Viel Licht, etwas Schatten

28.10.1999
Einen besonders flexibel einsetzbaren Workgroup-Switch hat IBM mit dem "8275 Modell 416" im Programm. Wir haben nachgesehen, ob das Gerät auch die Muskeln für den harten Alltag mitbringt.

Von: Roya Marzbanvishka, Christoph Hammerschmidt

Als Basislösung für Workgroups hat "Big Blue" das Modell 416 positioniert. Der Preis ist Mittelklasse-Niveau: Der Hersteller spricht von 170 US-Dollar pro Port. Die getestete Konfiguration mit ihren 16 Ports für Ethernet beziehungsweise Fast-Ethernet käme demzufolge auf einen Verkaufspreis von ungefähr 4900 Mark.

Den Konstrukteuren des Herstellers dürfte eher ein kleiner, schneller Switch vorgeschwebt haben als ein universell verwendbares Dickschiff mit Unterstützung für alle möglichen Software-Extras und OSI-Layers: Der 8275-416 ist konsequent auf Layer-2-Aufgaben ausgerichtet. Allerdings beherrscht er auch die Priorisierung von Datenströmen nach IEEE 802.1p und kann virtuelle LANs nach 802.1q einrichten.

Auch für hardwaretechnische Erweiterungen ist der 416 in einem gewissen Umfang offen: Zwei Steckplätze stehen für die Expansionspläne des Administrators zur Verfügung. Je nach Bestückung lassen sich damit zusätzliche Workstations anbinden oder eine breitbandiges Gigabit-Kabel zum Server beziehungsweise Backbone legen. Im Maximalausbau "schafft" das Gerät 32 Ports.

Gute Ausstattung

Nicht ganz unwichtig dürfte auch die Möglichkeit sein, über "Port Trunking" Ethernet-Leitungen zu einem gemeinsamen Datenkanal zusammenzulegen. Das funktioniert laut IBM nicht nur mit anderen Geräten des gleichen Typs, sondern auch mit den anderen Mitgliedern der 8275-Familie sowie mit den Geräten der Baureihe 8371. Mehr Kapazität läßt sich noch auf einem anderen Weg erreichen: Wenngleich es sich eigentlich nicht um einen stapelfähigen Switch handelt, können doch mehrere Geräte über die Erweiterungsslots und entsprechende Einschübe zu einer Einheit aggregiert werden.

Die Verwaltung des Switches kann über mehrere Wege erfolgen. Zum einen ist der 416 mit einer der üblichen seriellen Schnittstellen bestückt, über die sich ein Terminal oder ein PC mit Terminalemulation (VT 100 ) anschließen läßt. Das ganze funktioniert direkt oder per Telnet - keine Besonderheiten also. Auch eine web-gestützte Schnittstelle für den Zugriff per Browser gibt es. Und schließlich stellt der Switch auch einen SNMP-Agenten für die Verwaltung mittels eines Netzmanagementsystems zur Verfügung. Beim Zugriff über Terminal oder Web unterscheidet der Switch zwischen sechs verschiedenen Benutzerkonten, wobei allerdings nur eines davon eine Schreibberechtigung besitzt.

Ein gewisses Maß an Fehlertoleranz wird durch die Unterstützung des Spanning Tree Protocol (STP) gewährleistet. Diese Fehlertoleranz betrifft allerdings nicht das Gerät selbst, sondern das Netz. Das Protokoll legt bei Ausfall einer Verbindung dynamisch den optimalen Weg der Daten durch das Netz neu fest. Dabei aktiviert das Gerät redundante Datenwege, wenn der Hauptpfad durch das Netz ausfallen sollte.

Zu den weiteren Merkmalen des 416ers gehört die Möglichkeit, an einem vorgegebenen Port den ge-samten ankommenden und abgehenden Datenverkehr mitzuverfolgen (Portspiegelung) sowie die Ausgabe von Traffic-Statistiken, die Rückschlüsse auf die Belastung der einzelnen Ports liefern.

Durchsatz mit "Wire Speed"

Eine erste Einordnung der Lei-stungsfähigkeit erlauben unsere Basistests. Dabei erfassen wir Eckwerte wie

- Durchsatz,

- Latenzzeit und die

- Quote der Paketverluste.

Extras wie Autosensing, Spanning-Tree-Unterstützung, Broadcast Storm Recovery und Flow Control sind dabei abgeschaltet, es zählt die reine Vermittlungsleistung. Jeder Meßvorgang lief über 30 Sekunden, der Datenverkehr fand auf Fast-Ethernet-Ebene statt. Dabei mußte der Switch fünf Datenströme durchschleusen - von Port 1 nach Port 2, von Port 3 nach Port 4 und so weiter. IBM propagiert hier Leistungswerte von 1488100 Datenpaketen je Sekunde bei einer Paketgröße von 64 Byte. Der Switch hielt diesen Wert exakt ein - schneller geht auch gar nicht, weil das die "Wire Speed" darstellt, die maximale Geschwindigkeit, die bei dieser Paketgröße theoretisch möglich ist (siehe Bild 1). Diese Leistung erreichte das Gerät auch bei allen anderen Paketgrößen. Im Umkehrschluß heißt das natürlich, daß der Switch auch bei maximaler Last keine Pakete "verliert", alle an einem Port eingesandten Daten kommen fein säuberlich am anderen Port wieder zum Vorschein. Besser geht´s nicht - dickes Lob für den kleinen Switch an dieser Stelle. Ein leicht getrübtes Bild ergab sich dagegen bei den Latenzzeiten. Dabei wird die Zeit gemessen, die die Datenpakete zum Durchlaufen des Switches benötigen. Eine möglichst niedrige Zeit ist anzustreben. Naturgemäß hängt die Latenzzeit auch von der Paketgröße ab. Die Verzögerungswerte sind Bild 2 zu entnehmen. Gegenüber anderen von uns getesteten Switches für dieses Marktsegment fällt der IBM-Vertreter leicht zurück. Alle Werte bleiben indessen im grünen Bereich. Für die Praxis sind die gemessenen Latenzen unerheblich. Das gilt selbst für Anwender, die Voice-over-IP oder andere multimediale Applikationen über das LAN betreiben.

Bevor wir jedoch eine Note für die Gesamtleistung vergeben können, muß der Prüfling noch weitere Tests aushalten. Zum Beispiel den Back-to-Back-Test. Hierbei sendet der Testgenerator in einem vorgegebenen Zeitintervall die maximale Anzahl von Datenpaketen gleicher Länge an den Switch und mißt, ob die Daten korrekt ankommen.

Diese "Bursts" dauern jeweils 30 Sekunden, auch hier führten wir die Messungen mit allen gängigen Paketgrößen zwischen 64 Byte und 1518 Byte durch. Das Ergebnis fiel hierbei ebenso untadelig aus wie beim Durchsatztest: 100 Prozent Leistung, null Prozent Verluste (Bild 4).

Ging es bis dato um Lastsituationen, die eher theoretischen Charakter aufweisen, so liegen unsere drei nächsten Foltermethoden schon näher an der täglichen Praxis.

Beispielsweise beim "Fanout Switching Test". Diese Messung dient der Bestimmung des Durchsatzes unter einer Lastsituation, bei der die eine Hälfte der Ports nur sendet, die andere nur empfängt. Die Ports 2 bis 6 sendeten jeweils mit 100 Prozent ihrer Kapazität; die Datenströme verteilten sie gleichmäßig auf die Empfangsports 7 bis 11. Jeder empfangende Port erhält dabei Daten von mehreren sendenden Ports, so daß sich auch hier die Last auf jeweils 100 Prozent aufsummiert. Der 8275-416 meisterte diese Situation souverän mit null Fehlern.

Noch eine Stufe härter nimmt der bei der bei Herstellern gefürchtete X-Stream-Test den Switch heran. Auch bei dieser Messung sind elf Ports involviert. Sie alle senden und empfangen gleichzeitig Daten, was das Zeug hält. Dabei variieren folgende Parameter:

- Last (von 80 bis 100 Prozent),

- Paketgröße (64 bis 1518 Bytes),

- Burstsize (24 und 744 Bytes).

Wiederum präsentierte sich der Kleine von Big Blue von seiner besten Seite - er verlor kein einziges Datenpaket, der Durchsatz stimmt mit der maximal möglichen Leitungsgeschwindigkeit überein.

Eine Sondersituation ergibt sich beim Broadcasting von Daten, also beim Übermitteln von Paketen an eine Vielzahl von Empfängern gleichzeitig. Der Switch muß bei diesem Test die Daten, die an einem Eingangsport angekommen sind, an allen Ausgangsports gleichzeitig ausgeben. Diese Funktion kann auf sehr unterschiedliche Weise implementiert sein - und das wiederum hat seinen Einfluß auf die Performance. Für unseren Test sendeten wir Datenpakete unterschiedlicher Größe an Port 2 und kontrollierten, wann sie an den Ports 3 bis 11 wieder herauskamen. Uns interessierte dabei wiederum die Latenzzeit. Die Ergebnisse waren insofern nahezu optimal, als die Latenzzeiten beim Broadcasting kaum von denen bei den Punkt-zu-Punkt-Verbindungen abwichen. Sie waren, abhängig von der Paketgröße, mal etwas länger oder etwas kürzer, aber die Abweichungen blieben in sehr engen Grenzen.

Manchmal zu flink

Der "Interframe Gap" (IFG) ist der Abstand, der zwischen zwei Datenpaketen liegt. Damit dem Switch genügend Zeit für die internen Verarbeitungsvorgänge bleibt, sieht die Norm einen minimalen zeitlichen Abstand von 0,96 Mikrosekunden vor (bei Fast-Ethernet). Positiv zu werten ist es, wenn ein Switch auch nicht durch kürzere Abstände beim Empfang in Bedrängnis zu bringen ist. Unterschreitet er dagegen beim Senden den minimalen IFG, sprudelt er also gewissermaßen seine Daten zu schnell hervor, so ist das negativ zu werten, weil dann die Gefahr besteht, daß die anderen Switches in dem Netz nicht mithalten können. Hier zeigt sich, daß der IBM 8275-416 zwar flink genug ist, um ein Unterschreiten des IFG beim Empfang zu verarbeiten.

Allerdings leitet er diese Frames zumindest teilweise auch wieder mit zu kurzem Abstand weiter:Wir ermittelten einen minimalen Interframe Gap von nur 0,92 Mikrosekunden. Ein standardkonformer Switch, der das minimal vorgeschriebene Gap erwartet, kann daher durch den IBM-Switch gesendete Pakete nicht in jedem Fall entgegennehmen, das Ergebnis sind in einem solchen Fall Paketverluste.

Beim "Head-of-Line-Blocking"-Test geht es darum, ob eine Überlastsituation bei einem Port auch Störungen auf anderen, unbelasteten Ports nach sich zieht. Bei unseren Messungen sendete Port 1 mit jeweils 50 Prozent der Maximalrate nach Port 3 und Port 4. Port 2 sendete mit 100 Prozent der Leistung nach Port 4, so daß an diesem Port eine Überlastung entstand. Hier nun geriet auch der IBM 8275-416 an seine Grenzen. Am Port 3, der nur mit 50 Prozent der Kapazität belastet war, traten Datenverluste auf, und zwar gleich ganz erhebliche. Die Verlustrate hängt von der Paketgröße ab und erreicht bei 256 Byte ihr Maximum: über 42 Prozent Verluste dürften die Toleranzgrenze der meisten User überschreiten (Bild 3). Verblüffend finden wir allerdings, daß mit der nächstgrößeren Paketgröße die Verlustkurve ihr Minimum von nur 2,29 Prozent erreicht, um für alle folgenden Messungen bei sehr moderaten Werten zu verharren.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob dieser Test realistische Werte für die Praxis liefert. IBM dazu: "Es wäre realitätsbezogener, bei diesem Test Datenströme mit ständig wechselnden Paketgrößen zu verwenden. Der Switch ist für die Verarbeitung maximaler Paketbursts optimiert". Wir meinen indessen, daß in der Praxis eine Häufung der Paketgröße bei Werten von 128 und 256 Byte keinesfalls ungewöhnlich ist. Daher dürfte unsere Messung schon einen Minuspunkt dieses Geräts offenlegen.

Schließlich ermittelten wir noch die Anzahl von Adressen, die der Switch gleichzeitig ohne Streuung über einen anderen Port lernen kann. Wenn dieser Wert zu klein ist, etwa weil die Speicherkapazität des Geräts nicht ausreicht, muß der Switch die Daten häufig durch Broadcasten ans Ziel bringen, was die Performance beeinträchtigt. Die Ergebnisse: Pro Port kann sich der IBM-Switch bis zu 9486 Adressen merken, die maximale Geschwindigkeit hierbei entwickelt er bei 44 705 Frames pro Sekunde. Im Vergleich mit anderen Switches erweist sich der 8275-415 als Elefant: Er lernt zwar recht langsam, kann sich aber an eine sehr hohe Zahl von Adressen erinnern.

Zum Schluß sahen wir noch nach, was es mit der von IBM propagierten Broadcast-Begrenzung auf sich hat. Das Gerät soll "Broadcast-Stürme" wirksam begrenzen, indem es die Ports ständig überwacht. Überschreitet der Broadcast-Verkehr die Grenze von 20 Prozent der Port-Kapazität, so blockierter nach zirka zehn Sekunden die Weiterleitung von Broadcast-Daten. Fällt der Wert darauf um mehr als 20 Prozent, so läßt der Switch nach weiteren zehn Sekunden den Broadacst wieder zu.

Fazit

Mit dem 8275-416 ist IBM ein recht standfestes Gerät zu einem attraktiven Preis gelungen. In fast allen Disziplinen erreicht der Switch gute bis optimale Werte. Lediglich beim Head-of-Line-Blocking weist er Schwächen auf, die allerdings recht gravierend sind. Gelänge es, diese Scharte auszuwetzen, hätte das Gerät das Zeug zur Auszeichnung "Tip der Redaktion". (ch)