Umkämpfte "Road Warrior"

13.03.2002
In diesem Jahr bekommt Deutschlands beliebtestes Smartphone, der "Nokia Communicator", erstmals ernsthafte Konkurrenz. Hersteller und Provider überschlagen sich geradezu mit neuen Wireless-Produkten und -Angeboten.

Von: Andreas Th. Fischer, Bernd Reder

Es wird ernst für Palm, Handspring und Co.: Auf dem 3GSM World Congress in Cannes waren Mitte Februar die ersten Handheld-Rechner für die Betriebssystem-Varianten zu sehen, die Microsoft speziell für drahtlose Geräte entwickelt hat. Der Softwareriese zielt mit der "Pocket PC 2002 Phone Edition" und "Windows-Powered Smart-phone 2002" auf zwei Marktsegmente: Personal Digital Assistants (PDA), die Zugang zu Mobilfunknetzen und damit dem Internet haben, und Mobiltelefone, die dem Benutzer auch Funktionen eines Organizers zur Verfügung stellen.

Erfolg eines Außenseiters

Die neuen Produkte vereinen zwei bisher getrennte Geräte in einem handlichen Gehäuse. Dies bringt vor allem "Arbeitsnomaden" Vorteile: Mobile Anwender in den USA verwenden häufig gleich vier Hightech-Werkzeuge: Handy, Notebook, PDA und den Verkaufsschlager in den Vereinigten Staaten, den "Blackberry". Da zählt jedes Gramm, das eingespart werden kann. Auch ist es nicht jedermanns Sache, über eine häufig wenig stabile Infrarotverbindung zwischen Handy und Handheld online zu gehen.

Den Blackberry des kanadischen Herstellers Research in Motion (RIM) setzen mittlerweile mehr als 12 000 US-Unternehmen ein, um ihren Mitarbeitern einen sicheren Zugriff von unterwegs auf ihre Mail-Accounts zu ermöglichen. Von Anfang an hat RIM das Produkt gezielt professionellen Anwendern angeboten und kaum Privatkunden. Der "Blackberry Enterprise Server" erweitert in Firmen bereits vorhandene Mail-Server um zahlreiche Wireless-Funktionen. So können die Anwender beispielsweise mit Filtern genau einstellen, welche Mails sie "on the road" erhalten wollen. Momentan unterstützt RIM "Microsoft Exchange". Das hier zu Lande weit verbreitete "Lotus Notes" soll in absehbarer Zeit folgen.

Research in Motion will nun auch die europäischen Märkte erobern. Nach MMO2 (Viag Interkom) konnte der Blackberry-Anbieter T-Mobile als Kooperationspartner gewinnen, den mit mehr als 23 Millionen Kunden größten Mobilfunkprovider in Deutschland. Auf der CeBIT präsentieren die Unternehmen ihre Lösungen zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit (siehe Seite 54). Die Europa-Variante setzt dabei auf leistungsfähige und schnelle Mobilfunkanbindungen mit "General Packet Radio Service" (GPRS). Neue E-Mails gelangen per "GPRS-Push" in Sekundenschnelle zum Anwender. Langwieriges Einwählen, umständliches Abrufen und unzuverlässige Verbindungen sollen damit der Vergangenheit angehören. Zum Schutz der Datenübertragung erfolgt eine Verschlüsselung mittels "Triple DES" (Data Encryption Standard).

Laut Viag Interkom nutzen in Großbritannien bereits 100 Unternehmenskunden den Blackberry-Service für ihre Mitarbeiter. Zahlen über die Niederlande oder Belgien, wo die Muttergesellschaft auch aktiv ist und den Dienst anbietet, veröffentlichte der Provider nicht. Die MMO2-Tochter machte auch noch keine Angaben zu den geplanten Gebühren in Deutschland. Sie dürften allerdings ähnlich wie die auf der britischen Insel sein. Dort fallen pro Kunde und Gerät einmalig etwa 650 Euro an. Dazu kommen 4100 Euro für die Serversoftware, die 20 Anwenderlizenzen mitbringt, sowie monatlich je 50 bis 64 Euro für die Nutzung des Funknetzes.

Alles Gute kommt aus Redmond

In Cannes blies derweil die Microsoft-Fraktion zum Angriff. Hewlett-Packard präsentierte mit dem "Jornada 928 Wireless Digital Assistant" einen Handheld-Rechner, der auf der Pocket PC 2002 Phone Edition basiert. Er ist mit 32 MByte Flash-ROM und einem 64 MByte großen Arbeitsspeicher ausgestattet. Integriert sind Java, eine spezielle Version des Internet-Explorers sowie ein WAP-Browser (Wireless Application Protocol). Die Verbindung zum Internet wird via GSM-Netz oder GPRS hergestellt. Das Gerät ähnelt dem Jornada 568, besitzt aber im Gegensatz zu diesem einen Farbbildschirm. Der Preis dürfte bei etwa 1000 Euro liegen, steht aber noch nicht endgültig fest.

Auch der britische Mobilfunkanbieter MMO2 stellte einen Pocket-PC vor - den "XDA", den das Unternehmen auch hier zu Lande vermarkten will. "Andere Carrier werden im Lauf des Jahres ebenfalls solche Geräte anbieten", sagte Magnus Ahlberg, der als Marketingmanager bei Microsoft Europa für den Bereich "Mobile" zuständig ist. Dazu gehört das französische Unternehmen Orange, eine Tochter von France Télécom.

Während die Wireless-Pocket-PCs - wie andere digitale Assistenten - über einen Touchscreen bedient werden und Anwendungen wie Excel oder Word bereitstellen, ähneln Smartphones klassischen Mobiltelefonen. Sie bieten einige Basisfunktionen von PDAs, wie Adressbuch, Kalender oder eine einfache Textverarbeitung. In dieses Marktsegment will Microsoft mit "Smartphone 2002" vorstoßen. Einige der führenden Mobilfunk-Carrier testen derzeit solche Geräte, darunter Vodafone, T-Mobile, France Télécom und Telefónica Moviles.

Das Betriebssystem der Microsoft-Smartphones basiert auf der "Stinger"-Plattform. "Unser Hauptkonkurrent ist Symbian", sagte Ahlberg. Dessen Software verwendet unter anderem Nokia in seinem Smartphone "Communicator". Die Finnen dürften auch die stärksten Gegner in diesem Marktsegment sein. Paolo Pescatore, Senior Analyst bei IDC und Spezialist für Mobilfunktechniken: "Microsoft wird im Wireless-Bereich ein gewichtiges Wort mitsprechen. Dieser Markt wird maßgeblich davon bestimmt sein, wie viele Dienste und Applikationen ein Unternehmen anbieten kann, und Microsoft hat eine ganze Menge davon auf Lager."

Markus Ahlberg zufolge gibt es mittlerweile mehr als 10 000 registrierte "Microsoft Mobility"-Applikationen für Wireless Pocket PC. "Für Carrier wird es eminent wichtig sein, solche Anwendungen über ihre Mobilfunknetze bereitzustellen, denn damit lässt sich das meiste Geld verdienen."

Rückzugsgefechte

Auch der Marktführer will das Feld nicht kampflos räumen: Ende Januar hat Palm Inc. in den USA den drahtlosen Handheld "i705" vorgestellt. Der PDA ist etwas schmaler und leichter als sein Vorgänger "Palm VII". Im Vergleich zu diesem Gerät fallen zuerst die abgerundeten Kanten auf. Außerdem fehlt die ausklappbare Antenne.

Im Innern befinden sich der bereits bekannte "Dragonball"-Prozessor von Motorola mit einer Taktung von 33 MHz sowie 8 MByte RAM und 4 MByte Flash-ROM. Das Betriebssystem ist "Palm OS 4.1". Erste Palm-PDAs mit den deutlich leistungsfähigeren Chips von Texas Instruments werden voraussichtlich erst im kommenden Jahr erscheinen.

Über den Mobilfunkprovider Cingular offeriert der Handheld-Hersteller die passenden Online-Dienste. Diese kosten bei bis zu 100 KByte Transfervolumen im Monat 20 Dollar und bei unbegrenztem Volumen 40 Dollar monatlich. Noch in diesem Jahr will Palm einen "Wireless Messaging Server" für Unternehmen vorstellen. Die beiden Funkmodelle von Palm - i705 und Palm VII - sind bis auf weiteres nur in den Staaten erhältlich. Wer hier zu Lande mit einem Palm-OS-Rechenzwerg per Funk ins Internet will, kann dies beispielsweise mit dem "Treo" von Handspring tun. Der Smartphone-PDA soll in Kürze in zwei Varianten über Viag Interkom auf den deutschen Markt kommen - einmal mit winziger Gummitastatur und einmal ohne. Bei Letzterem erfolgt die Texteingabe über die bereits von anderen Palm-Produkten bekannte "Graffiti"-Schrifterkennung oder über ein eingeblendetes Keyboard. Ab Mitte des Jahres soll auch der "Treo 270" mit Farb-Display verfügbar sein. Preise für die Handspring-Smartphones stehen hier zu Lande noch nicht fest. In den USA kosten die Geräte mit Mobilfunkvertrag derzeit knapp 400 Dollar.

Großer Schritt

Während die Microsoft-Schar in Cannes bereits punkten konnte, benötigt Palm noch etwas Zeit für die nächste große Runde. Der Chef der vor kurzem ausgegliederten Tochtergesellschaft Palmsource, David Nigel, stellte unlängst auf der gleichnamigen Entwicklerkonferenz in San Francisco die erste Betaversion von "Palm OS 5" vor. Das neue Betriebssystem wird nicht mehr auf den bislang eingesetzten "Dragonball"-Prozessoren laufen, sondern auf den deutlich leistungsstärkeren ARM-Chips.

Palm OS 5 enthält einen systemweiten Verschlüsselungsdienst, der einen "RC4"-Schlüssel mit 128 Bit Länge von RSA Security verwendet. Mobile Internetübertragungen sichert Palm mittels "Secure Sockets Layer" (SSL) ab. Darüber hinaus wird das Unternehmen die Bildschirmauflösung mit 320 x 320 Pixel gegenüber bisherigen Geräten vervierfachen. Bislang bieten dies nur die Palm-PDAs von Sony. Handhelds mit dem neuen Betriebssystem unterstützen ferner Wireless LANs nach "IEEE 802.11b" und "Bluetooth".

Mit dem "M130" und dem "M515" hat Palm Anfang März zwei neue Handheld-Rechner vorgestellt. Beide können sich mithilfe einer optionalen Bluetooth-Karte auch in Wireless Networks einklinken.

Wer den jungen Markt für drahtlose PDAs in Deutschland letztlich erobern kann, ist derzeit noch offen. Ob Blackberry, Pocket-PC Phone Edition, Windows Powered Smartphone, Treo oder Palms mit dem neuen OS - der mobile Anwender kann bald aus einer breiten Palette auswählen.