Keine Kompromisse beim Thema Soft Skills

Was IT-Unternehmen von Bewerbern erwarten

22.11.2014 von Monika Becker
Das Potenzial eines Kandidaten, seine sozialen Skills sowie die Einstellung und Motivation spielen für Firmen eine überdurchschnittliche Rolle, und sie versuchen auch, keine Kompromisse einzugehen. Kompromissbereiter zeigen sie sich beim fehlenden Fachwisssen.

Der deutsche IT-Arbeitsmarkt ist seit Längerem ein Arbeitnehmermarkt. Nicht nur die Unternehmen suchen sich die Besten heraus. Auch die Arbeitnehmer sind in der Position, entsprechend ihren Präferenzen zu wählen. Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist nach wie vor ein brisantes Thema in den Personalabteilungen. Gleichzeitig ist "nachhaltiges" Recruiting wichtig für IT-Unternehmen. Es gilt, in einem engen Marktumfeld die richtigen Mitarbeiter zu finden, die ihre neue Rolle erfolgreich ausüben, zur Unternehmenskultur passen und sich idealerweise im Unternehmen erfolgreich weiterentwickeln.

Praxis wichtiger als Abschlussnote

Um den richtigen Mitarbeiter zu gewinnen, setzen die meisten IT-Unternehmen auf einen Mix aus Auswahlkriterien, die sich in den vergangenenJahren deutlich gewandelt haben. Für die Personalabteilungen der meisten IT-Unternehmen sind Schul- und Universitätszeugnisse bei der Einstellung von Absolventen zwar wichtig, aber nicht das alleinig ausschlaggebende Kriterium. Ein Universitätsabschluss mit der Gesamtnote 1,0 garantiert nicht die "Praxistauglichkeit" des Absolventen. Zunehmende Bedeutung haben Teilnoten und Praktika. Aus den Teilnoten kann eine Neigung und Richtung des Kandidaten herausgelesen werden. Durch praktische Erfahrungen, die der Kandidat im Vorfeld gesammelt hat, sind die Interessen des Bewerbers unmittelbar sichtbar. Ein Bewerber für eine IT-Umgebung, der Praktika in diesem Bereich nachweisen kann, untermauert seine fachliche Affinität und kann zudem in der Praxis meist schneller in Kundenprojekten eingesetzt werden als Kandidaten, die lediglich theoretisches Fachwissen vorweisen können.

Der perfekte Absolvent 2014
In der "Hochschul-Recruiting-Studie 2014" ...
... untersuchte Jobware untersuchte mit der Hochschule Koblenz, ob das steigende Angebot an Hochschulabsolventen auf eine entsprechende Nachfrage der Unternehmen trifft. Der Studie liegen Antworten von 211 HR-Experten zugrunde.
Um als Student seinen Marktwert zu erhöhen, ...
... sollte manPraktika absolviert oder als Werkstudent gearbeitet haben. 80 Prozent der Arbeitgeber erwarten praktische Erfahrungen von Hochschulabsolventen.
Das zweitwichtigste Einstellungskriterium ...
... aus Sicht der Unternehmen sind Arbeits- oder Praktikumszeugnissen. Mehr als jedes zweite Unternehmen achtet auf deren Inhalte.
Mit einer guten Abschlussnote...
... können Hochschulabsolventen bei etwa 40 Prozent der befragten Unternehmen punkten.
Ebenfalls positiv wird den Absolventen Auslandserfahrung angerechnet
Diese Eigenschaft sehen auch etwa 40 Prozent der Unternehmen als geeignet, um den Marktwert eines Hochschulabsolventen zu erhöhen.
Auch Fremdsprachenkenntnisse sind wichtig
Insgesamt 39 Prozent der Unternehmen sehen diese Eigenschaft als wichtig an, um den Marktwert zu erhöhen.
Die Abiturnote spielt dagegen kaum eine Rolle
Nur etwa 4 Prozent der HR-Experten gibt an, dass die Abiturnote den Marktwert des Hochschulabsolventen positiv beeinflusst.
Unrealistische Gehaltsvorstellungen der Hochschulabsolventen ...
... schrecken die Personaler ab. Fast 47 Prozent der befragten HR-Experten geben sie als große Schwäche an.
Wer bei Vorstellungsgesprächen nicht gänzlich versagen möchte, ...
... sollte der Studie zufolge auf selbiges vorbereitet sein. Über 30 Prozent der Unternehmen sehen die mangelnde Vorbereitung als häufigste Schwäche bei Hochschulabsolventen.
Ein unglückliches Erscheinungsbild ...
... hingegen ist nur knapp 15 Prozent der Unternehmen als häufigste Schwäche der Hochschulabsolventen aufgefallen.
Mit welchen Einsteigsgehältern ...
... können Hochschulabsolventen rechnen? Das ist laut Jobware-Studie auch eine Frage des Abschlusses.
Absolventen mit einem Bachelor-Abschluss ...
... konnten mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von 38.900 Euro rechnen.
... als Einstiegsgehalt für einen Bachelor ...
... bieten 45 Prozent der befragten Unternehmen an.
... im Jahr können Bachelor-Absolventen ...
... in jedem dritten der befragten Unternehmen verdienen. Vor zwei Jahren waren noch 41 Prozent der Unternehmen bereit, diese Summe zu zahlen.
... im Jahr können Bachelor-Absolventen...
... bei 18,7 Prozent der Unternehmen verdienen.
Hochschulabsolventen mit Master-Abschluss ...
... erhielten 2013 ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von 41.780 Euro.
... im Jahr können Master-Absolventen ...
... nur in jedem 10. Unternehmen erwarten.
Promovierten Hochschulabsolventen wurde ...
... von den Unternehmen über alles Unternehmensgrößen hinweg ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von über 40.000 Euro geboten.
... im Jahr für promovierte Einsteiger ...
... geben 27 Prozent der Unternehmen.
Aufgrund der Freizügigkeit innerhalb der EU-Länder ...
... erhielten in den letzten zwei Jahren 44 Prozent der befragten Unternehmen mehr Bewerbungen von Hochschulabsolventen aus dem EU-Ausland, aber nur 21 Prozent von ihnen haben sie auch vermehrt eingestellt.
Das mit Abstand am meisten genannte Einstellungshindernis ...
... sind Sprachbarrieren. 86 Prozent der befragten Unternehmen sehen diese als Hindernisse bei der Einstellung von ausländischen Hochschulabsolventen.
Auf dem zweiten Platz ...
... liegt die Angst der Unternehmen vor einer längeren Einarbeitungszeit.
Mangelnde Marktkenntnisse, kulturelle Unterschiede ...
... sowie eine hohe Fluktuationsgefahr halten jeweils 23 Prozent der befragten Unternehmen davon ab, ausländische Hochschulabsolventen einzustellen.
Lediglich sechs Prozent der befragten HR-Experten ...
... vermuten keine Hürden bei der Rekrutierung ausländischer Absolventen.

Die Abschlüsse Bachelor und Master sind mittlerweile etabliert. Die Akzeptanz der Bachelor-Studiengänge ist in den vergangenen Jahren auf der Arbeitgeberseite deutlich gestiegen. Viele Unternehmen bieten Traineeprogramme für Absolventen, um die weiteren Karriereschritte zu ebnen und gleichzeitig die Mitarbeiter zu binden. Personaler raten jungen Absolventen, rechtzeitig den Weg in die Praxis zu suchen. Zum einen hilft es bei der Einschätzung, ob die berufliche Wahl richtig ist, zum anderen kann der Kandidat sein fachliches Interesse sichtbar untermauern.

Unternehmen sind kompromissbereit

Für erfahrene Bewerber und Führungskräfte in der IT Branche gilt, dass die Ausbildungszeugnisse meist geprüft werden, aber eine weitaus geringere Rolle spielen als Arbeitszeugnisse aus der jüngeren Zeit. Eine wichtigere Rolle nehmen auf höherem Joblevel Referenzen ein. Dieses Kriterium, das im angelsächsischen Raum seit Langem Usus ist, wird zunehmend in Deutschland angewendet.

Weiterhin ist zu beobachten, dass viele IT-Unternehmen bei den fachlichen Anforderungen kompromissbereiter sind als bei den sozialen Fähigkeiten. Die Stellenbeschreibung sollte der Bewerber mit seinen Fähigkeiten zumindest in wesentlichen Teilen erfüllen, es muss nicht 100 Prozent Passgenauigkeit bestehen. Gerade im IT-Bereich sind die Innovationszyklen ohnehin so kurz, dass für fachlich versierte Mitarbeiter regelmäßige Fortbildungen unerlässlich sind, um auf dem Stand der Technik zu bleiben.

Bei den Soft Skills sind die IT-Personaler zunehmend kritischer. Wenn ein Kandidat häufige Jobwechsel nicht plausibel erklären kann, wird das kritisch gesehen. Es könnte sein, dass der Bewerber nirgends erfolgreich war oder nicht in der Lage ist, sich in ein Team zu integrieren. Ein großer Fauxpas ist es, wenn die im Lebenslauf aufgeführten Stationen nicht mit den Angaben aus den Arbeitszeugnissen oder öffentlich zugänglichen Informationen über die Person übereinstimmen. In aller Regel wird in den Einstellungsinterviews sehr genau geprüft, ob der Kandidat generell in seinem Auftreten zur Unternehmenskultur und in das Team passt.

Auf Managementebene spielen Führungserfahrung und Führungsstil sowie die unternehmerische Erfahrung (Budget- bwziehungsweise Profit-Loss-Verantwortung) häufig im Auswahlprozess die größte Rolle. Bei solch wichtigen Rollen sind bei Einstellungen keine Experimente gefragt.

IT-Branche wird älter

Eine Trendwende zeichnet sich hinsichtlich des bevorzugten Alters neuer Mitarbeiter ab. Vor rund zehn Jahren war es noch üblich und vermeintlich richtig, primär jüngere Mitarbeiter an Bord zu holen. Die IT-Branche galt als junge Branche, die junge Mitarbeiter braucht.

Immer mehr Unternehmen schätzen Mitarbeiter 50 Plus als wertvolle Zielgruppe.
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Mittlerweile hat man erkannt, dass Mitarbeiter 50 Plus eine wertvolle Zielgruppe sind. Diese Altersgruppe hat nicht mehr den Fokus auf das Familienleben - die Kinder sind meist groß -, was unter anderem eine hohe Flexibilität, zum Beispiel für längere Geschäftsreisen, mit sich bringt. Gestandene Fachkräfte haben zudem fundiertes Wissen und verfügen dank ihrer Erfahrung über höhere Gelassenheit und Stressresistenz. Auch hat man erkannt, dass diese Generation beim nächsten Jobangebot nicht gleich abwandert, sondern dem Arbeitgeber loyal verbunden bleibt. Generell ist "Diversity" ein großes Thema in den Personalabteilungen vieler IT-Unternehmen. Die Praxis hat gezeigt, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten. Diese Erkenntnis schlägt sich zunehmend im Recruiting nieder.

Wie kann ich als Bewerber am besten punkten?

Viele Personalverantwortliche stellen eine deutliche Verschlechterung in der Qualität der Bewerbungen fest. Einige enthalten Rechtschreibfehler, sind im Anschreiben nicht personalisiert oder enthalten einen falschen oder fehlerhaften Firmennamen. Dies deutet auf eine geringe Motivation oder zumindest unzureichende Sorgfalt hin.

Eine angemessene Vorbereitung ist auch für das erste Interview erforderlich. Wurde die Stellenanzeige richtig gelesen? Was weiß der Bewerber über das Unternehmen? Sind die wesentlichen Firmeninformationen, die der Firmen-Website zu entnehmen sind, bekannt? Gewünscht wird in aller Regel, dass der Bewerber Fragen zu Unternehmen und Position vorbereitet hat. Der Eindruck des Erstgesprächs ist die persönliche Visitenkarte, die ein Arbeitgeber von einem Kandidaten erhält. Das Erstgespräch wird von Unternehmensseite gerne wie eine Arbeitsprobe eingestuft, da es Analogien zur späteren Vorbereitung auf Aufgaben im Arbeitsalltag gibt. Dies gilt für erfahrene Mitarbeiter, die von einer Personalberatung vorgestellt wurden, genauso wie für "echte Bewerber".