Test: United Linux 1.0

20.11.2002 von JÜRGEN MAUERER 
Auf der 'Comdex Fall' stellen Conectiva, SuSE, SCO und Turbolinux erstmals ihr Gemeinschaftsprodukt United Linux vor. tecCHANNEL konnte schon vorab einen Blick auf die SuSE-Variante von United Linux 1.0 werfen.

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Die Quadriga aus Conectiva, SuSE, SCO und Turbolinux hat ihren Ende Mai 2002 aufgestellten Fahrplan nicht nur eingehalten, sondern sogar übertroffen: United Linux 1.0 wird nicht erst unter dem Weihnachtsbaum liegen, sondern erblickt bereits einen Monat zuvor auf der "Comdex Fall 2002" das Licht der Welt.

United Linux (UL) gibt sich allerdings nicht so uniform, wie der Name zunächst vermuten lässt: Jeder der vier Partner versorgt seine Kundschaft mit einer eigenen Geschmacksrichtung der Distribution. Als gemeinsamer Funktionskern dient ein auf drei CDs ausgeliefertes Kompilat von Kernel und Basisapplikationen. Dieses ergänzen Conectiva, SuSE, SCO und Turbolinux um herstellerspezifische Zusatz-CDs, und das Ergebnis wird als jeweils eigene Distribution "powered by United Linux" an den Mann gebracht.

Die SuSE-Spielart

Die United-Linux-Variante der Nürnberger SuSE AG hört auf den Namen SuSE Linux Enterprise Server 8 (SLES8). Sie ist deswegen besonders interessant, weil ihr Vorgänger SLES7 als Code-Basis für United Linux diente und somit die drei UL-CDs dieser Distribution identisch mit jenem Produkt sind, das alle vier UL-Partner als Kern ihrer Distributionen anbieten werden.

Kurz vor dem offiziellen Launch von United Linux hat uns SuSE mit einem SLES8 i386 RC5 versorgt, der nach Angaben der Nürnberger identisch mit der Produktionsversion ist. Das Päckchen besteht aus vier CDs, von denen drei United Linux 1.0 beinhalten (2 Installation, 1 Sourcen). Die vierte umfasst alle SLES-spezifischen Packages. Letztere legen wir für unseren Test beiseite und installieren ein reines United-Linux-System.

Installation

Als Installer für United Linux dient SuSEs proprietäres Tool YaST2. Die Einrichtung des Systems folgt denn auch weit gehend den von SuSE-Produkten gewohnten Bahnen. Gleich nach dem Systemstart erinnert allerdings ein Copyright-Fenster den Benutzer daran, dass er es hier nicht mit Free Software zu tun hat, sondern mit einem kommerziellen Produkt.

Anschließend geht es an die Konfiguration der Sprache sowie die Einrichtung der verwendeten Tastatur und des Maustyps.

Serverdienste

Als Vorgabe richtet YaST nach der Auswahl von Tastatur und Maus ein Standardsystem gemäß LSB 1.1 ein.

Basierend auf Kernel 2.4.19 und glibc 2.2.5 umfasst die United-Linux-Installation im Wesentlichen folgende Serverkomponenten:

Weitere Komponenten

Als grafische Oberfläche für das per Default installierte Xfree86 4.0.2 dienen wahlweise KDE 3.0.3 oder GNOME 2.0.6. Dabei fungieren SuSE-typisch KDE und dessen integrierte Applikationen wie Konqueror oder Kmail als Voreinstellung. Als alternativer Webbrowser kommt Mozilla 1.0.1 zum Zug.

Zu der umfangreichen Ausstattung mit Analyse- und Security-Werkzeugen gehören unter anderem Logsurfer, Nagios, Nessus, Nmap, Saint, Snort, Tripwire sowie der Webalizer.

Zudem bietet United Linux out-of-the-box Clustering, High-Availibility-Features, SNMP und fortgeschrittenes Routing. Dagegen richtet die Standardinstallation weder einen C-Compiler noch Devel-Packages ein. Beides muss bei Bedarf separat von der zweiten UL-CD installiert werden.

Paketauswahl

Der vorgegebene Umfang des United-Linux-Standardsystems beträgt insgesamt rund 1,3 GByte. Über einen komfortablen Paketmanager lässt sich die Software-Ausstattung jedoch beliebig modifizieren. Der Administrator kann dazu zum einen ganze Funktionsgruppen ("Selektionen") ein- oder ausblenden.

Alternativ wählt er einzelne Pakete über eine Sortierung nach Paketgruppen (Development, Productivity, System et cetera) an oder kann sie über eine Suchfunktion gezielt aufspüren. Bei der Software-Auswahl auftretende Abhängigkeiten löst der Paketmanager automatisch auf.

Partitionierung

Die Partitionierung der Massenspeicher nimmt das Installationstool auf Wunsch selbstständig vor. Als Dateisystem gibt es dabei ReiserFS vor, alternativ stehen jedoch auch ext2/3, XFS sowie JFS zur Auswahl. Wer die Aufteilung der Harddisks lieber manuell vornehmen will, kann dazu je nach Vorliebe den grafischen Disk Druid oder das CLI-orientierte Fdisk verwenden. Auch eine Konfiguration von Plattensubsystemen als RAID sowie über den Logical Volume Manager LVM kann der Administrator direkt während des Installationsvorgangs erledigen.

Nach dem Abschluss der Konfiguration formatiert YaST die Datenträger gemäß den Vorgaben und kopiert anschließend die ausgewählten Pakete ins System. Schließlich schreibt das Tool die Konfigurationsdateien, installiert den gewünschten Bootmanager (per Default GRUB) und startet den frisch aufgesetzten Server von der Platte neu.

Feinschliff

Um die Einrichtung des Systems zu beenden, sind nun noch einige abschließende Arbeiten zu erledigen. Dazu zählen zunächst einmal die Vergabe des Root-Passworts sowie die Einrichtung der Benutzerkonten. Dabei lassen sich für jeden Benutzer die Gültigkeitsdauer des Passworts sowie eine Übergangsfrist zur Änderung eines bereits abgelaufenen Passworts einstellen.

Nun folgt die Einrichtung des X-Window-Systems über das SuSE-spezifische Tool SaX2. Dank einer vorbildlichen Hardware-Erkennung des Installers in Verbindung mit einer umfangreichen Monitor-Datenbank schlägt SaX in aller Regel automatisch einen ebenso gut angepassten wie Hardware-verträglichen Grafikmodus vor. Auf Wunsch kann man jedoch auch manuelle Anpassungen aller Parameter vornehmen und vor dem Speichern der Konfiguration austesten.

Zu den finalen Konfigurationsarbeiten gehört es, abschließend Netzwerkkarte, Drucker, Modem und WAN-Adapter einzurichten. Auch hier leistet die Hardware-Erkennung ausführliche und in der Regel fehlerfreie Vorarbeit, so dass nur noch wenige manuelle Anpassungen vorzunehmen sind. Sie betreffen im Wesentlichen die manuelle Einstellung der per Default via DHCP parametrisierten Netzwerk-Interfaces.

Konfiguration und Verwaltung

Nach dem anschließenden Reboot des Systems laufen als von außen erreichbare Dienste lediglich OpenSSH (sshd, 22/tcp, root), Sun RPC (portmap, 111/tcp und 111/udp, bin), das X Window System (X, 6000/tcp, 177/tcp, root) sowie gegebenenfalls ein DHCP-Client (dhcpcd, 68/tcp, root). Per Default startet United Linux via kdm in eine grafische Oberfläche. Als primärer Desktop dient KDE 3.0, alternativ lässt sich GNOME 2.0 verwenden. Für Puristen ist auch noch der twm mit von der Partie.

In Sachen Management hält sich United Linux weit gehend bedeckt. Für grundlegende Systemeinstellungen und Verwaltungsaufgaben dient eine abgespeckte Variante von SuSEs YaST2-Suite als Kontrollzentrum. Darüber lassen sich beispielsweise die Hardware-Konfiguration, das Paketmanagement oder die Benutzer- und Gruppen-Verwaltung erledigen. Optional kann von der United-Linux-CD das YaST Control Center samt Modulen zur Konfiguration von NFS, NIS, LDAP und der Maildienste nachinstalliert werden.

Tiefer gehende Verwaltungstools lässt United Linux 1.0 komplett vermissen. Selbst nützliche kdeadmin-Tools wie etwa KSysV hat SuSE entsorgt. Erst die Auswahl der SLES-spezifischen CD als zusätzlicher Installationsquelle macht wichtige Werkzeuge wie Sysconfig- und Runlevel-Editor oder die Konfiguration für Inetd und Firewall zugänglich. Offensichtlich zählt die Bereitstellung von Managementtools bei United Linux also zu den distributionsspezifischen Aufgaben.

United?

Ein erster Blick auf den Package-Umfang der CDs und das installierte System bestätigt zweierlei: Zum einen hat sich SuSE bei der Zusammenstellung von United Linux eng an die im UL-Whitepaper genannten Komponenten und Spezifikationen gehalten.

Zum anderen ist United Linux praktisch völlig identisch mit SuSE Linux Enterprise Server: Die UL-CDs umfassen 887 Pakete, die SLES-Addon-CD ganze 87 Packages. Bei 49 davon handelt es sich um absolut SuSE-spezifische, meist mit der Verwaltung per YaST (das SuSE-proprietäre Verwaltungstool) zusammenhängende Binaries. Ein United-Linux-System unterscheidet sich also letztlich von einem generischen SLES durch lediglich vier Prozent aller Komponenten.

Damit nicht genug: Schon bei der Installation des Systems strahlt das SuSE-Chamäleon mit einem freundlichen Lächeln vom Bildschirm. Im Tree des installierten Systems finden sich knapp 90 Dateien und Verzeichnisse mit dem Namensbestandteil SuSE. Da die drei United-Linux-CDs die gemeinsame, identische Basis für die "powered by United Linux"-Distributionen aller UL-Partner darstellen, lautet die Schlussfolgerung: "United Linux" ist schlicht eine freundliche Umschreibung von "Global SuSE".

Gemäßigt uniform

SuSE für alle - das ist im Prinzip auch eine Möglichkeit, ein "globales und uniformes Linux" anzubieten. Wie das United-Linux-Konsortium schon bei der Release der Open Beta Mitte September einräumte (MP3, 11 MByte), beschränkt sich die Mitwirkung von Conectiva, SCO oder Turbolinux an der Entwicklung des Basissystems auf Details. Turbolinux "kümmert sich um die Internationalisierung für Asien" und Conectiva arbeitet an "GNOME und einzelnen Kernel-Komponenten, speziell an der High Availibility", so war seinerzeit zu vernehmen. SCO hat seine Entwicklerriege gleich komplett an SuSE abgegeben.

Viele der von United Linux angestrebten Vorteile einer einheitlichen Distribution lassen sich durch das Konzept "SuSE für alle" sicher erreichen. Dazu zählt beispielsweise für die Industrie die Möglichkeit einer einfacheren Zertifikation von Soft- und Hardware auf nur noch einem statt vier Produkten. Das kommt auf Umwegen auch dem Anwender zugute. Der kann zudem weltweit Support, Schulung und Consulting aus einem Guss bekommen.

Ausgerechnet bei den Management-Werkzeugen backt jedoch offenbar nach wie vor jeder der vier United-Linux-Anbieter seine eigenen Brötchen. Welchen Sinn das bei einer Distribution machen soll, zu deren Hauptvorteilen angeblich zählt, dass der Käufer für seine weltweiten Dependancen ein einheitliches Betriebssystem erhält, bleibt uns verborgen.

Fazit

Bei näherer Betrachtung von United Linux 1.0 erhärtet sich der nicht ganz neue Verdacht, dass es sich bei der Initiative der vier Anbieter hauptsächlich um den Versuch handelt, der übermächtigen Marktstellung von Red Hat Paroli zu bieten und dem Red Hat Advanced Server ein konkurrenzfähiges Pendant entgegenzustellen. Als Rückzugslinie zur Differenzierung des "eigenen Produkts" gegenüber dem originären SuSE Linux Enterprise Server (SLES) haben sich Conectiva, SCO und Turbolinux offensichtlich ausbedungen, wenigstens selbst gewählte Managementtools beilegen zu dürfen.

Ungeachtet dessen erhält der Anwender mit United Linux 1.0 ein solides Serverprodukt, das alle wichtigen Dienste mitbringt. Der Kaufpreis der SuSE-Variante ist noch nicht genau bekannt, wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach bei rund 900 Euro liegen. Das schließt eine so genannte Maintenance - also im Wesentlichen Websupport und Updates - bis zur nächsten Major Release mit ein. Der Release-Zyklus liegt bei Administrator-freundlichen zwölf Monaten, dazwischen sollen schnell implementierbare Aktualisierungspakete das System auf dem neuesten Stand halten.

Ein gewisses Risiko birgt jedoch die durch SuSE bewusst von der Community abgekoppelte SLES-Code-Basis von United Linux. Kritiker monieren zu Recht die implizite Gefahr, dass sich United Linux über Code Forking mittelfristig zu einer mit dem Linux-Mainstream nur noch bedingt kompatiblen proprietären Unix-Variante entwickeln könnte. Insofern bleibt auch für den professionellen Einsatz das klassische GNU/Linux-System - gegebenenfalls mit zugekauftem Support - eine konkurrenzfähige Alternative zu United Linux. (jlu)

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