Test: Storm Linux 2000

10.09.2000 von Mike Hartmann
Die Storm-Distribution von Stormix nimmt für sich in Anspruch, für jeden Anwender geeignet zu sein. Vom Anfänger bis zum Profi. Allerdings muss es schon ein sehr professioneller Anfänger sein, der mit Storm-Linux zurecht kommen will.

Mit seiner neuen Distribution will der kanadische Newcomer Stormix sich ein Stück vom Linux-Kuchen sichern. Wie schon Corel hat Stormix das Adjektiv "einfach" ganz groß auf seine Marketingprospekte geschrieben. Besonders hebt Stormix die speziell entwickelten Administrations-Tools hervor, die dem Anwender bei der Arbeit mit dem System helfen sollen, damit "Sie das Erlebnis und nicht die Arbeit genießen können".

Storm Linux basiert auf der Debian-Distribution 2.1 und beinhaltet in der Standard-Version drei CDs. Auf der ersten CD findet sich das Basis-Betriebssystem mit dem Linux-Kernel 2.2.13. Diese CD lässt sich auch von der Hersteller-Website als 500 MByte großes ISO-Image downloaden. Auf der zweiten CD finden sich die Sourcecodes der mitgelieferten Tools. Die dritte CD bietet Office-Applikationen wie StarOffice 5.1 und eine Demoversion von Applixware 4.2.2.

Die Standardedition kostet knapp 50 Dollar und bringt neben den drei CDs ein 250-seitiges Handbuch sowie 30 Tage Telefonsupport und 120 Tage Support per E-Mail mit. Im Sommer dieses Jahres soll eine deutsche Variante der Storm-Distribution erscheinen.

Storm Linux beinhaltet Partition Magic in einer Light-Variante für Windows. Damit entfällt die umständliche Arbeit mit dem Linux-Partitionierungstool. Zudem lassen sich mit Partition Magic Festplatten-Partitionen ohne Datenverlust verkleinern, sodass der Anwender Platz für die Linux-Installation schaffen kann. Das ist auch notwendig, weil Storm Linux nicht die Möglichkeit bietet, parallel zu Windows auf einer FAT-Partition zu laufen.

Installation mit Tücken

Eine Linux-Distribution, die sich an Enduser ohne Linux-Erfahrung richtet, muss bereits bei der Installation alles für den Anwender tun, damit er mit dem neuen System klar kommt. Dieses Ziel hat Stormix verfehlt.

Die Storm-CD ist unter Windows 9x Autostart-fähig und bietet dem Benutzer gleich die Option an, zur Installationsvorbereitung Partition Magic zu starten. Das einzige Resultat ist jedoch ein überraschender Neustart des Systems. Windows-Anwender, die Linux neben Windows als zweites Betriebssystem installieren wollen, können Storm Linux also nur ausprobieren, wenn sie eine neue Festplatte einbauen oder ihr Windows löschen.

Um den Test fortzuführen, haben wir mittels einer Vollversion von Partition Magic die beiden notwendigen Linux-Partitionen (ext2 und swap) erzeugt. Nach dem Neustart von der bootfähigen CD-ROM bietet Storm Linux dem Anwender die Auswahl zwischen einem grafischen und einem textbasierten Setup. Inhaltlich sind beide Varianten identisch.

Im nächsten Schritt erkennt Storm Linux die vorhandene Hardware und zeigt sie dem Benutzer an - Einflussmöglichkeiten hat der Anwender jedoch nicht. Auf unserem Testsystem mit Celeron 400, TNT2-Grafikkarte und Standard-440BX-Motherboard klappte die Erkennung jedoch einwandfrei.

X-Server einrichten

Bei der Einrichtung des Grafikkartentreibers für den X-Server kommt Storm Linux, zumindest bei unserer Diamond Viper V770, nicht mit 24-Bit-Farbtiefe klar. Erst bei der Einstellung Hi-Color erscheint das angekündigte Testbild auf dem Monitor und die Einrichtung des X-Servers gelingt. Tiefer gehende Einflussmöglichkeiten, wie etwa die manuelle Angabe der horizontalen und vertikalen Frequenzen des Monitors sind nicht vorgesehen. Das ist ungünstig, wenn der eigene Monitor nicht in der Liste unterstützter Hardware auftaucht. In diesem Fall hilft nur die Auswahl eines generischen Monitors und die spätere Einrichtung per Hand.

Auch wenn Storm Linux die Grafikkarte nicht erkennt, kommt der Benutzer in Schwierigkeiten, denn die Installationsroutine gewährt auch für diesen Fall keine ausreichende Hilfestellung. Zumindest der Hinweis auf den generischen VGA-Treiber wäre hilfreich. Dieser Eintrag ist zwar vorhanden, allerdings erst sehr spät in der Liste und damit leicht zu übersehen.

Ein weiteres Problem ergibt sich mit dem automatisch installierten Programm GPM. Dieses Tool ermöglicht Cut&Paste per Maus in der normalen Kommando-Shell. Es verträgt sich jedoch nicht mit dem X-Server: Ist GPM aktiv, streikt die Maus unter X-Windows.

Festplatte vorbereiten

Die Auswahl der Zielpartition erfolgt abhängig davon, ob die beiden Linux-Partitionen bereits vorbereitet sind oder nicht. Ist das nicht der Fall, kann der Anwender zwischen Express und Custom auswählen.

Die Express-Variante löscht gnadenlos die Partitionen der ersten Festplatte und somit die darauf befindlichen Daten. Dann richtet sie die beiden für den Linux-Betrieb benötigten Partitionen ein; eine Swap-Partition für den Auslagerungsspeicher und die eigentliche Installationspartition.

Wählt der Anwender Custom, so muss er selbst die beiden Partitionen erstellen, indem er freien Platz zuweist oder zunächst eine Partition löscht. Die dafür vorgesehene Oberfläche ist wenig komfortabel und schon gar nicht intuitiv bedienbar. Linux-Unkundige werden sich zudem mit den Linux-typischen Bezeichnungen für Festplatten und Partitionen schwer tun. Zum Glück erklärt die Onlinehilfe, dass /dev/hda die erste IDE-Festplatte ist und /dev/hda1 die erste primäre Partition darauf. Jetzt muss der Windows-Benutzer nur noch auf den Trichter kommen, dass damit im Allgemeinen Laufwerk C: gemeint ist. Hier hätte man dem Linux-Einsteiger deutlich mehr unter die Arme greifen können, zumal die mitgelieferte Version von Partition Magic auf keinem der Testrechner lief. Und Linux-Profis kommen mit der Kommandozeilen-Version des Linux-Festplatten-Tools deutlich schneller voran als mit dieser halbgaren grafischen Variante.

Abschließende Konfiguration

Danach sind noch einige allgemeine Einstellungen wie TCP/IP und Zeitzone vorzunehmen. Bei der Netzwerk-Konfiguration hilft Storm-Linux jedoch lediglich bei Netzwerk-Karten. PPP-Verbindungen per Modem oder ISDN müssen später per Hand konfiguriert werden.

Zu guter Letzt kann der Anwender die zu installierenden Pakete auswählen. Allerdings bietet Storm Linux nur einige Basispakete in den Kategorien Development, Internet Clients, Services, Games und Graphics an. Die anderen Pakete müssen später über den Package Manager installiert beziehungsweise gelöscht werden. Der ist nicht nur komfortabler, er zeigt auch die Paketgrößen mit an und löst Abhängigkeiten und Konflikte zwischen einzelnen Paketen auf.

Die Paketauswahl während der Installation ist dagegen unübersichtlich und kaum zu durchschauen. So wird nicht deutlich, welche Pakete ausgewählt sind, wie viel Platz sie beanspruchen oder wie wichtig sie für das System sind. Hinter dem Button Details findet sich lediglich eine kurze Liste mit einzelnen Programmen in der jeweiligen Kategorie. Auch hier fehlen jegliche Informationen über Größe und Abhängigkeiten.

Böse Überaschung beim Systemstart

Nach dem Neustart des Systems die erste böse Überraschung: Anstatt des angekündigten grafischen Bootmanagers erscheint nur eine sinnlose Folge von Nullen und Einsen - scheinbar ist mit der Installation des Lilo-Bootmanagers etwas schief gelaufen. Das Hilfeforum auf der Stormix-Website gibt zu dem Thema keine Informationen. Stormix agiert in diesem Punkt ohnehin nach dem Motto: User helfen Usern. Es gibt einige Newsgruppen, Mailing-Listen und eine sehr kurze FAQ.

Über den Umweg Boot-CD-ROM und manuelle Angabe der Installations-Partition lässt sich Storm Linux dann aber doch noch starten. Was sich allerdings - auch nach Wiederherstellung des Master Boot Records - nicht mehr starten ließ, war das ebenfalls auf unserem Testrechner installierte Windows 2000. Auch auf einem zweiten Rechner verweigerte Windows 2000 nach der Installation von Storm Linux seinen Dienst.

Um das Problem weiter einzugrenzen, installieren wir Storm Linux zusätzlich unter VMware. Hier erscheint zwar der grafische Bootmanager einwandfrei, aber booten lässt sich Storm Linux auch hier nur mittels des beschriebenen Umwegs.

Storm Administrations-Tools

Stormix liefert mit seiner Distribution zwei eigene Tools aus. Das Storm Administration System (SAS) soll bei der Konfiguration und Verwaltung des Linux-Systems behilflich sein. Allerdings beschränkt sich die Funktionalität des SAS auf einen Benutzermanager, über den sich die Linux-Benutzer verwalten lassen, ein Tool zur Konfiguration von DFÜ-Netzwerkverbindungen und ein Modul zur Konfiguration der normalen Netzwerkeinstellungen wie IP-Adresse, DNS-Server oder Gateway. Entsprechende Tools sind schon zur Genüge kostenfrei im Netz verfügbar und teilweise sogar in der Storm-Distribution enthalten. Beispielsweise der KDE-Benutzermanager, der um einiges komfortabler ist, als die Stormix-Lösung.

Andere Tools zur zentralen Linux-Konfiguration finden Sie im Artikel über Linux als Windows-Server.

Immerhin ist SAS erweiterbar, sodass zusätzliche Module problemlos eingebunden werden können. In der derzeitigen Ausbaustufe ist SAS jedoch kaum zu gebrauchen.

Storm Package Manager

Die Installation und Verwaltung der verfügbaren Programmpakete erfolgt zentral über den Storm Package Manager (SPM). Das Tool überprüft für jedes Paket, von welchen anderen Paketen es abhängt oder mit welchen es nicht kompatibel ist. Die Auswahl der Pakete erfolgt dabei komfortabel über eine grafische Oberfläche. Durch eine intelligente Baumstruktur wird sofort deutlich, welche Pakete wichtig sind und welche lediglich Zubehör. Über Filter lassen sich gezielt bestimmte Pakete nach Namen oder Beschreibung heraussuchen. Dabei zeigt der Manager eine ausführliche Beschreibung an und die Abhängigkeiten zu oder von anderen Paketen.

Soll ein neues Paket installiert werden, genügt ein Doppelklick und der Package Manager öffnet ein neues Fenster, in dem er Abhängigkeiten oder Konflikte zu anderen Paketen anzeigt. Wenn alle Schwierigkeiten behoben sind, kann die eigentliche Installation beginnen.

Über die Update-Funktion holt der SPM sich Informationen über neue oder aktualisierte Pakete vom Stormix-Server. Bei unseren Tests gab es keine Engpässe auf dem Server, sodass die Aktualisierung zügig vonstatten ging.

Allerdings ist auch beim Kronjuwel der Storm-Distribution Kritik anzubringen: Per Default holt er sich die zu installierenden Pakete vom Stormix-FTP-Server. Will man die Pakete von der CD installieren, muss man das zunächst per Hand im Manager eintragen.

Fazit

Stormix muss sich dieselbe Kritik gefallen lassen, wie bereits Corel. Will man Linux auf dem Desktop propagieren und damit auch den Enduser ansprechen, muss man mehr leisten, als eine Standard-Distribution um ein oder zwei eigene Tools zu erweitern. Betrachtet man den Installations-Verlauf und Storm-Linux im Betrieb, stellt sich die Frage, ob Stormix das Produkt überhaupt an Endusern getestet hat. Zumal auch Profis eine besser funktionierende Installationsroutine erwarten. Zumindest eine, die auch Rücksicht auf bereits installierte Betriebssysteme nimmt.

Ein großes Lob verdient der Storm Package Manager, der dem Benutzer bei der Installation oder De-Installation von Programmpaketen jegliche Hilfestellung zukommen lässt. Hier kann man fast nichts mehr falsch machen. Auch die auf den drei CDs mitgelieferten Pakete können sich sehen lassen. Allerdings wäre etwas mehr Ordnung angebracht, beispielsweise durch eine weitgehende Sortierung der Pakete nach Kategorien.

Im Großen und Ganzen handelt es sich bei Storm-Linux um eine nette Distribution, die, wenn es denn sauber installiert ist, den Anforderungen von erfahrenen Linux-Benutzern gerecht wird. Ob der Preis von knapp 100 Mark gerechtfertigt ist, bleibt fraglich. (mha)

Storm Linux

Hersteller

Stormix

Preis

knapp 50 US-Dollar

Lieferumfang

Drei CDs, Handbuch mit 250 Seiten, 30 Tage telefonischer Support, 120 E-Mail-Support

Download

als ISO-Image mit 500 MByte

Vertrieb

Ab Mitte 2000 auch in Deutschland. Preise steht noch nicht fest.