Vergleichen lohnt sich

20.09.2002
Viele Unternehmen setzen nach wie vor auf Standleitungen, um ihr lokales Netz mit dem Internet zu verbinden. Aber auch symmetrische DSL-Dienste sind immer häufiger anzutreffen. Der ISP-Vergleichstest zeigt, dass es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Providern und Diensten gibt.

Von: Carsten Rossenhövel, Christoph Lange

Wer auf der Suche nach Vergleichstests von IP-Providern ist, findet in letzter Zeit ein großes Angebot. Alle haben jedoch eines gemeinsam: Sie testen ISDN- oder ADSL-Anschlüsse mit den für Privatkunden typischen Konfigurationen: dynamische IP-Adressen, keine Ser-vicegarantien, eingeschränkte Bandbreiten. Für mittelständische und große Unternehmen sind derartige Tests nur sehr begrenzt aussagekräftig. Erstens setzen sie häufig andere Anschlusstypen ein: Bislang dominieren 2-Megabit-Standleitungen (E1), mittlerweile finden aber auch SDSL-Anschlüsse mit symmetrischer Bandbreite von 2,3 Megabit zunehmend Verbreitung. Zweitens sind technische und organisatorische Kriterien wie Zuverlässigkeit des Anschlusses und Qualität der Serviceleistungen für Geschäftskunden genauso wichtig wie die maximal erreichbaren Bandbreiten. Ein Test muss auch diese Punkte berücksichtigen.

Daher veröffentlicht NetworkWorld einen vom Partner-Lab EANTC durchgeführten unabhängigen Vergleichstest, der die Geschäftskunden-Angebote führender deutscher IP-Provider im 2-Megabit-Bereich (E1 oder SDSL) bewertet. In diesem Test untersuchten wir Colt Telecom, Deutsche Telekom, QSC und Worldcom (siehe Tabelle oben). In dieser Ausgabe präsentieren wir die Ergebnisse von Colt und der Deutschen Telekom; QSC und Worldcom folgen im nächs-ten Heft. Zusammenfassend lässt sich festhalten:

- Bei Netzqualität und verfügbaren Bandbreiten stellten wir Unterschiede fest. Sie sollten genau verglichen und kontinuierlich überprüft werden.

- Die Abrechnungsmodelle sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von preisgünstiger Flat Rate bis zu volumenbasierter Abrechnung, zum Teil mit hohem Kostenrisiko.

- Service kostet Geld. Schnelle Erreichbarkeit qualifizierter Vertriebsmitarbeiter, korrekte Rechnungen, hochwertiger technischer Support für die Einrichtung und den Betrieb sind nicht selbstverständlich.

Installation der Anschlüsse

Die erste und mitunter nicht kleine Herausforderung für Netzbetreiber ist es, für potenzielle Kunden ein individuelles Angebot zu erstellen und korrekte Auskünfte über Leistungen und Preismodelle zu geben. Wir wollten wissen, ob die beiden Anbieter dies beherrschen.

Colt Telecom setzt auf das Konzept "Single Face to the Customer": Ein Kundenbetreuer war unser persönlicher Ansprechpartner. Kompetent, zuverlässig und ruhig beantwortete er alle Anfragen beziehungsweise leitete sie weiter. Zwar wurde zunächst ein falsches, zu teuer kalkuliertes Angebot erstellt, auf Nachfrage jedoch schnell korrigiert. Andere Kontaktversuche über E-Mail an das Customer Care Center in Berlin und Frankfurt liefen nicht so gut: Die angegebenen Mailadressen waren nicht erreichbar.

Auch bei der Deutschen Telekom gibt es für mittelständische Geschäftskunden eine zentrale Betreuung - mit ähnlichem Erfolg. Sobald "unser" Betreuer gefunden war, klappte alles reibungslos: Er erteilte Auskünfte schnell und korrekt. Der Weg dahin war jedoch steinig. Warteschleifen und Weiterleitungen entmutigten uns zunächst bei dem Versuch, den richtigen Ansprechpartner für T-InterConnect zu finden. Online-Bestellmöglichkeiten können helfen - allerdings nur, wenn man keine komplizierten Wünsche hat. Unsere Detailfragen ließen sich im Webformular nicht eingeben.

Beide Anbieter beantworteten unsere technischen Anfragen korrekt und unterstützten alle Sonderwünsche. So sind mehr als 16 IP-Adressen nach internationalen Regeln nur auf Anfrage und Bedarfsnachweis erhältlich. Für unsere Frage nach 256 Adressen wurden die nötigen Formulare schnell bereitgestellt. Die Deutsche Telekom bearbeitete sie sogar automatisch. Auch die kostenfreie Bearbeitung ist nicht selbstverständlich, wie wir später im Test erfuhren.

Wir bestellten schließlich bei beiden Anbietern klassische 2-Megabit-Internetverbindungen (E1). Symmetrische DSL-Anschlüsse sind zwar deutlich preisgünstiger, jedoch noch nicht überall verfügbar. Zudem haben sie niedrigere Qualitätsmaßstäbe: Die Paketlaufzeiten und Bitfehler sind potenziell höher. Ein Nachteil der E1-Anschlüsse ist ihre aufwändige Installation. Beide Anbieter kamen zur Sicherheit mehrmals zur Vorerkundung, Leitungs- und Routerinstallation. Personalaufwand und teure Router-Komponenten am Kunden-standort erklären die hohen Installationskosten und Mindestlaufzeiten. Andererseits ist eine Eigeninstallation, wie sie bei DSL-Anschlüssen üblich ist, nicht ganz einfach. Der Kunde kann selbst entscheiden, ob er hierfür eine persönliche Unterstützung wünscht. Bei Colt ging sie so weit, dass ein Mitarbeiter sogar einen Laptop mit dem Router in unserem Labor verband und uns die richtige Funktion vorführte. Colt hielt auch die Installationstermine ein, die Kundenkommunikation war vorbildlich. Bei der Deutschen Telekom fehlte zum Wunschtermin der Kunden-Router. Er wurde eine Woche später installiert. Die verschiedenen Installateure der Telekom konnten keine Auskünfte über die weiteren Schritte geben, da diese durch eine andere Abteilung durchgeführt wurden.

Insgesamt ließen wir sieben Anschlüsse installieren, je zwei pro Anbieter. Da Colt Telecom unsere Standorte in Bonn und Koblenz nicht abdeckte, konnten wir bei diesem Provider nur einen Anschluss testen.

Technischer Vergleich

Der Test erstreckte sich über vier Wochen. In dieser Zeit übertrug die ISP-Testsuite des EANTC pro Anschluss weit mehr als 100 Gigabyte Testdaten. Die Tests gruppierten wir in vier Bereiche (Abbildungen siehe www.networkworld.de/testcenter):

- 1. Messungen zwischen zwei Anschlüssen des gleichen ISPs: Dies ist repräsentativ für einen Kunden, der mehrere Filialen miteinander vernetzt.

- 2. Messungen zwischen zwei Anschlüssen verschiedener ISPs am gleichen Standort: Dies emuliert den Datenaustausch mit Kunden und Partnern am gleichen Ort.

- 3. Ein-Punkt-Messungen von Border-Routern: Damit ermittelten wir die Gesamtnetzleistung des Anbieters.

- 4. Ein-Punkt-Messungen weltweiter, bekannter Internet-Server: Dies ermittelt die Performance der Verbindungen zu anderen Providern.

In den Fällen 2 und 4 kann ein Provider nicht die gesamte Strecke kontrollieren. Er kann die Qualität jedoch durch Wahl des "Peerings" beeinflussen, das heißt Verbindungen zu anderen ISPs entsprechend den Kundenanforderungen planen und dimensionieren.

Das Kernnetz der Deutschen Telekom war zum Zeitpunkt der Tests im Mai 2002 so dimensioniert, dass Einflüsse anderer Nutzer nicht messbar waren. Bei Messungen zwischen Berlin und Koblenz erschien die Internetanbindung wie eine 2-Megabit-Standleitung; lediglich die Paketlaufzeiten waren mit etwa 12 ms je Richtung höher als bei einer exklusiven Festverbindung. Während des Messzeitraums fiel keiner der Anschlüsse beider Anbieter aus. Die Anschlussverfügbarkeit betrug damit bei einer Messgenauigkeit von 60 Sekunden mindestens 99,99 Prozent.

Im nächsten Schritt untersuchten wir die Gesamtleistung der ISP-Netze. Ein flexibles Design und eine schnell reagierende Kapazitätsplanung im Backbone sind sehr wichtig. Manchmal steigen die Verkehrslasten zu bestimmten Zielen sehr schnell an. Für diesen Fall muss der Anbieter genügend Reserven haben und das Netz schnell ausbauen können. Für die Einhaltung von Qualitätszusagen ist es hilfreich, das eigene Netz möglichst weit zu den Zielen des jeweiligen Kunden auszudehnen und möglichst spät die Daten an fremde Anbieter zu übergeben.

Deutsche Telekom und Colt betreiben aus diesem Grund eigene Transatlantikleitungen sowie ausgedehnte europäische Netze. Wir testeten Verbindungen zu ausgewählten Übergabepunkten. Die Deutsche Telekom erreichte durchgängig mindestens 95 Prozent der Maximalwerte zu allen europäischen und USA-Zielen. Colt fiel demgegenüber leicht zurück. Nach London und New York wurden aber noch mindestens 90 Prozent der Maximalbandbreite erreicht.

Bei den Verbindungen zu anderen Providern am gleichen Standort zeigten sich die heute üblichen Probleme des Internets: Manche Peering-Verbindungen sind sehr langsam, wobei es jedoch schwierig ist, die Verantwortung dafür einer Seite zuzuweisen.

Beide Anbieter erreichten zwar untereinander über 95 Prozent der Maximalbandbreite, zu unserem QSC-Anschluss in Berlin lagen sie jedoch beide bei nur 80 Prozent. Auf der anderen Seite war QSC in Koblenz/Bonn sehr gut vom Netz der Deutschen Telekom aus erreichbar. Das ist ein Indiz, dass die getesteten Provider Querverbindungen in mehreren Großstädten unterhalten. Ein Peering-Problem ist also oft regional begrenzt.

Kunden sollten die Bandbreiten vor allem vormittags zwischen 10 und 12 Uhr in der Business Prime Time testen. Einige Netze brachen während dieser Zeit bis zur Hälfte der Maximalleistung ein. Nicht so Deutsche Telekom und Colt: Auch hier erreichten beide Anbieter netzintern wieder Bestwerte.

Schließlich blieb die Frage, wie gut das eigene Unternehmen über internationale Verbindungen erreichbar ist und wie schnell die Datenübertragung zu Zielen im Internet funktioniert. Wir testeten Verbindungen zu ausgewählten deutschen und internationalen Webservern. Die Deutsche Telekom erreichte im Durchschnitt 90 Prozent der Maximalwerte, allerdings mit einiger Streuung: Japan 75 Prozent, das Ziel www.ericsson.com nur 25 Prozent. Den gleichen Server erreichte Colt mit 50 Prozent Bandbreite, während die anderen Werte vergleichbar waren. Erstaunlicherweise bemerkten wir keine Unterschiede zwischen der Auslastung tagsüber und nachts - das ist nicht selbstverständlich, wie der zweite Teil des Tests zeigen wird.

Die Messergebnisse und eine Beschreibung der Messverfahren finden Sie unter www.networkworld.de/testcenter.

Preise und Abrechnungen

Für die Tests wählten wir einen volumenbasierten Tarif, um die Abrechnung der Übertragungsvolumen verifizieren zu können. Die Deutsche Telekom rechnete die Datenmengen entsprechend unserem Accounting ab. Colt berechnete anfänglich IP-Daten in Höhe von 150 Euro, obwohl nicht einmal der Access-Router eingeschaltet war. Nach einer Reklamation wurden alle folgenden Abrechnungen korrekt durchgeführt und der falsch berechnete Betrag sofort gutgeschrieben.

Sicherlich zählen diese beiden E1-Angebote nicht zu den günstigsten auf dem Markt, besonders wenn man die DSL-Mitbewerber einbezieht. Wer aber eine zuverlässige und professionell betriebene Internetanbindung benötigt, bei der auch der Backbone leistungsfähig genug ist, um die Anschlussbandbreite zu erreichen, ist unserer Ansicht nach mit den Angeboten von Colt Telecom und Deutscher Telekom gut versorgt.

zur Person

Carsten Rossenhövel

ist Vorstandsmitglied der EANTC AG und leitet die Abteilung Research and Development.