Test: Neuer ATI Radeon HD 2900 XT mit Performance-Problemen

14.05.2007 von Bernhard Haluschak
Mit der Vorstellung der neuen Chipsatzgeneration entfacht die Grafikchip-Schmiede ATI den Kampf um die 3D-Vorherrschaft aufs Neue. Die HD-2000-Serie besticht durch technische Innovationen. Doch ob das High-End-Modell Radeon HD 2900 XT die Konkurrenz von NVIDIA schlagen kann, zeigt unser Test.

Nach der Übernahme von ATI durch AMD im Juli 2006 präsentiert der amerikanische Prozessorhersteller jetzt seine erste neue Grafikchip-Familie. Unter dem Namen ATI Radeon HD 2000 will AMD den Rivalen NVIDIA in die Knie zwingen. ATIs letzte Kampfansage an NVIDIA mit noch eigen entwickelten Grafikchips war der X1900 im Januar 2006.

Die Speerspitze der neuen Radeon-HD-Familie bildet das 2900er-Modell. Dabei steht HD für „High Definition“ und soll besonders die Fähigkeit unterstreichen, Videos und Spiele sowie Audioquellen mit der höchstmöglichen Qualität wiederzugeben. Zusätzlich soll mit Shader-Model-4.0-Unterstützung und DirectX-10-Support die Grafikqualität gegenüber dem Vorgänger deutlich verbessert werden. Dafür sollen insgesamt 700 Millionen Transistoren sorgen, die etwa 215 Watt an elektrischer Leistung unter Volllast benötigen.

Der Testkandidat: Die Referenzkarte von ATI ist mit dem Radeon HD 2900 XT bestückt – das ist zurzeit das schnellste Modell des kanadischen Grafikchip-Herstellers.

Zusammen mit dem Radeon HD 2900 stellt ATI auch die Modelle Radeon HD 2600 und Radeon HD 2400 vor. In diesem Artikel zeigen wir anhand einiger wichtiger Benchmarks exemplarisch die 3D-Leistungsfähigkeit der neuen Grafikchip-Generation. Darüber hinaus erklären wir, welche technischen Neuerungen AMD/ATI in seinen neuen Grafikchips einsetzt und zeigen die Unterschiede der einzelnen Grafikchip-Modelle.

Chiparchitektur

Für die neuartige Chiparchitektur des ATI Radeon HD 2900 XT, Codename R600, musste der Hersteller insgesamt 700 Millionen Transistoren verbauen. Dagegen kommt der GeForce 8800 GTX mit nur 681 Millionen Transistoren aus, und der Radeon X1950 XTX begnügt sich mit 384 Millionen. Den Radeon HD 2900 XT lässt ATI in 80-nm-Technik bei TSMC fertigen. Die anderen Modelle wie 2600 und 2400 werden bereits in einer stromsparenden 45-nm-Technologie hergestellt.

Komplexe Technologie: Im Inneren des Radeon HD 2900 XT werkelt eine komplizierte Grafikchiparchitektur, um eine hohe 3D-Performance und Bildqualität zu erzeugen. (Quelle: ATI)

Für die nötige 3D-Performance sollen 320 so genannte Stream-Prozessoren sorgen. Den Core-Antrieb taktet der Hersteller mit 740 MHz. Die Speichereinheit, bestehend aus 512 MByte GDDR3-Memory, wird mit 825 MHz (1650 MHz DDR) betrieben.

Neue Wege: ATIs überarbeitetes 512 Bit breite Ringbus-Speicherinterface soll für genügend Speicherbandbreite auch bei anspruchsvollen 3D-Szenen garantieren. (Quelle: ATI)

Der Radeon HD 2900 XT verfügt über einen 512 Bit breiten neuartigen Ringspeicherbus und unterstützt GDDR3-Speichertechnologie. Mit einer effektiven Taktfrequenz von 1650 MHz erreicht der Grafikchip eine theoretische Speicherbandbreite von 106 GByte/s (Basis 1000).

Power-Anschluss gesucht: Um eine ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten, müssen bei der Grafikkarte mit dem Radeon HD 2900 XT gleich zwei Stromstecker angeschlossen werden.

Laut ATI benötigt eine Grafikkarte mit dem Topmodell Radeon HD 2900 XT unter „Worst-Case-Bedingungen“ eine elektrische Leistung von zirka 215 Watt. Um diesen Leistungshunger zu decken, stattete der Hersteller das Referenzdesign der Grafikkarte mit einem sechs- und einem achtpoligen Stromversorgungsstecker aus.

Weitere Details

Eine wirkliche Neuerung der neuen Grafikchipgeneration ist der serienmäßig im Chip integrierte 5.1-Mehrkanalton. Ein externes Audiomodul wie bei der Konkurrenz wird nicht mehr benötigt. Die Audioausgabe erfolgt direkt über die DVI-Schnittstelle an einen DVI-HDMI-Adapter und weiter an ein entsprechendes Endgerät. Unterstützt werden 32-, 44,1- und 48 kHz-PCM-Stereo-Signale sowie Dolby Digital, AC3 (5.1) und DTS. Darüber hinaus beschleunigt der Grafikchip das Dekomprimieren von HD-Videos im MPEG-2-, VC-1-, H.264/AVC- Format in Hardware, um die System-CPU zu entlasten.

Neben einer verbesserten Audio-Verarbeitung hat ATI auch in punkto Bildqualität und Performance einige Überarbeitungen vorgenommen und neue Features eingeführt. Dazu zählen die verbesserte Textureinheit, eine neue programmierbare Tessellations-Einheit, höhere Geometrie-Performance sowie mit 24x Custom Filter Anti-Aliasing (CFAA) die nächste Generation der Ant-Aliasing-Funktionlität.

HD-Wiedergabe: Für eine Video- und Audioausgabe in höchster Qualität an externen HDMI-Geräten sorgt ein im Lieferumfang enthaltener HDMI-Adapter.

Als Anschlüsse bietet der Proband zwei Dual-Link-DVI-I-Anschlüsse sowie eine Video-in-/Video-out-Buchse. Zusätzlich wird ein HDMI-Adapter für entsprechend hochauflösende HD-Bildschirme mitgeliefert.

Rückansicht: Die High-End-Grafikkarte mit dem Radeon HD 2900 XT benötigt aufgrund der hohen elektrischen Leistungsaufnahme auch auf der Rückseite Kühlbleche. Darüber hinaus erhöhen diese die mechanische Stabilität.

Der Grafikbolide Radeon HD 2900 XT wiegt zirka 940 Gramm, ist 24 Zentimeter lang und belegt zwei Slots. Entsprechend der enormen elektrischen Leistungsaufnahme von 215 Watt (laut Hersteller) ist die Geräuschkulisse bei unserem Testkandidaten extrem hoch.

ATIs Radeon-2000-Serie im Vergleich

ATI bietet die neuen Modelle aus der Radeon–HD-2000-Serie in drei Varianten an. Das sind der Radeon HD 2400, die Radeon HD 2600 und der Radeon HD 2900. Für das Einsteigersegment ist der 2400er-Grafikchip konzipiert. Diese bietet genügend 3D-Leistung für gelegentliche Spieler und Video-Genuss. Der geplante Verkaufspreis von Grafikkarten mit dem Radeon-HD-2400-Chip in den Versionen XT und Pro soll laut ATI unter 100 Euro liegen.

Der Mittelklassebereich soll mit den Radeon-HD-2600-Chips abgedeckt werden. Die Versionen XT / Pro liefern gute 3D-Performance in der Preispanne von 200 bis 100 Euro. Für das Ultimative 3D-Vergnügen in hohen Auflösungen und Bildqualität hat ATI den Radeon HD 2900 XT vorgesehen. Für dieses High-End-Modell muss der Käufer etwa 400 Euro zahlen.

In der folgenden Tabelle erhalten Sie eine Übersicht über die technischen Unterschiede zwischen dem Radeon HD 2400, dem Radeon HD 2600 und dem Radeon HD 2900.

Radeon HD 2400, Radeon HD 2600 und Radeon HD 2900 im Detailvergleich

Grafikchip

ATI Radeon HD 2400 Pro/XT

ATI Radeon HD 2600 Pro/XT

ATI Radeon HD 2900 XT

Transistoren (Millionen)

180

390

700

Fertigungstechnologie

65G+ (65 nm)

65G+ (65 nm)

80HS (80 nm)

Streaming-Prozessoren

40

120

320

Textur-Einheiten

4

8

16

Render-Endstufen

4

4

16

Chiptakt (MHz)

525 – 700 MHz

600 – 800 MHz

740 MHz

Speichertakt (MHz)

400 – 800

400 – 1100

825

Speicherausbau (MByte)

256 GDDR3, 128/256 DDR2

256 GDDR4, 256 GDDR3, 256 GDDR2

512 GDDR3

Speicher-Interface

64 Bit

128 Bit

512

Speicherbandbreite (GByte/s)

6,5 – 12,8

12,8 – 35,2

106

Pixel-Rate (GPixel/s)

4,2 – 5,6

14,4 – 19,2

47,5

Direct 3D

10

10

10

Shader-Modell

4.0

4.0

4.0

Open GL

2.0

2.0

2.0

Leistungsaufnahme (Watt)

25

45

215

zirka Kartenpreis (Euro)

< 99

99 – 199

399

In der folgenden Tabelle erhalten Sie eine Übersicht über die technischen Unterschiede zwischen dem NVIDIA GeForce 8800 GTX und dem 8800 GTS.

GeForce 8800 GTX und GeForce 8800 GTS im Detailvergleich

Grafikchip

GeForce 8800 GTX

GeForce 8800 GTS

Codename

G80

G80

Transistoren

681 Millionen

681 Millionen

Streaming-Prozessoren

128

96

Shader-Einheiten

8 x 4

6 x 4

Raster Operation Units (ROPs)

24

20

Chiptakt (MHz)

575

500

Shader-Takt (MHz)

1350

1200

Speichertakt (MHz)

900

800

Speicherausbau (MByte)

768

640

Speicher-Interface

384 Bit (6 x 64)

320 Bit (5 x 64)

Speicherbandbreite (GByte/s)

86,4

64,0

Texturfüllrate (GByte/s)

36,8

24,0

Direct 3D

10

10

Shader-Modell

4.0

4.0

Open GL

2.0

2.0

zirka Kartenpreis (Euro)

500 - 600

280 - 340

Benchmark-Vorbetrachtung

Alle Grafikchips testen wir unter Windows XP inklusive SP2 und DirectX 9.0c. Wir verwenden aktuelle 3D-Benchmarks. Als Ansteuerung für die bisherigen ATI-Radeon- und NVIDIA-GeForce-Karten kommen die zurzeit aktuellsten ForceWare- beziehungsweise Catalyst-Treiber zum Zuge. Für den neuen Grafikchip Radeon HD 2900 von ATI verwendeten wir den Referenztreiber vom 11.05.2007. Es handelt sich hierbei um einen Beta-Treiber, der noch nicht offiziell freigegeben wurde. Als Grafikkarte für den Radeon HD 2900 XT kommt die Referenzkarte von ATI zum Einsatz.

Die Benchmark-Ergebnisse der Grafikchips NVIDIA GeForce 8800 GTX und GeForce 8800 GTS sowie ATI Radeon X1950 XTX stellen wir auf den folgenden Seiten grafisch gegenüber. Als Testsystem kommt das ASUS-Mainboard P5B-E Plus zum Einsatz. Bestückt ist das Board mit einem Core-2-XE-X6800-Prozessor von Intel und mit 2 x 1024 MByte DDR2-Speichermodulen der Firma Corsair. Als Storage-System dienen zwei 150-GByte-Festplatten mit 10.000 U/min von Western Digital (WD Raptor WD1500ADFD).

Mehr Details, Benchmarks und spielebezogene Messungen zum ATI Radeon HD 2900 XT finden Sie auf den Homepages unserer Schwesterzeitschrift PC-Welt.

3DMark06

Futuremarks 3DMark06 bietet verbesserte Testabläufe für Shader Model 2 und High Dynamic Range (HDR) Shader Model 3 sowie neue Benchmark-Routinen für Prozessoren. Damit soll der Benchmark laut Hersteller zukunftssicher sein und grafische Strukturen abtesten, die sich erst in zwei Jahren tatsächlich in Spielen wieder finden werden. Insgesamt besteht der Benchmark aus zwei CPU- und vier Grafiktests. Daraus errechnet sich die Gesamtpunktzahl, die Auskunft über die Spiel-Performance des Rechners gibt.

Kopf an Kopf: Der Radeon HD 2900 XT liegt etwa gleichauf mit dem GeForce 8800 GTX. Der GeForce 8800 GTS fehlen etwa 2000 Punkte auf den Erstplazierten – das ist eine Differenz von zirka 19 Prozent.
Dicht auf den Fersen: In der 1600er-Auflösung kann der Radeon HD 2900 XT den Anschluss zum GeForce 8800 GTX noch halten. Der GeForce 8800 GTS hat gegenüber dem ATI-HD-Modell keine Chance. Der Abstand beträgt etwa 19 Prozent.
Klassengesellschaft: In der 2560er-Auflösung setzt sich der GeForce 8800 GTX mit einem deutlichen Vorsprung vom Verfolgerfeld ab. Der Radeon HD 2900 XT belegt mit einer Differenz von 17 Prozent zum GeForce 8800 GTS den zweiten Platz.

Splinter Cell 3

Splinter Cell 3 von Ubisoft ist ein DirectX9-Benchmark mit Smart-Model-3.0-Unterstützung. Das Programm bietet komplexe Licht- und Schatteneffekte sowie große Texturen. Besonders bei hohen Auflösungen und Farbtiefen wird die Hardware stark belastet. Das Spiel profitiert vor allem von der Performance der eingesetzten Grafikhardware.

Überlegen: Der Radeon HD 2900 XT ist dem GeForce 8800 GTS mit einer Differenz von 24 Prozent deutlich überlegen.
GeForce 8800 GTX knapp vorne: In der 1600er-Auflösung kann der ATI-Neuling den Verfolger GeForce 8800 GTS mit großen Vorsprung hinter sich lassen und dem GTX-Modell dicht im Nacken bleiben.

F.E.A.R.

F.E.A.R. setzt ganz auf DirectX9. Dieses 3D-Spiel zeichnet sich durch komplexe Szenarien aus. Die Anforderungen an die Hardware und besonders an die Speicherbandbreite der Grafikkarten sind bei Auflösungen ab 1024 x 768 Punkten und mit maximalen Detaileinstellungen sehr hoch.

Abgehängt: Gegen den Radeon HD 2900 XT hat der GeForce 8800 GTS das Nachsehen.
Überholt: In der 1600er-Auflösung schwächelt der Radeon HD 2900 XT und wird vom Konkurrenten GeForce 8800 GTS knapp geschlagen. Der Spitzenplatz geht an die GeForce 8800 GTX.

Leistungsaufnahme und Lautstärke

Um Rückschlüsse auf die elektrische Leistungsaufnahme der Grafikkarten zu ziehen, messen wir die Leistungsaufnahme unseres gesamten Testrechners mit einem handelsüblichen Messgerät.

Last: Im Arbeitseinsatz benötigt der GeForce 8800 GTX / GTS etwa 70 beziehungsweise 30 Watt weniger elektrischer Leistung als der Neuling Radeon HD 2900 XT.
Leerlauf: Im Ruhezustand (Desktopmodus) verbrauchen die Highend-Varianten von ATI und Nvidia zirka gleich viel elektrischer Leistung.

Das aktive Kühlsystem der ATI-Grafikkarte mit dem Radeon HD 2900 XT arbeitet mit einem temperaturgesteuerten Lüfter. Dieser ist im Leerlauf akustisch kaum wahrnehmbar. Allerdings entpuppt sich der Lüfter unter Last als ein Wolf im Schafspelz. Die extrem laute und störende Geräuschkulisse der Luftkühlung erreicht einen Schalldruckpegel von 51, 2 dB (A) und eine Lautheit von 7,3 Sone. Dagegen erreichen die NVIDIA-8800-Modelle eine kaum hörbare Lautstärke von etwa 30 dB (A) beziehungsweise weniger als 1,0 Sone.

Fazit

Der High-End-Grafikchip ATI Radeon HD 2900 XT kann in puncto 3D-Performance nicht überzeugen. Er erreicht in den meisten Benchmarks nicht das Niveau eines GeForce 8800 GTX. Je nach Anwendung kann er allenfalls den GeForce 8800GTS in Sachen 3D-Performance in Bedrängnis bringen.

Dafür strotzt die neue Chiparchitektur mit Superlativen wie 700 Millionen Transistoren HD-Audio und Videowiedergabe. Zusätzlich sorgen insgesamt 320-Stream-Prozessoren für die korrekte 3D-Verarbeitung und -Wiedergabe. Technologisch gesehen ist der Radeon HD 2900 XT somit „State of the Art“.

Die Schattenseiten des Radeon-HD-2900-XT-Modells sind eine hohe elektrische Leistungsaufnahme und die damit verbundene aktive Kühlung. Diese fällt besonders durch die hohe Lautstärke negativ auf.

Erste Grafikkarten mit dem Radeon HD 2900 XT gibt es ab sofort im Fachhandel. Der Preis liegt bei etwa 399 Euro. Weitere Karten mit abgespeckten Versionen wie Radeon HD 2600 XT/Pro und HD 2400 XT/Pro sollen Ende Juni folgen. (hal)