Von Profis und Freaks

03.11.2000
In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München unterstützt der Software-Campus junge Gründer und Wissenschaftler, die im Bereich Software tätig sind. Im Münchner Norden stehen Baucontainer, die 1997 als Ausweichquartiere für die Mitarbeiter der Stadtwerke errichtet worden waren. Hier öffnete im Sommer dieses Jahres der Campus seine Pforten. Mittlerweile sind zwölf junge Unternehmen in die Büros eingezogen.

Von: Andreas Wurm

Wer an junge Unternehmen denkt, der stellt sich große gläserne Bürogebäude vor und hektisch umher rennende Manager. Der Software-Campus hat von alldem nicht viel.

Der Anblick gleicht eher einer Künstlerkolonie als einem Bürokomplex für Startups. Aufeinander stehende, in Pastelltönen gehaltene Baucontainer, umgeben von kurzgeschnittenem Rasen und jungen Bäumen, prägen das Bild. Auf den Treppen an den Gebäuden stehen hier und dort Männer zusammen und unterhalten sich. Sonst ist es ruhig, von der erwarteten Hektik keine Spur. Die drei Containerkomplexe bieten Räume, die durch herausnehmbare Wände vergrößert oder verkleinert werden können. Auf einer Fläche von 1400 Quadratmetern entstanden so Büros für mittlerweile zwölf Dotcoms.

Die Unternehmen sind zwischen einem halben bis maximal zwei Jahre alt. Manche der Gründer sind noch unerfahren; aber es gibt auch richtige Profis, die zuvor schon in dem einen oder anderen namhaften Unternehmen gearbeitet haben und sich jetzt in das Abenteuer Unternehmensgründung stürzen.

Verschiedene Unternehmensphilosophien

Stefan Gilmozzi ist einer von ihnen. Er war bereits zehn Jahre im Geschäft, bevor er sich mit der Viveon AG selbstständig gemacht hat. In Anzug und Krawatte sitzt er hinter einem schweren Schreibtisch, eine Sekretärin erledigt den Kleinkram. Er hat mehrere Räume angemietet, der größte davon ist sein Büro. Bis jetzt hat Gilmozzi 20 Mitarbeiter, aber es sollen noch einige dazu kommen - die Viveon AG ist auf Expansionskurs. Die Firma hat sich auf Software-Entwicklung im Bereich Customer-Relationship-Management spezialisiert, Hauptkunde ist derzeit Viag Interkom.

Von einem solchen Kunden träumen Bernhard Messer und Franz Kögl von der Firma Intrafind Software AG zurzeit noch. Die beiden arbeiten in einem 27 Quadratmeter großen Büro, das ein bisschen an einen Bastelkeller erinnert. Hemdsärmelig sitzen sie an schlichten Schreibtischen vor ihren Computern - der Rest des Raums ist vollgestopft mit Hardware. "Wir sind so eine Art Künstler", sagt Messer. Seit ihrem Einzug im April versuchen sie, ihren Ideen freien Lauf zu lassen. Der Prototyp ihrer Software ist schon fertig. Die Suchmaschine für Inter- und Intranet soll es möglich machen, die Treffer zu einer Suchanfrage nach semantischen und linguistischen Gesichtspunkten herauszufiltern. Somit bekommt man statt der üblichen hundert Links nur die Art von Treffern, die auch inhaltlich und logisch zur Anfrage passen. "Wenn man zum Beispiel eingibt ‘zeige alle empfehlenswerten Restaurants in Garmisch’ findet das Programm nur die besten Lokale in Garmisch", sagt Kögl. Aber mit dieser Software geben sich die beiden nicht zufrieden. "Wir wollen nicht stur eine Idee verfolgen, nur um dann zu merken, dass keiner unser Produkt braucht", sagt Messer. Sie behalten den Softwaremarkt im Auge und fühlen sich flexibel genug, auf Veränderungen zu reagieren.

Ein langer Weg bis zum Ziel

Dass diese beiden Firmen überhaupt auf dem Software-Campus arbeiten können, spricht für sie, denn "pro Woche", so der Campus Manager Kai Vahrenkamp, "bekommen wir zwei bis drei Anfragen von Startups, die sich gerne auf dem Gelände niederlassen würden." Hierzu sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen: Die Unternehmen dürfen nicht älter als fünf Jahre sein und eine Industriebeteiligung an den Startups darf 25 Prozent nicht übersteigen. Des Weiteren benötigen alle Unternehmen einen Businessplan. Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Bewerbung sind laut Vahrenkamp zum Beispiel die Ziele der Unternehmen, das gute Finanzierungskonzept oder auch die Firmenphilosophie. In Vorstellungsgesprächen wollen die Entscheider des Campus auch mehr über die Unternehmensstruktur wissen - und wie die Dotcoms ihre Ziele erreichen wollen.

Günstige Infrastruktur

Wenn ein Startup diese Hürde genommen hat, kann es auf dem Gelände einziehen und beispielsweise von den günstigen Mietpreisen profitieren - ein Grund, warum der Campus so begehrt ist. 20 Mark plus Mehrwertsteuer kostet der Quadratmeter; es stehen Mieteinheiten von 21 bis 250 Quadratmetern zur Verfügung.

Die Unternehmen können außerdem kostenlos über eine 2-MBit/s-Standleitung ins Internet gehen, stundenweise Besprechungszimmer mieten und den Dienst einer zentralen Poststelle nutzen. Dies sind nur einige der Vorteile, welche die ansässigen Dotcoms gegenüber anderen Startups genießen.

Regelmäßige Gründerabende

Außerdem finden regelmäßig Gründerabende statt, die dazu dienen, sich mit Branchenexperten auszutauschen, Geldgeber kennen zu lernen und sich beim Campus-Management den ein oder anderen Rat zu holen. Norbert Rathe, der für das Marketing der Campus-Firma Deal Assist zuständig ist, erzählt von einem weiteren Vorteil: "Der Name Software-Campus macht es uns Firmen um einiges leichter, Investoren zu finden und Kontakte zu knüpfen."

Einen besonderen Trumpf hat der Projektträger mit Franz Niedermaier zu bieten. Der ehemalige Geschäftsführer von Oracle Deutschland ist mittlerweile im Ruhestand und arbeitet ehrenamtlich als Campus-Coach, den jeder, so Franz Kögl, "auch schon mal zu Hause anrufen kann, wenn der Schuh drückt".

Der Software-Campus soll junge Menschen zusammenbringen, die mutig sind und sich ihr eigenes Unternehmen aufbauen wollen. Unterstützung bekommen sie vom Campus-Management und den im Hintergrund stehenden Förderern. Möglicherweise wird es das ein oder andere Startup nicht schaffen - aber vielleicht ist ja auch ein Bill Gates von morgen dabei. Bleibt abzuwarten, was jeder Einzelne aus seinen "Garage Days" macht. Mitte des Jahres 2002 steht ein Umzug ins Haus. Im Zuge der Ausgliederung der Fakultät für Informatik der TU München wird auch der Software-Campus nach Garching-Hochbrück verlegt. Auf dem neuen Gelände der TU im Norden von München steht dann mit rund 5000 Quadratmetern mehr als die doppelte Fläche zur Verfügung. Außerdem sollen Forschergruppen direkt auf dem Gelände des Software-Campus angesiedelt werden. Die unmittelbare Nähe und das Zusammenwirken von Software-Startups, TU und Wissenschaftlergruppen werden, da ist sich Kai Vahrenkamp sicher, ein hohes Maß an Synergieeffekten bringen.