Test: Microsoft Internet Explorer 6 Beta

25.01.2001 von Jörg Luther
Die aktuelle Whistler-Beta bringt auch eine Vorabversion des IE 6 mit. Wir haben die neuen Fähigkeiten des Browsers unter die Lupe genommen und erste Performancetests durchgeführt - mit überraschendem Ergebnis.

Der im Juli 2000 veröffentlichte Internet Explorer 5.5 löste in der PC-Gemeinde sowohl Überraschung als auch Enttäuschung aus. Enttäuschung, weil die neue Version im Gegensatz zu üblichen MS-Releases völlig auf optische Kapriolen verzichtete und den größeren Kick beim Surfen vermissen ließ. Überraschung andererseits, weil der IE 5.5 stattdessen mit sinnvollen Verbesserungen im Detail, einer überzeugenden Performance und sauber implementiertem Support für Webstandards aufwartete.

Entsprechend groß ist die Spannung, mit der die Windows-Gemeinde den Nachfolger des derzeit aktuellen Microsoft-Browsers erwartet. Bringt er aufregende neue Funktionen, eine schickere Optik, vielleicht sogar individuell konfigurierbare Skins? Oder bleibt es wie beim Vorgänger bei Verbesserungen im Detail? Die aktuelle Windows Whistler Beta (Build 2416) erlaubt einen ersten Einblick, in welche Richtung es gehen wird. Mit ihr erscheint eine erste Vorversion des Internet Explorer 6, die tecChannel.de für Sie eingehend unter die Lupe genommen hat.

Oberfläche

Verzichtet man auf Whistlers poppiges Watercolor-Interface und wählt stattdessen die Windows-Classic-Variante, dann fällt am neuen Browser auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches auf. Die Symbol- und Statusleisten bieten das gewohnte Bild und den bekannten Leistungsumfang. Erst bei genauerem Hinsehen sticht die am linken Fensterrand platzierte Explorerleiste ins Auge, die in der neuen Version von einigen Icons geziert wird.

Schon seit IE 5 präsentiert der Explorer an dieser Stelle Zusatzfunktionen wie eine Suchfunktion, die Browser-Historie und einen direkten Zugriff auf die Favoriten. Dieses Konzept hat Microsoft in der neuen Version nicht nur wesentlich ausgebaut, sondern zudem auch deutlich bedienerfreundlicher gestaltet.

Explorerleiste

An Funktionsvorgaben für die neue Explorerleiste bietet der IE 6 Beta ein Suchfenster sowie den Direktzugriff auf Windows Media Player, E-Mail- und Online-Kontaktliste, Favoriten, Verlauf und einen Verzeichnisbaum. Zwischen den einzelnen Funktionen muss nicht mehr umständlich per Menü gewechselt werden - ein Klick auf das entsprechende Icon genügt.

Multimedia-Freaks werden die direkte Einbindung des Windows Media Player in die Explorerleiste schätzen. Von hier aus können sie direkt auf lokal gespeicherte Musikdateien, Online-Radiostationen oder Kino-Sites zugreifen. Ganz ausgereift zeigt sich die Implementation allerdings noch nicht. Auf Funktionen wie das Vor- oder Zurückspulen von Filmtracks mussten wir beim Test noch verzichten.

Über ein Konfigurationsmenü sind weitere Add-ons in die Explorerleiste einzubinden. Zum Teil können diese direkt aus dem Internet geladen werden, für einzelne andere Zusatzfunktionen müssen Plug-ins installiert werden. Manche Features funktionieren bereits in der Betaversion, wie etwa der Zugriff auf die MSNBC-News-Site. Andere dagegen harren offensichtlich noch der Implementierung: etwa ein Cookie-Tracker zur Verfolgung lästiger Web-Codefragmente oder die Link List, die alle auf einer Page enthaltenen Verknüpfungen auflisten soll.

Privacy-Funktion

Microsoft hat an den bislang schon integrierten Security- und Privacy-Funktionen keinen Deut geändert. Die Möglichkeit zur Erstellung eigener Sicherheitszonen bleibt also weiterhin außen vor. Auch auf eine detaillierte Cookie-Behandlung haben die Redmonder für die IE 6 Beta verzichtet. Dafür bringt der Browser ein gänzlich neues Feature mit: Er unterstützt offensichtlich den P3P-Standard (Platform for Privacy Preferences Project) des W3C.

Die Idee dahinter: Websites definieren über ein XML-basiertes Format, wie sie mit den persönlichen Daten eines Surfers umzugehen gedenken. Der Anwender wiederum legt mit Hilfe seines Browsers fest, wie freizügig er seine Privatinformationen im Netz der Netze verteilen möchte. Der automatische Abgleich dieser Eckwerte während des Surfens soll sicherstellen, dass keine allzu vertraulichen Daten des Benutzers an zwielichtige Websites übertragen werden.

IE 6 Beta bietet dazu im Privacy-Tab der Browsereinstellungen einige Settings an. Man kann die Übertragung persönlicher Daten und Cookies ganz unterbinden, an den P3P-Vorgaben orientieren oder generell erlauben. Auch den Import vordefinierter P3P-Settings erlaubt der IE 6 Beta, ein entsprechender Editor für die Einstellungen fehlt jedoch. Wie ein solcher aussehen könnte, demonstrierte Microsoft bislang lediglich auf diversen W3C-Tagungen.

Neue Features

Die Detailverbesserungen im Internet Explorer 6 Beta halten sich in recht engen Grenzen und betreffen fast ausschließlich die Usability. So kann man jetzt über eine neue Setup-Option Links aus externen Programmen stets in einem neuen statt dem zuletzt genutzten Browserfenster öffnen.

Daneben hat Microsoft auch die Optionen im Umgang mit Bildern in Webseiten erweitert und verbessert. Ließen sich Images bislang nur speichern oder als Hintergrundbild verwenden, kann man sie jetzt auch direkt ausdrucken oder per E-Mail verschicken. In letzterem Fall komprimiert der Explorer die Bilder sogar optional. Zudem sind die Funktionen statt auf dem Umweg über das Kontextmenü jetzt auch direkt zu erreichen. IE 6 Beta blendet dazu über Bildern ein eigenes Popup ein.

Auch für kontaktfreudige Zeitgenossen hält der IE 6 Beta ein neues Feature bereit: Der MSN Messenger wurde direkt mit dem Browser verknüpft. Auf der Explorerleiste findet sich unter dem Icon Kontakte eine Auflistung aller Chat-Buddys samt deren momentanem Onlinestatus. Ein Mausklick genügt, und schon kann der Plausch starten. Auf dieselbe Weise ist auch der Versand einer E-Mail an Freunde, die offline sind, anzustoßen.

Weitere Funktionen

Damit erschöpfen sich die funktionellen Neuerungen des IE 6 Beta auch schon - jedenfalls die optisch augenfälligen. Darüber hinaus bleibt alles beim Alten, auch wenn sich einige Zusatzprogramme mit neuer Versionsnummer präsentieren. Dies gilt speziell für den E-Mail-Client, der sich in der Beta als Outlook Express 6 meldet. Dieses Programm arbeitet jetzt mit dem MSN-Messenger zusammen und zeigt sowohl E-Mail- als auch Chat-Kontakte an.

Beschränkten sich die Verbesserungen der neuen IE-Version allerdings auf derartige Gimmicks, wäre Microsofts Browser-Beta kaum einen zweiten Blick wert. Die eigentlichen Vorzüge des Internet Explorer 6 Beta fallen jedoch in die Rubrik "innere Werte": Unter der gewohnten Oberfläche verborgen, liefert die offensichtlich überarbeitete Engine des Browsers eine bessere Kompatibilität zu den Webstandards HTML 4.0, CSS1 und XML.

Performance

Die performante Rendering Engine des Internet Explorer 6 Beta beeindruckt vor allen Dingen im Vergleich zum direkten Widersacher Netscape 6. Der IE 6 Beta baut die angeforderten Seiten laut Benchmark um ein vielfaches schneller auf als sein Konkurrent. Ähnliches gilt für den inzwischen ebenfalls kostenlos zu habenden Rivalen Opera 5.02. Im Vergleich mit Netscape fällt der Unterschied hier allerdings weniger dramatisch aus. Gegenüber dem Vorgänger IE 5.5 kann die 6er-Variante nochmals an Geschwindigkeit zulegen. Angesichts des verbesserten HTML/CSS-Supports wundert das umso mehr.

Browser-Performance im Vergleich

IE 6 Beta

IE 5.5

NS 6

Opera 5.02

Werte ermittelt mit Ziff Davis Inc. i-Bench v2.0. Bei Caffeine Mark 3.0 bedeuten höhere Werte auch höhere Geschwindigkeit.

HTML, first iteration (downloaded)

15,9 s

16,5 s

87,9 s

22,4 s

XML/CSS, first iteration (downloaded)

1,7 s

2,3 s

3,6 s

1,0 s

Javascript

10,5 s

8,3 s

26,0 s

70,5 s

Java VM

24,3 s

25,3 s

32,1 s

33,5 s

Caffeine Mark 3.0

6998

6564

3171

3120

Kompatibilität zu Webstandards

HTML 4.0 unterstützt der IE 6 Beta problemlos in nahezu allen Features. Lediglich die optische Auszeichnung einiger selten gebrauchter (ABBR, ACRONYM, Q) oder geradezu lästiger (BLINK) Tags hat Microsoft noch nicht ausgemerzt.

Andere Mängel dagegen sind jetzt beseitigt, wie beispielsweise die nicht ganz korrekte Ausrichtung der Marker in Ordered Lists oder die mangelhafte Darstellung verschiedenfarbiger Zellenrahmen in Tabellen. Das gilt auch für im IE 5.5 noch vorhandene Ausrutscher wie fehlende Unterstützung für Spaltengruppierung in Tabellen oder die Unterdrückung der Rubriktitel in hierarchischen Menüs. Von 133 in unserer Testsuite enthaltenen Prüfungen legte der Internet Explorer 6 Beta 128 korrekt ab. Lediglich bei fünf Test traten kleinere Unstimmigkeiten auf. Damit verbessert sich IE 6 Beta nicht nur deutlich gegenüber dem Vorgänger IE 5.5 (5 Versager, 7 kleinere Fehler), sondern hängt auch die Konkurrenz Netscape und Opera deutlich ab. Mehr dazu lesen Sie in unserem Browsertest.

Den CSS1-Standard unterstützt der IE 6 Beta praktisch komplett und in eingeschränktem Maße ist er auch CSS2-kompatibel. Hier bietet er zwar noch keine vollständige Darstellung aller Auszeichnungen, lässt sich aber andererseits beim Forward Compatible Parsing keinerlei Fehler mehr zu Schulden kommen. Auch in Sachen XML-Support glänzt der Browser durch eine saubere Aufbereitung und Darstellung der Seiten.

Fazit

Microsofts neuer Browser IE 6 befindet sich noch in der Betaphase, so dass alle getroffenen Aussagen natürlich mit Vorsicht zu genießen sind. Dem momentanen Eindruck nach zu urteilen, scheint Microsoft allerdings dieselbe Taktik zu verfolgen wie bei der Einführung des IE 5.5: Verzicht auf optische Kapriolen, stattdessen sinnvolle Verbesserungen im Detail. An einer überzeugenden Performance und sauber implementiertem Support für Webstandards mangelt es schon der Betaversion nicht.

Wer den "neuen Kick" beim Surfen sucht, der wird vom IE 6 voraussichtlich ebenso enttäuscht sein wie von seinem Vorgänger. Wer dagegen ein zuverlässiges und leistungsstarkes Arbeitspferd für den täglichen professionellen Einsatz braucht, kann dem Launch von Microsofts nächster Browserversion schon jetzt entgegenfiebern. Düstere Zeiten brechen dagegen für die Konkurrenz an - speziell für Netscape. Wenn die Release des neuen Internet Explorer halten kann, was die aktuelle Beta verspricht, dann hat Microsoft den Browserkrieg wohl endgültig gewonnen. Und diesmal nicht mit Hilfe seiner Marketingmaschine, sondern durch ein rundum überzeugendes und überlegenes Produkt. (jlu)

Testkonfiguration

Als Testsystem dient ein Celeron-400 mit 128 MByte Hauptspeicher unter Microsoft Windows Whistler Professional Beta (Build 2416). Alle Messwerte werden bei einer Auflösung von 800 mal 600 Pixel und 24 Bit Farbtiefe ermittelt.

Als Benchmark dient i-Bench Version 2.0 von Ziff Davis Media Inc.: Er stellt in ausführlichen Testreihen Performance, Fähigkeiten und Standard-Kompatibilität von Webbrowsern fest. Um Geschwindigkeitsunterschiede durch wechselnde Netzauslastung auszuschließen, installieren wir den Benchmark auf einem Server (Windows 2000, Build 2195, Service Pack 1) im lokalen Netz (100 mbit/s, switched). Die Leistungsfähigkeit unter Java messen wir zusätzlich mit dem CaffeineMark 3.0 von Pendragon Software. Die Kompatibilität zu CSS1 und CSS2 prüfen wir mit Hilfe der entsprechenden Testsuite des W3C.

Als Vergleichsdaten zur relativen Einordnung des Internet Explorer 6 Beta ermitteln wir auch die Messwerte für den Vorgänger Internet Explorer 5.5 und die direkten Konkurrenten Netscape 6 sowie Opera 5.02. Dazu installieren wir sowohl Netscape als auch Opera auf dem Whistler-Testrechner. Zur Messung der Vergleichswerte für Internet Explorer 5.5 setzen wir einen Rechner der selben Baureihe unter Windows NT 4.0 (Build 1381, Service Pack 6) ein.

Testkonfiguration

Komponente

Daten

Mainboard

Asus MEB-M

Sonstiges

Socket 370, BX-Chipsatz

Prozessor

Celeron-400

Sonstiges

66 MHz FSB

RAM

128 Mbyte SDRAM

Sonstiges

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Netzwerkkarte

3Com Fast Etherlink 3C905C-TX

Sonstiges

Treiber: v5.1.2416.1

Grafikkarte

Diamond Viper V770

Sonstiges

AGP, 32 MByte, Treiber: v5.12.01.0719

Festplatte

Western Digital WD102AA

Sonstiges

10,2 GByte UltraDMA/66

CD-ROM

Pioneer DVD-103

Sonstiges

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