Voice over IP: Trends und Produkte

03.06.2004 von Dr. Thomas Hafen
In rascher Folge erscheinen neue Produkte, welche die IP-Telefonie für Endanwender und Unternehmen attraktiver, einfacher und leistungsfähiger machen sollen. Dabei wird SIP zukünftig das Protokoll der Wahl sein.

Interoperabilität, Implementierung, Integration - dies sind die Hauptthemen, mit denen sich die Entwickler von IP-Telefonie-Produkten derzeit befassen. Gerade wer auf den Massenmarkt zielt, muss ein reibungsloses Zusammenarbeiten aller Komponenten gewährleisten und seine Geräte Plug-&-Play-fähig machen. Im Geschäftskundenbereich spielt darüber hinaus die Integration von Applikationen mit Sprach- und Datendiensten eine zunehmende Rolle. Videokonferenzen über IP, Instant Messaging im Unternehmen oder Präsenzmanagement sind nur einige der Funktionen, die VoIP-Anlagen in Zukunft beherrschen müssen. Im Mittelpunkt steht dabei das Session Initiation Protocol. Dieser von der Internet Engineering Task Force (IETF) festgelegte Standard legt nur den Rahmen für eine Verbindung fest und erlaubt es relativ einfach, Sprach- und Datenapplikationen zu integrieren. Während bisher im professionellen Umfeld fast ausschließlich Geräte zum Einsatz kamen, die den wesentlich strikter definierten, aber auch unflexibleren ITU-Standard H.323 verwendeten, wird das Angebot an SIP-fähiger Hard- und Software nun immer größer.

So stellte Avaya vor kurzem seinen "Converged Communications Server vor, der es SIP-Telefonen oder PCs mit SIP-Clients ermöglicht, mit der IP-PBX-Plattform des Herstellers zu kommunizieren. Mit ihr kann der Anwender definieren, wann er wo über welches Gerät erreichbar sein will. Über den Server können Administratoren Mitarbeitern eine einzige sichere SIP-Adresse zur Verfügung stellen, die für alle genutzten Kommunikationsmedien verwendet wird.

SIP-Telefone von Avaya

Darüber hinaus bringt der Hersteller zwei SIP-fähige Telefonie-Lösungen auf den Markt. Das Softphone "R5" erlaubt es, einen PC auch zum Telefonieren zu verwenden. Mit ihm lassen sich Verbindungen durch einen Klick auf einen Telefonbuchkontakt aufbauen, verschlüsselte Instant Messages verschicken oder Rufnummern direkt aus Webseiten heraus anwählen. Das "4602 SIP Desktop Phone" ist dagegen ein "echtes" Telefon, das sich in heterogenen TK-Umgebungen einsetzen lässt. Alle Produkte sind ab sofort in Europa verfügbar. Die Listenpreise betragen 6.100 Dollar für den Converged Communication Server (inklusive Hardware) sowie 25 Dollar für jede SIP-Client-Lizenz.

Das Softphone soll mit 130 Dollar pro Nutzer zu Buche schlagen. Cisco hat mit dem "Callmanager 4.0" eine Multiprotokoll-fähige Plattform auf den Markt gebracht, die per SIP mit Softswitches oder Proxy Servern kommunizieren kann. Darüber hinaus bietet das System Sicherheitsfunktionen wie die verschlüsselte Übertragung von Gesprächen und die sichere Authentifizierung von IP-Telefonen. Die Lösung soll außerdem die Videotelefonie über IP erleichtern.

"Die VT Advantage" genannte Komponente ist kompatibel zu Videokonferenzlösungen und ermöglicht eine Echtzeitübertragung von Bildern über USB-Kamera und PC. Der Callmanager kostet zusammen mit dem Cisco Media Convergence Server 6.000 Dollar. VT Advantage schlägt inklusive Kamera mit 190 Dollar pro Nutzer zu Buche.

Vermittler zwischen den Welten

Auf den Endkundenmarkt zielt AVM mit der "Fritz Box Fon". Das Gerät kombiniert TK-Anlage und DSL-Modem und erlaubt es, vorhandene analoge Endgeräte für Festnetz- und IP-Telefonie einzusetzen.

Zum Verbindungsaufbau meldet sich die Box als SIP-Client beim Registrar eines Internet-Telefonie-Anbieters an. Surft der Nutzer gleichzeitig im Internet, sorgt ein integriertes Bandbreitenmanagement dafür, dass die Sprachdaten priorisiert werden und die Übertragungsqualität hoch bleibt. Das Gerät soll noch im zweiten Quartal 2004 auf den Markt kommen, ist zunächst allerdings nur über IP-Telefonie-Provider erhältlich.

IP-Telefonie über WLAN

Mit dem "Prestige 2000W WiFi Phone" bringt Zyxel nach eigenen Angaben das erste SIP-fähige WLAN-Telefon auf den deutschen Markt.

Das 110 Gramm schwere Gerät soll zum Beispiel VoIP-Gespräche über öffentliche WLAN-Hotspots ermöglichen. Auch für Firmen, die einen eigenen VoIP-Server betreiben, sei das Gerät interessant, so der Hersteller. Das Telefon soll demnächst in Kombination mit einem IP-Telefonie-Account angeboten werden und 300 Euro kosten.

Während Wireless LAN noch für die Sprachübertragung optimiert werden muss, bietet sich Dect bereits jetzt als etablierter Standard an, um Telefone drahtlos mit dem Internet zu verbinden. Erste Produkte für "Dect over IP" bieten beispielsweise Detewe sowie Dosch & Amand.

Die Dect-Basisstation "RFP 31 IP" von Detewe ist bereits als Modul der Detewe-TK-Anlage "Opencom 1000" verfügbar. Der Netto-Endkundenpreis beträgt 550 Euro. Auf der Cebit 2004 hat der Hersteller außerdem das kombinierte Modul "RFP 41" vorgestellt, das neben der Dect-Sprachanbindung WLAN-Funknetze für den Datentransfer unterstützt.

Die Detewe-Lösung richtet sich an größere Unternehmen mit bis zu 1.000 Nebenstellen, Dosch & Amand haben dagegen den Heimanwender im Visier. Mit den Lösungen des Anbieters soll er seine Dect-Geräte schnell IP-fähig machen können. Durch den Einsatz eines "Comon Air"-Dect-Controllers wird ein PC zur Basisstation und vermittelt die Anrufe ins Internet. Eine Standalone-Lösung in Form einer Basisstation soll ebenfalls auf den Markt kommen. Beide Systeme arbeiten nach SIP-Standard und sind ab Juni 2004 verfügbar. Die PC-Variante soll 119 Euro kosten.

H.323 oder SIP?

Zwei Protokollwelten konkurrieren bei Voice over IP um die Gunst der Hersteller und Anwender. Während der ITU-Standard (International Telecommunication Union) H.323 vor allem im Umfeld professioneller TK-Anlagen zum Einsatz kommt, gewinnt das von der Internet Engineering Task Force (IETF) festgelegte Session Initiation Protocol (SIP) für die IP-Telefonie in öffentlichen Netzen zunehmend an Bedeutung.

Beide Standards vertreten unterschiedliche Philosophien: H.323 ist ein strikt definiertes Regelwerk, das - gemeinsam mit weiteren ITU-Protokollen - nicht nur die Signalisierung, sondern auch den Austausch von Endgerätefunktionen, die Verbindungskontrolle, den Austausch von Statusinformationen und die Datenflusskontrolle definiert. Die Geschlossenheit des Standards erleichtert die Interoperabilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller, macht aber die Entwicklung und Integration neuer Applikationen schwierig.

SIP legt dagegen nur Regeln für Verbindungsaufbau und -kontrolle fest. Das Protokoll weist große Ähnlichkeiten zu HTTP und SMTP auf, was Netzwerkadministratoren entgegenkommt, die sich mit diesen Protokollen auskennen. Die Fehlersuche ist leicht, da Befehle in Textform übermittelt werden und damit direkt lesbar sind. Die Nähe zu anderen Internetprotokollen und die Offenheit des Standards machen es Entwicklern außerdem einfach, Applikationen zu schreiben, die auf die VoIP-Funktionen eines Geräts zugreifen können. (mec)

Dieser Beitrag stammt von unserer Schwesterzeitschrift ComputerPartner, der Fachzeitschrift für den ITK-Handel.