Urheberrechtsabgabe – die neue Abzocke?

28.03.2007 von ALBERT  LAUCHNER und René Gäbler
Die Urheberrechtsabgabe belegt kopierfähige Geräte wie Scanner und CD-Brenner mit pauschalen Abgaben, die die Verwertungsgesellschaften an Autoren und Musiker verteilen. Doch das 20 Jahre alte System und mehr noch die von der Regierung geplante Neufassung stehen in der Kritik.

Die Bundesregierung plant noch in diesem Jahr das Urheberrecht zu ändern. Der sogenannte „2. Korb“ der Urheberrechtsreform sieht neue Urheberrechtsabgaben zum Beispiel auf MP3-Player und PCs vor. Auch sollen die Abgaben auf bestimmte Geräte wie Multifunktionsgeräte drastisch steigen. Selbst für ein Einstiegsgerät mit 100 Euro Straßenpreis soll nach Ansicht der Verwertungsgesellschaften eine Urheberrechtsabgabe von 79 Euro fällig werden. Klar, dass sich die Druckerindustrie gegen diese massive Abgabe wehrt.

Bislang zahlen die Hersteller an die Verwertungsgesellschaften für jeden Videorekorder, DVD-Rekorder und DVD-Brenner eine Pauschale von 9,21 Euro, für jeden CD-Brenner 7,50 Euro, für jeden MP3-Player und Kassettenrekorder 1,28 Euro. Kopierer, Faxgeräte und Scanner kosten je nach Leistungsfähigkeit zwischen 8,18 und 613,56 Euro. Auch die Aufnahmemedien sind mit einer Abgabe belegt: Leerkassetten, Tonbänder, DATs, Minidisks und CD-Rohlinge kosten 6,14 Cent pro Stunde, Videokassetten und DVD-Rohlinge 8,70 Cent.

Die Stunde der Lobbyisten

Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit noch in der parlamentarischen Beratung. Daher ist momentan Lobbyarbeit angesagt: Jede betroffene Gruppierung versucht, die Politiker zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Hersteller drohen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, Abwanderung ins Ausland und exorbitanten Preissteigerungen. Daher mobilisieren sie vor allem die Bürger und die Händler.

Bereicherung: BITKOM als Vertreter der Hersteller befürchtet eine drastische Steigerung der Abgaben an die Verwertungsgesellschaften, falls der „2. Korb“ nicht entschärft wird. (Quelle: Teuerland)

Auf der anderen Seite beklagen die Autoren- und Journalistenverbände die seit Jahren sinkenden Ausschüttungen aus dem Urhebertopf und den geringen Verdienst der eigentlichen Inhalteerzeuger. Ihnen kann die Abgabe gar nicht hoch genug sein.

Und auch die Verwertungsgesellschaften wie VG Wort, die sich um die Verteilung der Gelder kümmern und dabei rund 15 Prozent des Umsatzes abzweigen, profitieren von möglichst hohen Abgaben und machen sich daher dafür stark.

Aktion Teuerland – Aufstand der Druckindustrie

Im Januar 2007 versammelten führende Anbieter der Druckindustrie Journalisten und Pressevertreter in Berlin. Umrahmt von Medienrummel und aktionistischen Plakaten präsentierten sie ihre Argumente gegen die geplanten Veränderungen der Urheberrechtsabgabe. So befürchtet die Druckindustrie Einnahmenverluste in Millionenhöhe. Durch die massiven Preissteigerungen der Hardware von 11 Prozent bei PC und bis zu 140 Prozent bei Druckern und Multifunktionsgeräten würden viele Kunden ins Ausland abwandern. Bei einer Umsatzverlagerung von zehn Prozent gehen laut den deutschen Herstellern Gewinne in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro und Tausende von Arbeitsplätzen verloren.

Orakel: Die Hersteller sorgen durch hohe prognostizierte Preissteigerungen für eine Protestwelle bei den Verbrauchern und wollen so die Politiker zum Einlenken zwingen. (Quelle: Teuerland)

Zwar sehen auch die Vertreter der Druckindustrie die derzeitigen Abführungen der Urheberrechtsabgaben als veraltet an. In der heutigen Zeit könne man nicht mehr auf Verfahren setzen, die vor 20 Jahren entwickelt wurden. Doch pauschale Abgaben auf Geräte schützen ihrer Meinung nach das geistige Eigentum auch nicht. Die Aufgabe einer gerechten Verteilung der Einnahmen soll ihrer Meinung nach in Zukunft durch ein digitales Rechtemanagement (DRM) erfolgen. Deutschland soll hier Vorreiter werden. Übergangsweise schlagen die Druckerhersteller eine Abgabe von fünf Prozent des Gerätepreises vor.

DRM als Allheilmittel

Henning Ohlsen, Geschäftsführer der Epson Deutschland GmbH, verurteilte auf der Teuerland-Aktion die überzogenen Forderungen der VG Wort und sieht in Zukunft eine drastische Verteuerung der Hardware kommen. Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, argumentierte, dass in anderen Ländern wie etwa Großbritannien gar keine Abgabenpflicht bestehe. Journalisten und Autoren sollen zwar weiter Zuschüsse aus einer Urheberabgabe erhalten, doch mehr zahlen wolle die Industrie nicht.

Bernd Bischof, President & CEO von Fujitsu Siemens, setzt auf eine technische Lösung. Er möchte, dass Deutschland Vorreiter in Sachen „benutzerfreundlicher DRM-Systeme“ wird. Der harte Wettbewerbskampf und die offenen Grenzen in der EU ließen keine Preisunterschiede zu. Dem Abwandern der Kunden ins Ausland soll durch eine verbindliche DRM-Lösung vorgebeugt werden.

Allerdings gibt es bei den DRM-Ansätzen keine klare Linie seitens der Industrie. Und auch die Verwertungsgesellschaften schießen quer. So will etwa die VG Wort Webseiten mit einem eigenen Identifizierungscode versehen und so Seitenabrufe im Internet erfassen. Je nach Traffic würden dann auch Internet-Journalisten an den Einnahmen der VG Wort beteiligt.

Denn bislang gehen die Online-Redakteure leer aus, obwohl ihre Werke sehr häufig ausgedruckt und damit vervielfältigt werden. Die VG Wort konnte sich noch nicht zu einer geeigneten Abrechungsmethode für Online-Inhalte durchringen. Diese Schwachstelle im System nutzen die Druckerhersteller wiederum aus, um gegen die Urheberrechtsabgabe für Drucker generell zu argumentieren.

Meinungen der Verbände

Der interessierte Journalist, der die Teuerland-Aktion der Hersteller im Berliner Sonycenter am Potsdamer Platz besuchte, musste zunächst an einer Gegendemo des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) vorbei. Von den angesagten 200 Teilnehmern dieser Demo war zwar nur ein halbes Dutzend vor Ort. Doch die handgefertigten Transparente und ein Drehorgelspieler sorgten für die richtige Stimmung – und eine unfreiwillige Komik.

Nicole von Stockert, beim DJV zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, sieht im derzeitigen Gesetzesentwurf eine Benachteiligung der Urheber. Bei einer Geräteabgabe von maximal fünf Prozent des Kaufpreises würden die Einnahmen der VG Wort sinken. Obwohl laut dem Vorschlag neue Geräte in die Urheberrechtsabgabe aufgenommen werden, gingen damit die Vergütungen für die Journalisten zurück. Hier seien daher deutliche Korrekturen gefordert.

Geringer Anteil: Nur die wenigsten Ausdrucke betreffen eventuell urheberrechtlich relevantes Material. (Quelle: SOKO)

Auch das „Aktionsbündnis Kopiervergütung“ machte gegen eine zu niedrige Abgabe Front. Es spricht von einer „gesetzgeberischen Schieflage“ warnt vor einem „Ausverkauf der Kreativen“. Ohne Not würde der Gesetzgeber dem Druck der Geräteindustrie nachgeben und den Interessen der Urheber schaden.

Verwertungsgesellschaft Wort

Die VG Wort ist verantwortlich für die Verteilung der Urheberrechtsabgabe an die schreibende Zunft. Sie entspricht damit der GEMA im Musikbereich. Die Urheberrechtsabgaben auf Geräte wandern zunächst vom Käufer des Produkts zu der VG Wort. Autoren und Journalisten melden dort geschriebene Bücher, journalistische Beiträge, Drehbücher, Bühnenstücke und andere schriftlich erstellte Werke an. Dabei werden auch die Verbreitung und Auflagehöhe erfasst. Am Ende jedes Jahres werden die Einnahmen dann, gewichtet nach produzierter Wortzahl und Verbreitung, an die Autoren und Journalisten verteilt.

Komplexe Struktur: Die VG Wort erziehlt ihre Einnahmen aus unterschiedlichsten Quellen. (Quelle: VG Wort)

Über die Jahre ist die VG Wort ist ein riesiger, komplexer und unübersichtlicher Verwaltungsapparat geworden. Einnahmen gehen in diesem aufgeblähten System verloren und versickern in der Bürokratie. Im Jahr 2005 betrugen die Einnahmen der VG Wort rund 91 Millionen Euro, 34 Millionen davon aus der Gerätevergütung. Sechs Millionen davon gehen allein für die Verwaltung verloren. Weitere sechs Millionen gibt die VG Wort für Sozialeinrichtungen aus. Der Rest wird nach einem komplizierten Schlüssel dann an die 140.000 Autoren und Verlage verteilt.

Prof. Dr. Melicher, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort, wirft der Industrie vor, das Durcheinander bei der Abgabenverordnung künstlich zu schüren. In mehreren Gerichtsverfahren versuchten die Konzerne gegen bisherige und kommende Abgabenverpflichtungen anzugehen. Mit dem Kommen des „2. Korb der Urheberrechtsreform“ ist daher mit einer neuen Verfahrenswelle zu rechnen. Dieses Hickhack ähnle dem Gebaren einer hitzigen Tarifverhandlung. Seiner Meinung nach setzt die Industrie auf DRM und versucht so, Abgaben zu sparen und eine bislang immer wieder ausgehebelte und benutzerunfreundliche Technologie durchzusetzen.

Einkaufen im Ausland – nur in Einzelfällen möglich

Die Angst der Druckindustrie, die Kunden könnten ins Ausland abwandern, muss kritisch betrachtet werden. Der Einkauf von elektronischen Geräten und PC-Hardware außerhalb Deutschlands ist mit vielen Hürden versehen.

Zwar gibt es etwa in Großbritannien keine Geräteabgabe. Doch der Versand von Elektronikartikeln, PCs, Hardware und Fotoprodukten von Amazon UK nach Deutschland ist beispielsweise nicht möglich. Andere Shops liefern zwar nach Deutschland. Doch neben den langen Lieferzeiten von drei bis sechs Wochen muss der Kunde hohe Versandkosten in Höhe von bis zu 20 Euro in Kauf nehmen.

Oft ist eine Kreditkarte Voraussetzung, um in einem Onlineshop außerhalb Deutschlands bezahlen zu können. Bei Problemen mit den Geräten ist es schwieriger und durch die Versandkosten oft teuer, an Serviceleistungen oder Ersatzteile heranzukommen. Zudem fordern die Verkäufer eine Problembeschreibung in der jeweiligen Landessprache. Und schließlich ist die Gewährleistungsfrist in vielen Ländern kürzer als die in Deutschland üblichen 24 Monate.

Doch selbst wenn keine Gewährleistungsprobleme auftreten: Einige Geräte entsprechen nicht den in Deutschland beworbenen Produkten. Etwa bei Monitoren und Notebooks werden je nach landestypischer Präferenz TFTs mit anderer Farbtemperatur oder Oberflächenbeschichtung verbaut. Weitere Probleme treten etwa beim Stromanschluss, dem Telekommunikations-Interface und der Videoausgabe auf.

Der Kunde muss bei Einkauf im Ausland also genau nachsehen, welche Kosten auf ihn zukommen und mit welchen Einschränkungen er rechnen muss. Er kann so zwar durchaus Schnäppchen erwerben. Für ein Abwandern breiter Käuferschichten ist diese Möglichkeit aber zu kompliziert und mit zu vielen Hürden versehen.

Fazit

Deutschland ist kein Alleingänger, wenn es um das Belegen von Produkten mit Abgaben und deren Umverteilung an die Urheber geht. Pauschale Urheberrechtsvergütungen werden in 21 EU-Ländern erhoben. Die Pauschalabgaben sind sogar in einigen Ländern höher, als in Deutschland geplant. So werden in Österreich Scanner mit einer Abgabenhöhe von bis zu 331 Euro belegt. In Belgien sind für leistungsfähige Kopiergeräte 1.526,38 Euro zu zahlen. Dennoch schürt die Druckerindustrie Panik und droht mit überzogenen Preisen und Arbeitsplatzverlust.

Doch der Kauf im Ausland dürfte weiter die Ausnahme bleiben. Der landesspezifische Preis hat nicht immer etwas mit den Abgaben zu tun, sondern mit der Politik des Herstellers. So sind trotz Urheberrechtsabgabe viele IT-Produkte in Deutschland günstiger als in Großbritannien. Allerdings sind geplanten Abgaben, die wie bei den preiswerten Multifunktionsgeräten in der Höhe des Straßenpreises liegen, eindeutig übertrieben. Diese künstliche Verzerrung des Marktes wird kein Hersteller mehr ausgleichen.

DRM kann das Abgabesystem auch mittelfristig nicht ersetzen. Die Abgaben pro Papierkopie lägen im Mikrocent-Bereich. Doch bislang funktioniert DRM nicht einmal bei hochpreisigen MP3-Dateien im Wert eines Euros. Zudem wird sich der Konsument eine Gängelung bei jeder Kopie und jedem Ausdruck nicht gefallen lassen.

Ob Journalisten, Autoren und Musiker in den kommenden Jahren höhere Ausschüttungen erhalten, hängt ganz vom Ausgang der aktuellen Debatte ab. Derzeit sind die Lobbyisten noch beschäftigt, ihren Einfluss auf die Politiker geltend zu machen. Doch wie auch immer die Debatte ausgeht: Als Urheber darf man diese Ausschüttung eh nicht als primäre Einkommensquelle, sondern nur als Zubrot von einigen Hundert Euro im Jahr verstehen. (ala)