Transportbeschleuniger

20.10.2000
Um Web-Informationen schneller zum Adressaten zu bringen, setzen Serviceprovider Caching-Systeme oder spezielle "Content-Delivery"-Netze ein. Beide Techniken hängen zwar eng miteinander zusammen, werden aber fälschlicherweise häufig in einen Topf geworfen. Ein gravierender Unterschied sind beispielsweise die dahinter stehenden Geschäftsmodelle.

Von: David Griffiths

Wie erfolgreich ein Internet-Serviceprovider oder eine Firma im E-Business ist, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell Web-Inhalte (Content) beim Kunden ankommen. Doch bekanntlich nehmen die "Staustrecken" im Internet drastisch zu. Um sie zu umgehen, gehen Serviceanbieter einerseits dazu über, Content näher beim User zu platzieren, indem sie Caching-Systeme installieren. Zum anderen setzen sie spezielle "Content-Delivery"-Netze ein.

Zunächst soll die Funktionsweise des Caching genauer betrachtet werden. Eine Anfrage nach Web-Inhalten erfolgt durch den Browser mit Hilfe des "Uniform Resource Locators" (URL). Die IP-Mechanismen, insbesondere die "Name Resolution", wandeln den URL in eine Netzadresse um und leiten die Anfrage an den betreffenden Web-Server weiter. Bei einer Homepage handelt es sich in der Regel um eine statische HTML-Seite, in die Links zu einer oder mehreren weiteren Dateien eingefügt sind, etwa Grafiken, Fotos oder Audio- und Videostreams. Die Anfrage wird an denjenigen HTTP-Server weitergereicht, auf dem die angeforderten Inhalte liegen. Die Web-Seite überträgt dann hintereinander, also sequenziell, die spezifischen Objekte zum Browser des Users. Erst dann, wenn alle Elemente übermittelt wurden, baut der Browser die Web-Seite auf.

In der Praxis richten sich 90 Prozent aller Anfragen an nur 10 Prozent der Web-Seiten. Daher ist es unausweichlich, dass populäre Web-Server vollkommen überlastet sind. Im Internet werden somit enorme Bandbreiten verschwendet, weil

- ständig die gleichen Inhalte zu unterschiedlichen Nutzern übertragen werden und

- viele User räumlich weit entfernt von diesen Servern angesiedelt sind. Somit ist es notwendig, viele Kopien der gleichen Inhalte über dieselben Koppelelemente im Internet zu transferieren, also Router und Switches.

Auf Caches werden häufig benutzte Web-Informationen temporär in der Nähe der Benutzer abgespeichert. Ein Cache lässt sich als Bestandteil der UnternehmensFirewall, beim Internet-Serviceprovider (ISP), im Netzzugangspunkt (NAP) oder dem Point of Presence (PoP) installieren. Die auf den Caches deponierten Informationen liegen somit physikalisch näher beim Benutzer als die Mehrzahl der Web-Server. Mit Hilfe dieses Tricks lassen sich viele Web-Anfragen bereits von den Caches beantworten. Das heißt, für den Informationstransfer ist nicht mehr so viel Bandbreite erforderlich, und damit reduzieren sich die Kosten.

Ein Cache-System bietet folgenden Nutzen:

- Multiplikation der verfügbaren Bandbreite: Wenn die Hälfte der abgerufenen Web-Objekte aus dem temporären Speicher zur Verfügung gestellt wird, verdoppelt sich die Kapazität des Upstream-Links zum Internet. Der Cache erhöht also die verfügbare Bandbreite um den Faktor zwei.

- Bessere Performance: Die Caches befinden sich in der Praxis wesentlich näher beim Nutzer als die Content-Server. Moderne Systeme verbessern die Performance und die Verzögerungszeit der Web-Downloads um den Faktor zwei bis fünf.

- Schutz der WWW-Server: Greifen viele Nutzer gleichzeitig auf eine Internet-Seite zu, kommt es aufgrund der hohen Nachfrage zu einer Überlastung der Systeme und damit zu höheren Reaktionszeiten. Problematisch ist, dass der Weg der Datenströme im Internet nicht vorhersehbar ist. Mit dem Einsatz von Caches in den Zugangspunkten des Internets wird die Information vervielfacht und quasi lokal an den Nutzer ausgeliefert. Das wiederum erhöht die Verfügbarkeit der WWW-Ressourcen.

- Kosten-Nutzen-Verhältnis der Bandbreite: Ohne Caches werden die WWW-Daten ständig von den Servern abgerufen. Die Übermittlung der Daten erfolgt immer über die relativ teuren Internet-Backbones. Die Kosten betragen etwa 800 Dollar pro MBit/s im Monat. Caches lassen sich als Ergänzung dieser teuren Internet-Ressourcen einsetzen. Da Bandbreite im Randbereich der Netze wesentlich preiswerter ist, senken Caches daher die Kosten für die Übertragung der Web-Daten.

Ein Anbieter von Caches verkauft seine Hard- und Softwareprodukte in der Regel an einen ISP oder ein Unternehmen mit einem Corporate Network. Dem Preis des Cache-Systems steht ein Gegenwert in Form der reduzierten Betriebskosten durch die eingesparte Bandbreite und bessere Reaktionszeiten gegenüber. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung hängt zwangsläufig von den Bandbreitenkosten des ISP oder Netzbetreibers ab. Um dem Preisdruck auszuweichen, stellen die Hersteller von Cache-Systemen immer mehr Werkzeuge und Internet-Dienste auf Basis von Caching bereit. So dienen die Produkte beispielsweise als Plattform für Mehrwertdienste wie Virenschutz sowie Video- und Audio-Streaming.

Im Gegensatz dazu bieten "Content Delivery Services" (CD), etwa die von Digital Island, Akamai und Adero, "nur" das Caching bestimmter Inhalte an. Ein CD-Provider verfügt über ein Overlay-Netz, das er parallel zum Internet-Backbone betreibt. Über dieses "private" Internet überträgt er Web-Inhalte zu Caching-Servern, die in verteilten Datenzentren in der Nähe der PoPs (Points of Presence) stehen.

Caches versus "Content Distribution"

Das Geschäftsmodell der CD-Provider basiert darauf, dass sie ihre Dienste nicht an den ISP verkaufen, der den Nutzer bedient, sondern an die Besitzer der Inhalte, also etwa Disney oder Apple. Der Provider verändert die Adressen dieser Inhalte, damit sie sich individuell erkennen lassen. Akamai etwa benennt alle URLs im Original-HTML-Dokument um. Aus "http://apple. com/logo.gif" wird beispielsweise "http://a67.g.akamaitech.net/unique-fingerprint/apple.com/logo.gif". Dieser "Fingerabdruck" ermöglicht es, die HTML-Objekte mit Hilfe der DNS-Redirect-Funktion zu identifizieren, ohne dass sich der Cache des CD-Providers im Datenpfad befinden muss. Die DNS-Anfrage nach a67.g.akamaitech.net liefert also immer die IP-Adresse des Cache-Speichers, der am nächsten liegt.

Diese Vorgehensweise hat einige gravierende Nachteile. So muss jedes HTML-Objekt mit einem individuellen Fingerabdruck versehen werden. Außerdem arbeitet der zentrale DNS-Redirection-Mechanismus relativ langsam; es kann unter Umständen mehrere Minuten dauern, bis ein HTML-Objekt übermittelt wird. Außerdem sind solche Dienste für den Besitzer von Web-Informationen relativ teuer. Momentan berechnen Akamai, Digital Island und Adero für ihre CD-Services etwa 2000 Dollar pro MBit/s pro Monat.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anbieter von CD-Diensten ihre Caches zwar in der Nähe des ISP installieren, aber auf diese Geräte hat nur der CD-Anbieter Zugriff. Für den ISP heißt das: Er kommt nicht darum herum, eigene Zwischenspeicher-Systeme anzuschaffen. Vom CD-Provider werden exklusiv nur solche Web-Inhalte geliefert, mit deren Besitzern ein Geschäftsverhältnis besteht. In der Regel sind das große Unternehmen, vor allem aus der Medienbranche. Alle anderen Web-Inhalte müssen über die "normalen" Internet-Anschlüsse des Internet-Serviceproviders übermittelt werden.

Caching-Technik verbindet Mehrwertdienste

Das Ringen um die Gunst der Internet-Nutzer hat zu einem heftigen Preiskampf zwischen den Serviceprovidern geführt. Langfristig läuft dies auf Flat-Rate-Modelle wie in den USA hinaus. Der Internet-Nutzer zahlt dort weder für die Telefonnutzung noch die Dienste des jeweiligen ISP, sondern einen Pauschalbetrag. Aus diesem Grund müssen die ISPs neue Einnahmequellen erschließen und ihre Dienstleistungen erweitern. Nur höherwertige Dienste, wie etwa Service-Hosting, Application-Provisioning und das Content-Hosting, werden langfristig das Überleben der Diensteanbieter garantieren.

Auf dem Weg dahin müssen die ISPs einige Probleme lösen. Das erste ist, eine verlässliche Internet-Plattform zu schaffen, die einen schnellen und effizienten Zugriff auf die Informationen ermöglicht. Nur eine "Datenautobahn" schafft die Grundlage für neue Web-Dienste wie den Transfer von Videoinformationen. Mit Hilfe von Cache-basierten Lösungen hat es der Internet-Provider selbst in der Hand, sein Netz an die Anforderungen von "Streaming Media" anzupassen.

Caching erlaubt es dem Serviceanbieter, Streaming-Informationen auf lokalen Media-Servern in unmittelbarer Nähe des Nutzers zu platzieren. Damit müssen die Web-Inhalte und Streams nicht über die überlasteten Internet-Backbones transportiert werden. Um das lokale Video-Streaming und die damit verbundenen Vorteile ausnutzen zu können, ist es notwendig, die Web-Streams auf den Media-Servern im lokalen Netz abzulegen. Zu den Mehrwertdiensten zählen beispielsweise "Pay per View" oder "Video on Demand" (VoD). Die Video-Streams lassen sich vom lokalen Streaming-Server abrufen und mit lokalen Werbeclips versehen. Damit kann der Netzbetreiber seine Sonderdienste über Einnahmen aus der Werbung finanzieren.

Konzepte für "Content Distribution"

Es gibt mittlerweile eine Reihe unterschiedlicher Verfahren, um über das Internet Inhalte zu verteilen. Die Konzepte unterscheiden sich in Bezug auf die Geschäftsmodelle und die Technik. Sie lassen sich in drei Kategorien einteilen. In Level-1-CD-Netzen übernehmen es die Besitzer der Internet-Inhalten selbst, diese zum Nutzer zu transportieren und zu vermarkten. Die Provider benötigen dazu ein privates Übertragungsnetz, unter Umständen auch ein schnelles Overlay-Internet und Partnerschaften mit Hosting-Serviceprovidern. Diese stellen die Verbindung zu den Zugangsnetzen (Access Networks) her. Bei diesem Modell arbeiten CD- und Hosting-Provider eng bei der Vermarktung der Inhalte zusammen.

Die meisten Firmen, die Internet-Inhalte verteilen, zählen zur zweiten Kategorie, den Level-2-CD-Diensten. Bei diesem Modell vermarkten die Betreiber des Overlay-Netzes exklusive Inhalte. Der CD-Provider muss zu diesem Zweck Verträge mit den Besitzern der Internet-Angebote schließen. Außerdem steht er vor der Aufgabe, genügend Internet-Serviceprovider zu finden, die diese Dienste abnehmen. Nachteilig für den ISP wirkt sich der Umstand aus, dass ein CD-Provider nur "seine" exklusiven Web-Inhalte liefert. Wie bereits erwähnt, muss der ISP anderen Content über seinen normalen Internet-Anschluss anbieten. Die Betreiber von Access-Netzen, die Level-3-CD, vermarkten die Inhalte eigenständig. Mit Hilfe eines Overlay-Dienstes, etwa auf Basis von Satelliten, werden die Web- und Streaming-Informationen auf Caches beziehungsweise Servern abgelegt, die in der Nähe der Nutzer installiert sind. Der Vorteile ist, dass die Web-Inhalte und Streams nicht mehr über die Internet-Backbones laufen, sondern sich direkt vom lokalen Server in hoher Qualität zum Nutzer übertragen lassen.

Overlay-Funktionen durch Satelliten

Der ISP vermarktet in diesem Fall die Inhalte in Eigenregie und hat damit die Möglichkeit, Mehrwertdienste anzubieten, etwa "Pay per View" oder "Video on Demand" (VoD).

In alle drei Modelle lassen sich Satellitennetze als Transportmittel einbinden. Geostationäre Satelliten habe eine feste Position im Orbit und können innerhalb der Ausleuchtzonen (Footprints) viele Empfangsstationen erreichen. Die Satelliten übernehmen somit die Funktion eines Overlay-Netzes: Sie reduzieren die "Router Hops" zwischen dem Content-Server und dem Cache beim ISP auf ein Minimum. Damit ist ein solches Netz die Voraussetzung für ein flächende-ckendes Webcasting. Die Caching-/Streaming-Systeme empfangen die Web-Daten über die Satellitenantenne. Der User ruft die Informationen anschließend über den lokalen Zugangsknoten mit der vollen verfügbaren Bandbreite ab.

Generell gilt also: Kein Internet-Serviceprovider kann auf Cache-Systeme verzichten, will er Inhalte schnell und kostengünstig zum Nutzer transportieren. Content-Delivery-Netze sind eine zusätzliche Technik, mit deren Hilfe sich Daten anliefern lassen. Sie eröffnet dem ISP die Möglichkeit, die regulären Web-Pages und Streams (Video, Audio) mit hohen Übertragungsraten und ohne Verzögerungen zum Internet-Nutzer zu übermitteln. (re)

Zur Person

David Griffiths

ist bei Infolibria für den Bereich New Business Development International verantwortlich.