VC-SDRAM im Detail

31.12.1999 von Christian Vilsbeck und Michael Eckert
Abseits vom Trubel um Rambus und DDR-SDRAM könnte Virtual Channel Memory als siegreiche Zwischenlösung hervorgehen. Der Highspeed-Speicher von NEC soll durch eine effizientere Speicherverwaltung für höhere Performance sorgen.

Rambus ist teuer und enttäuscht in der Performance. AMD favorisiert für seine Athlon-Prozessoren künftig DDR-SDRAM, nur entsprechende Mainboards und der Speicher selbst sind noch nicht verfügbar. Vor allem die Inkompatibilität zu den bestehenden Mainboards und Speichersockeln machen den neuen Technologien den Start schwer. Während Rambus-Speicher mit seinen RIMMs eine komplett neue Board-Architektur benötigt, ist die Implementation der 184-poligen DDR-DIMMs weniger kompliziert und erfordert nur geringfügige Designanpassungen.

Dennoch: PC100- und vermehrt jetzt auch PC133-SDRAM bleiben wohl in den nächsten Monaten die Speicherlösung Nummer 1. Und sie bekommen Verstärkung: Virtual Channel Memory (VCM) von NEC ist eine Highspeed-SDRAM-Lösung und soll die Effizienz bei Speicherzugriffen und somit die Performance des Systems erhöhen.

Bereits Ende 1997 hat der japanische Speicherhersteller die Architektur von VCM vorgestellt. Die derzeit für den 100- und 133-MHz-Betrieb ausgelegten Speichermodule basieren auf Standard-SDRAM. VCM verwendet auch das gleiche Pinout und Package wie SDRAM. Als Modulplatinen kommen die herkömmlichen 168-poligen DIMMs zum Einsatz. Designänderungen an Mainboard und Speichersockeln sind damit nicht notwendig. Zwingend erforderlich ist allerdings eine Unterstützung seitens des Chipsatzes sowie eine Anpassung des Bios - sonst wird das Modul nicht erkannt.

VCM ist von NEC als offener Standard entwickelt worden. Lizenzgebühren, wie bei Rambus, sind für andere Hersteller nicht fällig. Neben NEC selbst entwickeln auch Hyundai, Infineon (Siemens) und Micron VC-SDRAMs. Auch Kingston wird in Kürze Module anbieten.

Funktionsprinzip

In modernen PCs mit Multitasking-Betriebssystemen erfolgt der Zugriff auf den Speicher von vielen Quellen aus. Parallel laufende Tasks reservieren sich bestimmte Speicherbereiche und sorgen für ein intensives Datenaufkommen auf dem Speicherbus. Zusätzlich greifen andere Hardwarekomponenten direkt auf den Arbeitsspeicher des PCs zu (DMA-Betrieb). Von der DMA-Fähigkeit machen unter anderem IDE- und SCSI-Controller sowie Soundkarten Gebrauch. AGP-Grafikkarten können über den AGP-Bus direkt auf den Arbeitsspeicher zugreifen und von dort beispielsweise große Texturen holen.

All diese so genannten Memory Master sorgen bei gleichzeitigen Zugriffen auf den Speicher oft für lange Wartezyklen. Ziel bei der Entwicklung von VCM war die Entflechtung dieses Datenstaus und somit eine Verkürzung der Wartezyklen bei mehrfachen Speicheranfragen. Eine bessere Gesamtperformance soll erreicht werden.

Um den Overhead abzubauen, sind in jedem VC-SDRAM 16 unabhängige Speicherkanäle integriert. Die Channels ermöglichen jedem Memory Master einen direkten und schnellen Zugriff auf die einzelnen Speichersegmente. Jeder Channel ist aus schnellem SRAM aufgebaut und besitzt eine Puffergröße von 1024 Bit.

Die Speicherkanäle sind zwischen dem I/O-Interface und der Speichermatrix angeordnet und können Daten temporär speichern. Somit ist es dem Speicherchip möglich, weitere Zugriffe auf den Speicher vorzubereiten, während gleichzeitig der aktuelle Schreib-/Lesezyklus abläuft. Interne Operationen, wie ein Precharge der Bitleitungen oder ein Zeilen-Refresh, laufen parallel zu den eigentlichen Zugriffen auf den Speicher ab. Die bereits anstehenden Zugriffe lassen sich zudem in den Channels puffern.

Bei mehreren simultanen Anfragen erfolgt einfach eine Zwischenspeicherung der Adressen und Zugriffsinformationen in den einzelnen Channels des VCM. Die verschiedenen Anfragen müssen keine Wartezyklen einlegen, bis der Speicher sie einliest. Bisherige DRAM-Technologien verursachen bei mehrfachen Speicheranfragen ein so genanntes Page Trashing. Lange Wartezyklen sind die Folge. Jede nicht angenommene Speicheranfrage muss neu initiiert werden und kostet somit Zeit. Standard-SDRAM kann durch seine Multibank-Organisation die Wartezyklen zwar ebenfalls verkürzen, indem es Precharge-Vorgänge in der jeweils alternierenden Bank versteckt. Gegenüber VCM kann es aber mehrere Anfragen wegen der fehlenden Cache Lines nicht so effektiv verwalten.

Technische Daten und Unterstützung

Speichermodule mit Virtual Channel Memory gibt es derzeit für Taktfrequenzen von 100 und 133 MHz. NEC bietet die VC-SDRAM-Chips sogar in einer 143-MHz-Version an. Allen gemein ist die geringe CAS-Latency von 2 bei der jeweils maximalen Frequenz. Die CAS-Latency bezeichnet die Zeitspanne zwischen dem Anlegen der Spaltenadresse per CAS-Signal und den ersten gültigen Daten am Ausgang. PC133-SDRAM gibt es momentan nur als CAS-3 Module. Erste Samples mit einer Latency von 2 bei 133 MHz sind allerdings schon verfügbar. Der Performance-Unterschied von CAS-2 auf CAS-3 im Applikationstest liegt allerdings im Einprozent-Bereich. Vorteile bieten CAS-2-Module beim Overclocking. Wird der Speichertakt über 100/133 MHz angehoben, dann bieten diese Module noch Reserven und lassen sich mit einer Latency von 3 betreiben.

PC133 SDRAM

VC133 SDRAM

Direct Rambus

DDR SDRAM

Tabelle 1: Technische Daten der aktuellen Speicherarchitekturen

Spannungsversorgung

3,3 V

3,3 V

2,5 V

2,5 V

DRAM Core

Parallel Interface

Parallel Interface + Cache

Protokoll

Parallel Interface

I/O Interface

LVTTL

LVTTL

Rambus

SSTL

Bankkonfiguration

4 Bänke

16 Channel 2 Bänke

16 abhängige Bänke

4 Bänke

Bit-Organisation

x4/x8/x16

x4/x8/x16

x16/x18

x4/x8/x16

IC-Gehäuse

54-Pin TSOP

54-Pin TSOP

74-Pin CSP

66-Pin TSOP

Bandbreite

1,064 GByte/s

1,064 GByte/s

1,6 GByte/s

2,128 GByte/s

Die maximale Bandbreite von VC133-SDRAM entspricht im Burstzugriff mit 1,06 GByte/s der von PC133-SDRAM. Virtual-Channel-SDRAM kann wie Standard-SDRAM mit jedem Takt gültige Daten am Ausgang liefern. Performance-Vorteile entstehen bei VCM erst bei sehr speicherintensiven Anwendungen und Multitasking-Systemen.

Unterstützung erhält NECs Speichertechnologie bisher nur aus dem fernen Osten: VIA, ALi und SiS können mit ihren aktuellen Chipsätzen VCM ansteuern.

VCM

SDRAM

DDR-SDRAM

Rambus

Tabelle 2: Aktuelle Chipsätze und deren Speicherunterstützung

Intel 440BX

nein

ja

nein

nein

Intel 810

nein

ja

nein

nein

Intel 820

nein

nein

nein

ja

Intel 840

nein

nein

nein

ja

VIA Apollo Pro Plus

ja

ja

nein

nein

VIA Apollo Pro 133/A

ja

ja

nein

nein

VIA KX133

ja

ja

nein

nein

VIA Apollo MVP4

ja

ja

nein

nein

VIA Apollo MVP3

nein

ja

nein

nein

SiS 630

ja

ja

nein

nein

SiS 620

ja

ja

nein

nein

SiS 600

nein

ja

nein

nein

SiS 540

ja

ja

nein

nein

SiS530

nein

ja

nein

nein

ALi Aladdin TNT2

ja

ja

nein

nein

ALi Aladdin-Pro II

nein

ja

nein

nein

ALi Aladdin V

nein

ja

nein

nein

AMD 750

nein

ja

nein

nein

Ein sehr flexibles Speicher-Handling bieten derzeit Mainboards mit dem VIA-Apollo-Pro-133A. Der Chipsatz unterstützt einen 133-MHz-FSB sowie einen Speichertakt von bis zu 133 MHz. Intel dagegen hält sich noch eisern an PC66/100-SDRAM und mit seinen 820/840-Chipsätzen an Rambus. Erst im zweiten Quartal 2000 will Intel seinen ersten Chipsatz (i815, Codename Solano 2) für 133-MHz-SDRAM auf den Markt bringen.

Preise und Verfügbarkeit

Die von NEC als offener Standard deklarierte Virtual-Channel-Technik bedarf keiner Lizenzierung. Neben NEC fertigen bisher Hyundai und Infineon (Siemens) Virtual Channel Memory. Kingston validiert gerade VCM und wird in Kürze ebenfalls entsprechende Speichermodule anbieten.

Mit der momentanen Verfügbarkeit sieht es in Europa allerdings schlecht aus. Über Direktversender sind VC-SDRAMs nicht zu bekommen. NEC adressiert zurzeit hauptsächlich Großkunden, wie den amerikanischen PC-Hersteller Micron. In bestimmten Modellen der Millennia-Serie verbaut Micron ausschließlich VC-SDRAM.

In Japan kann Virtual Channel Memory dagegen schon im Direktmarkt erworben werden.

Die Preise für VC-SDRAM unterscheiden sich nach Angaben von NEC nicht von denen vergleichbarer SDRAMs. Ein VC100-Modul mit CAS-2 sollte demnach den gleichen Preis wie ein PC100-DIMM mit einer CAS-Latency von 2 haben. Mit einem Preisaufschlag von fünf bis zehn Prozent muss allerdings bei VC133-Modulen gerechnet werden. Zu beachten ist hierbei, dass VC133-Speicher ebenfalls eine CAS-Latency von 2 hat. PC133-Speicher gibt es momentan nur mit CAS-3.

Die in Japan erhältlichen Virtual-Channel-Module werden nach Auskunft von NEC allerdings auch im Vergleich zu SDRAM-Modulen fünf bis zehn Prozent teurer verkauft.

Breite Akzeptanz beim Kunden können Virtual-Channel-Module nur bei gleichem Preis oder einem signifikanten Performance-Gewinn erreichen.

Nach unseren Performance-Messung bleibt abzuwarten, ob sich die Preispolitik in Europa für VC-SDRAM entsprechend anpasst, oder sich an den japanischen Preisen orientiert. Letzteres würde die Chancen von Virtual Channel Memory schmälern.

Fazit

Die theoretischen Vorteile von Virtual Channel Memory entpuppen sich in der Praxis als kaum relevant. Nur bei speziellen Filterfunktionen sehr speicherintensiver Bildbearbeitungsprogramme zeigen sich Vorteile.

Bei den typischen Standardapplikationen ist von einem Geschwindigkeitsschub nichts zu merken. Selbst bei speicherintensiven 3D-Spielen und AGP-Tests ist gegenüber normalem SDRAM kein Performance-Gewinn zu sehen. Die Unterschiede liegen alle innerhalb von einem bis zwei Prozent.

Die Vorteile von NECs Speicherarchitektur halten sich für den Endanwender dennoch stark in Grenzen. In einigen Sonderfällen sowie synthetischen Benchmarks sind durchaus erhebliche Unterschiede zu sehen. Nur das wird nicht genügen, um sich gegenüber PC-SDRAM durchzusetzen.

An mangelnder Unterstützung seitens der Chipsätze kann Virtual Channel Memory dagegen nicht klagen. Viel hängt jetzt davon ab, wie schnell der Speicher und zu welchem Preis er letztendlich zu haben ist.

Ausführliche Benchmark-Ergebnisse von Virtual Channel Memory und dessen aktuellen Konkurrenten finden Sie bei tecChannel im Artikel Speicher-Benchmarks.

Über die grundsätzliche Funktionsweise von Arbeitsspeicher klärt der Grundlagenbeitrag DRAM im Detail auf.

Informationen über die verschiedenen Speichertypen finden Sie im Beitrag DRAM - Architekturen. Hier lesen Sie über die Eigenheiten von FPM über EDO bis hin zu DDR-SDRAM. (cvi)