Test: KDE 2.0 und KOffice

31.10.2000 von Jörg Luther
Endlich liegt die lange erwartete Version 2.0 des K Desktop Environment vor. Unser Test zeigt, ob die hochgesteckten Erwartungen erfüllt werden.

Selten wurde eine Software-Suite mit derartigem Überschwang begrüßt wie die neuste Version des K Desktop Environment. So sieht etwa Dirk Hohndel, CTO von SuSE, KDE 2.0 als einen der Schlüssel, der Linux "auch auf dem Desktop zu einem ähnlich erdrutschartigen Sieg wie auf dem Server" verhelfen soll. Auch Ransom Love, Präsident von Caldera, bescheinigt KDE 2.0 die Rolle einer Schlüsselkomponente für den OpenLinux eDesktop seines Unternehmens. Corels Executive Vice President für den Linux-Bereich, Rene Schmidt, erwartet bei seinen Kunden gar "Verzückung" ob der Verbesserungen und neuen Features des KDE 2.0.

So ist der Kosename der neuen Desktop Suite - Kopernicus - wohl mehr als nur ein Wortspiel. Nikolaus Kopernikus stürzte Anfang des 16. Jahrhunderts das bis dahin geozentrische Weltbild vom Sockel. Die vordem nur als besserer Leuchtkörper geltende Sonne ersetzte die Erde als Mittelpunkt des Universums. Ob mit KDE 2.0 ein vergleichbarer Paradigmenwechsel ansteht und tatsächlich der bisherige Mittelpunkt der IT-Welt ins Wanken gerät, haben wir im Folgenden genauer unter die Lupe genommen.

Installation

In den nächsten Versionen der einschlägigen Linux-Distributionen wird KDE 2.0 sicher die GUI-Basis darstellen. Bis dahin allerdings gilt es, sich Sourcen respektive Binärversionen aus dem Netz zu holen. Die entsprechenden Downloads haben es in sich: Knapp 110 MByte umfassen sowohl die generischen Quellcodes als auch die Varianten für FreeBSD, Slackware und True64.

Wer sich mehrere Stunden Kompilationszeit sparen will, findet auch Binaries für die Distributionen von Caldera, Debian, Mandrake, Red Hat und SuSE auf dem FTP-Server. Hier fallen Download-Größen zwischen knapp 40 und gut 90 MByte an. Bei den Versionen für Debian und SuSE lassen sich immerhin rund 30 MByte Volumen einsparen, wenn man lediglich den deutschen Sprachsupport herunter läd.

Die Installation der vorkompilierten Dateien gestaltet sich problemlos. Je nach Paketversion lassen sie sich mit rpm -U beziehungsweise dpkg --install an den vorbestimmten Platz befördern.

KOffice

KOffice stellt den wohl am sehnlichsten erwarteten Teil des KDE 2.0 dar. Die Suite aus Büroanwendungen umfasst eine Textverarbeitung (kword), eine Tabellenkalkulation (kspread) mit Chart-Komponente (kchart) sowie je ein Präsentations- (kpresenter) und Grafik-Progamm (killustrator). Als Klammer für die einzelnen Komponenten fungiert der KOffice-Arbeitsplatz, der die Anwendungen in eine gemeinsame Oberfläche integriert.

Im Gegensatz zur eigentlichen GUI handelt es sich bei der KOffice-Suite allerdings noch nicht um eine Release-Version: Die Komponenten geben als Version pre-Beta1 an. Zwar bieten die Anwendungen noch nicht alle geplanten Features, laufen aber im Allgemeinen stabil. Lediglich die noch recht rudimentären die Import-Filter für Dateien aus Microsofts Office-Paket verursachen gelegentlich Abstürze der Anwendungen.

KOffice: Textverarbeitung

Mit einem beeindruckenden Funktionsumfang wartet die Textverarbeitung KWord auf. Die Anwendung kann mit Dokumentvorlagen umgehen, unterstützt über Textrahmen mehrspaltiges Layout und einfaches DTP und bietet Tabellen. Zahlreiche Formatierungsmöglichkeiten für Text und Absätze ermöglichen eine ansprechende Gestaltung der Dokumente. Für den regelmäßigen Gebrauch lassen sich über den Stilisten Formatvorlagen erstellen. Auch Kopf- und Fußzeilen, Fußnoten sowie die automatische Erstellung von Inhaltsverzeichnissen beherrscht KOffice.

In den Text lassen sich Grafiken aller gängigen Formate einbinden. Neben einfachen Autokorrektur-Möglichkeiten direkt bei der Texteingabe bietet KWord auch eine Rechtschreibkorrektur. Diese bedarf jedoch noch deutlich der Überarbeitung: Nicht immer sind ihre Korrekturvorschläge nachvollziehbar, bei zu vielen Tippfehlern im Text hängt sie sich auf. Die als Menüpunkte schon vorhandenen Undo- und Redo-Funktionen scheinen noch gar nicht implementiert zu sein.

Als Speicherformat beherrscht KWord neben dem eigenen .kwd auch ASCII und HTML, zusätzlich importiert es Word-Dokumente im MS-Office97-Format. Lediglich im KWord-eigenen Format abgespeicherte Dokumente konservieren jedoch im Test zuverlässig die Formatierung. Beim Einlesen von MS-Word-Dateien importiert das Programm lediglich den rohen Text.

KOffice: Tabellenkalkulation

Wer mit MS Excel vertraut ist, wird sich in der Tabellenkalkulation Kspread sofort zu Hause fühlen. Die Anwendung orientiert sich im Funktionsumfang weitgehend an Microsofts Vorbild. Allerdings verstecken sich einige der vertrauten Funktionen unter völlig anderem Namen.

Zur Formatierung der Zellen sowie zur Berechnung der Zelleninhalte stehen vielfältige Funktionen zur Verfügung. Zellbereiche lassen sich mit fortlaufenden Werten oder mit Berechnungsformeln automatisch ausfüllen. Auch das Verschmelzen mehrerer Zellen in horizontaler und vertikaler Richtung beherrscht KSpread. Im Gegensatz zu KWord arbeiten Undo und Redo perfekt.

Mehrere Tabellen lassen sich in Ordnern zusammenfassen und individuell benennen. In die einzelnen Tabellen können Objekte aus den anderen KOffice-Anwendungen eingebettet werden. Zur Erstellung von Diagrammen dient dabei das externe Applet KChart, das jedoch gesondert mit Daten gefüttert werden will. Eine direkte Übergabe von Werten aus der Tabelle beherrschen die beiden Anwendungen nicht.

Neben dem eigenen Format .ksp schreibt und liest KSpread auch CSV-formatierte Dateien. Beim Import aus MS Excel 97 verdaut die Tabellenkalkulation nur Files, aus denen jede Berechnung und Formatierung getilgt wurde. Anderenfalls hängt sich die Anwendung auf.

KOffice: Präsentationsgrafik

Für das Erstellen von Präsentationen bringt KOffice den vielseitigen KPresenter mit. Schon die Anwendung selbst liefert ein umfangreiches Werkzeugsortiment für das Erstellen grafisch anspruchsvoller Präsentationen. Dazu zählen neben Textbearbeitungsfunktionen auch ein umfangreicher Grafik-Werkzeugkasten mit Pinseln, Formen und Gradienten.

Grafiken aller gängigen Formate lassen sich ebenso einbinden wie Files aus den anderen KOffice-Anwendungen. Dabei behandelt KPresenter die einzelnen Komponenten als Objekte, die sich beliebig gruppieren, schichten und in der Größe verändern lassen. Ein Folien-Viewer sorgt für den nötigen Überblick über die Präsentationsbestandteile.

Einmal erstellte Präsentationen lassen sich direkt über den KPresenter vorführen oder als HTML-basierte Präsentation exportieren. Neben dem Ausdruck auf Papier unterstützt die Anwendung auch die Ausgabe der Präsentation in Postscript-Dateien.

Eine wesentliche Fähigkeit beherrscht der KPresenter allerdings noch nicht, den Import von MS-Powerpoint-Präsentationen. Zwar ist ein entsprechen Menüpunkt vorhandenen, doch präsentiert das Programm beim Importversuch statt der erwarteten Folien lediglich eine neckische Fehlermeldung.

KOffice: Vektorgrafik

Mit dem KIllustrator zählt auch ein Multi-Window-fähiges Vektorgrafik-Programm zum Umfang des KOffice. Es kann mit jeder Art von Polylines inklusive Bezier-Kurven, Polygonen, Kreisen sowie Texten umgehen.

Einmal erstellte Objekte lassen sich jederzeit mit der Maus erfassen und umformen, zoomen, rotieren sowie anordnen und gruppieren. Dabei unterstützt KIllustrator die Verwendung von Layern sowie das Ausrichten an einem optionalen Gitternetz. Beim Füllen von Objekten lassen sich neben Farben und Farbgradienten auch frei definierbare Muster applizieren.

KIllustrator gibt sich zudem als wahrer Import- und Export-Künstler. Als Rasterformate unterstützt er dabei GIF, JPEG, PNG und XPM. WMF-Files lassen sich jedoch nur importieren. Als zusätzliche Formate zur Speicherung der Grafiken bietet die Anwendung EPS und SVG an. Einen ausführlichen Beitrag zum Thema SVG finden Sie in unserem Internet-Channel.

Konqueror

Eine der wesentlichsten Verbesserungen gegenüber KDE 1.x stellt der Konqueror dar, der komplett runderneuerte Nachfolger des Filemanagers kfm. Nach wie vor lässt sich die Applikation als Filemanager im Windows-Explorer-Stil nutzen. Nebenbei dient der Konqueror als Datei-Viewer, der alle gängigen Grafikformate, Textfiles und optional auch die Dokumente aller KOffice-Anwendungen direkt darstellen kann.

Von seiner besten Seite gibt sich der Konqueror als voll HTML-4.0-kompatibler Webbrowser. In dieser Eigenschaft unterstützt er CSS 1 und 2, beherrscht Javascript nach ECMAscript-262-Standard und lässt die Ausführung von Java-Applets zu. Daneben bietet er sichere Verbindungen über SSL v2/v3 sowie TLS 1.0. Auch an Security-Features haben die Entwickler gedacht: So nimmt der Konqueror abhängig vom herausgebenden Server Cookies, Javascript und Java-Applets generell an oder lehnt sie kategorisch ab. Dabei bietet er erheblich freiere Gestaltungsmöglichkeiten als der Internet Explorer.

Wies die Browser-Komponente des Konqueror noch Anfang Oktober einige Schwächen speziell in der HTML-Verarbeitung auf, so scheinen diese inzwischen komplett ausgebügelt zu sein. In unseren Tests ließ sich die Anwendung jedenfalls durch keine noch so ausgefallen gestaltete Site zum Absturz bringen. Allerdings verarbeitet Konqueror Javascripts nicht immer perfekt, und die Geschwindigkeit bei der Ausführung von Java-Applets hält sich in Grenzen.

Kmail

Eine grundlegende Überarbeitung erfuhr auch der Mailclient Kmail. Zu den interessantesten Neuerungen des POP3-fähigen Mailreaders zählt die Unterstützung verschiedener Identities.

Mit deren Hilfe lässt sich der Überblick zwischen privater und geschäftlicher Post sowie den Eingängen aus diversen Mailing Lists und Newsgroups behalten. Dabei hilft die Integration der Identities in die auch früher schon exzellenten Filterregeln. So lässt sich etwa ja nach Absender einer eingegangenen Mail automatisch die Identity für den Reply wechseln.

Daneben bietet Kmail so gut wie alles, was des Briefeschreibers Herz begehrt: Etwa Support für HTML -Mails, Rechtschreibkorrektur und Undo/Redo beim Erstellen von Briefen. Für den Überblick in der Mail-Flut sorgen beliebig tief verschachtelbare Folder sowie die Verfolgung von Themen-Threads. Für sicherheitsbewusste Anwender offeriert Kmail zudem direkten Support für die Verschlüsselungstools PGP 6.x und GNU Privacy Guard 1.0.

Verwaltung

Auch in punkto Optik und Verwaltung bringt KDE 2.0 einige Neuigkeiten mit. So wartet das KDE-Kontrollzentrum neben verbesserten Tools in den Bereichen Energiemanagement und Netzwerk jetzt auch mit Bildschirm-Themen auf.

Über Kcron, ein grafisches Frontend zum Linux-Taskmanager cron, lässt sich das System auf komfortable Weise zur automatischen Wiederholung regelmäßig anfallender Aufgaben bewegen.

Unter der Bezeichnung Systemkontrolle findet sich ein Clone des Windows-9x-Gerätemanagers. Mit seiner Hilfe behält der Anwender den Überblick über die im System integrierte Hardware. Allerdings können die dort angezeigten I/0- und Interrupt-Einstellungen nicht direkt modifiziert werden.

Besonders flexibel gibt sich der neue System- und Prozessmonitor KsysGuard. Zusätzlich zu den fix konfigurierten Tabs zum Task- und Speichermanagement kann der Anwender jetzt eigene Überwachungs-Screens definieren. Dazu wählt er aus einer Liste die gewünschten Sensoren aus und platziert sie per Drag-and-Drop auf einem neuen Tab. Zur späteren Wiederverwendung lassen sich die so definierten Überwachungs-Tasks abspeichern.

Fazit

Neben den beschrieben größeren Neuerungen bietet KDE 2.0 eine Fülle weiterer Verbesserungen im Detail und etliche neue Applets. Insgesamt bietet es ein wesentlich runderes und benutzerfreundliches Ambiente für den Umgang mit dem System.

Trotz des nicht unerheblichen Aufwands für Download und Installation lohnt sich für Linux-Jünger ein sofortiger Umstieg auf den neuen Desktop. Dabei lockt weniger das doch noch etwas wacklige KOffice, das vor allem beim Import von MS-Office-Files noch Schwächen zeigt. Als Killer-Applikation des KDE 2.0 positioniert sich eindeutig der Konqueror. Diese exzellente Kombination aus Filemanager, Datei-Viewer und leistungsfähigem Web-Browser bringt alle Zutaten mit, um Netscape und seine Verwandten vom Linux-Desktop zu verbannen. Der Entschluss zum Umstieg dürfte um so leichter fallen, als dem Konqueror mit Kmail ein leistungsfähiges Mailprogramm zur Seite steht.

Bevor ein weiter ausgereiftes KOffice allerdings eine bessere Kompatibilität zur Microsoft-Bürosuite bietet, wird KDE 2.0 seinem Kosenamen Kopernicus nicht gerecht. Um Windows von unzähligen Desktops zu verdrängen, gehört schon etwas mehr, als ein noch etwas holpriges Office-Paket und ein leistungsfähiger Browser. (jlu)

Testkonfiguration

Als Testsystem dient ein Pentium-III/650 mit 128 MByte Hauptspeicher und 20,5-GByte-EIDE-Festplatte. Als Betriebssystem kommt SuSE Linux 7.0 Personal zum Einsatz. Wir laden und installieren die vorkompilierten RPMs vom KDE-FTP-Server.

Testkonfiguration

Komponente

Daten

Mainboard

Asus P3B-F Rev. 1004

Sonstiges

Slot 1, BX-Chipsatz

Prozessor

Pentium III/650

Sonstiges

100 MHz FSB

RAM

128 MByte PC100 SDRAM

Sonstiges

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Festplatte

IBM DPTA-372050

Sonstiges

20,5 GByte UltraDMA/66

CD-ROM

Toshiba DVD-ROM SD-M1402

Sonstiges

40x, UltraDMA/33

Grafikkarte

Elsa Erazor III Pro

Sonstiges

AGP, Riva TNT2, 32 MByte

Netzwerkkarte

3Com 3C905C-TX

Sonstiges

PCI, 10/100 Mbit/s

Soundkarte

Ensoniq ES-1371 Rev.8

Sonstiges

PCI