UMTS: Am Breitband-Mobilfunk führt kein Weg vorbei

03.05.2006 von Dr. Stefan Heng
UMTS beweist sich bereits im Markt. In Europa sind rund 60 kommerzielle UMTS-Netze aufgebaut. Weltweit nutzen 47 Millionen Anwender die 3G-Technologie; Tendenz stark steigend.

Die UMTS-Penetration in Westeuropa wird bis 2010 auf über 60 Prozent anwachsen. Dieses starke Wachstum ist heute vor allem angebotsseitig von den Telekommunikations-Unternehmen getrieben. Falls hinreichend viele attraktive breitbandige Services entstehen, wird bis Ende des Jahrzehnts die Nachfrage zum treibenden Faktor werden.

Die Akzeptanz von UMTS differiert stark zwischen den einzelnen Ländern. Bei der 3G-Penetration werden Italien und Großbritannien 2010 mit den höchsten Raten aufwarten, Griechenland und Belgien mit den niedrigsten. Deutschland und Frankreich werden knapp unter dem westeuropäischen Durchschnitt liegen. Die großen Abweichungen gehen auf marktnahe Faktoren (beispielsweise länderspezifische Affinität für Mobilfunk, spezielle mobile Service-Angebote, abweichende Flächenabdeckung der Netze), unterschiedliche Marketingstrategien, aber auch auf verzerrende Eingriffe der Politik zurück.

UMTS steht für den Schritt weg von der puren Sprach-Telefonie und hin zum facettenreichen Angebot mobiler Services. Aktuell stellt die zögerliche Akzeptanz mobiler Services ein besonders großes Risiko für die Telekommunikationsunternehmen und deren Investitionen dar. Mit zunehmendem Reifegrad des Mobilfunks werden die möglichen Angriffe auf die Vertraulichkeit der Datenübertragung und die mögliche gesundheitsschädigende Wirkung elektromagnetischer Wellen die Geschäftsmodelle zusätzlich herausfordern.

Neben Klingeltönen und Online-Spielen müssen sich Videoclips, Daten- und Informationsdienste bald im Markt beweisen. Die Verbreitung dieser neuen Dienste kann nur mit der Verbreitung leistungsfähiger Endgeräte und breitbandiger Infrastruktur einhergehen.

Hohe Kosten für UMTS-Bänder

Als Symbol der „New Economy“ war Universal Mobile Telecommunication System (UMTS) von Anfang an ein emotional belegtes Thema. Die im Hype geborene Erwartung, UMTS käme innerhalb kürzester Zeit zum durchschlagenden kommerziellen Erfolg, manifestierte sich insbesondere bei den beiden Auktionen der deutschen beziehungsweise britischen UMTS-Frequenzen. Diese Auktionen brachten den jeweiligen Staaten 50 Milliarden Euro beziehungsweise 37 Milliarden Euro ein.

Doch die übersteigerten Erwartungen der „New Economy“ zerplatzten schon bald nach der Jahrtausendwende. Das Ausscheiden zweier Lizenzhalter noch vor dem eigentlichen UMTS-Start in Deutschland wurde -– ungeachtet der jeweils überdeutlichen unternehmensinternen Probleme – gemeinhin zum Symbol des Scheiterns einer gesamten Technologie stilisiert. Doch die Realität ist vielschichtiger. Denn trotz der emotional geführten Debatte um UMTS sollte vom Scheitern der „New Economy“ keinesfalls auf die Chancenlosigkeit von UMTS geschlossen werden.

„Die bedeutendsten technologischen Entwicklungen sind diejenigen, die scheinbar verschwinden. Die neuen Technologien werden in die Lebenswelt integriert und damit so alltäglich, dass die Menschen sie benutzen, ohne sie überhaupt noch bewusst wahrzunehmen.“ (Mark Weiser, amerikanischer Informatiker)

Telekommunikation wandelt sich grundsätzlich

Die Telekommunikation (TK) wandelt sich fundamental. Zwei große Trends setzen an den Wurzeln des traditionellen TK-Geschäfts an. Beim ersten großen Trend geht es darum, dass die TK-Unternehmen (Telcos) ihr Geschäft nun über die Sprach-Telefonie hinaus definieren. Das TK-Business wird zum Multi-Play-Angebot, das neben der Sprach-Telefonie auch die Daten-Telefonie und die Rundfunkübertragung (Radio und Fernsehen) einbezieht.

Beim zweiten großen Trend geht es darum, dass der Mobilfunk gegenüber dem Festnetz immer bedeutender wird. Mit Ausnahme der USA übersteigt die Zahl der Mobilfunkkunden in den Industriestaaten schon jetzt die Zahl der Festnetzanschlüsse. Der Mobilfunk tritt nicht mehr nur als zusätzliches Angebot sondern immer häufiger auch als Ersatz des Festnetzanschlusses auf.

Gesellschaftliche Strömungen – speziell der Trend zu Individualität und Mobilität – befördern den Wandel der Kommunikation weg vom Festnetz hin zum Mobilfunk. Der Trend in Richtung mehr Mobilität profitiert vom technischen Fortschritt bei den mobilen Funktechnologien, insbesondere vom Sprung weg von der sprachbasierten zweiten Generation (2G) hin zur datenbasierten dritten Generation (3G). Zur zweiten Generation des Mobilfunks zählen GSM und die Fortentwicklung GPRS; zur dritten Generation zählen UMTS, WLAN, HSDPA, HSUPA, DMB, FuTURE, DVB-H und Bluetooth. Auf absehbare Zeit werden dann auch Weiterentwicklungen wie WIMAX sowie UWB zur Marktreife kommen.

Mit der Verbreitung des breitbandigen Mobilfunks zu Lasten des TK-Festnetzes wird auch die Dominanz der Ex-Monopolisten der Festnetz-Telefonie zurückgedrängt. Die harten Grenzen zwischen Festnetz- und Mobilfunkanwendungen fallen; die Märkte konvergieren. Somit erhöht der technische Fortschritt im Mobilfunk auch die Wettbewerbsintensität im Markt des TK-Festnetzes.

Nach dem Hype: Mit UMTS geht es weiter

Nach der emotionalen öffentlichen Debatte scheuen zwar einige Telcos davor zurück, den Begriff UMTS unmittelbar in ihre Werbekampagne einzubinden, dennoch zeugen die derzeitigen Geschäftsentscheidungen vom Potenzial des breitbandigen Mobilfunks. So bemühen sich Neueinsteiger intensiv um vakante UMTS-Frequenzen.

Auch die alteingesessenen Inhaber der Lizenzen investieren nach dem „New Economy“-Hype in 3G-Netze. Das gesamte Investitionsvolumen beläuft sich mittlerweile bereits auf über 100 Milliarden Euro. Parallel zum Ausbau der UMTS-Netze arbeiteten die Telcos an hybriden Geschäftsmodellen, die verschiedene breitbandige Funktechnologien (wie WLAN, DVB-H, DMB, FuTURE) aber auch breitbandige Festnetztechnologien (wie Asymmetric Digital Subscriber Line, ADSL) miteinander kombinieren und so das Tor zum attraktiven Geschäftsfeld moderner Daten-Telefonie aufstoßen.

UMTS als Schnittstelle für Übertragungstechnologien

Die beiden Funktechnologien UMTS und WLAN werden teilweise als miteinander konkurrierend beschrieben. Die Verfechter dieses Ansatzes preisen die Vorteilhaftigkeit von WLAN bei der breitbandigen Daten-Kommunikation für den nomadischen Nutzer. Tatsächlich ist die Übertragungsgeschwindigkeit von WLAN bis zu 1.000mal größer als die Geschwindigkeit im analogen TK-Festnetz und vergleichbar mit der Geschwindigkeit der geläufigen Festnetztechnologie ADSL. Wermutstropfen bei WLAN bleibt die geringe Zellgröße, die lediglich unterbrechungsfreie Datenübertragung im Umkreis von maximal 500 m erlaubt. Hier kommt UMTS zurück ins Spiel. Die großen Telcos arbeiten an Angeboten, die die Vorteile von WLAN mit den Vorteilen von UMTS miteinander kombinieren.

Neben WLAN wird auch der digitale Rundfunk als Konkurrent zu UMTS beschrieben. Das Plädoyer für DVB-H, DMB beziehungsweise. FuTURE hebt die im Vergleich zu UMTS niedrigen Investitionskosten hervor. Die technischen Herausforderungen bei der Errichtung flächendeckender Netze und die geringe Zahl übertragbarer Rundfunkkanäle bleiben in diesem Plädoyer außen vor. Angesichts dieser Herausforderungen suchen die Telcos nach integrativen Strategien mit Mehrbandendgeräten für UMTS und digitalen Rundfunk.

Die Beispiele WLAN, DVB-H und DMB zeigen, dass die Existenz von UMTS für die Entwicklung moderner Übertragungstechnologien essenziell ist. Hybride Geschäftsmodelle, die die Vorteile verschiedener Übertragungstechnologien miteinander kombinieren, werden in naher Zukunft die Realität des TK-Segments bestimmen.

UMTS nicht mehr als ein Flop?

Weltweit sind in rund 40 Ländern bereits über 80 kommerzielle 3G-Netze aufgebaut. Allein in Europa zählen wir rund 60 UMTS-Netze. Damit werden knapp drei Viertel aller vorgesehenen Frequenzbänder heute bereits kommerziell genutzt. Die Telcos bereiten sich darauf vor, dass bis 2010 UMTS den Mobilfunkmarkt dominieren wird.

Bislang nutzt jeder 40. Mobilfunkkunde die 3G-Technologie. Dies entspricht 47,3 Mio. Anwendern weltweit – davon in Japan 22,4 Mio., in Italien 9 Mio., in Großbritannien 4,7 Mio. und in Deutschland 2,3 Mio.

Die Zahl der 3G-Kunden steigt sehr schnell – heute vor allem noch angebotsseitig von den Telcos getrieben. Zwischen Ende 2002 und Ende 2005 lag die durchschnittliche Wachstumsrate weltweit über 500% pro Jahr). Die Endgeräte-Hersteller setzen darauf, bis Ende 2006 weltweit 100 Mio. UMTS-taugliche Endgeräte verkaufen zu können. Knapp 9 Mio. kamen allein in Q4/ 2005 hinzu. In Westeuropa bezog sich jeder dritte der 12,4 Mio. neuen Mobilfunkverträge in Q4/ 2005 auf die 3G-Technologie.

3G-Verbreitung in Europa

Die 3G-Penetration in Westeuropa wird zwischen 2005 und 2010 von 6% auf über 60% anwachsen. Allerdings weichen die Akzeptanzgrade der einzelnen Länder stark voneinander ab. Italien (72 %) und Großbritannien (68 %) werden 2010 die höchsten Penetrationsraten aufweisen, Griechenland (47 %) und Belgien (46 %) die niedrigsten. Deutschland (5 8%) und Frankreich (57 %) werden den westeuropäischen Durchschnitt (61 %) knapp verfehlen).

Die Abweichungen in den Penetrationsraten der Länder gehen auf marktnahe Faktoren (beispielsweise die länderspezifische Affinität für Mobilfunk insgesamt, das Angebot spezieller mobiler Informations- und Unterhaltungs-Services oder die abweichende Netzabdeckung in der Fläche), auf unterschiedliche Marketingstrategien aber auch auf verzerrende Eingriffe der Politik zurück. So ist es belgischen Mobilfunkunternehmen untersagt, Endgeräte und Dienste im Bündelangebot zu vertreiben.

In Finnland darf kein Netzbetreiber mehr als 35% der Bevölkerung an sein UMTS-Netz anbinden. Diese Beispiele zeugen von der Komplexität des politischen Entscheidungs¬problems. Angesichts der anhaltenden Dominanz der ehemaligen Monopolisten fällt es sehr schwer, die Verbreitung neuer Technologien mit der Förderung des Wettbewerbs in einen wohltemperierten Einklang zu bringen.

Vertraulichkeit: Nicht nur Private lauschen

Neben der hohen Marktkonzentration werden in der öffentlichen Diskussion um den modernen Mobilfunk immer öfter die Aspekte der Vertraulichkeit der Information und des Gesundheitsrisikos elektromagnetischer Wellen thematisiert. In ihrer Kommunikation nach Außen scheinen die Telcos diese beiden Aspekte bislang zu vernachlässigen. Dies sollte sich in den kommenden Jahren mit zunehmendem Reifegrad des Mobilfunks grundsätzlich ändern.

Bereits heute nutzen private Hacker im Mobilfunk immer wieder Sicherheitslücken. Zumeist zielen sie darauf, Mailboxen abzuhören oder auch auf Rechnung Dritter zu telefonieren. Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt „sicherheitsempfindliche Bereiche der öffentlichen Verwaltung und von Spionage gefährdete Unternehmen“ vor dem E-Mail-Verkehr mit mobilen Push-Diensten. Diese Warnung gründet u.a. auf dem Faktum, dass der Marktführer bei den mobilen E-Mail-Diensten das weltweite Datenaufkommen über ein einziges Rechenzentrum leitet. Da die für dieses zentrale Rechenzentrum zuständigen staatlichen Behörden unter sehr großzügig ausgelegten Bedingungen (auch „zum Wohle der heimischen Wirtschaft“) Zugang zu den Daten einfordern, erweist sich dieses Geschäftsmodell für vertrauliche Informationen als besonders problematisch. Angesicht dieser Schwachstellen müssen sich insbesondere Systemanbieter, die auf die Kommunikation im Management abzielen, künftig immer mehr an der gebotenen Vertraulichkeit der Datenübertragung messen lassen.

Gesundheitsrisiko: Auf die Kommunikation kommt es an

Neben den möglichen Angriffen auf die Vertraulichkeit der Information stellt auch die mögliche gesundheitsschädigende Wirkung elektromagnetischer Wellen die Telcos vor Herausforderungen. Die wissenschaftliche Forschung (beispielsweise das WHO-Projekt INTERPHONE, das Reflex-Projekt der deutschen VERUM Stiftung oder das niederländische TNO-Projekt) untersucht seit längerem die Wirkungen elektromagnetischer Wellen auf den menschlichen Organismus. Klar ist bislang, dass sowohl die Energie als auch die Frequenz der Funkwelle das Gefährdungspotenzial bestimmen. Darüber hinaus weisen die Ergebnisse der verschiedenen Forschungsvorhaben aber in keine eindeutige Richtung.

Die Wissenschaft macht mögliche Gesundheitsgefahren bislang vorwiegend an der Absorption elektromagnetischer Wellen und der damit einhergehenden Erwärmung des Körpergewebes fest. Für die spezifische Absorptionsrate (SAR) nicht-ionisierender elektromagnetischer Wellen gelten Grenzwerte, die sich zumeist an den Empfehlungen der unabhängigen International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) orientieren. Da in diesem Untersuchungsgebiet aber keine Langzeiterfahrung vorliegt, besteht die Befürchtung, dass die elektromagnetischen Wellen des Mobilfunks über längere Zeit auch unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte schädlich sein könnten.

Bei dieser Ausgangslage sind die Telcos gefordert, ihre Risikokommunikation zu verbessern. Um übertriebenen Reaktionen der Nachfrager vorzubeugen, sollten die möglichen Gesundheitsrisiken des Mobilfunks und die Maßnahmen der Telcos zur Minimierung dieses Risikos nach außen kommuniziert werden. Das in vielen Ländern gesetzlich verankerte Instrument der Mediation – d.h. die Schlichtung zwischen Telcos und besorgten Nachfragern im Vorfeld einer juristischen Klage durch einen allparteilichen Dritten – bildet für diese weiterführende Absicherung des Mobilfunkgeschäfts einen wirkungsvollen Hebel.

Service-Wüste renaturieren

Abseits der aufkommenden Themen Datenschutz und Gesundheitsrisiko liegt beim unzureichenden Angebot attraktiver breitbandiger Dienste aktuell die größte Herausforderung der 3G-Geschäftsmodelle. Zwar kooperieren Netzbetreiber und Endgerätehersteller auch mit prominenten Anbietern digitaler Inhalte, doch dies sind einzelne Leuchtturmprojekte. Eine konsistente Strategie zur Eroberung des Massenmarktes ist bislang nicht kommuniziert. Netzbetreiber ziehen sich in der Öffentlichkeit oft auf die Position zurück, lediglich technologieseitiger Katalysator zu sein und die Entwicklung innovativer Dienste selbst nicht forcieren zu können.

In der deutschen Daten-Telefonie sticht die SMS bislang allein als Erfolgsgeschichte heraus. Die SMS generiert im deutschen Mobilfunk knapp 17% des Gesamtumsatzes, dies entspricht mehr als 80 % des Umsatzes aller mobilen Datendienste überhaupt. Andere Regionen der Welt sind bei den Datendiensten bereits wesentlich über die SMS hinaus. Dies belegt der internationale Vergleich der Anteile der Multimedia-Geräte an allen mobilen Endgeräten. Westeuropa liegt bei den Multimedia-Geräten lediglich im internationalen Durchschnitt.

Der Anteil in Deutschland liegt rd. 30%-Punkte unter dem Anteil in Japan. Allerdings keimt im westeuropäischen Markt für multimediale mobile Anwendungen derzeit Hoffung auf. Der Optimismus der Inhalte-Anbieter stützt sich auf Aussagen kommerzieller Marktforschungsinstitute. Diese schätzen, dass heute bereits 270 Mio. Westeuropäer, das heißt 90 Prozent der westeuropäischen Mobilfunkkunden ein Endgerät verwenden, das über die reine Sprachanwendung per GSM-Netz hinausgeht. Bis 2010 soll dann fast jedes Endgerät grundsätzlich datentauglich sein. Die Zahl der westeuropäischen Nutzer wird damit um 20% auf rd. 325 Mio. steigen.

Japan: Hier spielt die (digitale) Musik!
Japan ist beim mobilen Vertrieb digitaler Musik der am weitesten entwickelte Markt. Der japanische Anteil am Gesamtumsatz beläuft sich auf 96 Prozent (Umsatz Q1 bis Q3/ 2005: 211 Mio. US-Dollar). Die Telcos dort kombinieren innovative Vertriebskonzepte mit attraktiven Bezahlmodellen (beispielsweise der Paketverkauf von Video, Musik, Klingelton und Online-Informationen oder das Abonnement eines Musik-Programms). Klingeltöne machen immer noch den größten Teil dieses Geschäfts aus.

Mobiles Internet und VoIP im Kommen

Noch vor wenigen Jahren gingen die Telcos davon aus, dass die traditionelle Sprach-Telefonie 80% des UMTS-Geschäfts generieren würde. Angesichts der enorm hohen Investitionskosten der Telcos haben sich die Modelle mittlerweile in Richtung des datenbasierten Geschäfts mit digitalen Inhalten – vor allem Spiele, Informationsdienste, Musik und Video – entwickelt. Dabei fordert allerdings die derzeit begrenzte Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte die Telcos heraus. Die privaten Anwender vermissen bei den bislang gebotenen Inhalten allzu oft den eigentlichen Mehrwert, für den sie bereit wären, zu zahlen. Sportinformationen könnten den Anwender an den breitbandigen Mobilfunk heran führen. Die Anbieter von mobilen Informations-Diensten – von der Textnachricht bis hin zum Videoclip – setzen auf die Initialzündung zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

Der Druck den breitbandigen Mobilfunk mit attraktiven Diensten zum Erfolg zu bringen, ist bei den Telcos in Deutschland überdeutlich. Insbesondere dank der teilweise zum Heilsbringer stilisierten VoIP fällt derzeit so manche Verteidigungslinie der traditionellen Telcos.

Mobiles Breitband: qui bono?

Mehr als die privaten Anwender sollten die Business-Anwender von den Vorteilen der Breitband-Technologie profitieren. Noch baut die Daten-Kommunikation unseres Arbeitsalltags weitgehend auf stationär verwendete IT-Endgeräte. Desktop PC oder Notebook klinken sich üblicherweise über fixe Zugänge in das Firmennetz ein. Die große Übertragungsgeschwindigkeit des breitbandigen Mobilfunks macht es nun möglich, dass auch fortgeschrittene mobile Applikationen, wie Auftragsplanung oder Rechnungsstellung, den Markt erobern. Besonders der Außendienst hofft auf das mobile Breitband. Kalkulationen sprechen davon, dass über die Breitband-Services im Außendienst täglich rund eine Stunde effektiver Arbeitszeit gewonnen werden könnte.

Gleichwohl steht die Vision des mobilen Büros noch vor etlichen Hürden, die deutlich über die Frage der Übertragungstechnologie hinausgehen. Bei den unterschiedlichen systemtechnischen Anforderungen von Endgeräteherstellern, TK-Netzausrüstern und Software-Häusern fällt beispielsweise die Integration mobiler Lösungen in die bestehenden IT-Strukturen schwer. Bereits leicht erweiterte Desktop-Anwendungen lassen sich nicht zwangsläufig deckungsgleich auf portable Endgeräte übertragen. Die Kooperation der Akteure aller Wertschöpfungsstufen ist gefragt. Angesichts der noch ausstehenden Aufgaben wird die Vision des mobilen Büros nicht vor Ende dieses Jahrzehnts real.

Datenturbo HSDPA startet

Die Telcos treiben den Ausbau des mobilen Internets voran. In der Rolle des klassischen technologieseitigen Katalysators beschreiben insbesondere die europäischen Telcos ihre Aufgabe bislang lediglich mit dem Angebot von Bandbreite. Nachdem die UMTS-Netze vielerorts installiert wurden, treiben die Telcos nun die Erweiterung HSDPA voran. Der Übergang von UMTS nach HSDPA nimmt schon heute konkrete Gestalt an. Auf der Isle of Man und in Österreich wird HSDPA bereits kommerziell genutzt. Auch in Deutschland starten Netzbetreiber und Endgerätehersteller mit ersten Projekten im Markt. Endgeräte-Hersteller wollen spätestens bis 2007 die neuen Endgeräte im Markt platzieren.

Im HSDPA-Netz werden Download-Geschwindigkeiten von 7,2 MBit/s möglich. Mit dieser Geschwindigkeit kommt der Mobilfunk an die Leistungen des breitbandigen Festnetzes heran. An einzelnen Standorten können Interessenten derzeit bereits HDSPA als alternative Internetverbindung testen. Die Kunden sollen an die neuen Möglichkeiten herangeführt werden, das UMTS-Endgerät als Modem für breitbandige Dienste für PC und Laptop einzusetzen. Die Netzbetreiber definieren diesen Schritt von UMTS nach HSDPA als konsequente Entwicklung. Da es sich bei HSDPA vorwiegend um eine softwareseitige Erweiterung handelt, ist der Schritt von UMTS auf HSDPA nur mit moderaten Investitionskosten verbunden.

Praxistest scheidet Licht und Schatten

Die HSDPA-Pilotprojekte weisen auch auf die Schwächen der Technologie. So ist HSDPA auf Seiten der Anwendungen besonders für das Surfen, elektronische Post und das Herunterladen von Video- bzw. Musikdateien geeignet. Bei der Video-Telefonie und anderen Anwendungen mit hohem Upload-Bedarf stößt HSDPA an seine Grenzen.

Neben dem Upload offenbart HSDPA ebenfalls Schwächen bei der tatsächlichen Bandbreite. Die in Aussicht gestellte maximale Übertragungsgeschwindigkeit wird wegen verschiedener technologie-immanenter Gründe in der Praxis nur selten erreicht werden können. Zum einen nimmt die Übertragungsgeschwindigkeit mit der Distanz zum Zentrum der Funkzelle schnell ab. Statt der 1,8 MBit/s werden am Zellrand lediglich 250 kBit/s übertragen werden können. Zum anderen ist HSDPA eine so genannte. gemeinsam genutzte Technologie (Shared Technology). Die gemeinsam genutzten Technologien zeichnen sich dadurch aus, dass alle Anwender zusammen auf die insgesamt gebotene Bandbreite zugreifen. Fragen viele Anwender in der gleichen Funkzelle gleichzeitig große Datenpakete ab, sinkt die Übertragungsgeschwindigkeit demnach rapide.

TK-Infrastruktur entwertet sich schnell

Da sich die Infrastruktur in der Telekommunikation schnell entwertet, sind die Telcos seit jeher quasi zur Innovation gezwungen. Auch mit dem Schritt von UMTS nach HSDPA werden nicht alle Herausforderungen des Mobilfunks gelöst. Binnen zehn Jahren werden neue Funktechnologien wie UWB und WIMAX zur Marktreife kommen.

Mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 500 MBit/s und einem Zelldurchschnitt von bis zu 50 km sollten diese fortentwickelten Funktechnologien dann auch HSDPA wieder aus dem Markt drängen. Der Prozess der Schumpeterschen „schöpferischen Zerstörung“ wird auch bei den derzeit innovativen Kommunikationstechnologien, von UMTS bis WIMAX, nicht halt machen.

Ausblick

Die Telcos stellen sich darauf ein, dass UMTS im bedeutsameren Mobilfunk eine größere Rolle einnehmen wird. Weltweit sind mehr als 80 kommerzielle 3G-Netze aufgebaut. Global gibt es 47 Mio. 3G-Anwender; mit stark steigender Tendenz. In Westeuropa wird die UMTS-Penetration bis 2010 auf über 60% steigen. Allerdings weisen die einzelnen Länder sehr unterschiedliche Akzeptanzgrade auf. Italien und Großbritannien werden mit den höchsten Penetrationsraten aufwarten, Griechenland und Belgien mit den niedrigsten; Deutschland und Frankreich werden knapp unter dem westeuropäischen Durchschnitt landen. Die großen Abweichungen gehen auf marktnahe Faktoren, Marketingstrategien, aber auch auf verzerrende Eingriffe der Politik zurück.

Derzeit liegt die vorrangige Herausforderung des UMTS-Geschäfts beim Angebot attraktiver breitbandiger Dienste. Leistungsfähige Endgeräte und breitbandige Infrastruktur öffnen das Tor für neue Dienste. Neue Dienste wiederum erhöhen die Nachfrage nach breitbandiger Infrastruktur. Bislang dominieren noch Klingeltöne und Spiele das mobile Geschäft. Doch mit der höheren Bandbreite müssen sich schon bald darüber hinausgehende Anwendungen, wie Videoclips, Daten- und Informationsdienste im Markt beweisen. Mit zunehmendem Reifegrad des Mobilfunks werden sowohl die möglichen Angriffe auf die Vertraulichkeit der Datenübertragung als auch die mögliche gesundheitsschädigende Wirkung elektromagnetischer Wellen die Geschäftsmodelle der Telcos zusätzlich hinterfragen.

Zusammenfassend ist festzustellen: UMTS steht synonym für den bedeutenden Schritt weg von der puren Sprach-Telefonie und hin zum facettenreichen Angebot mobiler Services. Entgegen der negativen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist UMTS in Westeuropa mittlerweile Realität. Die UMTS-Netze sind aufgebaut, das Geschäft mit UMTS läuft an und Inhalte-Anbieter, Endgeräte-Hersteller sowie Telcos arbeiten zusammen an UMTS-basierten weiterführenden Angeboten. (mje)

Der Autor Dr. Stefan Heng ist Senior Economist bei Deutsche Bank Research.