Test: Microsoft Internet Explorer 5.5

13.07.2000 von Jörg Luther
Microsoft hat im Browser-Krieg wieder einmal die Nase vorn: Der neue Internet Explorer 5.5 steht zum Download parat. tecChannel hat getestet, ob sich der Umstieg lohnt.

Das Rennen ist entschieden: Während Netscape auch zwei Monate nach dem ursprünglich angepeilten Release-Termin des Netscape 6 außer der Preview nichts zu bieten hat, offeriert Microsoft jetzt den Internet Explorer 5.5 auf seiner Website zum Download. Freilich hat Microsoft sein jüngstes Kind auch nicht derart generalrenoviert, wie Netscape das mit dem Navigator plant. Wer also vom IE 5.5 ein schickes neues look and feel erwartet, wird enttäuscht: Außer ein paar eher kosmetischen Änderungen hat sich oberflächlich kaum etwas getan; die neuen Features verbergen sich weit unterhalb des User Interface.

Kosmetik hin, neue Features her - bei der Installation schlägt Microsoft wieder einmal in gewohntem Umfang zu: Gut 19 MByte Daten wandern für die "typische" Einrichtung übers Netz. Auf der Festplatte nimmt der Browser dann je nach Installationsvariante zwischen 29 und 90 MByte in Beschlag, Macromedia Shockwave Support und die Unterstützung für diverse nah- und fernöstliche Sprachen nicht eingerechnet.

Installation

Bei der Einrichtung lässt das webbasierte Setup des IE 5.5 dem Anwender die Wahl zwischen einer "typischen" oder "angepassten" Installation. Hier empfiehlt sich, die zweite Variante zu nutzen: Diese lässt alle Optionen offen - also auch die minimale, typische oder vollständige Einrichtung - und bietet daneben auch die Möglichkeit, das Installationsvolumen gezielt auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden. Dies betrifft speziell die Einrichtung von Zusatzprogrammen wie MSN Messenger Service, NetMeeting oder Outlook Express, die nicht jedermanns Anforderungen oder Geschmack entsprechen.

Das Aufspielen der Software über eine bereits vorhandene Internet-Explorer-Installation bereitet keinerlei Schwierigkeiten, der IE 5.5 übernimmt dabei die für die Vorgänger-Version getroffenen Browser-Einstellungen. Das Setup schließt mit dem Microsoft-üblichen Rechner-Neustart, der dem Browser erlaubt, seine Komponenten und Dienste im System bekannt zu machen.

Wichtige Neuerungen

Auf den ersten Blick gibt sich der Internet Explorer 5.5 betont unauffällig. Wer nach einer optischen Veränderung Ausschau hält, muss schon das Hilfemenü bemühen. Dort gibt der Browser nicht nur seine höhere Versionsnummer kund, sondern offenbart auch gleich eine wesentliche Verbesserung: Im Unterschied zu den Beta-Versionen, deren Encryption-Support noch bei 56-Bit-Keys endete, bietet die IE-5.5-Final nun auch Unterstützung für 128-Bit-Verschlüsselung.

Eine weitere Neuerung versteckt sich im Datei-Menü unter dem Punkt Seitenansicht: Microsoft hat dem Internet Explorer nun doch noch eine Druckvorschau-Funktion spendiert, wie man sie von Netscape seit Jahren kennt. Sie gehört zur rundum erneuerten Print-Engine des Browsers, die während des Beta-Stadiums für einige Schwierigkeiten sorgte.

Speziell bei Sites, die mit massivem CSS-Einsatz und absoluter Positionierung operieren, schickten die IE-5.5-Betas des öfteren einmal leere Seiten an den Drucker. Dieses Problem hat Microsoft offenbar inzwischen im Griff; zumindest gab sich der Browser während unseres Tests in dieser Hinsicht keinerlei Blöße.

Weitere neue Funktionen

Damit erschöpfen sich auch schon die - zumindest optisch augenfälligen - funktionellen Neuerungen des IE 5.5. Hie und da hat Microsoft noch einige Gimmicks eingebaut, die eher nice to have als wirklich lebensnotwendig sind. In der FTP-Ordneransicht beispielsweise präsentiert der Browser jetzt im Eigenschaften-Fenster auch die Zugriffsrechte der einzelnen Dateien (Read, Write, Execute). Dabei auch Owner und Group anzuzeigen, hat sich Microsoft jedoch geschenkt.

Beschränkten sich die Verbesserungen der neuen IE-Variante auf solche Spielereien, wäre Microsofts neuer Browser keinen zweiten Blick wert. Die wirklichen Vorzüge des Internet Explorer 5.5 fallen jedoch in die Rubrik "innere Werte": Unter der gewohnten Oberfläche verborgen, liefert die neue Engine des Browsers eine bessere Kompatibilität zu den Web-Standards (HTML 4.0, CSS1, XML ) und eine deutliche Performance-Steigerung.

Performance

Die performante neue Rendering Engine des Internet Explorer 5.5 beeindruckt vor allen Dingen im Vergleich zum direkten Widersacher Netscape 6 PR1. Rund doppelt so schnell wie der Konkurrent baut der IE 5.5 laut Benchmark die angeforderten Seiten auf. Allerdings befindet sich Netscape 6 noch in der Entwicklung und ist nicht auf Performance optimiert. Im Vergleich mit Netscape 4.73 ist der Unterschied geringer.

Gegenüber dem Vorgänger IE 5.01 wartet die 5.5er-Variante mit geringfügig höherer Geschwindigkeit auf. Ob textbasierte oder komplexe grafische Seiten, mit oder ohne CSS: Stets baut die neue Version die Seiten schneller auf. Javascript und XML verarbeitet der IE 5.5 dagegen langsamer als der IE 5.01, bei XML um klar spürbare 30 Prozent. Dies dürfte an der deutlichen Überarbeitung liegen, die Microsoft der ursprünglich reichlich proprietären XSL-Engine angedeihen ließ.

Browser-Performance im Vergleich

IE 5.5

IE 5.01

NS6 PR1

NS 4.73

Werte ermittelt mit Ziff Davis Inc. i-Bench v1.52. Beim Java-Index bedeuten höhere Werte auch höhere Geschwindigkeit.

Complex pages (downloaded)

10,9 s

11,3 s

23,4 s

8,9 s

Textbased pages (downloaded)

25,3 s

26,5 s

68,1 s

25,8 s

XML/CSS (downloaded)

4,3 s

5,0 s

-

-

XML/XSL

5,1 s

3,9 s

-

-

Javascript

2,7 s

2,5 s

10,0 s

4,4 s

Java-Index

52696

53227

-

49160

Kompatibilität: HTML

HTML 3.2 unterstützt der IE 5.5 problemlos in allen Features. Von HTML 4.0 lässt sich das nicht unbedingt behaupten. Zwar stellt der Browser grundsätzlich alle HTML-4.0-Möglichkeiten zur Verfügung, entwickelt jedoch an vielen Stellen kleine Eigenarten.

Manche Eigenarten - wie die fehlende optische Auszeichnung einiger selten gebrauchter Tags (ABBR, ACRONYM, Q) - lassen sich problemlos verschmerzen. Andere, wie die nicht ganz korrekte Ausrichtung der Marker in Ordered Lists oder die mangelhafte Darstellung verschiedenfarbiger Zellenrahmen in Tabellen, sorgen nur für eine gelinde Irritation.

Daneben finden sich aber auch echte Ausrutscher, wie fehlende Unterstützung für Spaltengruppierung in Tabellen oder die Unterdrückung der Rubriktitel in hierarchischen Menüs. Um der Wahrheit allerdings die Ehre zu geben: Netscape macht es in vielen Aspekten auch nicht besser - nur anders.

Kompatibilität: CSS und XML

Den CSS1-Standard unterstützt der IE 5.5 weitgehend, in eingeschränktem Maß bietet der Browser auch CSS2-Kompatibilität. Wie Microsoft jedoch selbst in einer Stellungnahme einräumt, umfasst beides nicht "den 100-prozentigen Support, den einige verlangen". Als Grund dafür gibt man in Redmond an, einerseits wolle man zur Vorgängerversion des Browsers und andererseits zu existierendem Web-Content kompatibel bleiben - eine nicht wirklich nachvollziehbare Argumentation. Immerhin beharrt Microsoft pedantisch darauf, der IE 5.5 rendere auf jeden Fall zumindest alle Pages klaglos, die auch der Internet Explorer 5 darstellen kann. Dem lässt sich nach den Ergebnissen unseres Test auch nicht direkt widersprechen - ob das allerdings tatsächlich für jede CSS-gestützte Page im Web gilt, bleibt abzuwarten. In Sachen XML-Support dagegen glänzt der IE 5.5 durch eine saubere Aufbereitung und Darstellung der Seiten.

Fazit

Microsoft ist doch immer wieder für eine Überraschung gut: Im Gegensatz zu üblichen MS-Releases verzichtet der Internet Explorer 5.5 völlig auf optische Kapriolen und glänzt stattdessen mit sinnvollen Verbesserungen im Detail, einer überzeugenden Performance und sauber implementiertem Support für Web-Standards.

Wer den "neuen Kick" beim Surfen sucht, wird vom IE 5.5 enttäuscht. Wer dagegen ein zuverlässiges und performantes Arbeitspferd für den täglichen professionellen Einsatz braucht, das auch mit aktuellen Web-Standards problemlos klarkommt, dem kann man Microsofts jüngstes Kind empfehlen. (jlu)

Testkonfiguration

Als Testsystem dient ein Pentium-III/550 mit 128 MByte Hauptspeicher unter Windows NT 4.0 Workstation (Build 1381, Service Pack 6). Alle Messwerte werden bei einer Auflösung von 1024 mal 768 Pixel und 24 Bit Farbtiefe ermittelt. Als Benchmark wurde i-Bench Version 1.52 von Ziff Davis Media Inc. verwendet: Er stellt in ausführlichen Testreihen Performance, Fähigkeiten und Standard-Kompatibilität von Webbrowsern fest. Als Vergleichsdaten zur relativen Einordnung des Internet Explorer 5.5 ermitteln wir auch die Messwerte für den Vorgänger Internet Explorer 5.01, den direkten Konkurrent Netscape 4.73 sowie den künftigen Rivalen Netscape 6 Preview Release 1. Die für letzteren erfassten Daten sind mit Vorsicht zu genießen, da es sich bei Netscape 6 PR1 noch um eine Vorabversion mit reichlich Debug-Code handelt.

Testkonfiguration

Komponente

Daten

Mainboard

MSI 6163 v3.7

Sonstiges

Slot1, BX-Chipsatz

Prozessor

Pentium III/550

Sonstiges

100 MHz FSB

RAM

128 MByte PC100 SDRAM

Sonstiges

---

Netzwerkkarte

3Com Fast Etherlink 3C905C-TX

Sonstiges

Treiber: v5.2

Grafikkarte

Matrox Millennium G400

Sonstiges

AGP, 16 MByte, Treiber: v4.0.81

Festplatte

Western Digital WD136AA

Sonstiges

13,6 GByte UltraDMA/66

CD-ROM

Lite-On LTN483L

Sonstiges

---