Trends im Netzwerkmarkt

23.08.2004 von WOLFGANG LEIERSEDER 
Der Netzwerkmarkt ist groß - auch im vierten Krisenjahr. Die Marktforscher sagen in diesem Bereich in den nächsten Jahren ein starkes Wachstum voraus. Allerdings werden viele der Hersteller das nicht mehr erleben.

Der Netzwerkmarkt ist noch längst nicht ausgeschöpft. Die Analysten sagen Zuwächse voraus - ob Home Networking und Breitbandverbindungen, WLANs und Hotspots oder auch Router und Switches, Management- und Sicherheits-Software sowie IP-Applikationen wie Internet-Telefonie und Video-Streaming, Core-Switching und Bandbreitenaggregation.

Dennoch: Wer auf diesen Markt setzt, gilt als verwegen. Denn der Netzwerkmarkt ist nach den Dutzenden von Monaten andauernder Depression weit davon entfernt, im Tagesgeschäft zu begeistern. Der Netzwerkmarkt ist, wie fast alle Teilnehmer es formulieren, härter denn je geworden und fordert viel Sitzfleisch.

"In dieser Situation kann man Kunden zu gar nichts bringen", kommentiert Jürgen Schwab, Sales Manager Central Europe bei Netzwerker SMC Networks, die schwierige Situation im Projektgeschäft.

So treiben Hardware-Margen unter fünf Prozent bei gleichzeitigem Produkt-Bombardement, das wiederum kaum einem Kunden mehr die notwendige Sicherheit gibt, die richtige Produktwahl getroffen zu haben, den Handel in Richtung Depression. Wie soll dieser zum Beispiel im SMB-Markt Herstellertreue wahren, wenn Anbieter stets mit einem Auge auf den - immerhin Volumen und folglich Umsatz versprechenden - Retail-Kanal schielen, weshalb der VAR im unteren Segment der Netzkomponenten genauso gut beim Media-Markt um die Ecke einkaufen kann? "Unter permanentem Kostendruck zu arbeiten, schafft keine Motivation", sagt Andreas Hausmann, Country-Manager der deutschen HP-Netzwerkabteilung "Procurve".

Andererseits drängen die Hersteller selbst ins Service-Geschäft und verdrängen damit kleinere Systemhäuser. Sie verspielen dadurch ihre lokalen Vorteile bei der Kundenansprache und -betreuung. In der gegenwärtigen Situation ist das aber eine logische Konsequenz für viele Netzwerkanbieter, die Umsatzvorgaben erreichen müssen - und sei es auf Kosten ihrer mittelfristigen Zukunft.

Noch Stagnation auf hohem Niveau

Laut Hans Pfau, Geschäftsführer bei Ipanema, Spezialist für IP-Traffic-Management, herrscht im Netzwerkmarkt "Stagnation auf hohem Niveau". Zwar sind Netzwerke selbstverständlich, doch der Preis sei zu hoch, den der Netzwerker dafür zahle. Die Vielzahl nicht unterscheidbarer Commodity-Produkte könne Anbietern weder Bekanntheit noch Wachstum verschaffen, und wer auf komplexe Produkte setze, sei in der Falle "Investitionsstopp" oder - besser, aber auch nicht befriedigend - beim Problem "deutliche Projektverzögerung".

Trotzdem biete der Netzwerkmarkt einiges. Viel sogar, wenn man auf den HP-Manager Hausmann hört. Es mag sein, dass den Netzwerkern im Moment die alle mitreißende Geschichte fehle und Kunden enttäuscht sind, da viele Versprechungen sich als hohl erwiesen haben.

Doch unter der derzeit durch heftigere Marketingaktionen kaum bewegten Oberfläche brodelt es. "Denken Sie an all die, die unterwegs sind und an ihre Daten kommen wollen und müssen!", wirft Hausmann ein.

Home Networking

Ein Blick auf die nackten Internet-Zahlen in Deutschland zeigt, welches Potenzial der Home-Networking-Markt hat. 53 Prozent der Bürger Deutschlands über 14 Jahren oder 33,9 Millionen Deutsche sind laut dem Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid online. Dabei nutzen erst 4,5 Millionen Haushalte in Deutschland DSL. Bis 2010 sollen nach vorsichtigen Schätzungen zwölf Millionen DSL-Haushalte Inhalte und Dienste beziehen - eigentlich ein Dorado für Service Provider und Dienstleister, aber auch für Hersteller von Netzkomponenten. Mit ihnen wird das Zuhause mit dem Internet verbunden, intern vernetzt und vielleicht sogar von Media-Centern wie von Sony und Philips gesteuert.

Entsprechend groß ist das (Billig-)Angebot, aber der Markt hat die große Konsolidierungswelle wohl noch vor sich. Gleichwohl werden jetzt Geschäfte gemacht. Lowend-Anbieter wie Linksys oder Netgear haben sich in den Retail-Kanälen etabliert und setzen auf Volumen und Brand. "Richtig und falsch", wendet Linksys Deutschland-Chef Thomas Retzlaff ein. "Im Retail-Geschäft zahlt man schnell drauf", bekennt er. Doch über das Volumen dieses Netzmarkts gerate ein anderer Aspekt ins Spiel. "Die Heimvernetzung bringt den Fachhändler zum Kunden. Der braucht bei nicht trivialen Produkten Beratung, Installation und Wartung, und die erhält er nicht vom Retailer. Die Dienste für zu Hause kommen jetzt erst, nachdem die Basis dafür - Breitbandverbindungen und netzfähige Heimgeräte - geschaffen wurde."

Wireless

Angeblich 83 Wireless-Anbieter tummeln sich auf dem deutschen Markt. Zu viele, sagen Marktforscher und Hersteller, wobei sich bei Letzteren natürlich keiner unter den Verschwindenden wähnt. Das Komponentenangebot reicht von Karten und Bluetooth über Access Points und Hotspots (802.11a, b, g, demnächst n, ferner der Sicherheitsstandard 11i sowie 11e für Services und Telefonie) bis hin zu Wireless Switches für komplexere Funknetze, ferner Wireless Bridges und demnächst auch Wimax. Hinzu kommen Anwendungen wie Callcenter, IP-Telefonie und Roaming sowie eine Hand voll Service-Qualitäten.

Zwar ist "der Hype in Sachen Funknetze dahin", wie Cisco-Mann Carsten Queisser, zuständig für Technologiemarketing in EMEA, beobachtet hat. Doch "es tut sich, wie wir anhand unserer Zahlen sehen können, extrem viel".

Kunden sind vor allem Unternehmen, denen es zu teuer ist, ständig neue Kabel zu verlegen und ihr Netzwerk damit zu erweitern. Ebenso installieren und administrieren Behörden, Krankenhäuser, Universitäten oder Dienstleister wie Hotels die relativ einfach in Betrieb zu nehmenden Funknetze.

Router und Switches

"Der Netzwerkmarkt ist im Umbruch" - davon ist HP-Netzwerker Andreas Hausmann überzeugt. Er glaubt, dass Konvergenz mittels IP das Thema schlechthin ist, denn "es verwischen immer mehr die Konturen von privaten, öffentlichen und Unternehmensnetzen".

Beispiel Teleworking: "Das heißt ganz klar: Wo ich bin, sind meine Daten", skizziert Hausmann sein Szenario. Er sagt auch, die Infrastruktur für diese Konvergenz sei in Unternehmen vorhanden - "aber fragmentiert". Die Anbieter von Routern (und auch Switches) seien dabei, dies zu ändern.

Die Zahlen der Marktforscher geben ihm Recht: So erwartet IDC, dass sich auch in den kommenden drei Jahren die weltweiten Umsätze im Router-Markt bei rund zehn Milliarden US-Dollar einpendeln. Parallel dazu dürften die verkauften Ports von rund 18 Millionen auf über 26 Millionen Ports steigen. Die Netze müssen den zunehmenden Ansprüchen bei Datentransfer und -priorisierung, Sicherheit und Diensten gewachsen sein, so begründet Hausmann den Austausch von Routern und Switches.

Der gequälte Markt für Switches ist gerade dabei, sich zu erholen. Angetrieben wird er unter anderem von Gigabit Ethernet und von Applikationen, die die Administration von zusätzlichen Funktionalitäten wie Sicherheit, Authentifizierung und Management von Bandbreiten und Applikationen verlangen. Auch durch die Nachfrage aus dem SMB-Bereich steigen die Stückzahlen bei den LAN-Komponenten.

Zwar werden die Preise und damit die Margen gleich dünn bleiben, sagen Analysten voraus, doch die Anforderungen an die Komponenten selbst steigen. "Das Know-how bei Endkunden ist massiv geringer geworden", stellt 3Com-Marketier Josef Vistola fest.

Gute Geschäfte mit Sicherheit

IT-Sicherheit, so Analystin Carla Arend vom Marktforscher IDC, "ist ein langfristiger Trend". So sollen im Jahr 2006 weltweit mit Sicherheits-Hard- und -Software sowie mit Dienstleistungen 45 Milliarden US-Dollar umgesetzt werden; 2001 waren es lediglich 17 Millionen US-Dollar.

Netzwerker überlassen diesen boomenden Markt ungern der Menge an Appliances, Sicherheits-Software und anderen Partikularlösungen, wie Cisco-Manager Queisser sagt. Eine der zentralen Fragen in diesem Zusammenhang laute: "Wie kann ich durch Risk-Management bewirken, dass Unternehmen sicher agieren?" Daran arbeitet der Netzwerkprimus nach Kräften und hat mit seinem Programm "Network Admission Control" (NAC) bereits Sicherheitsanbieter an Bord geholt.

"Unsere Kunden wollen zum Beispiel wissen, wie sie Prozesse im Netzwerk automatisch steuern können. Die Kostenersparnis, die sie dadurch in den nächsten zwei Jahren realisieren können", sei ein mächtigeres Argument als der Blick auf den Preis der jeweiligen Komponente.

Cisco vertritt eine "Premium"-Strategie in Sachen Komponenten, und Queisser ist sich sicher, die Kunden zu überzeugen durch "die Intelligenz, die in einem Netzwerk steckt und die sich immer mehr bemerkbar macht als realer, nachrechenbarer Vorteil." "Sehen Sie sich die Applikationen an, die Geräte, auf denen sie laufen - dann wissen Sie, was Unternehmensnetze können müssen."

Für den Handel heiße deshalb die Botschaft, "auf der Basis profunder Kenntnisse in den Bereichen Routing, Switching und WAN-Access Wissen ausbauen und sich spezialisieren". Denn wenn als Host "jeder webbasierende PC oder jedes Notebook auch nur vorübergehend fungieren kann", muss das Systemhaus darauf eine Antwort haben. Die "weiterentwickelte Ende-zu-Ende-Story" nennt dies Queisser - natürlich Cisco-konform - und stimmt damit mit Anbietern wie HP überein, wo man mit "Adaptive Edge" gerade dasselbe anvisiert, oder auch 3Com, dessen Joint Venture mit Huawei endlich Enterprise-Früchte tragen soll.

Aber auch Netzwerker Enterasys hat seine Switches mit dem Label "Trusted End-System Solution" (TES) versehen und ist mit Hilfe von Software-Anbietern wie Zone Labs and Sygate dabei, erste Produkte mit Port-basiertem Policy-Management anzubieten.

So sind die großen Themen aller Switches-Anbieter Sicherheit, Management und Services - und das angesichts dessen, dass in Deutschland auch noch viele alte Netze erneuert werden müssen.

Fazit

Auf den gebeutelten Netzwerkbereich warten bei näherer Betrachtung viele Aufgaben. Neue Kunden, deren IT-Mannschaften nicht der Rede wert sind, müssen Netze einrichten; alte Kunden, deren Netze höchstens noch zu Basisdiensten in der Lage sind, müssen gründlich überholt oder sogar ersetzt werden.

Wer auf die Anforderungen von Endkunden an Netze achtet - gleich ob es sich um hauseigene oder die von Firmen, deren Kunden sie sind, handelt -, weiß: Der Markt steuert auf ein Revival zu. (mec)

Dieser Beitrag stammt aus einem längeren Artikel von unserer Schwesterzeitschrift ComputerPartner, der Fachzeitschrift für den ITK-Handel.