VoIP-Performance-Analyse - messtechnische Konzepte und Vorgehensweise

03.08.2005 von Roland Stooss
Die Sprachqualität bei Voice over IP wird von vielen Faktoren beeinflusst. Wir zeigen, worauf es dabei ankommt und wie Sie Fehlerquellen schnell aufspüren.

Die hervorragende Sprachqualität des leitungsvermittelten ISDN ist der Maßstab. Innerhalb des ISDN gibt es auch relativ wenige Faktoren, die die Sprachqualität beeinträchtigen können. Leitungsvermittelte Transporttechnik bietet ideale Voraussetzungen für die Übertragung eines kontinuierlichen Bitstroms: keinen Stau, eine geringe Laufzeit und vor allem keine Laufzeitschwankungen beim Transport der digitalen Sprachproben.

Trotz all dieser Performance-Vorteile wird ISDN langfristig gesehen durch Voice over IP (VoIP) abgelöst. Die wirtschaftlichen und die logistischen Faktoren sprechen für VoIP. Und jeder, der mit der Implementierung von VoIP zu tun hat, will natürlich die Sprachqualität von ISDN erreichen.

Das erfordert eine ausreichende Netz-Performance und vor allem eine optimale Abstimmung zwischen dieser und der Konfiguration der VoIP-Endgeräte. Um dieses Optimum zu erreichen, bedarf es einiger Anstrengungen. Performance-Analysen im Vorfeld, bei der Installation und im Betrieb eines VoIP-Services helfen, das Optimum zu erreichen und zu halten.

MOS – Bewertung der Sprachqualität

Bisher wurde die Sprachqualität rein auf Audio-Ebene ermittelt. Zuerst durch subjektive, menschliche Bewertung des Sprachsignals. Die Bewertungsskala (MOS - Mean Opinion Score) reichte von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut). Mittlerweile wird dies, messtechnisch unterstützt, durch eine objektive Vergleichsanalyse eines Referenzsignals mit einem Testsignal ermittelt. Diese Analysemethode wird selbstverständlich auch bei VoIP verwendet, um die Qualität eines Voice-Services zu bewerten.

Das Ergebnis wird ebenfalls in MOS angegeben und stellt die genaueste und objektivste Bewertung der Sprachqualität dar. Dabei ist die Analyseebene immer die Audio-Ebene. Der Zugang zur Audio-Ebene kann über Mikrofon, Audio-Eingang oder Digitalebene (Sprachproben) mit nachträglicher Umwandlung in eine Audio-Datei (wav) erfolgen. Somit kann an jeder Stelle des Signalwegs das Signal abgegriffen, in eine Audio-Datei (Test-File) umgewandelt und per Software-Analyse die Verschlechterung des Ausgangssignals (Referenz-File) berechnet werden.

Leider gibt uns die MOS-Bewertung im Bereich der digitalen Übertragungsebene keinen ausreichenden Aufschluss darüber, was bei schlechten Ergebnissen die tatsächliche Ursache für die Verschlechterung ist. Eine erweiterte Bewertung der digitalen Netzebene ist notwendig.

Analyse auf Paketebene

Bei ISDN wurde die digitale Übertragungsebene durch eine klassische Bitfehlermessung bewertet. Mit VoIP hat sich die Qualitätsanalyse der Digitalebene verändert. VoIP basiert auf einer paketorientierten Übertragungs- und Vermittlungstechnik.

Eine reine Bitfehleranalyse reicht für die Performance-Bewertung und Fehlereinkreisung nicht aus. Die Analyse muss auf der Paketebene gemacht werden. In paketorientierten Netztechniken sind Packet Delay (Round Trip Delay), Packet Delay Jitter und Packet Loss (Concecutive Packet Loss) die notwendigen Performance-Parameter.

Emulation und Senden von VoIP-Datenströmen

Der empfangende Testpunkt wertet den ankommenden VoIP-Datenstrom in Bezug auf Packet Delay and Packet Loss aus. Durch sinnvolles Verteilen der Testpunkte im Netz lassen sich Problembereiche wie fehlerbehaftete Übertragungsstrecken oder Bandbreitenengpässe auf Switch- und Link-Ebene lokalisieren. Diese aktive Testmethode ist vor allem für die Tauglichkeitsanalyse von bestehenden Netzen im Vorfeld von VoIP-Installationen und für die nachfolgende Abnahmemessung geeignet.

Die Ergebnisse der Tauglichkeitsanalyse (Jitter-Verhalten, Bandbreitenbedarf) bilden die Basis für die Optimierung des Netzes (Link-Rate, Bandbreitenverteilung, Prioritäten) und für die Konfiguration der VoIP-Telefone (Codec, Jitterbuffer). Beim Einsatz zur Fehlersuche lassen sich die Testpunkte nach Bedarf für Performance-Tests aktivieren. Ein Testpunkt kann auch das VoIP-Telefon eines Anwenders anwählen und während der Verbindung die Qualität analysieren.

Anforderungen an ein VoIP-Testsystem

Über folgende Funktionen sollte ein aktives VoIP-Testsystem verfügen:

Passives Monitoren von VoIP-Verbindungen

Wichtige Grundvoraussetzung ist, dass die Analysetechnik nicht indirekt über einen Monitorport im Switch, sondern über einen Tap (zum Beispiel optischer Splitter) direkt an den zu monitorenden Link angebunden wird. Ein Monitorport muss beide Übertragungsrichtungen des zu monitorenden Links auf seinen Sendeport kopieren. Dabei wird das Zeitverhalten der Pakete verändert, und die Messergebnisse werden verfälscht.

Bei der passiven Methode wird das Verhalten der VoIP-Datenströme an dem Messpunkt bestimmt. Durch eine Klassifizierung der VoIP-Datenströme in Gut (Grün), Mittel (Gelb) und Schlecht (Rot) lässt sich deren Performance schnell und einfach erkennen. Ist in den VoIP-Endgeräten RTCP (Realtime Control Protocol) aktiviert, kann das Problem auf „rechts“ oder „links“ vom Messpunkt zugeordnet werden. Zeigen sich rot gekennzeichnete Ströme, muss nur nach deren Gemeinsamkeiten gesucht werden. Beispiel: Alle Ströme kommen aus dem gleichen IP-Subnetz oder gehen ins gleiche IP-Subnetz. Oder die Priorität ist falsch gesetzt.

Zeigen sich auf Paketebene keine Performance-Probleme und einige Teilnehmer beschweren sich trotzdem über schlechte Sprachqualität, kann die Analyse der Audio-Ebene weiterhelfen. Dazu werden mit dem Analysator gezielt die fraglichen VoIP-Datenströme gespeichert, mit einer weiteren Analyse-Software in Audio-Daten umgewandelt und über die PC-Lautsprecher abgespielt. Somit kann der Einfluss von Lautsprecher, Mikrofon, Akustik-Echo, Codec und Jitterbuffer der Endgeräte bei Bedarf überprüft werden.

Die rein paketorientierten Performance-Parameter geben uns allerdings keine direkte Aussage, wie die tatsächliche Qualität des Sprachdienstes für den Anwender hörbar ist. Eine MOS-Bewertung auf Basis der paketorientierten Performance-Werte wäre hilfreich. Das von der ITU-T entwickelte E-Model bietet hierzu eine Lösung. VoIP-Endgeräteeigenschaften, wie verwendeter Codec und Größe des Jitterbuffers, fließen rechnerisch, basierend auf Erfahrungswerten, in die paketorientierte Performance-Analyse mit ein. Wird beispielsweise ein Delay-Jitter-Wert ermittelt, der bei der voreingestellten Jitterbuffer-Größe der VoIP-Telefone Paketverlust bedeutet, wird dies durch einen entsprechend schlechteren MOS-Wert angezeigt.

Interessante Messpunkte für die passive Analyse sind zum Beispiel Schnittstellen, wo die Netzverantwortung wechselt, etwa von Kundennetz zu Provider-Netz. Wie gut werden die Daten an den Provider übergeben und wie gut werden sie vom Provider empfangen?

Zu beachten ist: Werden die VoIP-Daten innerhalb einer Verbindung auf VoIP-Ebene terminiert (von VoIP auf PSTN (Public Switched Telephone Network), Wechsel der Sprachkodierung von G.711 auf G.723), lässt sich nicht die gesamte VoIP-Verbindung bewerten. Das kann bedeuten, dass nach einem Terminierungspunkt die Performance auf Paketebene gut ist, aber das Sprachsignal durch die geringe Qualität der vorhergehenden Strecke und einer falsch eingestellten Jitterbuffer-Größe im Gateway bereits sehr schlecht ist.

Schnellübersicht: VoIP-Performance-Parameter

Delay beschreibt die Laufzeit der Pakete durch das Netzwerk. Dieses Netzwerk-Delay wird meist als Round Trip Time gemessen. Das Netzwerk-Delay ist aber nur ein Teil der gesamten Laufzeit. Hinzu kommt das Delay in den VoIP-Endgeräten, das sendeseitig durch Sprachkomprimierung und Paketierung (20-100 ms) und empfangsseitig durch den Dejitter Buffer entsteht. Das gesamte Delay sollte 250 ms nicht überschreiten.

Delay Jitter beschreibt die Laufzeitschwankungen der Pakete durch das Netzwerk. Er entsteht durch das Vermittlungsprinzip „Store & Forward“ (Paket in den Eingangsspeicher einlesen, in den Ausgangsspeicher vermitteln und aussenden) in einem paketvermittelten Netz. (Ziel: < 30 ms)

Packet Loss beschreibt den Verlust von Paketen. Häufig wird Packet Loss nur durch den Prozentsatz beziehungsweise die absolute Anzahl verloren gegangener Pakete bestimmt. Wichtig ist vielmehr die Aussage, in welcher zeitlichen Verteilung der Paketverlust innerhalb einer VoIP-Verbindung aufgetreten ist.

Consecutive Packet Loss beschreibt den Verlust einer Sequenz von Paketen. Als Histogramm dargestellt, zeigt es die Häufigkeitsverteilung des Consecutive Packet Loss, das heißt potenzieller Drop-Outs einer Gesprächsrichtung. Die x-Achse entspricht dabei den verschieden langen Sequenzen fehlender Pakete, während die y-Achse die Häufigkeit des Auftretens dieser Sequenzen abbildet. (mec)

Autor: Roland Stooss

Roland Stooss ist bei der Firma Acterna (ehemals Wandel & Goltermann) angestellt und dort seit über zehn Jahren im Telekom- und Datakom-Bereich als Produkt- und Technologie-Spezialist tätig. Zurzeit arbeitet er als Consultant für Messlösungen im Data-/IP-Bereich.