Vernetzung total

19.05.1999
Eine der letzten, bislang nicht vernetzten Domänen soll nun erschlossen werden: die privaten Haushalte. Das IEEE-802-Gremium diskutiert gegenwärtig zwei Vorschläge. Einer will die Telefonleitungen in den Häusern für den Datentransport nutzen, der andere setzt auf drahtlose Kommunikation.

Von: Carlos Rodriguez

Datennetze waren bislang fast ausschließlich in Firmen und Behörden zu finden. Das soll sich nach dem Willen der Industrie ändern. PCs, schnelle Übertragungstechniken und neuartige Applikationen sind die Bausteine von "Home Networks", über die künftig Daten zwischen "intelligenten" Komponenten in Privathaushalten transportiert werden sollen. Bislang fehlten allerdings noch Standards für Heimnetzwerke. Jetzt liegen der Gruppe 802 des IEEE erste Vorschläge vor. Alle haben das gleiche Ziel: einfache, schnelle und vor allem kostengünstige Netze für den Heimanwender.

Ein Vorschlag stammt von der Home Phoneline Networking Alliance, kurz Home PNA (http://www.Home PNA.org). Sie will eine Technik entwickeln, die eine Datenrate von 1 MBit/s über vorhandene Telefonleitungen erlaubt. Bestehende Telefondienste oder neue Übertragungsverfahren wie "Asymmetric Digital Subscriber Line" (ADSL) sollen sich parallel dazu betreiben lassen. Jeder Kommunikationsdienst erhält mit Hilfe von "Frequency Division Multiplexing" (FDM) ein eigenes Frequenzband:

- Das Standardtelefon belegt 20 Hz bis 3,4 kHz.

- XDSL-Dienste erhalten die Frequenzen zwischen 25 kHz und 1,1 MHz.

- "Phoneline Networking" nutzt den Bereich oberhalb von 2 MHz.

Home-Ethernet - das LAN für den "kleinen Mann"

Als Zugriffsverfahren soll das von Ethernet her bekannte CSMA/CD-Verfahren zum Zuge kommen, denn die Lösung der Allianz beschreibt im Grunde eine 1-MBit/s-Ethernet-Technik. Der Vorteil: Viele Anwendungen können weiterhin verwendet werden. Bereits bestehende IEEE-802.3-Standards kommen für das Heimnetz dagegen nicht in Frage, weil sie eine Neuverkabelung erfordern würden.

In Zukunft will die Home PNA sogar Datenraten von 10 MBit/s und 100 MBit/s unterstützen. Lösungen auf einem einzigen Chip (Single Chip Solutions) sollen künftig zur Grundausstattung von PCs, ADSL-Modems, digitalen Fernsehern oder Set-Top-Boxen gehören, so zumindest die Vision der Vereinigung.

Hohe Datenraten über Telefonleitungen sind indes nicht unproblematisch, denn die Telefonverkabelung ist in der Regel vollkommen unstrukturiert. Werden beispielsweise neue Geräte integriert, etwa ein Fax, erzwingt dies einen neuen Netzwerkzweig. Außerdem sind die zum Teil erheblichen Unterschiede der Verkabelungssysteme in den USA, Deutschland oder anderen Ländern zu beachten.

WPAN - ein Standard für "Personal Wireless Networks"

Eine unstrukturierte Verkabelung zusammen mit der oftmals schlechten Kabelqualität verursacht starke Verluste und Verfälschungen bei den übertragenen Signalen. Fehlanpassungen und fehlende Abschlüsse in den Leitungen verstärken diese Effekte. So verursachen elektrische Geräte in der näheren Umgebung, beispielsweise Fernsehgeräte oder Telefone, einen relativ hohen Rauschanteil. Um das Rauschen auszufiltern, werden gegenwärtig neue Kodierungsverfahren und adaptive Modulationstechniken entwickelt.

An einer Alternative auf Grundlage des IEEE-802.11-Wireless-Standards arbeitet eine neue Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung IEEE 802.15. Die Spezifikation für "Wireless Personal Area Networks" (WPANs) sieht die drahtlose Kommunikation zwischen Systemen innerhalb eines "Personal Operating Space" (POS) vor. Solche Geräte werden entweder direkt am Körper getragen oder befinden sich zumindest in unmittelbarer Nähe einer Person. Beispiele sind PCs, Personal Digital Assistants (PDAs), Handheld PCs (HPCs), Drucker, Mikrofone, Lautsprecher oder Kopfhörer sowie Mobiltelefone. Ein POS hat einen Radius von etwa zehn Metern.

Alternativen zu IEEE 802.11 - Bluetooth und Home RF

Das Verfahren verwendet den in IEEE 802.11 festgelegten Frequenzbereich von 2,4 GHz. Er ist für industrielle, wissenschaftliche und medizinische Zwecke reserviert und darf ohne Gebühren genutzt werden. Der IEEE-802.11-Standard beschreibt den Spread-Spectrum-Betrieb im Band zwischen 2,4 bis 2,483 GHz. Zwei Verfahren garantieren die sichere Datenübertragung: Direct Sequence und Frequency Hopping. Bei Direct Sequence wird innerhalb des Spektrums eine genau definierte Frequenz genutzt, während sich bei Frequency Hopping die Frequenz innerhalb kurzer Zeiteinheiten verändert.

Zu den genannten Techniken gesellen sich zwei weitere drahtlose Übertragungsverfahren von der "Bluetooth Special Interest Group" sowie der "Home RF Working Group" (Details siehe Kästen "Bluetooth" und "Home RF"). Im Gegensatz zu beiden konzentriert sich die Arbeitsgruppe IEEE-802.15-WPAN auf die zwei untersten Ebenen des ISO/OSI-Referenzmodells, die PHY- und MAC-Schicht.

Durchsetzen wird sich die WPAN-Technologie jedoch nur, wenn sie kostengünstig hergestellt werden kann. Das setzt nicht nur einen geringen Stromverbrauch in der Größenordnung von 20 Milliwatt voraus, sondern auch kompakte Abmessungen zur Integration in mobile Geräte. Weitere Punkte auf der Wunschliste der WPAN-Designer sind:

- die Koexistenz mehrerer WPAN-Netze im selben Einflußbereich,

- die Verträglichkeit mit anderen drahtlosen Systemen wie IEEE 802.11,

- die Unterstützung von mindestens 16 Geräten in einem Netz,

- die Kommunikation aller Komponenten miteinander,

- Bridging- beziehungsweise Gateway-Funktionen zu anderen Netzen, etwa Home PNA, sowie

- Roaming-Funktionen, das heißt die Kommunikation zwischen unterschiedlichen WPANs.

Die Fachleute erwarten, daß neue Anwendungen die Nachfrage nach Home Networks schüren werden. Dazu zählt beispielsweise das "Internet Sharing". Wer gleichzeitig mehrere Internet-Verbindungen aufbauen möchte, benötigt dazu heute mehrere Telefonleitungen und Internet-Zugänge. Künftig kann der Anwender zwischen Internet-Zugriffstechniken wählen, von ADSL über Kabelmodems bis hin zu Satelliten.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die gemeinsame Nutzung von Peripheriegeräten. Über ein Netzwerk kann der Anwender teuere oder selten benötigte Komponenten wie Drucker effizienter und unabhängig vom Standort einsetzen. Außerdem sind mehrere Anwender in der Lage, Daten und Applikationen gemeinsam zu nutzen oder auszutauschen. Ebenfalls einfacher wird das Sichern von Daten oder das Einspielen von Software-Updates von einer zentralen Stelle aus. Über ein Heimnetz läßt sich außerdem die Haustechnik eines Gebäudes steuern, beispielsweise die Heizung, Lüftung oder Sicherheitseinrichtungen wie Alarmanlagen oder Feuermelder.

Welches Verfahren sich letztlich am Markt durchsetzen wird, ist noch völlig offen. Die Einsatzbereiche der Techniken sind teilweise sehr unterschiedlich. Deshalb ist es denkbar, daß verschiedene Verfahren koexistieren. Entscheidend ist jedoch, ob der Verbraucher davon überzeugt werden kann, daß er ein privates Netz benötigt. (re)

Literatur

[1] Plessner, K.: Der Wikinger im Handy. gateway 5/99, S. 98 ff.

Web-Links

Homepage Home PNA:

http://www.homepna.org

Homepage Home RF:

http://www.homerf.org

Homepage Bluetooth:

http://www.bluetooth.com

Homepage IEEE 802.15:

http://grouper.ieee.org/groups/802/15/

Carlos Rodriguez

ist stimmberechtigtes Mitglied des IEEE. Er war mehrere Jahre bei Hirschmann tätig, bevor er als

Business Development Manager zu Wandel & Goltermann wechselte.