Desktop-Virtualisierung

VMware Workstation 10 im Test

28.02.2014 von Moritz Jäger
VMware bietet aktuell die Version 10 der Workstation an. Im Test muss die Lösung zur Desktop-Virtualisierung unter Beweis stellen, dass sich ein Upgrade von Workstation 9 wirklich lohnt.

Mit der Workstation von VMware lassen sich Betriebssysteme direkt auf einem Desktop-System virtualisieren. Im Gegensatz zu Serverlösungen ist sie eher für Entwickler, IT-Profis oder Bastler gedacht. Auch wenn kostenlose Lösungen wie etwa die VirtualBox von Oracle eine Alternative bieten, dürfte die VMware-Lösung Workstation 10 immer noch eine große Fangemeine haben.

Optisch hat sich seit der Vorgängerversion, der VMware Workstation 9, wenig geändert. Das jeweilige virtuelle System dominiert die Ansicht, in der linken Seitenleiste sind alle verfügbaren virtuellen Systeme aufgelistet. Die VMware Workstation 10 kann nicht nur auf lokale VMs zugreifen, sondern startet außerdem im Netzwerk freigegebene virtuelle Systeme (eine Funktion, die mit Workstation 9 eingeführt wurde) und dient zudem als Client für vSphere, die Serverlösung von VMware.

Neue Cloud- und Schulungsfunktionen

Apropos Server: VMware hat die sogenannte Nested-Virtualisierung in der Workstation 10 ein wenig ausgebaut. Mit der neuen Version sich können Nutzer komplette Cloud-Infrastrukturen auf dem Desktop-PC aufbauen. So lassen sich neben VMware ESX/vSphere und Hyper-V von Microsoft auch die Micro Cloud Foundry von VMware oder Open Stack der Apache Foundation installieren. Sinnvoll ist das beispielsweise für Entwicklungsumgebungen oder zu Schulungszwecken.

Bildergalerie:
VMware Workstation 10
Erster Start: So sieht VMware Workstation 10 direkt nach der Installation aus.
VMware Workstation 10
Klassische Ansicht: Beim Design hat sich seit Workstation 9 nichts geändert.
VMware Workstation 10
Virtualisiertes Tablet: Im Bild läuft Windows 8.1 im Vollbild-Modus auf einem Microsoft Surface. Und das überraschend schnell und mit allen Tablet-Funktionen, von Touch bis zu den Sensoren.
VMware Workstation 10
Mehr RAM: Virtuellen Systemen lässt sich jetzt bis zu 64 GByte Arbeitsspeicher zuweisen.
VMware Workstation 10
Durchgereicht: Mit Workstation 10 können Tablets erstmals Sensordaten an das virtuelle System weitergeben.
VMware Workstation 10
Verschlüsselung: Auf Wunsch werden VMs mit 256 AES verschlüsselt.
VMware Workstation 10
Ablaufdatum: Die Verschlüsselung ist notwendig, wenn man die VM mit einem Ablaufdatum versehen möchte.
VMware Workstation 10
Virtuelle Netzwerke: Die Workstation 10 unterstützt bis zu 20 virtuelle Netzwerke. Leider hat sich sonst beim Netzwerk Manager nichts getan.
VMware Workstation 10
Schnellwahl: Mit der neuen Schnellwahl lassen sich virtuelle Systeme im Vollbildmodus schnell spezifischen Monitoren zuweisen.

Zum Thema Schulung gehört auch eine neue Funktion, bei der sich virtuelle Systeme mit einem Ablaufdatum versehen lassen. Ist diese Funktion aktiv, gleicht die Workstation in regelmäßigen, anpassbaren Intervallen die aktuelle Zeit mit einem Zeitserver ab. Sobald das Ablaufdatum erreicht ist, wird das virtuelle System eingefroren und lässt sich nicht mehr starten. In Kombination mit der Schnappschussfunktion, die es schon länger im Produkt gibt, lassen sich so relativ einfach sichere und saubere Test- und Gastsysteme aufsetzen.

Hier ist auch die KVM-Funktion interessant. Diese Kommandozeilenfunktion startet ein virtuelles System automatisch im Vollbildmodus, für den Nutzer ist kein Unterschied zum "richtigen" Betriebssystem erkennbar. Alternativ lassen sich VMs auch über HTML5-fähige Browser starten. Diese Funktion wird mit WSX möglich. Eingeführt wurde diese Funktion in Workstation 9, für Workstation 10 wurde der notwendige WSX-Server überarbeitet und kann in einer neuen Version heruntergeladen werden.

Aktuelle Betriebssysteme und neue virtuelle Hardware

Grundsätzlich kann man auf der Workstation (fast) jedes Betriebssystem installieren, das x86-kompatibel ist. VMware integriert aber zusätzlich einen Katalog für virtuelle Betriebssysteme, die per Easy Install eingerichtet werden können. Im Grunde ermöglicht diese Funktion eine unbeaufsichtigte Installation, bei der alle notwendigen Daten (etwa Nutzername und Kennwort) vorab eingegeben werden. Mit Workstation 10 wurden hier einige aktuelle Linux-Distributionen (etwa Ubuntu 13.10) sowie Windows 8.1 neu aufgenommen. Zusätzlich kann die Workstation Windows 8.1 auch virtualisieren, also eine physikalische Installation in eine virtuelle umwandeln.

Richtig spannend wird es bei der virtuellen Hardware: Workstation 10 unterstützt bis zu 16 virtuelle CPUs, virtuelle Festplatten mit bis zu 8 TByte Größe und kommt mit bis zu 64 GByte virtuellem RAM zurecht. Die Festplatten lassen sich nun mit einer neuen virtuellen SATA-Schnittstelle versehen, die während der Erstellung der virtuellen Festplatten als Alternative zum bekannten IDE- und SCSI-Treiber gewählt werden kann. Das hat den Vorteil, dass sich in den virtuellen Systemen integrierte SATA-Treiber direkt nutzen lassen. Ein Hinweis: Sowohl CPUs als auch RAM sind natürlich durch das Host-System beschränkt - die VM kann logischerweise nicht mehr Ressourcen nutzen, als eigentlich zur Verfügung stehen.

VMware Workstation 10 kommt dank USB-3.0-Streams deutlich besser mit USB 3.0 zurecht als sein Vorgänger. Das ist beispielsweise praktisch, wenn man VMs von externen Festplatten starten will, etwa weil der Speicherplatz auf dem PC beschränkt ist.

Tablet-Unterstützung

Wer Tablet-Apps entwickelt, wird sich über die verbesserte Tablet-Unterstützung freuen. Touch-Screens kannte bereits Workstation 9, mit Workstation 10 können die virtuellen Systeme auch auf Sensoren zugreifen. Unterstützt werden Beschleunigungssensor, Gyroskope, der Kompass und der Sensor für Umgebungslicht. Der Nachteil: Diese Funktion ist zunächst nur für Windows-8-Tablets und virtualisierte Windows-8.x-Systeme verfügbar. Sind diese Vorgaben erfüllt, ist es tatsächlich sehr praktisch: Im Test konnten wir problemlos ein Windows 8.1 auf einem Surface-Tablet mit Windows 8 ausführen, und das sogar angenehm performant.

Sonstige Verbesserungen

Neben diesen Updates hat VMware eine ganze Reihe von kleineren Verbesserungen integriert:

• 20 virtuelle Netzwerke: Gab es bislang nur maximal zehn virtuelle Netzwerke, so wurde diese Zahl jetzt verdoppelt. Leider hat sich bei der Konfiguration nichts geändert, hier hätten wir uns eine modernere Oberfläche gewünscht, mit der man beispielsweise auch das Thema Software-defined Networking angehen kann.

• Bessere Multi-Monitor-Unterstützung: Wer mehr als einen Monitor nutzt, der kann nun im Vollbildmodus schneller die verschiedenen Ansichten durchwechseln. Sehr praktisch, allerdings auch überfällig.

• Upgrade virtueller Hardware: Virtuelle Hardware lässt sich jetzt remote auf ESX-Systemen aktualisieren. Zudem kann man virtuelle Systeme im Pausemodus jetzt direkt abschalten, etwa um die Konfiguration oder Hardware zu ändern. Dabei gehen allerdings alle Informationen im virtuellen RAM verloren.

• Unity und Windows 8: Der Integrationsmodus "Unity" unterstützt nun auch Windows-8-Apps. So kann man im Unity-Modus die Apps und die Live-Tiles nutzen - wenn man denn möchte.

• SSD wird durchgereicht: Windows 8 kann sich an die Nutzung von SSDs anpassen (beispielsweise wird dann Prefetch deaktiviert). Mit Workstation 10 werden die Informationen zur VM durchgereicht, sodass auch virtuelle Windows-Installationen korrekt mit SSDs umgehen können.

Fazit: Lohnt sich ein Upgrade?

Die Workstation 10 ist eine sehr gute Virtualisierungslösung, mit der weit mehr möglich ist, als nur ein oder zwei Betriebssysteme zu virtualisieren. Dennoch halten sich die eigentlichen Neuerungen in Grenzen. Wer aktuell mit der Workstation 9 zufrieden ist, kann sich die knapp 100 Euro für das Upgrade sparen - vor allem weil in neun bis elf Monaten die nächste Version erscheinen dürfte, falls VMware sein Tempo beibehält.

Workstation 10 lohnt sich aber in jedem Fall für alle, die sich mit Windows-8-Tablets und Cloud-Systemen beschäftigen. Dank der neuen Funktionen der Nested-Virtualisierung können Entwickler und IT-Verantwortliche mit entsprechend leistungsfähigen Desktop-Systemen komplette Cloud-Umgebungen lokal abbilden und mit diesen arbeiten. Tablet-Entwickler können ihre Apps so in Development-Umgebungen nutzen, ohne dass sie auf die Sensoren verzichten müssen.

Wer allerdings nur ein virtuelles Linux oder Windows betreiben möchte, für den ist die Lösung wahrscheinlich zu mächtig- hier tut es der kostenlose VMware Player oder Virtual Box genauso.

Für die nächste Version wünschen wir uns einige Neuerungen im Bereich Netzwerk. Obwohl es jetzt 20 statt zehn virtuelle Netzwerke gibt, hat sich die eigentliche Konfiguration nicht geändert. Es wäre zum Beispiel durchaus interessant, virtuelle Maschinen direkt über die Netzwerkkonfiguration mit Firewalls zu koppeln - und auch das Thema SDN ließe sich hier besser abbilden. Außerdem wäre beim Einsatz auf einem Touch-System ein Interface mit größeren Icons notwendig, denn es ist doch ein ziemliches Glücksspiel, mit (relativ) großen Fingern die passende kleine Option zu treffen. (mje)