Tux goes Biz

16.10.2001 von Jörg Luther
Die Kernel-Version 2.4 katapultiert Linux endgültig in die Riege ernst zu nehmender Profi-Betriebssysteme. Damit öffnen sich für Linux die letzten verschlossenen Türen: die unternehmenseigenen Rechenzentren.

Für Jon "Maddog" Hall, seines Zeichens Director of Linux Evangelism bei VA Linux, ist die Sache klar: Linux hat den Durchbruch als Desktop-Betriebssystem schon geschafft. Nach seiner Zählung läuft das freie Unix auf 6 Prozent aller PCs und hat damit MacOS bereits überholt. Wie er gern mit einem Augenzwinkern anfügt, umfasst diese Zahl noch nicht einmal jene 1,3 Milliarden Chinesen, für die Linux auf Grund der Entscheidung ihrer Regierung das Betriebssystem "der Wahl" sein wird.

Doch nicht alle Linux-Enthusiasten teilen den von Maddog Hall an den Tag gelegten Optimismus. Noch hält Microsoft mit seinen Windows-Versionen und einem Marktanteil von 90 Prozent auf Desktops die Vorherrschaft. Und nichts deutet darauf hin, dass sich diese Tatsache in nächster Zeit dramatisch ändert. Zwar bieten aktuelle Linux-Distributionen einen hohen Komfort bei Installation und Betrieb, erreichen aber nicht durchgängig die gleiche Benutzerfreundlichkeit wie die Produkte aus Redmond. Die größte Stärke des freien Unix - die durch die Open-Source-Entwicklung bedingte Vielfalt - wird hier zum Hemmschuh.

Update: Standardisierung für Linux

Ein Erfolg versprechender Ansatz, der verwirrenden Linux-Vielfalt eine gemeinsame Basis zu verleihen, ohne deswegen in rigide Reglementierung zu verfallen, ist die Linux Standard Base (LSB). Sie versucht, für alle Linux-Varianten einen Kern gemeinsamer Merkmale zu definieren, angefangen von der Verzeichnisstruktur bis hin zum Paketformat.

Die so erzielte Kompatibilität soll Entwicklern wie Anwendern gleichermaßen zugute kommen. Dem Programmierer bieten die LSB-Spezifikationen eine solide Grundlage, auf der er seine Applikationen mit einheitlicher Codebasis aufsetzen kann. Die Anwender bekommen die Sicherheit, jede Applikation ohne spezifische Anpassungen auf jeder LSB-konformen Distributionsplattform installieren und ausführen zu können.

Das heute noch oft nötige Anpassen und Rekompilieren von Software, die verwirrende Vielfalt von Paketformaten und distributionsspezifischen Binaries, all das könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Damit wäre ein wesentlicher Stolperstein für die weitere Verbreitung von Linux auf dem Desktop beseitigt. Das liegt nicht zuletzt auch im Interesse der großen Distributoren - sei es Red Hat, SuSE, TurboLinux, Mandrake, Caldera oder Debian -, die deswegen das LSB-Projekt unterstützen.

Update: Kernel 2.4

Das Release der neuen, in der Community schon im Vorfeld heiß diskutierten Kernel-Generation ließ Anfang Januar so manchen Tux-Jünger zum FTP-Client greifen. Auf den Download des aktuellen Tarball folgte allerdings oft die Ernüchterung: 119 MByte Sourcen - damit fällt der neue Kernel rund 30 Prozent größer aus als sein Vorgänger. Das Gros der "Gewichtszunahme" entfällt auf die stark verbesserte Modulausstattung, Linux 2.4 bringt also deutlich mehr Treiber mit. Daneben bietet der neue Kernel zahlreiche neue Highlights.

Zu den interessantesten Features zählt der komplett integrierte USB-Support. Er erlaubt den Einsatz aller Devices von Maus und Tastatur bis hin zu Massenspeichern. Daneben bietet Linux 2.4 jetzt direkte Unterstützung für CPUs der Typen Athlon, Duron und Pentium 4. Ab Version 2.4.1 integriert der Kernel ReiserFS, ein sehr effektives Btree-basiertes Dateisystem. Es verwaltet die Allokierungsinformationen in einem für schnellen Zugriff optimierten Binärbaum und macht so die feste Zuordnung von Inodes überflüssig. Dies spart ebenso wie das Abspeichern kleiner Dateien direkt im Verzeichnisbaum Plattenplatz. Eine Direct Rendering Infrastructure (DRI) bietet verbesserten OpenGL-Support für Xfree86 Version 4. Die resultierende Beschleunigung von 3D-Bildschirmausgaben erfreut nicht nur CAD-Profis, sondern auch die Fans von Spielen wie Unreal Tournament oder Quake III.

Auch beim Einsatz auf den kleinsten Rechnern bringt Linux 2.4 Vorteile. Seine hohe Modularität ermöglicht maßgeschneiderte, kompakte Systeme für Handhelds (Compaq iPAQ, Agenda VR3d) oder Embedded Systeme. Zudem unterstützt der Kernel Winchip- und Crusoe-CPUs, also Prozessoren für den integrierten und mobilen Einsatz. ROM und Flash-Speicher spricht Linux 2.4 als Festplatten an (Disk on Chip). Als passendes Dateisystem fungiert das mit Kompression operierende cramfs, dessen Name sich vom englischen "to cram" = vollstopfen ableitet.

Update: Linux auf dem Server

Während Linux auf dem Desktop noch um seinen Platz kämpft, hat es im Bereich der professionellen Datenverarbeitung bereits fest Fuß gefasst. Schon letztes Jahr überholte das freie Unix den ehemaligen Klassenprimus Novell Netware als Serverbetriebssystem und schickte sich an, Windows den Rang als NOS Nr. 1 streitig zu machen. In 2001 war laut IDC bereits jeder vierte (27 Prozent) verkaufte Server mit Linux bestückt, zwei von fünf (41 Prozent) mit Microsoft-Produkten. Novell Netware und Unix mussten sich mit jeweils rund 14 Prozent Marktanteil bescheiden.

Wie die Zahlen der Marktforscher von IDC belegen, setzt sich dieser Trend weiterhin fort. Mitte 2001 war Linux das mit 170 Prozent am schnellsten wachsende Serverbetriebssystem, gefolgt von Windows NT/2000 mit einem Plus von nur 37 Prozent. Die Vergleichszahl für den Servermarkt insgesamt lag dagegen bei 8 Prozent. Der Erfolg von Linux demonstriert nach Meinung der IDC-Profis den wachsenden Bedarf nach einer "verlässlichen und kosteneffektiven Plattform für das Internet und andere Kernarbeitsbereiche".

Da zudem immer mehr namhafte Hersteller Linux unterstützen und in ihr Lösungsprogramm einbauen, prophezeit IDC dem freien Betriebssystem ein unbegrenztes Wachstum bis wenigstens 2005. Schon 2003 sollen die entsprechenden Umsätze ein Volumen von 4,4 Milliarden US-Dollar erreichen. In einer ausführlichen Studie bescheinigen die Bostoner Marktforscher Linux denn auch den Wandel vom Early-Adopter- zum Mainstream-System: "Linux wird 2005 einen Platz als fester Bestandteil der Enterprise-IT-Umgebung einnehmen."

Update: Linux 2.4 im Enterprise-Markt

Bislang kam das Open-Source-Unix allerdings überwiegend in Kombination mit Apache als Webserver zum Einsatz. Die Türen der großen Rechenzentren blieben Linux dagegen in vielen Fällen verschlossen. Der Grund dafür lässt sich in zwei Wörtern zusammenfassen: mangelnde Skalierbarkeit.

Die in Enterprise-Szenarios übliche Versorgung tausender User erfordert den Einsatz leistungsfähiger Multiprozessormaschinen. Server mit acht CPUs gelten in diesem Segment als "Einstiegsmodelle". Linux kam bislang nur mit zwei Prozessoren und maximal 4090 Prozessen klar. Ähnlich hinderliche Einschränkungen betrafen den Datenbanksupport: So betrug die maximale Größe einzelner Dateien 2 GByte - ein Wert, über den etwa Oracle-Administratoren nur herzhaft lachen können.

Diese Limits räumt der Kernel 2.4 aus dem Weg. So geht Linux nun auch mit mehr als zwei Prozessoren im Rechner effektiv um. "Wir schätzen, dass der Kernel bis 32 Prozessoren skaliert, und vermutlich noch darüber hinaus", prognostiziert Michael Tiemann, CTO von Red Hat. Zudem limitiert nur die Größe des Hauptspeichers noch die Anzahl der gleichzeitig bearbeiteten Prozesse. Da der Kernel mit bis zu 64 GByte RAM klarkommt, sind hier kaum Engpässe zu befürchten. Applikations- und Webserver können damit nun wesentlich mehr Anwender bedienen.

Auch den Datenbankbetreibern bietet Linux 2.4 neue Möglichkeiten: Der integrierte Large File Support hebt die bisherige Beschränkung des Dateiumfangs auf. Nur die Kapazität des Speichermediums setzt der Größe eines Files gewisse Grenzen. Die sind jedoch nicht allzu eng gezogen, da sich mit Hilfe des Logical Volume Managers (LVM) Dateien auch über mehrere Festplatten verteilen lassen.

Neu: Kernel 2.5 und IA64

Schon in der nächsten Developer-Release plant Linus Torvalds, den Kernel weiter in die Profi-Richtung auszubauen. Erste Ergebnisse dürften nicht mehr allzu weit in der Ferne liegen: In einem Posting in der Kernel-Mailingliste vom 11. Oktober 2001 kündigt der Linux-Guru an, demnächst ("really soon now") mit der Arbeit an 2.5.x zu beginnen.

Zu den angepeilten Verbesserungen zählen neben aufpolierten Clustering-Fähigkeiten die Skalierbarkeit auf NUMA -Architekturen und "anderen großen Maschinen". Auch den I/O-Support sowie speziell den SCSI-Layer will Torvalds gründlich überarbeiten, wie er kürzlich in einem Interview präzisierte.

Der Terminus "andere großen Maschinen" dürfte sich wohl auf Intels IA-64-Architektur beziehen. Die Distributoren Caldera, Red Hat, SuSE und Turbolinux bieten bereits Pakete für IA-64-Maschinen an. Auch die für Frühjahr 2002 anstehende Debian/GNU 3.0 soll auf dem Itanium laufen. Noch skalieren auf Maschinen mit mehr als acht Prozessoren klassische Business-Unixe wie HP-UX deutlich besser als Linux. Dieses Manko will Linus Torvalds mit der nächsten Stable Release (die möglicherweise nicht mehr 2.6, sondern 3.0 heißt) ausräumen.

Damit verlässt Linux endgültig seine Kinderstube und bringt alle wichtigen Voraussetzungen für den professionellen Einsatz in Unternehmen jeder Größenordnung mit.

Update: Einstieg der Big Player

Solche Aussichten überzeugen zunehmend auch die Größen der IT-Branche davon, mit Linux auf das richtige Pferd zu setzen. Weitaus am energischsten in Richtung Linux im Enterprise bewegt sich dabei IBM.

Tatsächlich beweisen die Mannen aus Armonk schon geraume Zeit eine gesteigerte Affinität zu Linux. Die bewegte sich allerdings bislang in eher ungewöhnlichen Bahnen und brachte Linux auf Mainframes und ins Supercomputing. So verträgt sich das freie Unix inzwischen bestens mit den großen Eisen der S/390-Familie. Hier greift besonders die Kundschaft aus dem akademischen Bereich gern zu, aber auch kommerzielle Webserver operieren bereits auf S/390-Systemen unter Linux. Selbst IBMs millionenteures neues Flaggschiff p690 alias Regatta unterstützt Linux-Applikationen - allerdings nur auf dem Umweg über AIX 5L.

Dabei will IBM es nicht bewenden lassen - über das ganze Firmenportfolio hinweg soll Linux das e-Business der Zukunft befördern. Für jede Hardware, vom eServer x-Series bis zum Netvista-Thin-Client, und für jede Software, von Lotus Domino bis zu Tivolis Netzwerkmanagement-Lösungen, will Big Blue den Einsatz des freien Unix unterstützen.

"Wie offerieren nicht nur grundlegenden Linux-Support für unsere Hard- und Software. Wir investieren auch in Linux-Services, um unseren Kunden den gewohnten Support für ihre Unternehmensumgebungen auch unter Linux zu bieten", präzisiert Irving Wladawsky-Berger, Vizepäsident für Technologie und Strategie bei IBMs Server Group.

Dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, zeigen die angedachten Investitionssummen. So bekräftigten CEO Lou Gerstner und Chief Operations Officer Sam Palmisano mehrfach, dass Big Blue 1 Milliarde US-Dollar in das Open-Source-Unix stecken will. Rund ein Drittel davon investiert IBM bis 2003 in den Aufbau professioneller Dienstleistungsangebote.

Neu: Linux-Elefantenhochzeit

Bei IBM handelt es sich jedoch nicht um den einzigen Big Player, der auf Linux setzt. Ein weiterer Linux-lastiger Gigant wurde gerade in Form der "neuen Hewlett-Packard" aus der Taufe gehoben. Der Merger von HP und Compaq hat zwei Unternehmen zusammengeführt, deren Portfolios schon für sich betrachtet jeweils einen hohen Linux-Anteil boten.

Schon vor der Elefantenhochzeit positionierte sich Compaq mit 24 Prozent aller ausgelieferten Linux-Server (in 2000) als größter Anbieter in diesem Markt. Sowohl auf den Zugpferden der Proliant-Serie als auch den Appliances der Tasksmart-Reihe kommt das freie Unix zum Einsatz. Das Sahnehäubchen des Angebots stellen jedoch zweifellos die Systeme auf Basis der Alpha-CPU dar. Einzeln oder im Cluster kommen diese Number Cruncher für anspruchsvollste Aufgaben wie Wettersimulation oder Filmproduktion zum Einsatz. So wurden beispielsweise die Special Effects für "Titanic" auf AlphaServern unter Red Hat Linux gerendert.

Hewlett-Packard zählt wie IBM zu jenen Firmen, die Linux auf allen Ebenen von der Workstation über PC-Server und HP9000-Systeme bis hin zu Support und Schulung fest in ihr Angebot integriert haben. Auch in Sachen Software kann sich HPs Engagement sehen lassen: Das Unternehmen zählt beispielsweise zu den Gründungsmitgliedern von GNOME Foundation und Open Source Development Lab. Insgesamt steht für HP schon lange fest, dass Linux in Zukunft Teile der IT-Welt dominieren wird. Als strategisches Betriebssystem soll es künftig parallel zum hauseigenen HP-UX auf allen IA64- und PA-RISC-Systemen laufen.

Update: Engagement der Software-Industrie

Auch auf der Software-Seite des Geschäfts hat man inzwischen die Vorteile des freien Unix entdeckt. So portierte etwa Datenbankriese Oracle als erster der großen Anbieter seine Enterprise Edition auf Linux. Charles Rozwat, Executive Vice President für Server-Technologien, liefert dafür eine einleuchtende Begründung: "Die Portierung auf Linux bringt uns dahin, wo die Entwickler sind. Jedes Mal, wenn wir neue Produkte für Linux ankündigen, schießen die Registrierungen neuer Entwickler dramatisch in die Höhe", so Rozwat.

Die Entwicklerpakete für Linux würden bei Oracle weit häufiger geordert als jene für NT, Solaris oder jedes andere Betriebssystem. Entsprechend gestaltet sich auch der Absatz der Oracle-Pakete. "Es besteht eine ungeheure Nachfrage nach Geschäftsanwendungen und Clustering-Produkten für Linux", freut sich Doug Kennedy, Oracles Vizepäsident für den Bereich Standard High Volume Systems.

Ein weiteres Beispiel: Das deutsche Vorzeigeunternehmen SAP liefert bereits seit Ende 1999 R/3 respektive mySAP.com für Linux aus. Auch die Branchenlösungen der SAP.readytowork-Reihe setzen auf Linux-Servern auf. Allerdings erlauben die Walldorfer dabei nur den Einsatz zertifizierter Hard- und Softwarekombinationen. Als Distributionen kommen hier Red Hat Linux und der heimische SuSE 7.2 Enterprise Server (Kernel 2.4.7) zum Zug. Auch mit Open-Source-Engagement in Form eines RDBMS kann SAP aufwarten.

Update: Microsoft in Bedrängnis

Die zunehmende Beliebtheit von Linux findet nicht jedermanns Zustimmung. Speziell Microsoft fühlt sich offenbar zunehmend unter Druck gesetzt. Das hat sich der Software-Gigant größtenteils selbst zuzuschreiben. Zu wenig hat sich das Unternehmen aus Redmond in den letzen Jahren um die offensichtlichen Bedürfnisse der professionellen Anwender gekümmert.

Nach einer Phase der völligen Ignoranz folgten vor zwei Jahren die berüchtigten Halloween Papers: In der internen Studie, deren Autorschaft Microsoft nie offiziell zugab, deren Herkunft aber als unzweifelhaft gilt, tat das Unternehmen die Open-Source-Entwicklung in Bausch und Bogen als unzulänglich und lächerlich ab. Auch in seinen folgenden Reaktionen, wie einer bereits berüchtigten Anzeige in einem bekannten deutschen Computermagazin, beschränkte sich Microsoft auf den Versuch, Linux ins Lächerliche zu ziehen.

Doch inzwischen bekommt es Microsoft wohl mit der Angst zu tun. Anders lässt sich der Versuch von Jim Allchin, Leiter der Windows-Entwicklung bei Microsoft, kaum erklären, die US-Legislative gegen Linux aufzuwiegeln. Mitte Februar beschuldigte Allchin in einem Interview des US-Nachrichtendienstes Bloomberg die Open-Source-Bewegung, "intellektuelles Eigentum zu zerstören", "Forschung und Entwicklung zu behindern" und dadurch die "Innovation zu bremsen". Er forderte die Gesetzgebung auf, sich "auf diese Bedrohung einzustellen".

Seitdem versuchten auch zahlreiche andere hochrangige Microsoft-Manager - darunter CEO Steve Ballmer, CTO Craig Mundie und auch Bill Gates selbst - immer wieder, Open Source im Allgemeinen und die GPL im Besonderen als unsinnig, chaotisch oder gar gefährlich hinzustellen.

Update: Zukunft der Software

Auf Microsofts Holzhammer-Lobbyismus und ständige Agitation hat die Open-Source-Gemeinschaft bereits passend geantwortet. In der an die amerikanische Unabhängigkeitserklärung angelehnten "Declaration of Software Freedom" kündigte das Freedevelopers.net schon kurz nach Allchins Angriffen an, sich zu einer "demokratischen Firma" der internationalen Open-Source-Entwickler zusammenzuschließen.

Die Organisation unter Führung des FSF-Gründers (Free Software Foundation) Richard Stallman plant offenbar, Anwender und Entwickler auf direktem Weg zusammenzuführen und so ein Finanzierungsmodell für freie Software zu Wege zu bringen. Mit den Einnahmen will man nicht nur die weitere Open-Source-Entwicklung finanzieren, sondern auch "Software-Firmen aufkaufen und deren Entwickler befreien".

Das Modell könnte durchaus funktionieren, wie das Beispiel von MandrakeExpert.com zeigt. Dort bietet MandrakeSoft den Benutzern und Entwicklern seiner Distribution einen offenen Marktplatz für Service, Support und Programmierung. Beide Seiten handeln eigenständig eine angemessene Entlohnung aus, einen kleinen Prozentsatz davon kassiert Mandrake und gibt ihn an die Free Software Foundation weiter.

Doch nicht nur durch den Zusammenschluss freier Entwickler, auch durch ganz konkrete Projekte planen die FSF, GNU und Freedevelopers.net Microsoft weiter die Zähne zu zeigen. Eines der interessantesten Vorhaben nennt sich DotGNU und ist nichts anderes als ein Open-Source-Ersatz für .NET. Das Hauptparadigma der DotGNU-Entwickler rund um Ximian-Mitbegründer Miguel de Icaza lautet: Sicherheit durch Dezentralisierung. Keine einzelne Firma, Einrichtung oder Instanz darf die Kontrolle über Authentifizierung und Autorisierung im Netz erhalten. Damit steht DotGNU in direktem Widerspruch zu Microsofts Passport/Hailstorm-Offensive.

Neu: Linux auf der SYSTEMS

Seit letztem Jahr gibt es mit dem LinuxPark (A4.101) auf der SYSTEMS einen eigenen Ausstellungsbereich für das freie Unix. Auch dieses Jahr präsentieren dort wieder zahlreiche Firmen und Organisationen ihre Produkte und Ideen. Die Open-Source-Szene ist unter anderem durch Apache, die Free Software Foundation, Gimp, KDE, PHP und ZOPE vertreten.

Aman Media zeigt sein Redaktionssystem AMAN_RedSys auf Open-Source-Basis. Als Voraussetzungen benötigt es Apache, PHP4 sowie MySQL. Es läuft nicht nur auf Linux, sondern auch unter allen gängigen Unixe-Derivaten sowie 32-Bit-Windows.

Bei H+BEDV gibt es die Antiviren-Lösung AntiVir für Linux-Clients und -Server zu sehen, die Stuttgarter IBIX GmbH präsentiert mit IBIXfix ein komplettes Personalzeitwirtschafts-System unter LINUX. Zu den Business-Angeboten zählt auch das Portfolio der Linux Information Systems AG. Sie stellt ihre modulare Linux-Software-Reihe CoreBiz vor. Die Module Office, Financials und Security lassen sich beliebig kombinieren und erweitern. Neu im Programm: Vorinstallierte File-, Mail-, Web- und Firewall-Serverlösungen auf P-III-Basis für je 1950 Euro.

Nicht direkt im LinuxPark, sondern am benachbarten SuSE-Stand A4.110 sind der eben herausgekommene E-Mail-Server III sowie eine erste Demonstration des brandneuen Connectivity-Servers - er soll Anfang November verfügbar sein - zu sehen.

Neu: Linux-Hardware im LinuxPark

Wer sich für Thin Clients auf Linux-2.4-Basis interessiert, sollte das Angebot von Bee Baastrup und IGEL näher unter die Lupe nehmen. Embedded-Spezialist Implementa bietet Lösungen "out of the box" auf Linux-Basis, Sysgo zeigt seine Embedded-Linux-2.4-Distribution ELinOS, die mit lediglich 1 MByte ROM und 2 MByte Arbeitsspeicher auskommt.

Die Sedlbauer AG zeigt ISDN-Kommunikationslösungen für Linux, die es auch als Bundle mit SuSE-Linux zu haben gibt. Das Linux-Connectivity-Unternehmen Cyclades bietet ein breites Portfolio von seriellen Multiport-Karten sowie Servern und Routern für Remote Access.

Zu den absoluten Hinguckern der Messe dürften die an entgegengesetzten Enden des Angebotsspektrums liegenden Offerten von Cluster Labs und Sharp zählen. Cluster Labs zeigt erstmals den Prototyp seiner hochintegrierten Linux-Clusterlösung Cluster Labs 400. In einem 19-Zoll-Rack arbeiten maximal 80 CPUs und 160 DSPs mit einer Rechenleistung von bis zu 160 GFLOPs.

Sharp demonstriert sein westentaschengroßes Personal Mobile Tool SL-5000 auf Linux-2.4-Basis mit 3,5-Zoll-Farb-TFT-Touch-Display. Es bringt eine Personal-Information-Management-Software mit Termin- und Adressverwaltung, To-do-Liste, Uhr und Taschenrechner sowie einen POP3/SMTP-fähigen E-Mail-Client, einen Internet-Browser und einen integrierten MP3-Player mit.

Abseits des Linux-Parks bietet Hewlett-Packard (B3.221/230) interessante Produkte für Linux/Unix im Enterprise-Einsatz. Dazu zählt etwa der neue HP Server 8400, das erste 16-Wege-System mit PA-8700-Prozessoren. Daneben zeigt das Unternehmen Itanium-Rechnersysteme unter Linux sowie erstmals die HP Appliances für spezielle Anwendungsgebiete wie Web-Hosting, E-Commerce und VPN.

Update: Ausblick

Dass Linux sich jetzt endgültig den Weg in den Mainstream-Markt gebahnt hat, zeigt nicht zuletzt auch das breite Produktangebot auf einer traditionell Business- und lösungsorientierten Messe wie der SYSTEMS.

Sein Erfolg im PC- und High-End-Servermarkt sowie die vielversprechenden Ansätze auf dem Desktop bieten Linux eine solide Basis für weiteres Wachstum. Die Akzeptanz durch Industrieriesen wie IBM und Oracle und vor allem die Initiative des Free-Software-Protagonisten Stallman könnten Linux und der Open-Source-Software zum endgültigen Durchbruch verhelfen. Funktioniert FreeDevelopers.net wie geplant, ergänzt es die freie Software um jene stabile Support- und Dienstleistungsbasis, die ihr bislang fehlt.

Eines steht jedenfalls bereits jetzt fest: Das Release des Kernel 2.4 markierte für Linux das Ende der Kindheit. Von nun an ist das Open-Source-Unix als ernst zu nehmendes Betriebssystem nicht mehr zu ignorieren. (jlu)