VDI-Technologie

VDI-Technologie - hohe Betriebskosten vs. geringer Managementaufwand

21.03.2014 von Karin Quack
Eine Virtual Desktop Infrastructure (VDI) gilt als kostengünstige Alternative zu PCs oder Laptops mit lokaler Software. Zu Unrecht, wie Marktforscher herausgefunden haben. Günstigen Geräten und überschaubarem Managementaufwand stehen hohe Struktur- und Betriebskosten gegenüber.

Im Gegensatz zur Server- und Speichervirtualisierung hat das Thema Virtual Desktop für IT-Entscheider offenbar keine Top-Priorität. Das legen jedenfalls die Ergebnisse des diesjährigen "IT-Kompass" nahe, für den die COMPUTERWOCHE, das Marktforschungsunternehmen IDC und die IDG Marktforschung rund 200 CIOs und IT-Leiter nach ihren Plänen für das laufende Jahr befragt haben. Nur 23 Prozent haben eine Virtual Desktop Infrastructure (VDI) auf der To-do-Liste. Da regt sich der Verdacht, das Thema sei bereits durch. Doch der relativiert sich beim Blick auf die Ergebnisse der vergangenen Jahre, als der Anteil sogar nur bei 20 Prozent lag.

Das ist wenig angesichts der immer wieder publizierten Vorteile, die eine VDI dem Unternehmen bringen soll: Weniger Lizenzkosten und Pflegeaufwand für die Software, flexibleres Arbeiten für die Anwender, besserer Schutz gegen Datenklau - die Liste lässt sich weiter fortsetzen. Dagegen sehen Desktops mit lokal installierter Software ziemlich alt aus. Und ziemlich teuer ebenfalls.

Auf einem Auge blind

Aber ist eine virtualisierte Desktop-Umgebung tatsächlich kostengünstiger als eine mit eigenständigen PCs? Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Forrester Research vertritt dazu eine eigene Meinung: In einer Studie aus dem vergangenen Jahr mahnt der Analyst David Johnson, genauer hinzusehen.

Expertenmeinung: David K. Johnson ist Analyst bei Forrester.
Foto: Forrester Research

Die TCO-Berechnungen (Total Cost of Ownership), wie die Anbieter sie gern vorlegen, sind seiner Ansicht nach auf einem Auge blind. Sie folgten fast alle demselben Muster, beschrieben detailliert die Lifecycle-Kosten in einer traditionellen PC-Umgebung und verschleierten die wirklichen Kosten, die eine VDI-unterstützende Infrastruktur verursacht.

Die Untersuchung mit dem Titel "Hosted VirtualDesktops versus Physical PCs: Understanding The Operational Cost Differences" basiert, so Forrester Research, auf Interviews mit Architektur- und Infrastrukturexperten, die für einige der weltweit größten VDI-Umgebungen verantwortlich sind. Den Ergebnissen zufolge haben nur wenige Unternehmen eine klare Vorstellung davon, was eigentlich zu einer VDI-Umgebung gehört und wie sich das auf die Kostenbilanz auswirkt. Ein großer Teil der Befragten räumte ein, es sei schwierig, verlässliche Informationen über die operationalen Kosten zu bekommen.

Aus der Sicht von Forrester sind die Komplexität eines VDI-Systems und die Opfer, die Anwender dafür bringen müssen, wichtige Faktoren, die es zu betrachten gelte. Folgende fünf Punkte müssten die für Infrastruktur und Operations (I+O) Verantwortlichen ins Kalkül ziehen, wenn sie wirklich kompetent über die VDI-Kosten urteilten wollten.

Kostenlose VDI-Lösungen im Vergleich
Kostenlose VDI-Lösungen im Vergleich
Nach wie vor werden virtualisierte Desktops als lohnende Alternative zum PC gehandelt. Doch was leisten die Virtual-Desktop-Infrastructure-Lösungen (VDI) der führenden Anbieter Citrix XenDesktop 7, Microsoft VDI und VMware Horizon View 5.3 in der Praxis?
Microsoft VDI
Der Deployment-Overview-Bildschirm bietet eine Systemübersicht und ermöglicht die Konfiguration von Rollen und Servern.
Microsoft VDI
Im RDMS werden personal und pooled Desktops in verschiedenen Collections zusammengefasst.
Microsoft VDI
Bei der Installation von Terminaldiensten sowie virtuellen Desktops unterstützt jetzt ein einheitlicher Wizard.
Microsoft VDI
Die Remote Desktop App bringt virtuelle Desktops auf Mobilgeräte, hier ein Android-Tablet.
VMware Horizon View
Die VMware-Horizon-View-VDI-Lösung ist auf der vSphere-Virtualisierungsplattform aufgebaut.
VMware Horizon View
VMware View bietet Desktops die Möglichkeit, direkt auf Nvidia-Grafikkarten zuzugreifen.
VMware Horizon View
Der View-Client ermöglicht den Zugriff von unterschiedlichen Endgeräten auf virtuelle Desktops.
Citrix XenDesktop
XenDesktop 7 verschmilzt XenApp mit dem VDI-Produkt.
Citrix XenDesktop
Auf Basis der FlexCast Management Architecture werden VDI- mit XenApp-Diensten kombiniert.
Citrix XenDesktop
Mit Flexcast bündelt Citrix mehrere Technologien, mit denen Windows-Anwendungen je nach Anforderungen auf verschiedene Weise zur Verfügung gestellt werden.
Citrix XenDesktop
Die Personal vDisk von XenClient unterstützt die Personalisierung lokaler virtueller Desktops, ohne dass diese durch Administratoren erstellt und verwaltet werden müssen.
Citrix XenDesktop
StoreFront bietet einen Self-Service für Benutzer.

1. Für die Anwender bleibt keineswegs alles beim Alten.

Zu den am weitesten verbreiteten Irrtümern gehört laut Forrester die Annahme, für den Anwender ändere sich nichts - oder höchstens etwas zum Besseren. Die Argumentation hört sich dann etwa so an: Wir geben unseren Anwendern einen flexibleren Zugriff und eine verlässlichere Desktop-Umgebung, denn die VDI-Umgebung erlaubt es ihnen, sich zu jeder Zeit und von überall mit jedem Device auf das System aufzuschalten. Und weil es sich um eine geschlossene Umgebung handelt, gibt es auch keine Malware-Probleme oder irgendwelche Anwendungs-Inkompatibilitäten.

Das alles sei nicht falsch, sagt Johnson, aber genauso richtig sei etwas anderes: Der Desktop, der zuvor nur Zentimeter von den Fingern der Anwender entfernt war und deshalb keine Latenzzeiten kannte, steht jetzt möglicherweise in einem Datenzentrum, das sich rund 4000 Kilometer entfernt befindet, weshalb die Verbindung bisweilen unter Performance-Schwäche leidet - oder auch schon mal ganz verloren geht, wenn das Netz nicht mitspielt. Der verfügbare Speicher beträgt nur noch einen Bruchteil des vorher genutzten. Zudem ist eine ganze Reihe von Anwendungsfällen in einer VDI-Umgebung nicht mehr darstellbar. Die strikte Definition von "Images" erlaubt es den Anwendern nicht mehr, beispielsweise die Software zu installieren, die sie brauchen, um produktiver zu sein.

2. Kostenverursacher verschwinden hinter der Komplexität

Die meisten I+O-Verantwortlichen verstehen mittlerweile gut, wie sich die Kosten für das Management physischer PCs zusammensetzen. Doch Forrester mahnt, eine VDI-Umgebung rufe neue Komponenten auf den Plan, mit deren Lifecycle-Kosten die IT-Profis oftmals weniger vertraut seien. Beispielsweise würden aus Performance-Gründen häufig SSD-Speicher-Arrays (Solid State Disk) und Speicheroptimierer, WAN-Verbesserer oder ähnliches Equipment notwendig - vor allem in Großunternehmen. Diese Investitionen ließen sich direkt auf das VDI-System zurückführen und beeinflussten die Kostenbilanz nachhaltig, konstatiert Forrester. Aber in den gängigen Architekturvergleichen sei davon kaum die Rede.

3. Es gibt kein einheitliches Kostenmodell für alle User

Unterschiedliche Anwendergruppen haben ebenso unterschiedliche Ansprüche an das System - was zu divergierenden Kostenmodellen führt. Callcenter-Mitarbeiter, Aktienhändler oder auch Krankenhausärzte brauchen andere Zugriffsmöglichkeiten als Ingenieure, Vertriebsleute oder Grafikdesigner.

Die Form folgt der Funktion, wie es so schön heißt. Das VDI-System muss also jedem Anwender geben, was er für seine Produktivität benötigt. Hinzu kommen Business-Anforderungen wie Unterstützung für Videokonferenzen oder mobile Plattformen. So sehen Hardwareauswahl, Performance-Anforderungen und operationale Kosten in jedem einzelnen Fall verschieden aus.

4. Rundum-sorglos-Pakete sind Kompromisse

Einige Anbieter offerieren All-in-One-, Ende-zu-Ende- oder Appliance-Lösungen, die Hardware- und Software-Stacks kombinieren, um bestimmte Anwendungsfälle mit begrenzten Anforderungen zu unterstützen. Das hört sich gut an. Aber häufig leiden die Anwender später unter den auf den ersten Blick nicht sichtbaren Einschränkungen. Die entstehen, wenn ein System für eine bestimmte Umgebung und wenige Anwendungsfälle optimiert ist. Die Kompromisse werden evident, wenn der Kunde andere Anwendungen braucht oder bestimmte Komponenten erweitern möchte

5. Die Anbieter vergleichen Äpfel mit Birnen

Wie die VDI-Protagonisten auf der Anbieterseite bei ihrer Wertanalyse vorgehen, bekam Forrester von den VDI-Platzhirschen VMware und Citrix demonstriert. So habe VMware im Rahmen einer Konferenz ganz korrekt die versteckten Kosten eines PC-Lifecycle identifiziert, einschließlich solcher Faktoren wie OS-Provisioning und Application Testing, berichtet Analyst Johnson. Leider habe der Anbieter es versäumt, dieselbe Akribie beim Aufdecken der VDI-Kosten aufzuwenden.

Citrix sei ähnlich vorgegangen, so die Analysten. Der Anbieter habe eine RoI-Analyse (Return on Investment) vorgestellt, die weitgehend auf den Anschaffungskosten von Hardware und Software basierte, also die Betriebskosten der PCs und der VDI gar nicht berücksichtigte.

Forrester will den Anbietern nach eigenen Angaben keine schlechten Absichten unterstellen. Aber jede Untersuchung, die sich mit weniger als den kompletten Lifecycle-Kosten aller Komponenten zufriedengebe, resultiere in einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. Sie tauge also keineswegs als belastbare Grundlage für einen Business Case.

Anwendungsfall bestimmt Kostenrechnung

Es sei quasi unmöglich, eine "Passt schon"-Erfahrung für alle Anwendungsfälle zu schaffen, stellt Forrester-Analyst Johnson fest. Was für fortgeschrittenes CAD und Engineering als gut genug gelten dürfe, bedeute für die meisten anderen Unternehmensbereiche schlicht "Overkill". Ein System, das speziell für nicht persistente Desktops entwickelt wurde, sei für die "Knowledge Worker" mit einiger Sicherheit nicht flexibel genug. Und wer ein Video-Collaboration-Werkzeug einsetze, könne mit einem System, das sich durch die rechenzentrumsübliche Bandbreite knabbern müsse, wenig anfangen. Kurzum: Eine VDI erfolgreich zu nutzen heißt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und die daraus entstehenden Bedürfnisse zu kennen und zu erfüllen, mahnt der Analyst. Die Produktivität der Mitarbeiter gegen inkrementelle Effizienzgewinne der IT einzutauschen sei schlicht unökonomisch.

Virtualisierung in der Praxis
Der erste Schritt zum Virtualisierungsprojekt:
Stellt die CPU meines Desktop-Systems die richtigen Features bereit? Das Tool „coreinfo“ von Sysinternals kann helfen.
Ein Problem, das unter Windows 8 auftauchen kann:
Die Installation einer anderen Virtualisierungslösung ist nicht möglich, wenn Hyper-V installiert ist.
Ein weiteres Problem unter Windows 8:
Die Software VirtualBox lässt sich zwar parallel zu Hyper-V installieren, kann aber nicht mehr auf die benötigten Features der CPU zugreifen.
Der entscheidende Tipp:
Soll eine andere Virtualisierungssoftware unter Windows 8 zum Einsatz kommen, so muss das Hyper-V-Feature entfernt werden.
Es muss nicht immer ein komplettes Betriebssystem sein:
Mit Hilfe der Software Evalaze können einzelne Anwendungen in einer virtuelle Maschine „eingeschlossen“ werden.
Virtualisierungs-Tool Evalaze:
Obwohl beliebig viele Anwendungen virtualisiert werden können, sind die verfügbaren Features der freien Version von Evalaze doch arg eingeschränkt.
Ein guter Mechanismus:
Der Anwender kann bei der Konfiguration seiner virtualisierten Anwendung unter Evalaze entscheiden, wie dieses Programm mit dem Rest des Systems interagiert.
Leider noch nicht in der Gegenwart angekommen:
Die „Sandkasten“-Software „Bufferzone Pro“ unterstützt Windows 8 offiziell noch nicht – funktioniert im Test dennoch auf einer 64-Bit-Version von Windows 8 Enterprise.
Ohne Registrierung geht es nicht:
Danach steht die freie Version von „Bufferzone Pro“ aber ohne weitere Einschränkungen zum Einsatz bereit.
Hier landen die Anwendungen in der Sandbox:
Die Lösung Bufferzone isoliert Anwendungen aber auch Daten, die beispielsweise aus dem Internet heruntergeladen wurden, in einem speziellen, geschützten Bereich auf dem Rechner.
Wenn es doch Windows sein muss:
Parallels Desktop ermöglicht den Betrieb unterschiedlicher Betriebssysteme auf einem Host-System unter OS X von Apple.
Windows 8 in ungewohnter Umgebung:
Mit Hilfe von Parallels Desktop kann auch das aktuelle Windows-System auf der Apple-Plattform direkt auf dem Host-Betriebssystem genutzt werden.
Die Windows-Taste fehlt:
Erst, wenn man als Windows-Nutzer in einer derartigen virtualisierten Umgebung arbeiten muss, fällt auf, wie wichtig diese Taste unter Windows 8 sein kann.
VMware Player auf einem Windows-8-System:
Ist das Hyper-V-Feature nicht aktiviert, so bietet die Freeware eine gute Möglichkeit, virtuelle Maschinen einfach zu betreiben.
Auch das funktioniert tadellos:
Ein in der VMware Workstation unter Windows 7 virtualisierter Windows Server 2012 Essentials, der auf dem VMware Player sowie einer Windows-8-Plattform als Host-System arbeitet.
Ist als „Technical Preview“ erhältlich:
Die kommende Version der VMware Workstation wird unter anderem auch direkt mit der Unterstützung von Windows 8.1 aufwarten.
Von der „kleinen Virtualisierung“ bis hin zum Server-Release:
Die freie Software VirtualBox unterstützt frühzeitig auch neue und Beta-Versionen der verschiedenen Betriebssysteme und eignet sich dadurch für Testsysteme.

Jede Komponente trägt zur Bilanz bei

In den meisten Industriesystemen werden die Betriebskosten eines Gesamtsystems von der Summe aus den Betriebskosten jeder einzelnen Komponente abgeleitet, so untermauert Forrester seine Argumentation. Beispielsweise wählten die Hersteller von Traktoren die Einzelteile vor allem nach Robustheit aus, weniger nach hoher Leistung oder niedrigem Gewicht. Die verwendete Dieselmaschine habe vielleicht nur 50 PS. Aber dafür laufe sie 10.000 Stunden wartungsfrei.

Nun könnte der Hersteller stattdessen einen billigeren und noch dazu leistungsfähigeren Benzinmotor einbauen, aber dann müsste der Traktor vermutlich alle 1000 Stunden eine Werkstatt anlaufen, so die Marktbeobachter. Dieser Vergleich lasse sich auf die Desktop-Infrastruktur übertragen: Die Komponenten eines VDI-Systems müssten ja ebenfalls auf den jeweiligen Anwendungsrahmen abgestimmt werden. Um einen Überblick über die tatsächlichen Aufwände zu erhalten, sei es deshalb wichtig, die Lifecyle-Kosten aller Komponenten zu kennen und in die Gesamtrechnung einzubeziehen.

Allerdings sind die Komponenten einer VDI - anders als unabhängige PCs oder Laptops - keine Commodity-Teile, die man einmal installiert und dann vergisst. Sie haben alle unterschiedliche Lebenszyklen - beispielweise die Cluster-Server, Speicherinfrastrukturen, Netzkomponenten, WAN- und Speicher-Optimierer sowie die Workspace-Virtualisierung. Nicht jede dieser Komponenten wird in jedem Fall nötig sein, aber wenn sie eingesetzt werden, müssen sie in die Berechnung einfließen.

Was Forrester den Anwendern empfiehlt

Unter dem Strich stellt eine VDI für viele Arbeitsstile wohl keine Möglichkeit zum Kostensparen dar. Ob die Vorteile, die sich damit erzielen lassen, die erhöhten Betriebskosten aufwiegen, ist in jedem Einzelfall separat zu ermitteln.

Wer einen Business Case erstellen will, sollte sich die Lifecycle-Kosten der wichtigsten Infrastrukturkomponenten anschauen und dann die unterschiedlichen Szenarien und Architekturen, mit deren Hilfe das Unternehmen operationale Vorteile erzielen will. So werden vorintegrierte Software, Server, Speicher und Komponenten die Installation und den Betrieb vereinfachen. Aber dieser Vorteil wird durch Kompromisse erkauft. Und die können monatelang unentdeckt bleiben, bis sich die begrenzten Möglichkeiten plötzlich als Hindernis für eine Erweiterung des Systems erweisen. Erfahrungsgemäß steigen die Leistungsanforderungen eher, als dass sie fallen. Deshalb müssen die Hardware und die gesamte Infrastruktur zukunftssicher, sprich: anpass- und erweiterbar, sein.

Last, but not least sollte jeder verantwortungsbewusste IT-Manager vor der endgültigen Entscheidung einen Schritt zurücktreten und sich folgende Frage stellen: Lassen sich die angestrebten Verbesserungen des PC-Managements möglicherweise auch durch Automatisierung und neue Network-Security-Modelle erzielen, die eine VDI aus ökonomischer und technischer Perspektive obsolet erscheinen lassen? (hal)