Test: BeOS 5.0 Personal Edition

05.10.2000 von Mike Hartmann
Mit BeOS 5 geht Be neue Wege: Das Multimedia-Betriebssystem ist erstmals als Light-Version frei im Internet verfügbar. Auf Grund geringen Interesses seitens anderer Software-Hersteller kann man BeOS 5 jedoch maximal als Studienobjekt bezeichnen.

Die amerikanische Firma Be geht mit Version 5 von BeOS neue Wege bei der Software-Distribution. Ähnlich wie bei Corel- oder Storm-Linux soll eine frei verfügbare Personal Edition den Bedarf für die kostenpflichtige Professional Edition erzeugen.

Mit dem knapp 43 MByte großen Download holen Sie sich BeOS 5 und einige kleine Applikationen für das selbst ernannte Multimedia-Betriebssystem auf den Rechner. Die Entwicklungstools schlagen mit noch einmal 20 MByte zu Buche.

BeOS ist allerdings nicht wie Linux komplett Open Source, sondern nur in einigen kleinen Bestandteilen: dem Tracker und dem Deskbar. Der Tracker dient zur Dateiverwaltung. Er ähnelt jedoch mehr der Optik von MacOS als dem Windows-Explorer. Der Deskbar entspricht in etwa der Windows-Taskleiste.

Als Be die Personal Edition am 28. März auf verschiedenen Servern zum Download bereitstellte, waren die entsprechenden Server stundenlang nicht erreichbar. Insgesamt soll das Multimedia-Betriebssystem innerhalb eines Tages über 200.000 Mal abgerufen worden sein. Das zeigt, dass sich die Internet-Gemeinde derzeit auf alles stürzt, wo nicht Windows drauf steht. Kann BeOS jedoch tatsächlich Windows ersetzen?

Quickinfo

Produkt

BeOS 5 Personal Edition

Hersteller

Be Inc

Download

Basispaket 43 MByte

Entwicklerpaket 20 MByte

Aufbau von BeOS

BeOS ist komplett in einer Client-Server-Architektur aufgebaut. Die Server arbeiten im Hintergrund und erledigen die grundlegenden Aufgaben des Betriebssystems. Etwa die Verarbeitung von Eingaben über Tastatur und Maus oder die Steuerung von Drucker oder Soundkarte. Der Applikations-Server ist beispielsweise zuständig für die Verwaltung der dargestellten Fenster und die Zuordnung von Maus- oder Tastatureingaben an die Anwendungen.

So genannte Softwarekits kapseln die Funktionen der Server in Objekte ein, über die Programmierer auf die Server zugreifen können. So stellt beispielsweise das OpenGL-Kit eine Schnittstelle zur OpenGL-Bibliothek von BeOS zur Verfügung. Über das Gamekit können Programmierer direkt auf den Framebuffer der Grafikkarte zugreifen sowie Sounds abspielen. Zentrale Schnittstelle für Audio- und Video-Verarbeitung ist das Mediakit.

BeOS verwendet ein eigenes Dateisystem, kann aber auch mit FAT, FAT32 und NTFS umgehen, sodass Anwender auch unter BeOS Lese-Zugriff auf ihre Windows-Partition haben. Auf FAT und FAT32 kann BeOS auch schreiben. Das BeFS ist ein 64-Bit-Dateisystem, das mit einer verknüpften Datenbank arbeitet. In dieser Datenbank sind nicht nur Referenzen auf die Dateien verzeichnet, es lassen sich auch andere Ressourcen wie E-Mail-Adressen oder Links darin ablegen. Die Erkennung von Dateitypen erfolgt nicht wie bei Windows per Extension, sondern über Attribute, die in der Datenbank abgelegt sind. Dadurch lässt sich auch eine große Festplatte innerhalb kürzester Zeit nach beliebigen Objekten durchsuchen. Zudem protokolliert die Journaling-Funktion Änderungen an der Verzeichnisstruktur, sodass sich das System nach einem Crash problemlos wiederherstellen lässt.

Beim Micro-Kernel von BeOS hat Be besonderen Wert auf schnelle Umschaltzeiten gelegt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Anspruch, ein Multimedia-Betriebssystem zu sein. Dazu unzerstützt BeOS symmetrisches Multiprocessing (SMP), präemptives Multitasking und Multithreading.

BeOS 5 Personal Edition

Um den Verkauf der Professional-Edition von BeOS nicht zu beinträchtigen, hat Be in die Personal Edition einige Limitationen eingebaut, die den Benutzer über kurz oder lang zum Kauf der Vollversion bewegen sollen.

Das schwerwiegendste Manko ist die Einschränkung der Partitionsauswahl. Die Personal Edition lässt sich nicht auf einer eigenen Partition installieren, sondern wird wie bei Linux das UMSDOS-System als virtuelle Partition angelegt. Das heißt: Auf einer FAT- oder NTFS-Partition legt die Installationsroutine eine 512 MByte große Datei an, die BeOS beim Booten als Hauptpartition mounted. Diese Partition ist in der Größe nicht veränderbar, es muss also genügend Platz auf der FAT-Partition frei sein. Von diesem Platz ist dann noch der Bedarf für die Auslagerungsdatei abzuziehen, sodass nur ein geringer Teil für zusätzliche Applikationen zur Verfügung steht. In der Readme-Datei findet sich der lapidare Hinweis, dass die Professional-Variante auch mit kleineren oder größeren Partitionen umgehen kann. Durch den Umweg mit der virtuellen Partition geht zudem Performance verloren, weil BeOS die Daten von FAT (oder NTFS) lesen und dann auf BeFS umsetzen muss.

Die Personal Edition unterstützt kein SMP. Der Hersteller gibt "technische Gründe" als Hindernis an. Es scheint jedoch eher den Grund zu haben, dass Be dem "normalen" Endanwender kein Multiprozessor-System zutraut und diese Klientel eher dem professionellen Umfeld zuordnet. Und da will man natürlich sein Geld verdienen.

Zudem fehlen aus lizenzrechtlichen Gründen der RealPlayer sowie die Möglichkeit, Dateien im MP3- oder Indeo-Format zu speichern. Das ist nachvollziehbar, da Be ansonsten für jeden Benutzer eine Lizenzgebühr an die Codec-Hersteller (Xing und Fraunhofer im Fall von MP3) entrichten müsste.

Neues in BeOS 5

Um den Anspruch auf die Bezeichnung Multimedia-Betriebssystem zu festigen, hat Be die Version 4.5 um einige wichtige Funktionen erweitert:

Gerade die Punkte Unterstützung für Memory-Sticks, Firewire und Vaio CD-ROMs lassen vermuten, dass Be auf Sonys Multimedia-Zug aufgesprungen ist, und sich hier sogar hat unter die Arme greifen lassen. Immerhin will Sony mit seiner Vaio-Reihe, die als erste Intel-Maschinen Firewire integriert hatten, den Apple-Rechnern hinsichtlich Audio- und Video-Verarbeitung den Rang ablaufen.

BeOS im Test - Installation

Die Personal Edition von BeOS lässt sich von einer Vielzahl von Internet-Servern herunterladen. Das Basispaket ist 43 MByte groß und enthält das komplette Betriebssystem sowie einige Installationstools für Windows. Die Personal Edition wird nicht auf einer eigenen Partition installiert, sondern residiert nach der Installation als 512 MByte große Datei auf der Festplatte. Daher sollte vor der Installation die Zielpartition defragmentiert werden, damit die Performance von BeOS nicht unnötig leidet. BeOS lässt sich unter Windows 9x oder Windows NT/2000 installieren. Interessenten sollten auf jeden Fall die Hardware-Kompatibilitätsliste von BeOS konsultieren, um sich schon im Vorfeld einigen Frust zu ersparen. BeOS unterstützt im Vergleich zu Windows nur eine sehr geringe Anzahl an Geräten.

Die Installation selbst geht innerhalb von knapp zehn Minuten vonstatten und bereitet keinerlei Probleme: Es sind außer der Auswahl des Zielverzeichnisses keine zusätzlichen Einstellungen notwendig. Auch mit Optionen wie Bootmanager oder Geräteauswahl muss sich der Anwender nicht herumschlagen. Insofern erfüllt BeOS zumindest den Anspruch, ein sehr benutzerfreundliches Betriebssystem zu sein. Je nachdem, unter welchem Betriebssystem der Rechner normalerweise läuft, kann BeOS auf zwei Arten gestartet werden:

Auch Benutzer von Windows 9x können mit der Boot-Diskette arbeiten. In einigen Diskussionsforen im Internet haben sich bereits Benutzer geäußert, dass BeOS dann stabiler läuft und weniger Probleme beim Start bereitet.

Der erste Start

Der eigentliche Boot-Vorgang dauert nur wenige Sekunden. Dann ist entweder BeOS gestartet oder der Anwender sieht sich mit einer unerfreulichen Meldung wie "Kernel-Panic" konfrontiert. Letzteres ist uns bei drei von fünf Rechnern passiert, auf denen wir BeOS installieren wollten. Entweder konnte BeOS die Datei für die virtuelle Boot-Partition nicht finden, oder es stürzte beim Starten des Desktops ohne jegliche Fehlermeldung ab. Alle Rechner weisen identische Hardware auf, die sich ausdrücklich in der Kompatibilitätsliste von BeOS 5 findet. Auch lässt sich die Boot-Diskette nicht konfigurieren, sodass das Problem der unauffindbaren Boot-Partition nicht behoben werden konnte.

Die Optik von BeOS weist genügend Ähnlichkeit mit Windows auf, sodass sich neue Anwender leicht zurechtfinden. Es gibt den Desktop mit Papierkorb und Verknüpfungen zu wichtigen Anwendungen sowie den verfügbaren Festplatten-Partitionen. BeOS aktualisiert diese Liste dynamisch, wenn neue Laufwerke gemountet werden.

Die grafische Oberfläche

Der Tracker stellt bei BeOS ähnliche Funktionen bereit, wie der Dateimanager von Windows. Er ist von Struktur und Bedienung jedoch eher an den Finder der MacOS-Oberfläche angelehnt und damit für Windows-Benutzer gewöhnungsbedürftig. Der Deskbar dagegen erinnert stark an die Taskleiste von Windows. Zudem kann BeOS bis zu 32 so genannte Workspaces verwalten. Das sind - wie unter X-Windows - verschiedene Ansichten des Desktops, die sich frei für verschiedene Aufgaben konfigurieren lassen, etwa für Programmierung oder Internet.

Die Optik der GUI wirkt gefälliger als die von Windows, hat jedoch einige Schwächen, die den Komfort beeinträchtigen. Zum einen ist die Breite der Titelleiste abhängig von der Länge des Programmnamens. Heißt das Programm also beispielsweise MP3, ist die Titelleiste sehr kurz. Und nur über die Titelleiste lässt sich das Fenster verschieben. Weiterhin verfügt zwar jedes Fenster über einen Schaltknopf zum Schließen. Befindet sich das Fenster jedoch im Hintergrund, kann es nicht wie bei Windows direkt durch Klick auf die Schaltfläche geschlossen werden. Bei BeOS ist es zunächst in den Vordergrund zu holen, bevor es sich schließen lässt.

Neben der grafischen Oberfläche bietet BeOS auch ein Schmankerl für Kommandozeilen-Fetischisten. Im Kommandozeilen-Fenster steht dem Anwender eine - unter anderem von Linux bekannte - bash (Bourne again shell) zur Verfügung, die hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Bedienkomfort die DOS-Box von Windows weit in den Schatten stellt.

Mit BeOS ins Internet

Der nächste Schritt nach dem ersten Start ist die Einrichtung des Internetzugangs. BeOS unterstützt einige Netzwerkkarten sowie PPP-Verbindungen per analogem oder ISDN-Modem am seriellen Port. Bei ISDN-Karten dagegen sieht es mager aus. Lediglich die AVM B1 soll laut AVM demnächst einen Treiber bekommen. Support für die Fritz!-Card ist nicht vorgesehen. USB-Modems unterstützt BeOS ebenfalls nicht.

Die bei BeOS mitgelieferten Internet-Applikationen bieten alles, was der Anwender benötigt: E-Mail-Client, News-Reader und der Webbrowser NetPositive. Letzterer ist allerdings nicht auf dem neusten Stand der Technik. Viele Webseiten kommen gar nicht oder nur unvollständig beim Anwender an, weil NetPositive beispielsweise mit Java oder Javascript nichts anfangen kann. Auch Plug-ins wie Shockwave sind derzeit nicht verfügbar. Das Streaming von Audio- oder Videodateien ist nur mit dem RealPlayer möglich, der in der Personal Edition jedoch nicht enthalten ist.

Es gibt zwar eine Netscape-Version für BeOS, doch diese befindet sich noch in einem sehr frühen Alpha-Stadium. Gleiches gilt für den Opera-Browser.

Multimedia mit BeOS

Be wirbt mit den besonderen Multimedia-Fähigkeiten von BeOS. In der Theorie hat Be damit ja auch recht. Die API bietet für die Multimedia- und Spiele-Programmierung einige Highlights, die Windows nicht zu bieten hat - gerade hinsichtlich zeitkritischer Prozesse. Startet man beispielsweise den Soundplayer gleich mehrfach mit verschiedenen MP3-Stücken, mixt BeOS alle abgespielten Musikstücke ohne Aussetzer live zusammen.

Das objektorientierte Modell und die Client-Server-Struktur des Kernels erleichtern den Anwendungs-Entwicklern die Arbeit deutlich. Das Problem ist jedoch, dass sich die großen Software-Hersteller zwar zu Versprechen haben hinreißen lassen, aber entsprechende Produkte fehlen immer noch. Steinberg beispielsweise hat bereits vor fast zwei Jahren das Video- und Audio-Studio Nuendo angekündigt. Inzwischen ist zwar eine Versionen für Windows 2000 verfügbar, aber von BeOS ist keine Rede mehr. Dasselbe gilt für Cinema4D, eine Software zum Modellieren und Rendern von 3D-Szenen, und den 3D-Landschaftsgenerator Bryce. Auch von UltraDV, einem bereits seit einiger Zeit angekündigten Video-Editor, ist derzeit keine Spur. Immerhin verspricht der Hersteller eine erste Version für den Sommer dieses Jahres.

Im Bereich Bildbearbeitung gibt es im BeDepot zwar schon seit längerem Produkte wie ArtPaint oder BeCasso, doch diese reichen bei weitem nicht an die Fähigkeiten von Produkten wie Paintshop oder Photoshop heran.

Ein weiteres Problem ist die Hardware-Unterstützung. BeOS bietet beispielsweise keinerlei Unterstützung für 3D-Beschleunigerkarten. Das OpenGL-Kit arbeitet komplett softwarebasiert und ist dementsprechend nicht besonders schnell.

Arbeiten mit BeOS

Wer BeOS als möglichen Ersatz für Windows in Betracht zieht, muss allerdings bei der täglichen Arbeit einige Abstriche machen. Es gibt zwar einige Programme für den Einsatz im Office, aber an große Pakete wie StarOffice oder Microsoft Office kommen sie nicht heran.

Ein vielversprechendes Projekt ist AbiSource, das es sich zum Ziel gesetzt hat, kostenlose Office-Applikationen für verschiedene Betriebssysteme zu erstellen. Das erste Ergebnis dieser Bemühungen ist AbiWord in der Version 0.7.8. Es bietet lediglich die wichtigsten Textverarbeitungs-Funktionen, aber es kann mit Word, RTF und LaTeX umgehen. Gobe-Software, einer der Distributoren der Professional-Version, bietet mit Gobe Productive 2.0.1 eine komplette Office-Suite an, die mit knapp 80 Dollar recht preiswert ist. Das Paket enthält eine Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Zeichenprogramm, Bildbearbeitung sowie eine Präsentationssoftware. Wer allerdings die Funktionsvielfalt der großen Pakete gewohnt ist (und sie auch tatsächlich nutzt), wird mit Gobe Productive jedoch nicht glücklich.

Fazit

Vom Multimedia-Betriebssystem ist BeOS noch weit entfernt. Dazu ist die Ausstattung mit Hardware-Treibern einfach zu dünn und die derzeit erhältliche Software bei weitem nicht professionell genug. Das Betriebssystem an sich weist dagegen die notwendigen Merkmale auf. Doch das ist nicht genug. Vielleicht schafft Be es ja mit dem durch die Personal Edition ausgelösten Boom, genügend Software-Anbieter zu aktivieren. Dazu muss Be besonders bei den Grafikkarten noch einiges nachholen, vor allem die fehlende Unterstützung für 3D-Beschleuniger macht sich negativ bemerkbar.

Zudem gilt: Wer Multimedia sagt, muss auch Internet sagen. Und hier ist BeOS ebenfalls im Hintertreffen. NetPositive, der mitgelieferte Browser, ist weit hinter dem Stand der Technik zurück. Das betrifft die Unterstützung für Java(script) ebenso, wie die Ausstattung mit entsprechenden Plug-ins.

Insgesamt kann man sagen: Für Entwickler ein interessantes Studienobjekt mit guten Ansätzen und Ideen. Als Lightweight-Betriebssystem für Internet-Geräte, wie es Be mit seiner BeIA (Be for Internet Appliances) anpeilt, könnte es sich sogar einen Markt verschaffen, wenn Be schneller ist als Microsoft. Denn auch in Redmond hat man den Trend erkannt und viel Geld für die Weiterentwicklung von Windows CE bereitgestellt. Geld, das Be möglicherweise allzu bald ausgeht, weil in diesem Segment Marketing besonders wichtig ist. (mha)

BeOS-Links

Wenn Sie sich selbst ein Bild von BeOS machen wollen, sind die folgenden Links bestimmt eine gute Hilfe bei der ersten Orientierung. Es fällt jedoch auf, dass inzwischen mehr BeOS-Seiten dicht machen, als neue dazukommen. Und nur wenige Seiten enthalten aktuelle Informationen.

Die Deutsche BeOS User Group (DeBUG) liefert regelmäßig Neuigkeiten und bietet auch einige gute Hintergrundartikel über BeOS.

Im Software-Archiv BeBits finden Sie Links auf aktuelle Software für BeOS. Das Archiv enthält Beschreibungen und Ratings für die Pogramme in verschiedenen Kategorien.

Im BeDepot können Sie kommerzielle Software für BeOS erwerben.

BeForever bietet unter anderem ein Portal zu einer Vielzahl von BeOS-Seiten.

Eine Vielzahl von nützlichen Tips und Tricks rund um BeOS finden Sie auf dem Be-Tipserver.

Im BeOS-Webring hat sich eine Vielzahl von BeOS-Webseiten zusammengefunden.