Videoconferencing in HD

Test Lifesize Passport - Preiswertes Videokonferenzsystem

12.01.2011 von Jürgen Hill 
Eine kompakte Videokonferenzlösung mit HD-Fähigkeiten und überschaubaren Bandbreitenanforderungen - so skizziert Logitech-Tochter Lifesize sein Passport-System. Grund genug, sich die Lösung in einem eingehenden Praxistest näher anzusehen.

HD-Videoqualität (720p) bei nur 1 MBit/s über jede Internetverbindung - dies verspricht Lifesize für das Passport-System. Damit soll sich die Videokonferenzlösung beispielsweise gut für das Anbinden von Tele-Mitarbeiter oder Teambüros eignen. Da andere kompakte Konferenzsysteme für derlei Zielgruppen gerne mal eine Bandbreite von rund 2 MBit/s erbitten, musste das Passport-Systen sein Können in der Praxis unter Beweis stellen.

Lifesize Passport
Fernbedienung, Kamera und der Codec sind die drei Komponenten des Videokonferenzsystems.
Aufbauplan
Zur Inbetriebnahme des Lifesize-Systems muss der User lediglich drei Kabelverbindungen herstellen.
Web-Interface
Über das Web-Interface ist das System schnell konfiguriert.
Einfach einwählen...
So einfach wie telefonieren: Mit wenigen Tastendrücken ist eine Videokonferenz initiiert.
... und verwalten
Ebenso kann die Administration direkt am TV-Bildschirm erfolgen.
Telefonbuch
Das integrierte Telefonbuch erleichtert das Handling.
Gute Bildqualität
An der Bildqualität gibt es auch unter schwierigen Lichtverhältnissen wenig zu kritisieren.
Parameter im Blick
Per Web-Interface kann der Benutzer die wichtigsten Verbindungsparameter kontrollieren.
Leistungskontrolle
Der aktuelle Systemzustand - etwa Transferraten - kann auch direkt am Fernseher abgerufen werden.

Das nicht ganz so kompakte Paket entpuppte sich in der Realität lediglich als sehr ordentliche Verpackung - der Transport der Geräte ist in jedem Fall gut geschützt. Zum Lieferumfang gehören Kamera, Codec als Schaltzentrale sowie eine Fernbedienung und die für den Anschluss notwendigen Kabel.

Für die entsprechende HDMI-kompatible Anzeigeeinheit muss der Anwender sorgen. Aufgrund der kompakten Bauweise kann man die Lösung durchaus auf Reisen mitnehmen, der Codec hat etwa die Größe einer Fritzbox 7170 und die Kamera hat Webcam-Format. Ein entsprechendes Transportbehältnis gehört allerdings nicht zum Lieferumfang.

Technische Daten Lifesize Passport

Kategorie

Videokonferenzsystem

Komponenten

Codec, Kamera, Fernbedienung

Auflösung

1280 x 720 Pixel (HD Ready)

Bandbreite

um die 1 Mbit/s in Up- und Downstream

Audio-Normen

G.711, G.722, G.722.1C (Polycom Siren14), G.728, G.729, MPEG-4 -AAC-LC

Video-Normen

H.261, H.263, H.264 und H.239

Listenpreis

ca. 2875 Euro

Hersteller

Lifesize

Ausstattung und Anschluss

Eine Idee, die gar nicht abwegig ist, denn der Aufbau des Systems ist kinderleicht, um nicht zu sagen idiotensicher: Vier Kabel, und Passport ist einsatzbereit.

Aufbauplan: Zur Inbetriebnahme des Lifesize-Systems muss der User lediglich drei Kabelverbindungen herstellen.
Foto: Lifesize

Neben dem Stromanschluss muss noch eine Ethernet-Verbindung hergestellt werden sowie ein HDMI-fähiger Bildschirm (im Test ein Panasonic-HDTV-Plasma-Fernseher) angeschlossen werden. Die Kamera, die auch über ein eingebautes Mikrofon verfügt, wird dann über das beiliegende Spezialkabel mit dem Codec verbunden. Überarbeiten sollte Lifesize allerdings die Befestigungsmöglichkeiten der Kamera.

Lifesize Passport: Fernbedienung, Kamera und der Codec sind die drei Komponenten des Videokonferenzsystems.
Foto: Lifesize

Während der normale Standfuß keinen Anlass zur Kritik bietet, stellt sich bei dem beiliegenden Halter zum Festkleben am oberen Bildschirmrand die Sinnfrage. Wie soll diese Klebehalterung bei einem Videokonferenzsystem, dessen Portabilität beworben wird, mehrmals verwendet werden? Hier sollte die Lifesize-Mannschaft überlegen, ob sie der Kamera nicht eine Klemmhalterung spendiert, wie sie selbst 20-Euro-Billig-Modelle vom Elektrodiscounter besitzen.

Licht und Schatten

Nach der Verkabelung kann der User eigentlich loslegen. Allerdings meldete sich unser Testgerät nach dem Einschalten lautstark. Während des Bootens fuhr der verbaute Mini-Lüfter kurzzeitig auf volle Drehzahl und verbreitete einen entsprechenden Krach. So laut wurde das Gerät dann während des Tests nicht mehr, doch der Lüfter war während der gesamten Testphase zwar leise, aber störend im Hintergrund zu vernehmen.

So einfach wie telefonieren: Mit wenigen Tastendrücken ist eine Videokonferenz initiiert.

Da es sich hier um ein Desktop-Produkt handelt, wäre eine leisere Variante oder eine geänderte Lüftersteuerung wünschenswert. Damit befindet sich Lifesize leider in der Gesellschaft von Herstellern, die zwar viel Engineering-Know-how in die Bedienbarkeit ihrer Produkte investieren, dann aber Cent-Beträge bei den Lüftern sparen und so einen positiven Gesamteindruck schmälern.

Großflächig: Ebenso kann die Administration direkt am TV-Bildschirm erfolgen.

Dafür wurden wir in Sachen Konfiguration positiv überrascht. Der Clou dabei: Der Anwender hat die Wahl zwischen zwei Verfahren. Entweder er stellt das System per Fernbedienung am Fernseher ein und kann so auf PC oder Notebook verzichten, oder er nutzt den integrierten Web-Server des Codecs und nimmt die Konfiguration per Browser vor.

Die Einstellungen erklären sich dabei weitestgehend selbst. Wer sein Gateway, die interne IP-Adresse und den DNS-Server kennt, kann das Gerät konfigurieren. Als einzige Besonderheit ist zu beachten, dass an der Firewall die zwei UDP- und TCP-Ports zwischen 60000 und 64999 sowie der TCP-Port 1720 an den Passport-Codec weiterzuleiten sind.

Übersichtliches Browser-Interface

Über die Konfiguration per Web-Browser sind nicht viele Worte zu verlieren. Die Oberfläche hat ein modernes Design und ist übersichtlich gestaltet. Oder anders formuliert, das User Interface ist schlicht funktional und erfüllt seinen Zweck, zumal Features wie Übertragungsstatistiken den Funktionsumfang abrunden.

Oberflächlich: Über das Web-Interface ist das System schnell konfiguriert.

Mit eher gemischten Gefühlen wiederholten wir die Konfiguration ohne Browser, nur mit der Fernbedienung von Passport, und waren angenehm überrascht. Was wir uns anfangs als umständliche Tortur ausgemalt hatten, war ganz praktikabel. Der Benutzer wird auf dem Fernsehbildschirm durch ein mehrseitiges Konfigurationsmenü geführt. Die einzelnen Punkte sind dabei immer gut zu lesen. Auch die Eingabe von Buchstaben und alphanumerischen Zeichen stellen kein Problem dar, da sich der Ziffernblock - wie vom Handy gewohnt - je nach Eingabesituation umschalten lässt.

Einfach: Das integrierte Telefonbuch erleichtert das Handling.

Zudem muss der Benutzer eigentlich nur die oben angegebenen Parameter konfigurieren, um mit der ersten Konferenz starten zu können. Der Rest, wie etwa die Auswahl des Audio-Codecs, dient eigentlich dem Feintuning oder um das Zusammenspiel der Systeme unterschiedlicher Hersteller sicherzustellen. Der Normal-User kann in der Regel darauf verzichten.

Verbindungsaufbau

Zum Aufbau einer Konferenz mit einem anderen System benötigt der User lediglich die IP-Adresse oder den Domain-Namen der Gegenstelle. Ähnlich wie eine Telefonnummer gibt er diese per Fernbedienung ein und kann dann per Tastendruck die Verbindung aufbauen lassen. Etwas verwirrend war bei der ersten Benutzung, dass das System den Verbindungsaufbau mit klassischen Telefonsignaltönen signalisiert. Hat man sich daran gewöhnt, ist diese Funktion ganz praktisch, da man so eine akustische Kontrolle hat und nicht auf den Bildschirm schauen muss.

Ersichtlich: An der Bildqualität gibt es auch unter schwierigen Lichtverhältnissen wenig zu kritisieren.

Nach Aufbau der Verbindung erlebten wir unseren ersten Aha-Effekt. Ein solche Bildqualität bei einer Videokonferenz über eine klassische Consumer-DSL-Leitung (1 Mbit/s upstream) hatten wir noch nicht erlebt. Zwar hatte das von uns getestete "Vidyo"-System ebenfalls mit einer guten Bildqualität gepunktet, doch damals verwendeten wir einen Computermonitor zur Ausgabe und jetzt einen 47-Zoll-Fernseher.

Sicher, den großen TelePresence-Systemen kann auch Lifesize Passport nicht das Wasser reichen - doch hier reden wir von einem Preisunterschied vom mehreren zehntausend, wenn nicht gar hunderttausend Euro. Um es kurz zu machen: An der Bildqualität gab es eigentlich nichts zu kritisieren. Selbst Visitenkarten im entfernten Büro auf der Gegenseite waren zu lesen, und die Konturen eines Kugelschreibers in der Hand des Gesprächpartners waren klar zu erkennen. Lediglich bei schnellen oder abrupten Bewegungen kam es ab und an zu kleinen Pixelfehlern oder Unschärfen, wenn in diesem Moment gerade die Übertragungsqualität der DSL-Leitung schwankte.

Per Web-Interface kann der Benutzer die wichtigsten Verbindungsparameter kontrollieren.

Unter dem Strich machten Videokonferenzen in Verbindung mit dem großen Display, auf dem Mimik und Emotionen des Gesprächpartners gut erkennbar waren, schlicht Spaß. Kein Vergleich zu den sonst im DSL-Umfeld üblichen Videolösungen wie Skype und Co, die sich mit ihren - überspitzt formuliert - briefmarkengroßen Bildern für den Gruß vom Enkel zur Oma, aber nicht für den ernsthaften Business-Einsatz eignen.

Knapp unter HD-Qualität

Während unserer Praxisversuche empfingen wir die Gegenseite mit 1280 x 720 Pixeln als HD-ready- beziehungsweise 720p-Qualität und versandten selbst ein Videobild in der Auflösung von 1208 x 704 Pixel, also knapp unterhalb der HD-Qualität, was allerdings in Anbetracht der niedrigen Upstream-Bandbreite deutscher DSL-Anschlüsse immer noch ein guter Wert ist.

Der aktuelle Systemzustand - etwa Transferraten - kann auch direkt am Fernseher abgerufen werden.

So lag die Bandbreite (Video und Audio) im Upstream um die 1060 Kbit/s, während in der Gegenrichtung bis zu 1140 Kbit/s über die Leitung gingen bei jeweils 30 Vollbildern pro Sekunde. Selbst Videokonferenzen nach Kalifornien waren so kein Problem, zumal ein niedriger Jitter-Wert von acht bis zehn Millisekunden eine störungsfreie Übertragung erlaubte. Lifesize bietet für das System als optionales Zubehör noch ein als MicPod bezeichnetes Raummikrofon an. Wird das System aber wie in unserem Test nur als Desktop-Lösung von einer Person benutzt, kann darauf verzichtet werden. Das in der Kamera integrierte Mikrofon genügt für diesen Anwendungsfall voll und ganz.

Einsatzmöglichkeiten und Einschränkungen

Während unseres Tests fiel uns noch ein anderes Einsatzgebiet für das Konferenzsystem ein: Ist auf der Gegenseite anstelle des von uns verwendeten Kameramodells "Lifesize Focus" eine "Lifesize Camera" installiert, eignet sich das System auch zur Videoüberwachung. Letztere Kamera lässt sich nämlich ferngesteuert sowohl horizontal als auch vertikal schwenken. Auf diese Weise konnten wir etwa aus dem verregneten München die Umgebung um das Lifesize-Office-Gebäüde im sonnigen Kalifornien kontrollieren.

Was auf den ersten Blick nach einer Spielerei klingt, könnte etwa für Firmen mit vielen kleinen Außenstellen von Interesse sein, da auf diese Weise die Außenstellenbüros während der Nacht zentral vom Werksschutz aus der Ferne überwacht werden können. Möglich wird dies, weil Passport eingehende Videoanrufe automatisch annehmen kann. Wer allerdings vergisst, dieses Feature zu deaktivieren, findet sich womöglich ungeplant und unvorbereitet in einer Konferenz wieder.

Apropos Konferenz - in der Standardausführung eignet sich Passport nur für Punkt-zu-Punkt-Konferenzen. Sollen mehrere Teilnehmer an verschiedenen Standorten zusammengeschaltet werden, ist der Erwerb einer zusätzlichen Lifesize Multipoint Bridge erforderlich. Darüber hinaus sind noch Gateways, VideoCenter, Transit-Tools etc erhältlich, so dass mit Hilfe dieses Baukastens nach und nach eine komplette Konferenzlandschaft mit der dazugehörigen Infrastruktur aufgebaut werden kann. Ebenso ist per Download das Collaboration-Tool Lifesize Virtual Link erhältlich.

Mit seiner Hilfe ist während einer Video-Session das Data-Sharing realisierbar. Dabei agiert Virtual Link als Screen-Capture, das den Inhalt eines Laptop- oder Desktop-Monitors mit bis zu fünf Frames pro Sekunde aufzeichnet und überträgt, so dass zumindest gemeinsam über ein Dokument diskutiert werden kann. Ein gemeinsames Bearbeiten beziehungsweise Ändern eines Dokuments ist auf diese Weise nicht möglich.

Fazit

Mit Lifesize Passport steht ein weiteres bezahlbares Videosystem zur Verfügung, mit dem virtuelle Meetings dank guter Bildqualität Spaß machen. Zudem kann Passport in der praktischen Benutzung durch seinen leichten Aufbau und die einfache Bedienung überzeugen.

Lediglich Kleinigkeiten wie etwa der fehlende Klemmfuß für die Kamera trüben den positiven Eindruck. Des Weiteren sollte Lifesize-Mutter Logitech überlegen, ob sie nicht die Collaboration-Fähigkeiten ausbauen will - denn hier kann die Konkurrenz punkten. (mje)

Vor- und Nachteile

Plus:

+ Einfacher Aufbau,

+ gute Bildqualität (HD Ready),

+ DSL mit 1024 Kbit/s upstream reicht,

+ Konfiguration per Browser oder Fernbedienung,

+ einfache Bedienung,

+ portables Gerät.

Minus:

Nervender Lüfter,

- nur Klebefuß zur Kamerabefestigung,

- Bildschirm benötigt HDMI-Anschluss,

- rudimentäre Collaboration-Funktion (lediglich Dokumenten-Sharing).

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche.