Bitcoin und Alternativen

Virtuelles Geld als Zahlungsmittel

03.11.2013 von Christoph Lixenfeld
Krypto-Währungen breiten sich aus, vor allem Bitcoins sind zum gesuchten Spekulationsobjekt geworden. Aber das Internet-Geld kann mehr, hat das Potenzial, den mobilen Zahlungsverkehr zu revolutionieren. Für die Finanzbranche gilt es, nicht nur die Gefahren zu sehen, sondern auch die Chancen.

Was eine Internet-Währung ist und wie sie funktioniert, ist deshalb nicht ganz einfach zu begreifen, weil Geld in unseren Augen eigentlich etwas Konkretes ist: nämlich harte Münzen oder bunte Scheine, die wir anfassen und dann ausgeben können. Bitcoins hingegen sind virtuell. Wer im Besitz des digitalen Geldes ist, beweist nur ein kryptografischer Schlüssel.

Zum besseren Verständnis ist ein einfaches Denkmodell hilfreich: Man stelle sich das Web als Land vor und Bitcoins als dessen Währung. Mit Währungen wird spekuliert und sowohl ihr Kurs als auch ihre Akzeptanz als Zahlungsmittel hängen maßgeblich vom Vertrauen ab, das jenes Land, aus dem die Währung stammt, international genießt. Mit Bitcoins verhält es sich nicht anders.

Virtuelles Geld als Zahlungsmittel
Krypto-Währungen breiten sich aus, vor allem Bitcoins sind zum gesuchten Spekulationsobjekt geworden. Aber das Internet-Geld kann mehr, hat das Potenzial, den mobilen Zahlungsverkehr zu revolutionieren. Für die Finanzbranche gilt es, nicht nur die Gefahren zu sehen, sondern auch die Chancen.
Kryptowährung Bitcoin
Bitcoin ist in Sachen virtuelles Geld Vorreiter und die bekannteste Währung. Das Bitcoin-Netzwerk wurde am 3. Januar 2009 ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Open-Source-Softwareprojekt auf Peer-to-Peer-Basis. Der Nutzer kann über sogenannte Bitcoin-Adressen Geld anonym von einer Wallet-Datei über das Netzwerk an andere Adressen überweisen. Im Gegensatz zu realen Währungen gibt es keine zentrale Institution, die Geld herausgibt. Stattdessen werden Bitcoins durch Rechenleistung in einem Mining-Verfahren generiert. Bitcoin hat sich als digitales Zahlungsmittel weltweit etabliert.
Kryptowährung PPCoin
PPCoins wurde nicht nur als alternative Krypto-Währung zu Bitcoin & Co. entwickelt, sondern versteht sich auch als ökonomischer Gegenentwurf. Ziel der PPCoin-Erfinger ist es vor allem, den gigantischen Energieverbrauch zu vermeiden, den das Mining im Bitcoin-Netzwerk hervorruft. Im PPCoin-Mining ist nicht die Leistungsstärke der CPU oder GPU für die „Gelderzeugung“ entscheidend, sondern eine Art Lotterieverfahren und der Kontostand des Nutzers.
Mining
Das virtuelle Geld wird durch hoch komplexe Rechenoperationen generiert, die theoretisch jeder ausführen kann, wenn er über die dafür notwendige Hardware verfügt. Bei diesem sogenannten Mining konkurrieren unzählige Teilnehmer eines riesigen Peer-to-Peer-Netzes darum, den nächsten Block von Bitcoins herstellen zu dürfen. Der große Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern an diesem Wettbewerb soll verhindern, dass sich das Kryptogeld auf wenige Hände konzentriert. Das Mining-Verfahren wird aber wegen des hohen Energieverbrauchs stark kritisiert.
Keine Bank
Mit digitalem Geld lassen sich weltweit Überweisungen und Zahlungen abwickeln, ohne dass daran eine zentrale Clearing-Stelle wie etwa eine Bank beteiligt sein muss. Die Kosten für eine Überweisung schwanken allerdings massiv und sind von Änderungen im Blockchain-Netzwerk abhängig.
Geringere Kosten
Beglaubigte Bitcoin-Zahlungen sind nicht mehr rückholbar. Das verringert die Kosten, weil Dokumentation und Nachverfolgbarkeit von Zahlungen einen erheblichen finanziellen Aufwand verursachen, den die Banken an die Kunden weitergeben.
Mehr Sicherheit
Online-Händler müssen nicht mehr – wie bisher – zur Sicherheit Kundendaten sammeln, bevor sie ein Geschäft mit ihnen abschließen. Für mehr Sicherheit sorgt auch die Tatsache, dass die Privatsphäre derjenigen besser geschützt ist, die Transaktionen in Kryptowährungen ausführen, als bei Geschäften über konventionelle Geldinstitute. Der Grund: Transaktionsbewegungen können nicht zugeordnet werden.

Virtuelles Geld entsteht durch Rechenoperationen

Als Erfinder der Bitcoins gilt Satoshi Nakamoto, über den fast nichts bekannt ist. Der Name ist vermutlich ein Pseudonym. Nakamoto jedenfalls formulierte die Idee einer kryptografischen Währung 2008 auf einer Mailing-Liste. Das Bitcoin-Netzwerk selbst entstand am 3. Januar 2009 mit der Berechnung des ersten sogenannten Blocks, der die ersten 50 Bitcoins enthielt. Das virtuelle Geld wird nämlich durch hochkomplexe Rechenoperationen generiert, die theoretisch jeder ausführen kann, wenn er die dafür notwendige Hardware hat.

Bei diesem sogenannten Mining konkurrieren unzählige Teilnehmer eines riesigen Peer-to-Peer-Netzes darum, den nächsten Block von Bitcoins herstellen zu dürfen. Der große Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern an diesem Wettbewerb soll verhindern, dass sich das Kryptogeld auf wenige Hände konzentriert. Die maximale Bitcoins-Geldmenge wurde protokollarisch auf 21 Millionen Einheiten begrenzt. Prognosen zufolge wird dieser Betrag im Jahr 2130 erreicht sein.

Bitcoins können auf verschiedenen Online-Börsen gehandelt und damit auch in richtiges Geld getauscht werden. Einer dieser Marktplätze heißt bitcoin.de. Dort lag der Kurs im Oktober bei etwa 86 Euro pro Bitcoin.

Erinnerungen an Napster werden wach

Eine Fälschung von Bitcoins ist nach einhelliger Ansicht von Experten durch den hohen Rechenaufwand, das komplexe Verschlüsselungsverfahren und die dezentrale Struktur nahezu unmöglich. Zahlungen werden ebenfalls durch Berechnungen im Netz ausgeführt und bestätigt. Dabei verdienen sich jene Netzknoten, die an der Abwicklung beteiligt waren, also einige der Teilnehmer am Peer-to-Peer-Netzwerk, die anfallende Überweisungsgebühr. Eine zentrale Verrechnungsstelle wie bei einer konventionellen Bank ist nicht notwendig. Die Systematik erinnert stark an das von der Musikindustrie einst so gefürchtete Tauschnetzwerk Napster.

Es geht auch ohne Bank

So weit, so kompliziert. Nur woher kommt der Hype, der die Bitcoins seit ein paar Monaten umweht? Die Antwort könnte lauten: Manche sehen in Bitcoins die Antwort auf die Finanzkrise. Auch wenn das übertrieben ist, sind Bitcoins weit mehr als die verrückte Idee eines Haufens Nerds, weil die Digitalwährung eine ganze Reihe von Vorteilen hat.

Erstens lassen sich mit ihr weltweit Überweisungen und Zahlungen zu geringsten Gebühren abwickeln, ohne dass daran eine zentrale Clearing-Stelle wie etwa eine Bank beteiligt sein muss. Dieses Fehlen des Mittlers verringert die Kosten massiv, momentan kostet eine Überweisung 0,0005 Bitcoins. Dadurch ist es mit diesem System deutlich leichter, auch sehr kleine Beträge bei Geschäften übers Internet abzurechnen. Zweitens sind Zahlungen über Bitcoins, wenn sie einmal beglaubigt sind, nicht mehr rückholbar. Auch das verringert die Kosten, weil Dokumentation und Nachverfolgbarkeit von Zahlungen erhebliche Kosten verursachen.

Und die geben Banken an die Kunden weiter. Außerdem senkt die Nichtrückholbarkeit das Betrugsrisiko, Online-Händler müssen nicht mehr - wie bisher - zur Sicherheit Berge von Daten von ihren Kunden sammeln, bevor sie ein Geschäft mit ihnen abschließen. Drittens ist dadurch die Privatsphäre derjenigen, die Transaktionen ausführen, deutlich besser geschützt als bei Geschäften über konventionelle Geldinstitute, weil für Privatpersonen und Unternehmen die Bewegungen von Bitcoins handelnden Personen nicht zuzuordnen sind.

Staaten erkennen Bitcoins als Währung an

Auch wegen dieser Vorteile ist die Nutzbarkeit von Bitcoins in den zurückliegenden Monaten deutlich gestiegen, immer mehr Online-Shops und Web-Dienste akzeptieren auch virtuelles Geld als Zahlungsmittel. Die Umweltorganisation BUND Berlin e. V. (Bund für Umwelt und Naturschutz) zum Beispiel nimmt Spenden auch in Bitcoins entgegen, der Bloghoster wordpress.com akzeptiert die virtuellen Münzen ebenso wie die Bar "Room 77" in Berlin oder der Schuhversender Schuhwelt.com. In den USA ist die Verbreitung noch deutlich höher, vor allem im Online-Handel. Internet-Services, Sportartikel, Sonnenbrillen, T-Shirts, Kosmetik, Lautsprecher - endlos viele Produkte lassen sich im Internet-Mutterland auch mit Bitcoins kaufen.

Und auch staatliche Stellen erkennen immer mehr an, dass es sich bei Bitcoins um "echtes Geld" handelt. Ein US-Gericht bezeichnete sie im Sommer 2013 als "Währung", und das deutsche Finanzministerium hat sie als Zahlungsmittel anerkennt und verwendete für die virtuellen Münzen den Begriff "privates Geld". Uneigennützig ist diese Aufwertung keineswegs. Vielmehr dient die Anerkennung dazu, auch Transaktionen mit Krypto-Währungen besteuern zu können.

Die vielen Vorteile bedeuten nicht, dass alle Fragen rund um das Thema Bitcoins beantwortet sind und dass es keine Kritik gibt. Im Gegenteil. Ein einziger Handelsplatz - die Website Mt. Gox - ist für 80 Prozent des Handelsvolumens verantwortlich. Hat dieser Marktplatz IT-Probleme, beeinflussen diese die gesamte Währung. Zahlungen mit Bitcoins und ihre Bestätigung können zehn Minuten und länger in Anspruch nehmen, der Kauf der Währung über die existierenden Marktplätze ist wenig intuitiv und nutzerfreundlich. Transaktionen werden oft auch hier nicht in Echtzeit abgewickelt, weil die Anbieter Performance-Probleme haben.

Betrug gibt es auch mit digitalem Geld

Außerdem gab und gibt es Versuche, die Bitcoin-Konten und Handelsplattformen zu hacken oder betrügerische Fonds aufzusetzen. So sammelte der Betreiber eines auf Bitcoins basierenden Hedgefonds etwa 700.000 Bitcoins ein. Anstatt sie in den Fonds zu investieren, baute er ein Schnellballsystem auf und verzinste die Einlagen von Neuinvestoren mit bis zu sieben Prozent pro Woche. Irgendwann endeten die Zahlungen, und der Fonds musste, wenig überraschend, schließen.

Thailand sprach im Juli ein Verbot des An- und Verkaufs von Bitcoins aus. Begründung: Es gebe weder Kontrollmechanismen noch gesetzliche Grundlagen für den Einsatz von Bitcoins. Interessanterweise war das Ziel jenes Treffens, an dessen Ende das Verbot stand, ursprünglich die Zulassung von Bitcoins als offizielle Währung gewesen. Das Beispiel Thailand zeigt, dass es eine Anerkennung ohne Regulierung nicht geben wird. Gerüchten zufolge hat das US-Finanzministerium bereits konkrete Pläne für eine solche Regulierung in der Schublade.

Bitcoin-Alternativen

Bitcoins sind nicht die einzige digitale Währung, die bekanntesten Konkurrenten heißen Namecoin, Litecoin und PPCoin. Sie versuchen, die beschriebenen Schwächen der Bitcoins zu beseitigen. Bei Litecoin soll die Authentifizierungsdauer von Zahlungen deutlich kürzer sein, die Macher hinter PPCoins wollen vor allem den gigantischen Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks vermeiden, indem sie auf ein anderes Mining-Verfahren setzen. Namecoins dienen vor allem dem dezentralisierten Kauf von Internet-Domains und lassen sich gegen Bitcoins eintauschen.

Insgesamt setzen die Entwickler der Alternativen darauf, dass mehrere Digitalwährungen nebeneinander entstehen. Was allerdings den Nutzwert deutlich schmälern dürfte, weil unterschiedliche Systeme, Überweisungsmethoden und Wechselkurse der Akzeptanz schaden würden.

Die Chance liegt im Online-Handel

Ob sich Bitcoins oder einer seiner Konkurrenten als anerkanntes Zahlungsmittel durchsetzen, kann im Moment niemand sagen. In jedem Fall haben Code-Taler gezeigt, dass eine Währung, die nur aus Bits und Bytes besteht, die Finanzbranche ziemlich durcheinanderwirbeln kann. Zumal das Vertrauen in konventionelles Geld und in Banken in den zurückliegenden Jahren deutlich gesunken ist.

Bitcoins werden entweder selbst zu einer Erfolgsgeschichte und damit das Bezahlen neu definieren, oder sie inspirieren einen anderen Anbieter dazu, diese Rolle zu übernehmen. Das gilt besonders für den mobilen Geldverkehr und den Online-Handel. Denn die hier aktuell genutzten Verfahren sind entweder teuer, umständlich oder datenschutzrechtlich bedenklich - oder alles zusammen. Stellt sich die Frage, ob die Banken diesen neuen Trend rechtzeitig erkennen, und für sich nutzen, oder ob sie abwarten und ihr altes Geschäftsmodell mit Zähnen und Klauen verteidigen, wie es um die Jahrtausendwende die Musikindustrie nach der Erfindung des MP3-Formats getan hat.

Neues Geschäftsmodell für Banken?

Die Ausgangslagen sind ähnlich. Für die Finanz- und Kreditwirtschaft birgt digitales Geld ebenso Gefahren wie zuvor Napster für die Musikindustrie. So bedrohen die Bitcoins das jahrhundertealte Monopol der Geldschöpfung, sie unterwandern das Geschäft mit teuren Überweisungen, und das mit noch teureren Kreditkartenzahlungen.

Auf der anderen Seite bieten die neuen Währungen auch riesige Chancen für Banken. Und die sollten sie dringend beim Schopf packen in einer Zeit, in der ihre Geschäftsmodelle längst von außen bedroht werden. Auch das ist eine bemerkenswerte Parallele zur Musikbranche: 1999, als Napster startete, war die Bedrohung des CD-Geschäfts durch MP3-Downloads längst sichtbar. Und heute, in Zeiten der Bitcoins, haben Dienstleister wie die Ebay-Tochter Paypal längst angefangen, den Old-Economy-Geldhäusern beim Online-Bezahlen das Wasser abzugraben.

Der kanadische Unternehmer Jeff Berwick will auf Zypern einen Bitcoin-Geldautomaten realisieren. Die Cash-Maschine soll Bargeld annehmen und als Bitcoin auf einem Internet-Konto gutschreiben - und umgekehrt gegen virtuelle Münzen auch Bargeld ausgeben. "Ich sehe Bitcoin-bezogene Dienstleistungen als das nächste Milliarden-Dollar-Geschäft", schreibt Berwick in seinem Blog.

Die Banken sollten nicht den Fehler machen, dieses Geschäft durch Verweigerung und Angst anderen zu überlassen. (pg)