Beim einem Treffen in Kopenhagen will die EFM-Gruppe die ersten technischen Details ausarbeiten. Der Standard soll bis September 2003 fertiggestellt sein.

Die nächste Vollversammlung des IEEE 802 LAN/MAN Standards Committee ist für Mitte März nächsten Jahres angesetzt.

Zur Person

Thomas Schramm

leitet die Abteilung Projekt Consulting des Geschäftsbereichs Automation and Network Solutions bei Hirschmann Electronics.