UMTS: Technik, Markt und Anwendungen

04.08.2000 von Wolfgang Hascher
UMTS verspricht Übertragungsraten von bis zu 2 MBit/s. Mit der dritten Generation von Mobilfunksystemen sollen ab 2002 Multimedia-Anwendungen auf mobilen Geräten wie Pocket-PCs, Notebooks oder neuartigen Handys möglich sein.

Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten - am 31. Juli begann in Mainz die Versteigerung der deutschen UMTS -Lizenzen.

UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) verkörpert die so genannte dritte Generation von Mobilfunksystemen (3G). Mit Datenraten von bis zu 2 MBit/s soll das Internet ab 2002 durch UMTS auch mobil schnell erreichbar sein. Neben Sprachmitteilungen und Kurzmitteilungen sind folgende Anwendungen geplant:

Von diesen breitbandigen Datendiensten und Multimedia-Anwendungen erwarten sich künftige Anbieter wie T-Mobil, Mannesmann Mobilfunk oder VIAG Interkom satte Gewinne. Sonst wären sie wohl kaum bereit, zweistellige Milliardenbeträge für das Recht auszugeben, die UMTS-Frequenzen zu nutzen.

Entwicklung des Mobilfunk-Marktes

Derzeit telefonieren weltweit rund 500 Millionen Menschen über ein Handy, im Jahr 2005 sollen es knapp eine Milliarde sein. Und 2010 wird nach Schätzungen verschiedener Marktforschungsinstitute erwartet, dass rund 1,7 Milliarden Menschen mobil erreichbar sind.

Die zurzeit üblichen GSM-Handys der "Zweiten Generation" sind mit einer Datenübertragungsrate von 9,6 KBit/s vor allem für das Telefonieren und den Versand von SMS-Nachrichten geeignet. Mit diesen geringen Datenraten ist das Surfen zum Beispiel via Notebook und Handy kaum praktikabel. Auch die Übertragung von Webseiten über WAP-Handys verläuft noch zu langsam. Doch das Bedürfnis vieler Anwender, das Internet auch unterwegs vernünftig nutzen zu können, steigt. Dabei geht es nicht nur um das reine Surfen im Internet, sondern auch um das Verschicken von Bilddateien, Bankgeschäfte oder den Einkauf in Onlineshops vom Handy oder neuen mobilen Internetgeräten aus.

Zukünftige Mobilfunksysteme wie UMTS lassen diese Vision wohl real werden. Diese neue, dritte Generation von Mobilfunksystemen (3G) ist die große Herausforderung, der sich die Netzbetreiber in den kommenden Jahren stellen müssen.

IMT-2000: Die Standards für UMTS

Es begann Mitte der 90er-Jahre mit der Festlegung der IMT-2000-Spezifikationen (International Mobile Telecommunications) durch die ITU (International Telecommunications Union). Diese Rahmenbedingungen bestimmen, welche Anforderungen ein Mobilfunksystem erfüllen muss, um der weltweit ab dem Jahr 2002 einzuführenden Familie der Mobilfunksysteme der dritten Generation angehören zu können. Der UMTS-Standard, der vom UMTS-Forum (einer Kooperation aller namhaften Mobilfunkkonzerne) geprägt wurde, erfüllt diese "3G-Rahmenbedingungen" und wird wohl künftig der weltweit dominierende Standard sein. Die damit maximal möglichen 2 MBit/s sind gegenüber den jetzigen Übertragungsraten von 9,6 KBit/s bei GSM ein richtig gehender "Quantensprung".

Die IMT-2000-Spezifikationen legen unter anderem fest, dass die Datenübermittlung "paketorientiert" erfolgen muss. Die zu übertragenden Daten (zum Beispiel Sprach- und Bildsignale, Videos oder Internetdaten) werden wie beim Internetprotokoll (IP) in kleinere Datenpakete aufgeteilt und an den Empfänger übertragen.

Der Transfer ist dabei physikalisch nicht zwingend auf eine bestimmte Leitung oder einen Funkkanal festgelegt. Diese Technologie unterscheidet sich damit wesentlich von der heutigen Übertragungsweise, bei der die Daten stets über einen gleich bleibenden Leitungs- oder Funkkanal-Weg übermittelt werden. Die paketorientierte Übertragung hat einen weiteren Vorteil: Der Anwender ist immer eingeloggt ("always on") und erhält Anrufe und Mails in Echtzeit. Man braucht sich dadurch nicht jedes Mal neu ins Internet einzuwählen. Daneben muss Globales Roaming möglich sein. Damit ist man weltweit unter einer einzigen UMTS/Handynummer erreichbar.

Drei Datenraten

Je nach Nutzungsvariante unterscheidet der IMT-2000-Standard drei Übertragungsgeschwindigkeiten, die von der räumlichen Lage des Senders oder Empfängers abhängig sind: 144 KBit/s zu bewegten Fahrzeugen in jedem beliebigen Gebiet, 384 KBit/s in der so genannten Mikro- und Makro-Zelle und 2 MBit/s in der so genannten Pico-Zelle.

Die maximale Übertragungsrate von 2 MBit/s ist nur in der Pico-Zelle möglich, also im Haus des Teilnehmers und in dessen näherer Umgebung. Man erwartet, dass der UMTS-Nutzer in diesem Gebiet völlig stationär ist und deshalb keine Reflexionen des ausgesandten Signals an beweglichen oder statischen Gegenständen zu befürchten sind.

Konstante Reflexionen erlauben gleich bleibend gute Übertragungsbedingungen und weniger Überlagerungen des direkt empfangenen mit den reflektierten Signalen. Dadurch bleiben Feldstärkeunterschiede oder gar Signalauslöschungen aus, sodass Datenpakete wegen Fehlermeldungen nicht erneut empfangen werden müssen. Die Wiederholungen wiederum würden die Netto-Übertragungsrate senken. Die ITU geht hier allerdings von Idealbedingungen bei geringer Netzauslastung aus. Denn es gilt: Je höher die Auslastung einer Funkzelle, desto niedriger die Datenübertragungsrate.

In der Mikro- und Makro-Zelle (Stadt beziehungsweise Region des Teilnehmers) legte die ITU sich auf eine Datenrate von 384 KBit/s fest. Sie geht dabei von einem Fußgänger aus, der sich in einer reflexionsreichen Umgebung (zum Beispiel Häuserwände) bewegt und UMTS nutzt. Die häufigen Reflexionen ändern die Feldstärkebedingungen und führen entsprechend zu häufigen "Datenpaket-Wiederholungen". Dieser Effekt senkt die Nutz-Übertragungsrate, da keine neuen Datenpakete gesendet werden können, sondern die "alten" oft wiederholt werden müssen.

Am ungünstigsten ist die Situation in der Global-Zelle. Hier geht die ITU von einem sich schnell bewegenden Teilnehmer zum Beispiel im Auto oder Flugzeug aus. Daher sind die Bedingungen für die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen am ungünstigsten, sodass man nur eine Datenrate von 144 KBit/s garantieren kann. Allerdings sind bei geringer Zellen-Auslastung und unvorhersehbar günstigen Ausbreitungsbedingungen auch höhere Transferraten möglich - aber nicht garantiert. Zu guter letzt muss den IMT-2000-Spezifikationen zufolge in schwach besiedelten Gebieten ein Satellitenfunk-Kontakt möglich sein (wird ab 2005 in UMTS eingeführt).

Technischer Aufbau eines UMTS-Netzes

Prinzipiell gliedert sich ein UMTS-System in zwei große Einheiten: Das Kernnetz und das UTRAN (UMTS Terrestrial Radio Access Network). Im Kernnetz erfolgt die Übertragung der Sprach-, Multimedia oder Internetdaten konventionell über Lichtleiter, Koaxialkabel oder Richtfunk-Strecken.

Die herkömmlichen ISDN -Telefonnetze, Highspeed-Datenleitungen und das Internet kommen hier in speziellen Vermittlungsstellen zusammen und werden im paketorientierten Modus über die vorhandenen Leitungswege und später auf Funk geschaltet. Das Funk-UTRAN besteht aus eigenen Vermittlungsanlagen, die mit dem Kernnetz verbunden sind und ihrerseits die Daten an die Funk-Basisstationen weitergeben. Die Funk-Übertragung erfolgt hier in den Bändern von etwa 1900 bis 2000 MHz sowie 2100 bis knapp 2200 MHz.

Das Wesentliche am UMTS-Netz ist die Einbeziehung des Internet-Protokolls (IP). Das heißt: Der Internet-Datenverkehr kann in vollem Umfang beliebig über das Kernnetz und die UTRAN-Funkschnittstellen laufen. Die Einschränkungen, die man derzeit beispielsweise mit WAP (Wireless Access Protocol) hinnehmen muss, sind damit verschwunden. Mit WAP kann man nicht auf die im Internet üblichen HTML-Seiten zugreifen, sondern benötigt eigene Seiten, die auf WML basieren. Zudem lassen die meisten WAP-Seiten auf den kleinen Handydisplays bezüglich der visuellen Darstellung einiges zu Wünschen übrig.

UMTS hingegen soll wegen der um ein Vielfaches höheren Datenübertragungsrate eine komplette mobile Nutzung des Internets ermöglichen. Voraussetzung dafür sind aber neue mobile Endgeräte mit größeren Displays.

Einheitlicher Standard - ja oder nein?

Zunächst konzentrierte sich die Standardisierung auf die UTRAN-Funkschnittstelle. Dabei gelang es nicht, die unterschiedlichen Mobilfunksysteme Europas, Japans und der USA zu harmonisieren. Dies liegt unter anderem daran, dass die Länder ihre bestehende Infrastruktur weit gehend erhalten wollen. Daher wird am Ende eine weit gehend kompatible Systemfamilie herauskommen - die "dritte Generation".

Innerhalb der bereits erwähnten IMT-2000-Spezifikationen wird es im Wesentlichen drei Systeme geben: Das von Europa und Japan favorisierte UMTS, das in Amerika angestrebte CDMA-2000-System und das UWC-136-System. Für CDMA-2000 besitzt beispielsweise das US-Unternehmen QUALCOMM bezüglich der Modulationsart wesentliche Patente.

Das UWC-136-System stellt im Prinzip die Fortführung des jetzigen GSM-Netzes über den Highspeed-Datenstandard EDGE (siehe später) dar. Der wesentliche Unterschied dieser drei Technologien liegt in der Modulationstechnik: UMTS und CDMA 2000 nutzen das CDMA-Verfahren (Code Division Multiple Access) beziehungsweise WCDMA (Wideband Code Division Multiple Access).

Im UWC-136-System kommt das TDMA-Verfahren (Time Division Multiple Access) zum Einsatz. Die Unterschiede in der Modulation beziehen sich dabei auf die Art, in der das hochfrequente Trägersignal (zum Beispiel 2 GHz) mit der Nutzinformation (etwa Sprachdaten) versehen wird.

Modulationstechniken

CDMA wurde von der US-Firma QUALCOMM entwickelt und gewinnt mit den immer dichter belegten Frequenzbändern für den Digital-Mobilfunk immer mehr an Bedeutung. Das Prinzip: Die digitalisierten Nutzinformationen werden durch Multiplikation mit dem um den Faktor 100 bis 1000 "höher frequenten" PN-Code (Pseudo Noise, Pseudo-Rauschen) moduliert. Dessen Einzel-Bit-Dauer wird in so genannten "Chips" gemessen. Durch die hochfrequenten "Chip"-Code-Anteile ergibt sich ein sehr breitbandiges Signal (Mega-Chips pro Sekunde). Daher zählt diese Codierungsart zu den so genannten "Spread-Spectrum"-Technologien, bei denen die Daten auf einem sehr breit belegten Frequenzband übertragen werden.

Bei CDMA senden alle Nutzer zur selben Zeit auf dem gleichen Frequenzband. Der Empfänger fischt aus diesem rauschähnlichen Signalgemenge das für ihn bestimmte Sendesignal heraus, indem er mit dem auch sendeseitig verwendeten PN-Code das Signal "demoduliert". Das heißt: Jedes Sender/Empfänger-Paar hat einen exklusiven PN-Code.

Beim W-CDMA-Verfahren ist das benötigte Frequenzspektrum noch breiter. Dadurch ist nach den physikalischen Gegebenheiten eine höhere Übertragungsrate möglich. Insgesamt soll W-CDMA die Nutzungskapazität eines Frequenzbandes mindestens um den Faktor 10 erhöhen.

Eine andere Technik steckt hinter TDMA (Time Division Multiple Access). Hier senden die einzelnen Teilnehmer ihre Datenpakete zwar auf der gleichen Frequenz, aber nach einem bestimmten Taktschema nacheinander in so genannten Zeitschlitzen. Alle 4,62 Millisekunden geht das Handy für 577 Mikrosekunden auf Sendung, bevor es die Frequenz wieder für ein anderes Gerät freigibt. Das heißt: Zuerst sendet Teilnehmer A, dann Teilnehmer B, dann C und so fort.

Künftige UMTS-Handys werden sowohl CDMA, W-CDMA und TDMA beherrschen, sind also überall einsetzbar.

In drei Schritten zu UMTS

Wichtigste Gemeinsamkeit von UMTS und CDMA 2000 ist die paketorientierte Übermittlung der Daten wie beim Internet Protocol (IP). Es zerlegt die zu übertragenden Datenmengen in IP-Datagramme und übermittelt diese an den Empfänger. Dieser fügt die ankommenden Datenpakete in der vom Sender abgeschickten Reihenfolge wieder zu einem Datenblock zusammen.

Der Übergang zur paketorientierten Übermittlung bei UMTS erfolgt in den bei uns bestehenden GSM-Netzen jedoch nicht ad hoc, sondern in drei ineinander greifenden Schritten: HSCSD (High Speed Circuit Switched Data), GPRS (General Packet Radio Service) und EDGE (Enhanced Data rates for GSM Evolution). Alle drei Standards haben eine schnellere Datenübertragung zum Ziel. Allerdings könnten Probleme auftreten, wenn sich die einzelnen Netzbetreiber für unterschiedliche Technologien entscheiden.

GPRS und EDGE werden dominieren, da sie bereits auf der Basis der paketorientierten Übermittlung arbeiten. GPRS wird noch Ende dieses Jahres in allen deutschen Netzen - eventuell noch nicht komplett flächendeckend - verfügbar sein. EDGE wird im Jahr 2001 eingeführt und setzt ebenso wie GPRS eine neue Mobilfunk-Handygeneration voraus. Der Vorteil von EDGE: Man kann die bestehende GSM-Funk-Infrastruktur weit gehend erhalten und braucht nur aufzurüsten. HSCSD hingegen wird als leitungsvermittelte Technologie eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Erster Schritt: HSCSD

Der Mobilfunkstandard HSCSD (High Speed Circuit Switched Data) lässt sich in die bestehenden GSM-Netze größtenteils durch reine Softwareänderungen implementieren. Der Dienst wurde bereits von E-Plus eingeführt. HSCSD ist damit ein erster Schritt zur Erweiterung der bestehenden GSM-Netze. In einem weiteren Schritt wird der paketorientierte Datendienst GPRS (General Packet Radio Services) in den GSM-Netzen implementiert.

HSCSD verwendet wie bei den zurzeit im GSM-Netz benutzten Sprach- und Datenkanälen Circuit-Switched-Verbindungen. Dabei wird jedem Benutzer für die Verbindung ein bestimmter Zeitschlitz fest zugewiesen: Alle 4,62 Millisekunden geht das Handy für 577 Mikrosekunden auf Sendung, bevor es die Frequenz wieder für ein anderes Gerät freigibt. GPRS, der künftige paketorientierte Dienst, kann die Zeitschlitze auch auf mehrere Benutzer dynamisch aufteilen, wodurch eine effektivere Nutzung der Übertragungsressourcen erreicht wird.

Die höheren Datenraten bei HSCSD von 14,4 KBit/s in einem Zeitschlitz (GSM: 9,6 KBit/s) erreicht man im Wesentlichen durch einen neuen Kanal-Codierer sowie die gleichzeitige Benutzung mehrerer Zeitschlitze für die Übertragung. Theoretisch können einem Benutzer für eine Datenverbindung alle acht verfügbaren bidirektionalen Zeitschlitze in einem TDMA-Rahmen zur Verfügung gestellt werden, was bei HSCSD eine maximale Übertragungsrate von 115,2 KBit/s ergibt.

In der ersten Entwicklungsphase von HSCSD sind zunächst Endgeräte mit bis zu vier Empfangs- und zwei Sendezeitschlitzen vorgesehen. Die einfachsten Konfigurationen sind asymmetrische Verbindungen, bei denen das mobile Gerät zum Beispiel auf drei oder vier Zeitschlitzen empfängt und auf einem oder zwei sendet.

56K-Modems wie auch die T-DSL-Technik arbeiten asymmetrisch. Bei T-DSL beispielsweise mit einer Geschwindigkeit von 768 KBit/s downstream und 128 KBit/s upstream. Derartige Konfigurationen eignen sich damit ideal fürs Surfen im Internet, da in der Regel mehr Daten empfangen als gesendet werden. Bei HSCSD wird dabei - je nach Aufteilung - letztlich immer in ganzzahligen Vielfachen von 14,4 KBit/s übertragen.

Zweiter Schritt: GPRS

GPRS (General Packet Radio Service) wird derzeit unter anderem von der Deutschen Telekom und der British Telecom in zwei Phasen eingeführt. Dieses Verfahren soll in der ersten Phase etwa 50 KBit/s übertragen, in der zweiten Phase sind bis zu 115 KBit/s geplant. Ähnlich wie bei HSCSD kommt eine Multislot-(Zeitschlitz-)Technik zum Einsatz. GPRS ist eine paketorientierte Technologie und daher gut für TCP/IP-Anwendungen geeignet. Das heißt: Bei GPRS werden die IP-Datenpakete verschiedener Teilnehmer zeitlich nacheinander in den bereits beschriebenen Zeitschlitzen gesendet. Die verfügbare Bandbreite lässt sich auch hier durch asymmetrische Datenübertragungsarten effizient nutzen.

Weitere (geplante) Features von GPRS sind:

Allerdings ist es nicht möglich, mit den jetzigen Handys im GPRS-Netz zu telefonieren, es ist eine neue Hardware erforderlich.

Heutige PC-Cards für die Ansteuerung von Handys sind teilweise schon auf Datenraten in ISDN-Geschwindigkeit ausgelegt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Gerätehersteller die bestehenden Schnittstellen weiterhin verwenden, oder ob sie neue einführen, mit denen dann auch neue PC-Cards erforderlich sind.

Dritter Schritt: EDGE

Der schwedische Konzern Ericsson ist Pionier der Enhanced Data Rates for GSM Evolution (EDGE). Diese Technologie bedient sich eines neuen Modulationsverfahrens (8er-Phasenumtastung) an der Luftschnittstelle, das die Bandbreite im Vergleich zu GPRS bis zum Faktor drei effizienter ausnutzt.

Luftschnittstelle meint damit den Punkt in der Übertragungskette, an dem die Information den Sender verlässt. Technisch handelt es sich dabei um die Leistungs-Endstufe im Sendeteil einer Basisstation, in der meist die eigentliche Modulation des hochfrequenten Trägersignals erfolgt. Auf diese Weise ist ein paketvermittelter Datenverkehr mit bis zu 48 KBit/s auf jedem GSM-Funkkanal möglich. Die Bündelung aller acht Kanäle ermöglicht somit eine Transferrate von bis zu 384 KBit/s. Realisiert wird EDGE als "GSM-Erweiterung" im Wesentlichen durch Hardware-Modifikationen in den Basisstationen.

Der Ausbau kann auf zweierlei Weise geschehen: Zum einen durch die Kombination von EDGE mit herkömmlichen GPRS-Ausbauten, sodass der Enhanced-GPRS-Modus (E-GPRS) entsteht. Zum anderen mit Hard- oder Software aus der künftigen dritten Generation, was das EDGE Radio Access Network (ERAN) ergibt. Die Standardisierung von ERAN erfolgt unter dem Namen UWC-136. Es ist damit zu rechnen, dass EDGE-Datenübertragung im Jahr 2001 möglich sein wird. Abhängig ist die Einführung von den unterschiedlichen Philosophien der Netzbetreiber, die entweder über GPRS zu EDGE und UMTS gehen oder gleich aus der GPRS-Architektur zu UMTS wechseln. Das EDGE-Netz wird voraussichtlich auch abwärtskompatibel zu heutigen GSM-Geräten sein.

Die drei Übergangsschritte verlaufen nicht zwingend in dieser Reihenfolge. Entscheidend werden die technischen Konzepte und wirtschaftlichen Interessen der miteinander konkurrierenden Anbieter sein. Der Kunde jedenfalls wird die Qual der Wahl haben und sich für den, seinen Anforderungen entsprechenden Dienst entscheiden müssen. Die neuen Technologien zeigen zudem, dass WAP (siehe tecChannel-Report WAP-Grundlagen) auf dem Weg zu UMTS lediglich ein kurzes und nicht wirklich überzeugendes Intermezzo gewesen sein wird.

Neue Endgeräte

In Europa soll UMTS ab dem Jahr 2002 eingeführt werden und 2005 flächendeckend zu nutzen sein. Japan will bereits 2001 mit dem Aufbau der Infrastruktur und vor allem der Dienste beginnen. Mit einer Übertragungsrate von bis zu 2 MBit/s sind insbesondere Multimedia-Anwendungen möglich, die größere und leistungsfähigere Displays erfordern. Daher ist für den neuen Standard eine neue Generation von mobilen Endgeräten notwendig. Diese werden eine Mischung aus heutigen Organizern und Handys ("Handynizer") sein. Bedeutende Hersteller wie Siemens, Nokia oder Ericsson arbeiten an der Entwicklung neuer Modelle und haben bereits erste Designstudien veröffentlicht.

Die ersten Endgeräte der dritten Generation müssen im Dualmode- oder Multiple-Band-Betrieb sowie in abgelegenen Gebieten mit Satellitenfunk arbeiten. Sie werden wegen der gesteigerten Funktionalität wesentlich komplexer sein als die derzeitigen GSM-Geräte und etwa Daten bis zu einem GByte speichern können.

Da der Preis entsprechend höher sein wird, sind die Geräte zunächst im geschäftsorientierten Highend-Marktsegment anzusiedeln. Im Privatbereich sind die so genannten Early-Adopters als Zielgruppe denkbar. Diese kaufen neue Technologien oder Geräte, sobald sie auf dem Markt erhältlich sind, und warten nicht erst deren Praxistauglichkeit ab. Aber selbst nach Einführung von UMTS wird es immer noch Lowend-Handys in jetzt bekannter Bauform geben, die aber praktisch nur Sprachübertragung und sehr eingeschränkte Multimedia-Fähigkeiten bieten.

Mobile Kommunikation im Jahr 2015

Fachleute sehen in etwa 15 Jahren jeden von uns mit einem etwa Palmtop-großen "Personal Communicator" ausgerüstet. Er ist im eingeschalteten Zustand ständig im UMTS-Netz eingeloggt und empfängt laufend Telefonate oder eingehende Mails. Dieses Gerät ist weltweit unter einer Telefonnummer oder IP-Adresse zu erreichen und lädt gewünschte Informationen laufend aus dem Internet herunter. Auf Wunsch können wir zu Hause auch einen größeren Bildschirm anschließen und beispielsweise in Echtzeit gegen Gebühr einen Film ansehen.

Im beruflichen Bereich können wir mit diesem Gerät, das natürlich auch eine kleine Kamera enthält, Videokonferenzen durchführen. Je nach Aufenthaltsort sind auch verschiedene Tastatur-Varianten oder Display-Typen (zum Beispiel auch Projektionssysteme oder 3D-Holografie-Betrachter) zu nutzen.

Der Kunde hat künftig auch die Wahl zwischen mehreren Übertragungswegen und Mobilfunk-Gerätetypen - so wie er jetzt auch verschiedene PKW-Modelle kaufen kann. Wer also nur telefonieren oder Kurzmitteilungen verschicken will, braucht auch weiterhin nur einen einfachen Provider-Dienst und ein einfaches Handy. Wer dagegen das gesamte Spektrum der geplanten Multimedia-Anwendungen via UMTS nutzen möchte, muss sich ein entsprechendes Dienste- und Hardware-Paket bei einem passenden Anbieter besorgen. Letztere führen auf Wunsch regelmäßig (zum Beispiel nachts) eine Reihe von Abfragen im Internet durch. Auf diese Weise liefert der Computer bereits am Morgen etwa die aktuellen Aktienkurse aus Japan oder hat die Flugverbindung für eine Dienstreise bestätigt.

Mit UMTS verschwimmen auch die Grenzen zwischen Mobilfunk, dem Telefon-Festnetz sowie dem Internet. Ebenso wird der Unterschied zwischen den klassischen Diensteanbietern (zum Beispiel für Filme) und den Netzbetreibern verschwinden. Auf lange Sicht wird es daher vielfältige Allianzen zwischen Medienkonzernen, Industriegruppierungen, Banken, Rundfunkanstalten und Netzbetreibern geben.

Fazit

Das große Plus von UMTS im Vergleich zum jetzigen GSM-Standard ist die durch die neuen Breitbandmodulationstechniken CDMA und W-CDMA mögliche Datenübertragungsrate von bis zu 2 MBit/s. Das entspricht im Idealfall etwa der 30fachen ISDN-Geschwindigkeit. Das Tempo wird zudem durch die Nutzung des IP-Protokolls und damit den Übergang zur paketorientierten Datenübertragung erhöht. Dadurch ist man nicht mehr auf den physikalischen Leitungsweg (leitungsvermittelt) festgelegt. Wegen der hohen Datenrate lassen sich mit UMTS Multimedia-Anwendungen aller Art realisieren. Das Versprechen, mit UMTS auch Fernsehbilder übertragen zu können, ist mit heutiger Technik jedoch ein reiner Marketing-Gag. Fernsehen nach der europäischen PAL-Norm setzt eine Auflösung von 768 mal 576 Punkten bei 50 Halbbildern pro Sekunde voraus. Bei optimaler Bildqualität, wie sie etwa das DV-Format bietet, kommen so Datenraten von bis zu 25 MBit/s zu Stande. Das ist mehr, als UMTS in der Pico-Zelle übertragen kann. Die folgende Tabelle, die wir in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Computervideo erstellt haben, bietet einen Überblick über gebräuchliche Digitalformate, die sich zum

Digitalformate

Videostandards:

Datenraten:

MPEG1

1 bis 2 MBit/s

DVD (MPEG2)

1,5 bis 2,5 MBit/s

DV (MPEG2)

25 MBit/s

MPEG4

40 bis 768 KBit/s

Streaming in guter Qualität eignen:

Damit erscheint MPEG4 als einzig geeignetes Verfahren, um per UMTS die Bilder zum Laufen zu bringen. Der Standard ist jedoch noch nicht endgültig verabschiedet. Der derzeit von Microsoft angebotene "MPEG4-Codec" für Windows-PCs basiert lediglich auf einem Entwurf der Motion Picture Experts Group (MPEG). Von Vorteil ist bei Video per UMTS das kleine Display der mobilen Geräte. Dafür reicht eine Video-Auflösung von 240 mal 180 Punkten. Es ist realistisch, dass sich damit MPEG4-Videos mit 128 bis 256 KBit/s bei 25 Bildern pro Sekunde übertragen lassen. Zum Vergleich: Auch die aktuellen Taschenfernseher von Casio mit einer Bilddiagonale von sieben bis acht Zentimetern verfügen maximal über eine Auflösung von 352 mal 288 Punkten.

Die Kommunikationstechnik rund um UMTS wird sich in den nächsten Jahren ähnlich wie die Computertechnik rasant weiter entwickeln. Parallel zu den technischen Fortschritten wird sich aber auch unser Kommunikationsverhalten ändern: Wir werden per Wort, Bild, Schrift oder PC-Information weltweit jederzeit an jedem Ort erreichbar sein. Aber glücklicherweise werden auch die modernsten Computer und die UMTS-Endgeräte noch einen Ein/Aus-Schalter haben. jma)