WAP wird doch noch professionell

02.02.2001
Mäkeleien über die mobile Internet-Variante WAP (Wireless Application Protocol) gehören unter Anwendern und Analysten fast schon zum guten Ton. Die Anbieter haben Erwartungen geweckt, denen die Technik bisher nicht gerecht werden konnte. Ein Blick aufs Machbare korrigiert das Negativ-Bild.

Von: Achim Born

Für Scott Goldman, den CEO der US-Industrieorganisation "WAP-Forum", ist der Erfolg des Wireless Application Protocol keine Zukunftsmusik. Er schmettert jede Kritik ab. "WAP-Geräte, Inhalte und Anwendungen werden bereits heute genutzt", lautet sein Credo. Goldmann rührt die Marketing-Trommel überall auf der Welt und versucht, seine Thesen auf Veranstaltungen mit Statistik zu untermauern. Mehr als 50 Millionen WAP-Handys sollen weltweit schon verkauft worden sein. Immerhin acht Millionen Anwender nutzen Goldmanns Zahlen zufolge regelmäßig WAP-Dienste, die auf 10 000 Sites und mehr als fünf Millionen lesbaren Seiten basieren. 139 Carrier, so führt der Forum-Chef weiter aus, stellen weltweit schon entsprechende Services bereit oder führen sie bald ein. "Legt man die Seiten zugrunde, wächst WAP vier- bis fünfmal schneller als das WWW", wusste Goldmann jüngst in München zu berichten.

All diesen Zahlen zum Trotz skizzieren Marktforscher ein eher düsteres Bild des aktuellen WAP-Einsatzes. Insbesondere das European Research Center von Forrester Research äußerte vernichtende Kritik. Die Analysten überprüften fünfzig WAP-Seiten und kamen zu einem ernüchternden Resümee: Der Inhalt sei ungenügend, das Navigieren umständlich, die Integration der Anwendungen mangelhaft - und Texte fänden sich nur in englischer Sprache.

Die Boston Consulting Group (BCG) befragte knapp 1800 Personen in Deutschland, Frankreich, Schweden, Japan, den USA und Australien und stellte fest, dass hierzulande jeder dritte Handy-Nutzer nach erfolglosen Versuchen den Mobile-Commerce-Angeboten keine zweite Chance einräumt. Laut Forrester nutzen gerade einmal 0,5 Prozent der französischen und 1,9 Prozent der deutschen Mobilfunker WAP-Funktionen. Selbst in Schweden, einem der Musterländer der drahtlosen Kommunikation, zeigten nach BCG-Recherchen bislang 63 Prozent der WAP-Handy-Besitzer den mobilen Internet-Angeboten die kalte Schulter.

Trotz dieses wenig erfreulichen Stimmungsbilds rechnen zwei Drittel der von BCG Befragten mit einem großen Potenzial für M-Commerce und gehen davon aus, dass das Handy in absehbarer Zeit in die Rolle eines persönlichen Assistenten schlüpfen werde. Neuere Versuche von BMW, in ihre 7-er Reihe unter tatkräftiger Hilfe von Mannesmann Tele Commerce (MTC) einen persönlichen Assistenten einzubauen, der mittels SMS und WAP kommuniziert, nähren diese Einschätzung. Auch die von Mobilcom gemeinsam mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) beabsichtigte Gründung der "Mobilbank" soll ihre Services zunächst über SMS und WAP bereitstellen. Die Anhängerschaft vergrößern könnten auch Bestrebungen, Vielfliegern an Flughäfen das Einchecken via WAP zu ermöglichen.

WAP-Bildschirme begrenzen CRM-Flexibilität

"In meinen Augen besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass sich das Handy in den nächsten Jahren zum wichtigsten Internet-Zugangsgerät überhaupt entwickelt", meint auch Tom Siebel, Gründer des gleichnamigen Spezialisten für Customer-Relationship-Management-Software (CRM). Seit geraumer Zeit unterstützt die US-Firma im Rahmen des so genannten Multi-Channel-Betriebs in ihrer Software auch die WAP-Technologie.

Zumindest verbal bekundet heute allerdings fast jeder Software-Anbieter, dass er WAP unterstütze. In der Regel sind die Projekte aber nicht strategisch und befinden sich noch im Experimentierstadium. Die US-Berater von AMR Research warnen sogar explizit Nutzer und Anbieter davor, ihre Strategie bezüglich mobiler Anwendungen ausschließlich auf das Wireless Application Protocol auszurichten. Es könne zwar in bestimmten Fällen durchaus brauchbare Dienste leisten, eigne sich aber aufgrund seiner Limits nicht für sämtliche Einsatzszenarien.

Sofern die Integration mit Anwendungssoftware gelinge, sehen die Analysten Ansatzpunkte, um spezielle Funktionen wie die Benachrichtigung von Personen bei bestimmten Ereignissen, Auftrags-Checks oder Kundendienstlösungen zu verwirklichen. Damit diese Applikationen tatsächlich einsetzbar sind, müssen die User-Interfaces aber den bekannten Beschränkungen der WAP-Geräte Tribut zollen, zum Beispiel dem kleinen Display und der numerischen Tastatur.

SAP realisiert beispielsweise für die CRM-Architektur neben dem mobilen Fat Client, der sich auch offline betreiben lässt, eigens den "Mobile Workplace" als Thin-Client-Architektur. Dabei werden die Vorgaben für die Personalisierung und Authorisierung aus dem "normalen" Workplace übernommen und aufgrund der Device-Kennung entsprechend gerendert. Die aufbereiteten HTML-Seiten werden an WAP-Server geschickt, die diese in WML (Wireless Markup Language) umwandeln und via Provider auf die Handys übermitteln.

Obwohl die Standard-Nutzerprofile oder "Rollen" prinzipiell 1:1 in die WAP-Umgebung übernommen werden können, wird man sich aufgrund der Beschränkungen bei der Ein- und Ausgabe normalerweise auf Unterrollen konzentrieren. Mögliche Anwendungsszenarien sind kritische Adhoc-Benachrichtigungen im Außendienst, Status-Infos über Kunden und so weiter. In den proprietären Strings der SMS-Push-Funktion lassen sich URLs "verbergen", die auf bestimmte Transaktionen im Backend-System verweisen. Bei Benachrichtigung via SMS kann dann automatisch vom WAP-Handy aus an die entsprechende Stelle in den Firmenanwendungen gesprungen werden.

WAP-Initiativen sind noch Pilotprojekte

Im Bereich der Standard-Anwendungssoftware stellen die WAP-Initiativen in erster Linie noch Pilotprojekte dar. Bei SAP führt man die zögerliche Akzeptanz von WAP unter anderem darauf zurück, dass die Unternehmen auf den Paket-Switch - den "Always-on" mit GPRS - warten. Die hohen Übertragungskosten in den GSM-Netzen und die ständig erforderliche Authorisierung nehmen den mobilen Nutzern heute einfach die Laune. Selbst ein Vertreter des schwedischen Mobile-Business-Unternehmens Aspiro gestand auf der Münchener WAP-Forum-Veranstaltung ein, dass das eigene Transportmanagementsystem im eigenen Land kaum Anhänger findet.

Mit dem Argument der ständigen Online-Präsenz macht bekanntlich das als WAP-Konkurrenz gehandelte "i-mode" auf sich aufmerksam, das vor allem in Japan viele Anwender gefunden hat. Die Lücke zwischen dem deutschen und dem japanischen Markt für mobile Datendienste ist nach einer Studie von Berlecon Research allerdings weitaus kleiner als häufig beschrieben. Der Erfolg des Systems in Japan sei vor allem auf ein starkes Bedürfnis nach mobiler E-Mail zurückzuführen, das in Deutschland weitgehend durch SMS abgedeckt wird. Die im SMS-Markt etablierten innovativen Modelle, mobile Dienste über Gebühren zu finanzieren, solle man nach Ansicht der Marktforscher auch im WAP-Segment einführen. "Für eine größere Vielfalt bei den Inhalten, wie wir sie aus dem Internet kennen, sind Zahlungssysteme grundlegend", bekräftigt Berlecon-Research-Geschäftsführer Dr. Thorsten Wichmann. Klar ist aber auch, dass die WAP-Dienste den Anwendern unabhängig von den vorhandenen Inhalten einen Zusatznutzen offerieren müssen, wenn sie langfristig überleben wollen. GPRS kann hier die Standardisierung vorantreiben und einen Stimmungsumschwung zugunsten der mobilen Dienste bewirken. (jo)