UMA - Mobilfunk über WLAN

06.06.2006 von Matthias Semmlinger
In der Mobiltelefonie sorgt „UMA“ für Furore, denn es steht für das Zusammenwachsen von Mobilfunk und Festnetz. Bereits gegen Jahresmitte soll die neue Technik einsatzbereit sein und dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Welten zusammenrücken.

„Ein Endgerät. Eine Mailbox. Ein Adressbuch. Eine Rechnung.“ So wirbt der magentafarbene Riese T-Com für den neuen Dienst T-One, der gegen Mitte des Jahres starten soll. Damit soll man mit seinem Handy jederzeit erreichbar sein: Zu Hause oder in der Nähe eines T-Com-Hotspots meldet sich das Gerät aus dem Mobilfunknetz ab und per WLAN und Internet an. Die folgenden Gespräche werden dann zu günstigeren Tarifen abgerechnet als „echte“ Handygespräche.

Verlässt der Nutzer den Empfangsbereich des WLAN, bucht sich das Handy automatisch aus dem WLAN aus und wieder ins GSM-Netz ein. Der Nutzer ist dabei stets unter seiner Handynummer erreichbar, alle Gebühren werden über die SIM-Karte des Handys abgerechnet. Genau diese Leistungen ließen sich mit UMA realisieren, nur dass der T-Com-Dienst nicht auf UMA, sondern auf SIP (Session Initiation Protocol) basiert. Die Leistungsmerkmale sind die gleichen - mit einer Ausnahme: Die bei UMA ausdrücklich vorgesehene Übergabe von laufenden Gesprächen oder Daten-Sessions wird bei T-One zumindest anfänglich noch nicht implementiert sein.

Was ist Unlicensed Mobile Access?

Unlicensed Mobile Access, dafür steht das Kürzel UMA, bezeichnet den Zugriff auf Mobilfunkdienste der GSM- und GPRS-Netze - allerdings nicht wie üblich auf dem Wege lizenzpflichtiger Funktechniken, also per Mobilfunk. Stattdessen wird die Verbindung zum Netz des Mobilfunkbetreibers unter Zuhilfenahme einer lizenzfreien Funktechnik (etwa Bluetooth oder WLAN) und über das Internet hergestellt. Dazu ist ein spezielles Handy erforderlich, das sowohl mit GSM-Technik als auch mit WLAN und/oder Bluetooth ausgestattet ist.

Auch wenn die entsprechenden Geräte noch nicht auf dem Markt sind, sie werden zunächst unter relativ kurzen Laufzeiten leiden: Schließlich verbrauchen die WLAN-Chips zusätzlichen Strom und sind noch nicht auf minimalen Energieverbrauch optimiert. Die Datenblätter der angekündigten Modelle lassen dies jedenfalls erwarten.

Ein solches „Dual-Mode-Handy“ greift im Empfangsbereich eines lizenzfreien Netzes auf die lokale Breitband-Internet-Verbindung zu und bucht sich über das Internet ins Mobilfunknetz ein (Roaming). Hat sich das Handy erfolgreich angemeldet, werden ankommende und abgehende Sprach- und Datenverbindungen über das Internet „umgeleitet“. Der Nutzer selbst bemerkt davon praktisch nichts. Ähnlich sieht es beim zweiten wichtigen UMA-Leistungsmerkmal aus, dem „Handover“. Dieses ist dafür verantwortlich, dass bestehende Verbindungen, egal ob Gespräche oder Daten-Sessions, bei einem Wechsel des Netzes unterbrechungsfrei fortgeführt werden.

Warum UMA?

Unlicensed Mobile Access gilt derzeit als die Eier legende Wollmilchsau des Mobilfunks, denn diese Technik soll etliche Vorteile bieten - für Anwender und Netzbetreiber. Auf der einen Seite stehen die Mobilfunkgesellschaften, die ihre Netzwerkinfrastruktur nur minimal erweitern müssen und im Kern unangetastet lassen können. Dadurch werden die Netze mit geringen Kosten UMA-tauglich gemacht.

Zudem erwartet man sich durch die Technologie eine verstärkte Handynutzung. Wenn Anwender mit ihrem Handy noch besser erreichbar sind und gleichzeitig zu Preisen telefonieren können, die zwischen Festnetz- und VoIP-Niveau liegen, braucht keiner mehr zum Festnetztelefon zu greifen. Stattdessen nutzt man das Gerät, das man sowieso ständig mit sich herumträgt. Dazu kommt noch, dass UMA nicht auf einen bestimmten Standard angewiesen ist, sondern zur Übertragung praktisch jedes IP-basierte Netz nutzen kann.

Auf der anderen Seite stehen die Benutzer, in deren Haus bislang kein oder nur eingeschränkter Handyempfang möglich war. Diese können nun ihren Breitband-Internet-Zugang nutzen, um zu Hause Netzzugang zu bekommen. Sie benötigen nur das entsprechende Handy und ein konfiguriertes WLAN. Auch Unternehmen, in deren Gebäude bislang kein Handyempfang möglich war, können mit einem preisgünstigen WLAN von der neuen Technik profitieren.

Bereits installierte Hardware soll zu UMA übrigens voll kompatibel sein, wenn auch mit einer Einschränkung: Bei Geräten, die Quality of Service nicht unterstützen, dürfte die Sprachqualität bei Nutzung des Internet-Zugangs erheblichen Schwankungen unterliegen.

So funktioniert UMA

Wer UMA nutzen möchte, muss sich zunächst für diesen Dienst anmelden und benötigt zudem ein UMA-fähiges Dual-Mode-Handy. Ein solches Gerät kann zusätzlich zu GSM-Verbindungen auch die WLAN-Technologie nutzen. Betritt der Anwender den Sendebereich eines lizenzfreien Funknetzes (öffentliches oder privates WLAN, Bluetooth), bei dem sich sein Gerät einloggen darf, passiert Folgendes:

Das Handy stellt die Verbindung zum Funknetz her und greift auf die lokale Breitband-Internet-Verbindung zu. Die Adresse des primären UMA Network Controller (UNC), einer neuen Komponente in der Architektur des Mobilfunkbetreibers, ist im Gerät gespeichert. Um ihn zu kontaktieren, macht das Handy einen DNS-Lookup und ruft die aufgelöste Adresse auf. Der primäre UNC verweist dann auf den für den Nutzer zuständigen UNC.

Dieser ermöglicht Zugriffe aus dem öffentlichen Internet in das abgeschottete Betreibernetz. Vor allem aber wacht er darüber, dass keine unautorisierten Zugriffe auf das Core Network erfolgen. Das Handy authentifiziert sich deshalb mittels EAP-SIM (Extensible Authentication Protocol Method for GSM Subscriber Identity) gegenüber dem UNC. Anschließend nimmt das Handy Kontakt zum zugewiesenen UNC auf und speichert dessen Adresse für weitere Verwendung.

Da die Verbindung über öffentliche und damit unsichere Netze läuft, wird sie verschlüsselt. Dazu authentisieren sich die beteiligten Geräte mittels IKEv2 (Internet Key Exchange) gegenseitig und setzen einen IPsec-Tunnel auf die IP-Verbindung auf. Nach der Freigabe durch den UNC darf sich das Handy mit dem Netzwerk des Betreibers verbinden und so GSM-Sprach- und GPRS-Datendienste über das lizenzfreie Funknetz nutzen.

Roaming - Gespräche zwischen WLAN und GSM

Sofern der Zugriff vom UNC zugelassen wurde, wird die Positionsangabe des Geräts im Core Network aktualisiert. Um den Teilnehmer nun endgültig über das aktuell genutzte lizenzfreie Netz einzubuchen, spielt der UNC dem Core Network vor, der Anwender habe gerade eine Mobilfunkzelle mit sehr guter Signalqualität betreten. Daraufhin wird der Teilnehmer in die neue, vom UNC simulierte Zelle eingebucht. Von diesem Zeitpunkt an wird sämtlicher Sprach- und Datenverkehr über das UMA-Netz (UMAN, die Strecke vom benutzten lizenzfreien Netz bis zum UNC) statt über das Mobilfunknetz (RAN, Radio Access Network) geführt.

Im Fall einer Sprachverbindung handelt es sich auf der Strecke vom Handy bis zum UNC um eine „echte“ VoIP-Verbindung, wenn auch nicht nach dem SIP-Protokoll. Vor der Einspeisung in das Core Network werden die Daten allerdings nach dem GSM-Standard erneut konvertiert. Verlässt der Nutzer nun den Bereich des lizenzfreien Netzes, bei dem er gerade eingebucht ist, wird die nachlassende Signalqualität vom UNC an das Core Network weitergegeben und das Handy in die nächstliegende Mobilfunkzelle eingebucht. Auch hier bemerkt der Anwender von dem Vorgang praktisch nichts, allenfalls erscheint ein anderes Symbol auf dem Display seines Handys.

Führt der Anwender bei Überschreiten der Grenze zwischen Mobilfunknetz und lizenzfreiem Netz gerade ein Gespräch über GSM oder hat er eine Datenverbindung per GPRS geöffnet, kann die Verbindung automatisch von einem Netz ans andere übergeben werden (In-call handover). In diesem Fall stellt das Handy über das zweite Funkteil eine weitere Verbindung zum Mobilfunknetz her. Erst wenn die neue Verbindung steht, wird die bislang genutzte abgebaut. Auf Grund dieses „make-before-break“-Prinzips reißt die Verbindung weder ab noch kommt es zu Verzögerungen oder Schwankungen in der Verbindungsqualität. Der Anwender sollte von dem Vorgang nicht einmal etwas bemerken, da alles vollautomatisch abgewickelt wird.

Architektur

Das folgende Schaubild macht die Architektur von UMA gut verständlich. Die zahlreichen in der Abbildung enthaltenen Abkürzungen haben wir hier für Sie aufgelistet und erklärt.

AAA

Authentication, Authorization and Accounting (AAA)

Authentisierung, Autorisierung und Rechnungslegung

D/GR

Schnittstelle

Gb

Schnittstelle

HLR

Home Location Register
Datenbank mit permanenten und einigen temporären Teilnehmerdaten

HPLMN

Home Public Land Mobile Network
Mobilfunknetz des Heimatlandes

MSC

Mobile Services Switching Center
Funkvermittlungsstelle für ankommende und abgehende Verbindungen

SGSN

Serving GPRS Support Node
Vermittlungsstelle für Datenpakete im GPRS-Netz

SGW

Security Gateway

UNC

UMA Network Controller

VPLMN

Visitor Public Land Mobile Network
Mobilfunknetz des besuchten Landes

Wd

Schnittstelle

Wm

Schnittstelle

Geschichte - Woher kommt UMA?

Das UMA Consortium wurde von einer Reihe von Mobilfunkunternehmen ins Leben gerufen, um Spezifikationen für die Konvergenz von Mobilfunk und Schnurlostelefonie zu entwickeln. Auch Gerätehersteller sind dem Konsortium beigetreten, so dass sich die Liste der beteiligten Unternehmen fast wie ein Who is Who der Mobilfunkbranche liest. Dazu gehören unter anderem Alcatel, Ericsson, Motorola, Nokia, O2, Siemens, Sony Ericsson und T-Mobile USA.

Die UMA-Spezifikationen sollten sich gut in die jeweiligen Core Networks integrieren lassen und auf längere Sicht von einem anerkannten Gremium standardisiert werden. Die Veröffentlichung erfolgte im September 2004, die entsprechenden PDF-Dateien sind unter http://www.umatechnology.org für jedermann einzusehen.

Nach der Veröffentlichung wurden die Ergebnisse an die 3GPP (3rd Generation Partnership Project) übergeben, wo sie in der TSG GERAN (Technical Specification Group GSM EDGE Radio Access Network) unter dem Titel „Generic access to A/Gb interfaces“ aufgenommen wurden. Am 8. April 2005 schließlich wurde die Spezifikation zur Veröffentlichung in 3GPP Release 6 angenommen, woraufhin sich das UMA Consortium auflöste. Die Weiterentwicklung soll im Rahmen der 3GPP stattfinden.

Alternativen zu UMA

Konkurrenz erhält UMA durch 802.21, einen kommenden Standard der IEEE, der nahtlose Übergaben zwischen beliebigen Netzwerken standardisieren soll und damit eine Obermenge zu UMA darstellt. Vor allem auch soll dieser Standard die Kompatibilität zu anderen 802.x-Standards sicherstellen. Allerdings ist diese auch Media Independent Handover Services (MIHS) benannte Norm noch nicht so weit gediehen wie UMA. Derzeit befindet sie sich in der Standardisierungsphase.

Im Übrigen gibt es das SCCAN-Forum (Seamless Converged Communication Across Networks), das ebenfalls einen Konvergenz-Standard schaffen wollte. Es besteht im Wesentlichen aus den Herstellern Avaya, Motorola und Proxim. Allerdings hatte deren Entwurf einen beträchtlichen Nachteil, denn zur Nutzung wären bei den Benutzern neue Access Points beziehungsweise WLAN-Router erforderlich geworden. Zudem wirkt die SCCAN-Website reichlich vernachlässigt, vermutlich hat man die Arbeit mehr oder weniger stillschweigend eingestellt.

Fazit

UMA bringt einen echten Mehrwert. Zum einen für die Nutzer, diese können deutlich günstiger telefonieren und erhalten, je nach WLAN-Infrastruktur, eine deutlich bessere Netzabdeckung. Aber auch die Netzbetreiber selbst profitieren von den zusätzlichen Möglichkeiten und Optionen, die ihnen UMA eröffnet. Etwa wenn es um die günstige Vernetzung von internationalen Filialen geht oder wenn die VoIP- und Mobilfunkinfrastruktur zentral administriert und abgerechnet werden kann.

Den Trend erkennen auch immer mehr Handyhersteller. Der finnische Hersteller Nokia beispielsweise konzipiert die für den Business-Bereich ausgelegte E-Serie um dieses Konzept. Die Geräte enthalten sowohl WLAN als auch einen SIP-Client.

Ein Problem stellt jedoch noch das fehlende Roaming dar, also etwa die Übergabe von Gesprächen vom WLAN in das GSM-Netz. Solange das Gespräch beim Übergang in ein anderes Netz abreißt, werden die Kunden UMA oder einen konkurrierenden Standard nicht akzeptieren. (mja)