Manager packen aus

Warum Frauen in der IT oft nicht weiterkommen

04.05.2013 von Silvia Hänig
Männlicher Machttrieb und andere Kommunikationseigenheiten verhindern Frauenkarrieren in der IT, sagen Manager. Sie verraten, wo Kolleginnen punkten können.

Geht es um Frauen in Führungsetagen, ist man hierzulande ganz schnell beim Reizthema Quote. "Diese Diskussion trifft nicht den Kern", sagt Thomas Hemmerling-Böhmer, Vorstand der Daten-Management-Beratung PDO Concept. Branchenkollege Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Beck et al., hält die Frage, ob Frau oder Mann, grundsätzlich für zu kurz gesprungen und glaubt, dass viele IT-Unternehmen schon einen Schritt weiter seien.

"Es ergibt für mich einfach keinen Sinn, das jeweils Typische an einer Frau oder einem Mann herauszuarbeiten, denn dann landet man gleich bei bestimmten Vorurteilen und Stereotypen", so der IT-Unternehmer, der Frauen in führenden Positionen beschäftigt. Er wünscht sich insgesamt mehr "reflektiertes Verhalten auf beiden Seiten und gegenseitigen Respekt" zum Wohl der Sache und der Kunden.

Tipps für Projektmanagerinnen
Sich Netzwerken anschließen
Berufs- und Fachverbände unterhalten mittlerweile Netzwerke für den Erfahrungsaustausch von Managerinnen. Einige dieser Netzwerke werden von der Europäischen Union gefördert, andere ehrenamtlich geführt. „Frauen in Projekt-Führungspositionen sind heute noch verhältnismäßig selten“, sagt Zimmer-Reps, „entsprechend einsam kann es für die Projektmanagerinnen werden.“ Sie empfiehlt Projektmanagerinnen, solche Netzwerke zu nutzen.
Selbstmarketing betreiben
Erfolgreichen Projektmanagerinnen eilt ein guter Ruf voraus. Nach dem Prinzip „Tue Gutes und rede darüber“ weisen Sie auf ihre Erfolge hin. Sie können damit ihre Position in neuen Projekten schneller etablieren. Dieses „Selbstmarketing“ sollten Projektmanagerinnen dezent, aber mit System betreiben. Auf keinen Fall sollten sie ihr Licht aus falscher Bescheidenheit unter den Scheffel stellen und darauf hoffen, dass andere ihre Leistungen würdigen. Zu diesen Leistungen zählen neben den „harten Ergebnissen“ am Ende des Projekts auch Managementleistungen, etwa gelungene Einigungen nach Konflikten, reibungslose Abläufe bei der Zusammenarbeit im Team und mit Kunden oder methodisch besonders sorgfältige Projektplanung.
Verschiedene Führungsstile einüben
Frauen führen anders. Empathie, Sensitivität, Diplomatie und Selbstorganisation gehören zu ihren Stärken. Erfolgreiche Projektmanagerinnen nutzen diese Fähigkeiten. Sie entwickeln einen auf Kooperation aufbauenden Führungsstil, der ebenso konstruktiv wie effizient funktioniert. Dennoch können sie notfalls auch „traditionell“ führen und wissen, wie man beispielsweise fruchtlose Diskussionen mit einem Machtwort beendet. Projektmanagement-Expertin Cornelia Zimmer-Reps rät Projektmanagerinnen, einen breit angelegten „Methodenkoffer“ für die Führung anzulegen – der vom ein-fühlsamen Mitarbeitergesprächen bis hin zum finalen „Basta!“ in ausufernden Projektsitzungen reicht.
Auf den eigenen Auftritt achten
Erfolgreiche Projektmanagerinnen wissen, wie sie mit ihrer Kleidung, ihrer Frisur, ihrer Körpersprache und Ausdrucksweise auf andere wirken. „Kleidung darf heute durchaus eine weibliche Note haben, sollte aber nicht provozierend sein“, erklärt Zimmer-Reps. Auch kann überbetonte oder defensiv wirkende Körpersprache den Eindruck von Unsicherheit und mangelnder Stärke wecken. Ähnliches gilt für die Wortwahl. Verbindlich gemeinte Einschränkungen („Ich glaube...“, „Ich meine...“, „Vielleicht könnten wir...“) werden häufig als Schwäche ausgelegt. Im Projektmanagement ist ein fester, klar und schnörkellos ausgesprochener Standpunkt gefragt.
Konflikte nicht scheuen
Wer sich vor Konflikten drückt, verliert schnell sein Standing. Nichts vergiftet die Arbeitsatmosphäre in Projekten mehr als schwelende Auseinandersetzungen, sie schmälern schnell die Produktivität. Erfahrene Projektmanagerinnen folgen ihrem Bauchgefühl und erkennen früh aufkommende Streitigkeiten im Team. Sie gehen den Ursachen auf den Grund – auch dann, wenn die Kontrahenten zunächst abwiegeln.
Angriffspunkte vermeiden
Das traditionelle Rollenverständnis in Unternehmen wirkt nach. Vielen Frauen werden Führungspositionen nicht zugetraut; man sucht bei Projektmanagerinnen nach Angriffspunkten, die die alten Klischees wiederbeleben sollen. Deshalb: Projektmanagerinnen punkten offensiv mit Fachkompetenz, mit guter Selbstorganisation, methodischem Vorgehen und verlässlicher Führung. Beispielsweise sind sie gut auf Besprechungen vorbereitet, erlauben sich keine Versäumnisse bei der Projektplanung und wenden die Methodik des Projektmanagements sorgfältig an. Durch gewissenhafte Arbeit verbessert sich nicht nur die Projektarbeit. Auch fühlen sich viele Projektmanagerinnen sicherer, treten dadurch souveräner auf und können so ihr Team von ihrer Kompetenz überzeugen.
Unterstützer im Team finden
Auch Männer schätzen den weiblichen Führungsstil. Nicht alle, aber einige. Erfahrene Projektmanagerinnen haben meistens ein intuitives Gefühl, welche Mitarbeiter ihnen wohlgesonnen sind und den „neuen Ton“ in der Führungskultur schätzen. Diese Mitarbeiter sind gute Verbündete im Team. Sie lassen eine geschlossen wirkende Männerfront löchrig werden und ermöglichen einen Kulturwandel im Projekt.
Cornelia Zimmer-Reps
Die Projektmanagement-Expertin und Trainerin bietet den eintägigen Workshop „Women only - spezielle Herausforderungen meistern“, der sich an Projektmanagerinnen richtet. Dieser wird regelmäßig in Deutschland und Österreich veranstaltet. Termine und weitere Informationen finden Interessierte beim Veranstalter „next level academy“ unter www.nextlevel-academy.eu und per Mail: info@nextlevel-academy.eu.

Von einigen Ausnahmen abgesehen, stehen die meisten IT-Unternehmen in ihren Bemühungen um wirksame Frauenförderung noch ganz am Anfang. Zwar weist mittlerweile nahezu jeder IT-Betrieb ein öffentlichkeitswirksames Förderprogramm auf, von der eigentlichen Umsetzung sind die meisten aber noch weit entfernt.

Siegfried Lautenbacher, Beck et al.: Der Geschäftsführer des IT-Dienstleisters wünscht sich mehr reflektiertes Verhalten bei Männern und Frauen.
Foto: Privat

Hemmerling-Böhmer erklärt das so: "Machttrieb und Karriereehrgeiz der Männer sind noch zu groß. Da haben es Frauen schwer, ans Ruder zu kommen." In seiner Funktion als leitender CIO hat er in der Vergangenheit schon oft IT-Projekte gemeinsam mit Frauen gestemmt und kennt die Haltung seiner Geschlechtsgenossen gut.

Männer reden Frauen tot

Dieses Streben der Männer nach Dominanz zeige sich auch in der Kommunikation. "Männer beanspruchen für sich mindestens 70 Prozent der Redezeit, Frauen im Schnitt nur 30. Mit anderen Worten: Die Herren der Schöpfung reden mit kräftiger Stimme und gewaltigen Worten die Damenwelt tot", so Hemmerling-Böhmer.

Thomas Hemmerling-Böhmer, PDO Concept: "Machttrieb und Karriereehrgeiz der Männer sind noch zu groß."
Foto: PDO Concept

Während Frauen das eigentliche Ziel des Gesprächs im Blick hätten, gehe es Männern um die Verteidigung der eigenen Machtposition. Den Grund dafür sieht der IT-Manager in der unterschiedlichen Arbeitsauffassung: Frauen fragten viel häufiger nach, wenn sie etwas nicht verstanden hätten. Für sie sei sorgfältige Arbeit substanziell wichtig. Männer hingegen wollten sich keine Blöße geben, wenn sie etwas nicht begriffen hätten. "Stattdessen stellen sie Sachverhalte nebulös dar", sagt Hemmerling-Böhmer.

Frank Schabel, Hays: "Frauen wissen, dass die Team-Balance erfolgskritisch ist."
Foto: Hays

Haben Frauen das Sagen, beispielsweise in Projektteams, dann ändert sich das Teamverhalten, meint Frank Schabel, Marketing-Leiter des IT-Personaldienstleisters Hays. "Frauen achten darauf, dass sich das gesamte Team auf das Projektziel konzentriert und sich nicht in Machtkämpfe verstrickt. Zudem gehen sie auf die Akteure zu. Frauen wissen, dass die Team-Balance erfolgskritisch ist", so Schabel.

Frauen müssen sich besser verkaufen

Wie aber können Frauen ihre Stärken und Fähigkeiten zeigen, ohne am Machtgehabe der Männer zu scheitern? Hemmerling-Böhmer rät: "In der Männerdomäne IT wird eine Frau erst akzeptiert, wenn sie lernt, ihre Kompetenz richtig zu verkaufen. Warum? Die Herren fühlen sich dann häufig nicht mehr von ihr bedroht."

Denn erst, wenn Männer die Kompetenz der Frau richtig einschätzen können, haben sie keine Angst mehr, um eine Führungsposition gebracht zu werden. Um Frauen stärker für die IT zu begeistern und zu fördern, müsse allerdings auch die IT ihr Imageproblem lösen, fordert der Manager: "Die IT wandelt sich zum Business-Partner auf Augenhöhe, und ist immer weniger das Fricklertum im dunklen Server-Raum. Die IT braucht ein neues Selbstverständnis, dann fühlen sich auch mehr Frauen angesprochen."

Frauen in Führungspositionen
Noch bilden sie eine Minderheit: Frauen in der IT haben in den meisten Firmen Exotenstatus, erst recht im Management.
Ralica Yancheva, Beraterin bei Conargus:
"Die Diskussionen und politischen Debatten zur Frauenquote haben viele Manager für das Thema sensibilisiert."
Inge Hanschke, Geschäftsführerin bei Iteratec:
"Frauen müssen wissen, was sie wollen und gelassen auf das Platzhirschgebaren reagieren."
Rebecca de Souza, Diversity Managerin bei General Electric (GE)
"Zu wenige Frauen in Führungspositionen sind überall in Europa ein Problem, doch besonders in Italien und Deutschland."
Patricia Rezic, verantwortlich für Controlling und Personal bei Projektron
"Das Durchschnittsalter unserer Mitarbeiter liegt bei 32 Jahren; viele haben Kinder."
Eva Faenger, Diversity-Managerin bei Hewlett-Packard:
"Besonders im Service und im Outsourcing-Geschäft gibt es Handlungsbedarf."
Claudia Kedor: Leiterin Marketing bei Projektron:
"Wir sprechen schon vor der Geburt des Kindes mit den Kollegen, wie sie sich den Wiedereinstieg vorstellen."
Edeltraud Leibrock, Vorstand IT bei der KfW Bank:
"Frauen tendieren öfters als Männer dazu, ihre Fähigkeiten kritisch zu bewerten."
Katrin Jenkins, Abteilungsleiterin Systemdesign und Customizing bei DB-Systel:
"Junge Mütter sind besonders engagiert, weil sie sich nichts nachsagen lassen wollen."
Claudia Payer, Projektleiterin Commerz Finanz:
"In über 20 Jahren habe ich mir fundiertes IT-Know-how angeeignet, das heute eine solide Grundlage bildet, um Projekte zu leiten."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)