Kommunikation über den Browser

Was haben Unternehmen von WebRTC?

21.06.2015 von Tobias Enders
Der WebRTC-Standard ermöglicht neue Kommunikationsmöglichkeiten direkt im Browser. Die Technologie bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile. Dennoch gilt es einiges zu beachten.

Vor kurzem hat das World Wide Web Consortium (W3C) einen Entwurf für die erste stabile Version von WebRTC (Web Real-Time Communication) vorgestellt. Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein offener Standard, mit dem Dienste wie Videokonferenz oder Chat direkt über den Webbrowser erfolgen können.

Gegenüber bestehenden Technologien wie Session Initiation Protocol (SIP), das häufig bei Internet-Telefonie angewendet wird, ermöglicht die Einbindung in Webbrowser nun eine agile Nutzung von hochwertigen Kommunikationstechnologien. Somit sind aufwändige Software-Installationen nicht mehr nötig. Da moderne Computer, also Notebooks und Smartphones, meist integrierte Mikrophone und Kameras enthalten, können auf diese Weise auch Anwender mit wenig technischem Verständnis hochwertige Videokonferenzen aufsetzen und nutzen - vorausgesetzt die Gegenseite nutzt die gleiche oder eine kompatible Technologie.

Einsatz-Szenarien in Unternehmen

WebRTC wird sich vermutlich über die nächsten zwei bis drei Jahre zunächst im Consumer- und SMB-Segment verbreiten, bevor größere Organisationen einen Paradigmenwechsel in Erwägung ziehen. Privatpersonen können beispielsweise ein Video-Tagebuch führen, das sie in der Cloud speichern, oder ihre Präsenz in sozialen Netzwerken mit Video-Inhalten bereichern.
Ähnlich wie in der Unterhaltungsindustrie wird sich die Akzeptanz also durch die Consumerization langsam in Richtung Unternehmenseinsatz entwickeln, hauptsächlich natürlich für die Kommunikation, Collaboration und den Datenaustausch zwischen Mitarbeitern, aber auch zu Kunden und Partnern.

Tipps für erfolgreiche Webkonferenzen -
1. Technik
Vor dem Start einer Webkonferenz sollten sich alle Teilnehmer mit der Technik vertraut machen. Das gesamte Equipment, die Software oder die Webcam müssen vorher ausprobiert werden, etwa in einer Test-Konferenz.
2. Weniger ist mehr
Die Zahl der Teilnehmer sollte auf sechs bis sieben, die Dauer einer Webkonferenz auf 90 Minuten begrenzt sein. Mehr ist manchmal nicht zu vermeiden, geht aber immer zu Lasten der Produktivität.<br />(Foto: Fotolia, D. Merkel)
3. Verfügbarkeit
Beim Ansetzen von Webkonferenzen sollte der Einladende auf Zeitzonen und lokale Feiertage achten.
5. Materialien
Alle für eine Webkonferenz benötigen Materialien - beispielsweise Bilder, Videos oder Texte - sollten vorher zusammengestellt werden.
6. Programm
Der Moderator sollte eine klare Agenda verwenden und während der Session immer wieder darauf Bezug nehmen.<br />(Foto: Pixelio, ro18ger)
7. Konzentration
Wenn man in einer Webkonferenz ohne Webcam die Partner nicht sehen kann, sollte man sich während der Session trotzdem nicht mit anderen Dingen beschäftigen, beispielsweise E-Mails bearbeiten. Auch halblaute Gespräche nebenbei stören. <br />(Foto: Fotolia)
8. Mit Namen melden
Wer sich in einem Online-Meeting ohne Webcam zu Wort meldet, sollte seinen Namen nennen. Andere Teilnehmer können Beiträge meist nicht aufgrund der Stimme zuordnen.
9. Teilnahme
Der Moderator sollte während einer Session in regelmäßigen Abständen bei allen Teilnehmern nach Beiträgen oder Meinungen fragen. Auf diese Weise kann er verhindern, dass einzelne Teilnehmer "abdriften".<br />(Foto: Fotolia, Berchtesgarden)
10. Kommunizieren statt monologisieren
Endlose Monologe führen unweigerlich dazu, dass die übrigen Teilnehmer sich gedanklich ausklinken. Hier muss der Moderator rechtzeitig eingreifen und gegensteuern.<br />(Foto: Fotolia)
11. Präsentationen
Die Grundregeln für Präsentationen müssen in Webkonferenzen besonders streng eingehalten werden:<br /><br /> * Möglichst wenig Text auf einer Folie - maximal sechs Bullet-Points<br /> * Große, klare Schrifttypen<br /> * Klare und deutlich visualisierte Strukturierung der Gliederungsebenen<br /> * Nummerierte Folien<br /> * Kein unruhiger Hintergrund und keine aufwändigen Randgrafiken<br /> * Keine komplexen Animationen<br /> * Ganz wichtig: Der Präsentierende sollte nicht ständig mit dem Mauszeiger auf den Folien herumkurven.<br /><br />(Foto: Fotolia, Endostock)
12. Getränke
Kaffeetassen, Teetassen und Gläser dürfen nicht neben dem Mikrofon platziert werden, weil Klappern und Klirren die Webkonferenz stören können.<br />(Foto: Fotolia, Nikolai Sorokin)

Konkrete Szenarien versprechen durchaus wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen. So lassen sich beispielsweise Telefon-Hotlines durch Video-Gespräche ersetzen. Click-to-chat-Links in E-Mail-Signaturen oder auf Webseiten erlauben Kunden und Interessenten einen schnellen Weg der visuellen Kontaktaufnahme. Auf diese Weise kann das Unternehmen seine Reichweite erhöhen und die Kundenzufriedenheit steigern. Gleichermaßen wird es für die Marketing-Abteilung leichter, HTML5 Medien wie aufgezeichnete Produktpräsentationen in die Webseite zu integrieren. Zielgruppen sind insbesondere junge Nutzer und solche ohne Technologieerfahrung, aber auch "Laufkunden", die sich über öffentliche Endpunkte wie Geldautomaten oder PoS-Systeme ansprechen lassen.

Heute ist es ein Muss für Unternehmen, die häufig mit externen Partnern und Kunden kommunizieren, umfassend erreichbar und mit möglichst vielen Protokollen und Standards kompatibel zu sein. Die Generation Y nutzt kaum noch Telefon und E-Mails für Anfragen oder Bestellungen. Vor allem Technologieanbieter sollten sich daher keine Blöße geben und stets am Puls der Zeit sein.

Die Grenzen von WebRTC

Trotz aller Vorteile hat der Einsatz von WebRTC seine Grenzen. Die Arbeit des W3C zielt darauf ab, Standards im Internet zu etablieren. Viele Entwickler und Hersteller begrüßen dies, andere hingegen setzen weiterhin auf proprietäre Lösungen. Größtenteils treibt Google die Entwicklung von WebRTC voran. Daher unterstützen die meisten Browser die Verwendung des Standards bereits.

Direkte Konkurrenten von Google haben aber wenig Anreiz, sich an dem Projekt zu beteiligen. Folglich unterstützten andere Browser wie Internet Explorer und Safari den WebRTC-Standard nicht nativ. Anwendern bleibt dann nichts anderes übrig, als sich selbst geeignete Plug-Ins zu installieren. Das wiederum führt zu der viel diskutierten "Schatten-IT" in Unternehmen und widerspricht den Compliance-Regeln - und vor allem dem angestrebten Nutzen der Kommunikationsagilität. Die universelle Nutzung wird dadurch immens beeinträchtigt.

WebRTC wird auch die klassischen Hardware-Systeme nicht verdrängen können. Insbesondere bei komplexen Anwendungen mit viel Video-Input stoßen softwarebasierte Lösungen schnell an ihre Grenzen. Darüber hinaus werden größere Unternehmen weiterhin hardwarebasierte Videokonferenzsysteme vorziehen, weil sich diese über ein zentrales Managementsystem sicherer verwalten und leichter warten lassen - selbst wenn kein Techniker vor Ort ist.

Sicherheitsrisiken und Datenschutz

Hinzu kommen Sicherheitsbedenken: Angesichts der bekannten Geheimdienstoperationen und zunehmenden Hacker-Angriffe spielt selbstverständlich der Datenschutz eine entscheidende Rolle bei der Frage nach WebRTC-Einsatz in Unternehmen. Daher sollte jede Kommunikationstechnologie von den zuständigen Technologie- und Sicherheitsexperten des Unternehmens intensiv auf Sicherheitsmängel überprüft werden. Wo die Daten herkommen, wo sie hingehen und wie der Transport erfolgt, das ist für den Datenschutz ausschlaggebend.

Die höchsten Sicherheitsrisiken kommen natürlich von der direkten Kommunikation im Internet. Für die geschäftskritische Kommunikation ist eine zuverlässige Absicherung aber essenziell. Hier kann es technisch und ökonomisch ratsam sein, auf eine sichere Umgebung von professionellen Service-Providern für den Datenaustausch zu vertrauen. Da deren Verteilungssysteme - durchgängig vom Absender bis zum Empfänger - ständig gewartet und auf Probleme überwacht werden, haben Dritte keine Möglichkeit, unerlaubt Daten zu entwenden.

Wie stark sich WebRTC in Unternehmensumgebungen etablieren wird, muss sich noch erweisen. Der Standard ermöglicht zahlreiche neue Anwendungen, hat aber seine Limitierungen. Die Entwickler sollten sich dennoch bereits jetzt bemühen, moderne Lösungen kompatibel zu WebRTC zu gestalten. (bw)