Enterprise 2.0

Warum sich Firmen mit Social Media schwer tun

17.08.2010 von Diego Wyllie
Unternehmen haben zum Teil große Schwierigkeiten, die neuen Social Media-Kanäle in ihre Kommunikations- und Marketingstrukturen zu integrieren. Der Grund: Es fehlen oft langfristige Strategien und vor allem der Mut zum offenen Dialog.

Im Privatbereich werden soziale Netzwerke und Dienste immer beliebter, wie die rasant steigenden Nutzerzahlen von Facebook, Twitter und Co. zeigen. Getrieben von der zunehmenden Verbreitung des Web 2.0 stellen sich immer mehr Unternehmen die Frage, ob auch sie Social Media-Instrumente im Kundenmanagement, Marketing und Vertrieb einsetzen sollten. Wie eine aktuelle Untersuchung der Deutsche Bank Research zeigt, besteht aber häufig noch große Unsicherheit über die Bedeutung des Enterprise 2.0 für den unternehmerischen Erfolg.

Forrester Research: Microblogging-Dienste wie Twitter spielen bei den europäischen Mittelständlern noch eine geringe Rolle.
Foto: Forrester Research

Die meisten Firmen sind laut Studie über Experimente mit einzelnen Web 2.0-Anwendungen noch nicht hinausgekommen. Die Marktforscher verweisen dabei auf eine Umfrage, die Forrester in diesem Jahr unter Mittelständlern durchgeführt hat. Danach nutzen von den rund 900 befragten Firmen aus den USA und Europa nur 14 Prozent Soziale Netzwerke aktiv. Microblogging-Dienste wie Twitter spielen eine geringere Rolle: Nicht einmal jedes zehnte Unternehmen nutzt sie - weder für die interne Kommunikation mit Mitarbeitern noch für den externen Dialog mit Kunden und Partnern (siehe Grafik).

Langfristige Strategien fehlen

"Den Unternehmen mangelt es häufig an übergreifenden Strategien für einen effektiven Einsatz von Web 2.0" kommentiert Antje Stobbe, Autorin der Deutsche-Bank-Studie. Wenn Firmen das Potenzial von Social Media ausschöpfen wollen, müssen sie ihrer Einschätzung zufolge zunächst die Ziele klären und verschiedene strategische Fragestellungen beantworten - nur so seien sie in der Lage, Web 2.0-Instrumente sinnvoll einzusetzen. Ferner sei auch die Unterstützung durch das Management entscheidend.

Zunächst empfehle es sich daher, den Einsatz von Social Media grundsätzlich zu hinterfragen: Inwiefern passen Web 2.0-Tools, wie ein Corporate Blog, eine Facebook-Fanseite oder ein Twitter-Account, überhaupt zum Unternehmen beziehungsweise zur Unternehmenskultur?

Firmen mangelt es an Offenheit und Transparenz

Diese Frage erscheine zwar zunächst banal, räumen die DB-Analysten ein. Doch die Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass sie für den Erfolg von Web 2.0-Technologien in Unternehmen entscheidend sei und weist auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der PR-Agentur Wildfire hin. Demnach sind rund 90 Prozent der befragten HighTech-Firmen aus Großbritannien zwar auf einer oder mehreren Social-Networking-Plattformen präsent. Statt sich aber auf die Besonderheiten der neuen Medien einzustellen, verharren die Unternehmen bei den Methoden der traditionellen Unternehmenskommunikation. Die Konsequenz: Rund 43 Prozent der untersuchten Firmen, die einen Twitter-Account führen, haben laut Studie auf keinen einzigen Tweet geantwortet. Bei Facebook sind die Ergebnisse auch nicht besser: Nur 25 Prozent der Firmen, die eine Fanseite betreiben, würden auf die Kommentare ihrer Kunden aktiv eingehen.

Über die Hälfte der DAX-30-Unternehmen hat zwar eine Facebook-Fanseite und sogar 70 Prozent einen Twitter-Account, der offene und direkte Austausch lässt hier jedoch oft zu wünschen übrig.
Foto: Wirtschaftswoche

In Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild. Wie Stobbe erläutert, besitzen zwar mehr als die Hälfte der DAX-30-Unternehmen eine Facebook-Fanseite und sogar 70 Prozent einen Twitter-Account, der offene und direkte Austausch über die klassische Pressearbeit hinaus lasse allerdings auch hier zu wünschen übrig. "Die Voraussetzung für den Erfolg von Social Media-Initiativen ist eine Unternehmenskultur, die Offenheit und Transparenz großschreibt. Unternehmen müssen sich die grundsätzliche Frage stellen, ob sie dafür wirklich bereit sind" betont die Marktforscherin.