UMTS-Lizenzregeln bleiben umstritten

16.11.2001
Wer in Deutschland Provider für die dritte Mobilfunkgeneration werden wollte, musste tief in die Tasche greifen. Angesichts der enormen finanziellen Belastung und der schlechteren Wirtschaftslage stellen nun einige Betreiber die Lizenzbedingungen infrage - und verweisen auf Frankreich. Dort erleichterte die Regierung den Carriern ihren Schuldendienst erheblich.

Von: Ernst Schneider

Für Finanzminister Hans Eichel brachte das Jahr 2000 einen wahren Geldsegen. Er konnte sich über knapp 100 Milliarden Mark aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (Universal Mobile Telecommunications System) freuen. Auch die sechs Gewinner der Auktion ließen die Champagnerkorken knallen. Obwohl die Lizenzen sehr teuer waren, sollte die dritte Mobilfunkgeneration die wirtschaftliche Zukunft der TK-Branche für die nächsten Jahre sichern. Die Ernüchterung folgte schnell: Das Ende des New-Economy-Hype, den Schock der Anleger über die exorbitanten Kosten und die hohe Verschuldung der Betreiber machte die Investmentbank West LB Panmure als Gründe für den Stimmungswandel aus.

Zudem haben sich die Erwartungen der Kunden verändert. Sie sind enttäuscht, weil die Betreiber ihre Versprechen nicht erfüllen und die angekündigten attraktiven Anwendungen, die das erweiterte Angebot an Bandbreite nutzen, nicht in Sicht sind (siehe auch Seite 68). Branchenkenner gehen davon aus, dass UMTS selbst bei optimistischen Schätzungen erst ab 2004 auf dem Massenmarkt zur Verfügung stehen kann.

Jeder Tag jedoch, an dem die Betreiber mit der neuen Übertragungstechnik kein Geld verdienen können, kostet sie drei bis vier Millionen Mark an Schuldzinsen. Weitere Gefahr droht von den Lizenzbedingungen. Demnach müssen die Besitzer ihre Frequenzen zurückgeben, wenn sie nicht bis Ende 2003 einem Viertel der Bevölkerung ein funktionierendes UMTS-Netz zur Verfügung stellen können. Kein Wunder also, dass die betroffenen Lizenznehmer immer lauter nach einer Lockerung der rechtlichen Vorgaben rufen.

Scheurle kritisiert Lizenzbedingungen

Im Sommer dieses Jahres äußerte sich erstmals der ehemalige Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), Klaus Dieter Scheurle, zur Situation auf dem deutschen UMTS-Markt. Der Ex-RegTP-Chef, mittlerweile bei einer Investmentbank tätig, hält es ökonomisch für sinnlos, die Lizenznehmer separate Netze aufbauen zu lassen. Die ohnehin angeschlagenen Unternehmen müssten hierfür weitere Investitionen im ein- bis zweistelligen Milliardenbereich aufbringen.

Wenn anstatt der sechs geplanten nur vier Netze errichtet würden, sei das kein großer Schaden für den Wettbewerb. Sollten Telekommunikationsfirmen ihre Lizenz an die Regulierungsbehörde zurückgeben, könnten sie trotzdem wirtschaftlich interessante UMTS-Dienste über die Infrastruktur der verbleibenden Carrier anbieten. Knappe Ressourcen müssten so nicht ausschließlich in einen parallelen Netzaufbau gesteckt werden, sondern könnten für die Entwick-lung attraktiver Dienste Verwendung finden (siehe auch NetworkWorld 20/01, Seite 42).

Zum Ende der Versteigerung hatte Scheurle allerdings noch ganz anders geklungen. Er sei äußerst zufrieden mit der Auktion, die zu einem guten, verbraucherfreundlichen Ergebnis geführt habe, sagte der damalige RegTP-Chef im August letzten Jahres.

In der Regulierungsbehörde stießen Scheurles Anregungen nicht auf Gegenliebe. Dort sieht man sich an die geltenden Vertragsstatuten gebunden. Nachträgliche Änderungen der Lizenzbedingungen könnten den rechtlichen Bestand des Auktionsergebnisses beeinflussen und somit zu Schadenersatzforderungen von Bietern führen, die im Sommer 2000 zu kurz gekommen waren.

Betreiber kooperieren beim Netzaufbau

Der Nachfolger Scheurles auf dem Chefsessel der RegTP, Matthias Kurth, hatte den Netzbetreibern im Juni in einem Thesenpapier ein gewisses Entgegengekommen signalisiert, indem er in begrenztem Maße technische Kooperationen beim Netzaufbau zuließ (siehe auch Interview mit Prof. Christian Koenig auf dieser Seite). Die Betreiber sollen so zwischen 20 und 30 Prozent der Summe einsparen können, die sie in den Netzaufbau investieren müssen. Präsident Kurth schließt eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit allerdings bisher strikt aus, da sie gegen die Lizenzauflagen verstößt. Die Folge: Fusionen oder Allianzen könnten zu einem Verlust der ersteigerten Frequenzen führen, ohne dass die dafür bezahlten 16,5 Milliarden DM erstattet würden.

Schon unmittelbar nach Veröffentlichung des Thesenpapiers gaben die Deutsche Telekom AG und Viag Interkom die ersten Verlautbarungen über technische Kooperationen beim Aufbau der UMTS-Netze sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien heraus. Seit dem 21. September sind aus den unverbindlichen "Memoranda of Understanding" rechtlich verbindliche Verpflichtungen geworden. Die Unternehmen erwarten durch die Zusammenarbeit eine Kostenersparnis von bis zu 30 Prozent.

Auch die KPN-Tochter E-Plus und das spanisch-finnische Joint Venture Group 3G sind nicht untätig geblieben und teilen sich den Netzaufbau. D2 Vodafone und Mobilcom haben wider Erwarten noch keine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Insider vermuten aber gerade bei Mobilcom ein verstärktes Bedürfnis nach Zusammenarbeit in der Fläche. Nach eigenen Angaben hat Mobilcom bereits in zehn deutschen Großstädten begonnen, Funkmasten und Standorte für Sendeanlagen auf Dächern zu akquirieren.

Viag will runden Tisch

Im September verlangte Viag-Finanzvorstand Dieter Beese offen, was gerade die kleineren und finanzschwächeren Betreiber hinter vorgehaltener Hand schon länger fordern: Die Einrichtung eines "runden Tisches". An ihm sollen die sechs Lizenznehmer, die Netzausstatter, künftige Content-Anbieter sowie Vertreter von Bundesregierung und Regulierungsbehörde Platz nehmen und über eine Neugestaltung der Auflagen verhandeln. Aus juristischer Sicht habe er zwar auch Bedenken, die Lizenzbedingungen zu modifizieren, wirtschaftspolitisch gäbe es dafür aber gute Gründe, sagte Beese. Beispielsweise könne er sich eine Teilerstattung der Gebühren vorstellen, wenn einer der Lizenznehmer aufgäbe. Für Viag dementierte er allerdings strikt solche Überlegungen. Die anderen Netzbetreiber vermieden es bis zur Stunde, den Vorschlag öffentlich zu kommentieren. Eine solche Regelung könnte insbesondere dem angeschlagenen Group-3G-Teilhaber Sonera zupass kommen. Die Finnen möchten künftig ihre knapp fünfzigprozentige Beteiligung auf 20 Prozent reduzieren, weil sie massive Liquiditätsprobleme haben.

Frankreich gibt nach

Die Französische Regierung hat mittlerweile dem Druck der beiden französischen Lizenznehmer France Telecom und Vivendi nachgegeben. Am 17. Oktober verlängerte sie nicht nur die Laufzeiten der Verträge von 15 auf 20 Jahre, sondern erleichterte auch den Schuldendienst der betreffenden Unternehmen. Wie bisher bekannt wurde, sollen von den Gebühren in Höhe von 4,75 Milliarden Euro zunächst nur 619 Millionen eingefordert werden. Die Restsumme könnten die beiden Netzbetreiber über die Laufzeit der Lizenzen in jährlichen Raten tilgen.

Die Höhe der Zahlungen soll von der Umsatzentwicklung abhängig sein. Diese Regelung gelte sowohl für die bereits vergebenen Lizenzen wie auch für die in naher Zukunft anstehende Zuteilung von zwei weiteren. Im letzten Jahr hatten sich Interessenten wie Suez/Telefonica, Bouygues und die Deutsche Telekom von den Bedingungen abschrecken lassen. Nun haben bereits mehrere europäische Gesellschaften wieder Interesse signalisiert. (haf)

Zur Person

Ernst Schneider

ist Jurist und wissenschaftlicher Dokumentar. Er arbeitet als freier Journalist im Bereich Multimediarecht.