Test: ATIs Radeon 9000

18.07.2002 von NICO ERNST  und PATRIK RIFFEL 
Der Nachfolger des Radeon 8500 verspricht alle DirectX-8-Funktionen zum kleinen Preis. Karten mit 64 MByte DDR-SDRAM sind ab 130 Euro erhältlich. tecCHANNEL liefert Bilder, Benchmarks und Daten von ATIs neuem Grafikchip.

"Das Zeitfenster ist soooo klein." Die ATI-Mitarbeiterin deutet rund einen Zentimeter zwischen Daumen und Zeigefinger an. Am Rande der Launch-Veranstaltung im Münchner Altertumsmuseum (Glyptothek) erklärt ATI, warum man jetzt mit dem Radeon 9000 auf den Markt kommt und mit dem Radeon 9000 Pro, dem Radeon 9500 und dem 9700 gleich noch drei andere Produkte auf den Markt bringen will. Dem Radeon 9700 haben wir auf Grund seiner Marktbedeutung einen eigenen Artikel gewidmet.

Mit NVIDIAs neuer Chipgeneration ist nicht nur nach ATIs Angaben frühestens im Oktober zu rechnen - und die Zeit bis dahin will ATI nutzen, um dem Marktführer in allen Bereichen Marktanteile abzunehmen. Dafür muss man nicht kleckern, sondern klotzen. ATI steckt jetzt auch verstärkt Geld ins Marketing und in pünktliche Launches: Bereits am Tag nach der offiziellen Vorstellung soll der Radeon 9000 beispielsweise bei MediaMarkt in den Regalen stehen.

DirectX8.1 für 129 Euro

Die Leistung der Produkte muss aber ebenso stimmen, nicht nur der Terminplan. Mit dem Radeon 9000 verspricht ATI, erstmals eine Karte mit allen Funktionen von DirectX 8.1 für den Massenmarkt zu liefern. So gab beispielsweise ATI-Partner Sapphire für seine Produkte äußerst aggressive Preise bekannt. Die "Sapphire Radeon 9000 Atlantis" soll mit 64 MByte DDR-SDRAM nur 129 Euro kosten. Andere Hersteller wie etwa Hercules haben ihre Preisgestaltung noch nicht offengelegt.

Vollständige Pixel- und Vertex-Shader wie beim Radeon 9000 gibt es bei NVIDIA erst ab dem GeForce4 Ti 4200, und da bewegen sich die günstigsten Straßenpreise derzeit um 160 Euro. Mit Preisen um 130 Euro ist aber der GeForce4 MX der direkte Konkurrent des Radeon 9000.

Neben der vollen Unterstützung von DirectX 8.1 hat sich ATI für den Massenmarkt aber noch einige Zusatz-Features ausgedacht.

Details zum Radeon 9000

ATIs unter dem Codenamen "RV250" entwickelter Chip wird immer noch in 0,15-Mikron-Technologie bei TSMC hergestellt. Die Architektur basiert auf der Charisma-Engine des Radeon 8500, deren Details sich hier finden. Arbeitet der Radeon 8500 noch mit einem Chip/Speichertakt von 275/300 MHz (effektiv 600 für DDR-SDRAM), so hat ATI beim Radeon 9000 aus Kostengründen die Frequenzen auf 250/200 MHz begrenzt.

Der Radeon 9000 Pro, der im August ausgeliefert werden soll, ist mit 275/275 MHz etwas höher getaktet und verfügt ansonsten über die gleiche Funktionalität. Dazu zählt voller Support für die von DirectX 8.1 geforderten Pixel-Shader in Version 1.4 und die Vertex-Shader 1.1. Ebenso wie beim Radeon 8500 sind vier Rendering-Pipelines geboten.

Die Gemeinsamkeiten mit dem Radeon 8500 gehen noch weiter. Der Radeon 9000 ist nach wie vor ein AGP-4x-Chip, erst der Radeon 9700 bringt AGP 8x mit. Auch die bei ATI "HydraVision" getaufte Funktion für zwei Displays ist im Radeon 9000 zu finden. Damit meint ATI die Integration von zwei DACs. Zusammen mit dem MPEG-2-Decoding per Hardware lässt sich damit eine DVD auf einem Fernseher wiedergeben, während ein CRT- oder TFT-Monitor für andere Aufgaben genutzt werden kann.

Verbesserte Video-Wiedergabe

TFTs steuert der Radeon 9000 idealerweise per DVI-Port an, für den ein TMDS-Transmitter mit 165 MHz im Chip steckt. Neu ist die "Fullstream" getaufte Funktion, die die Wiedergabe von stark komprimierten Videos verbessern soll.

ATI setzt hier die Shader der 3D-Logik ein, um die typischen MPEG-Artefakte verschwinden zu lassen. Bei der Präsentation in München klappte das auch im bewegten Bild recht gut. Der Haken: Für jeden neuen Codec muss der Fullstream-Code angepasst werden. Bei der rasanten Erscheinungsweise von beispielsweise neuen DivX-Versionen hat sich ATI hier einiges vorgenommen.

Die Speicherausstattung lässt den ATI-Partnern viel Spielraum. 32, 64 oder 128 MByte DDR-SDRAM können aufs Board gelötet werden, was Radeon-9000-Karten in allen Preisbereichen möglich macht.

Insgesamt stellen Radeon 9000 und 9000 Pro vor allem durch die Taktfrequenzen ein Mittelding aus Radeon 8500 und dessen niedriger getakteter Version 8500 LE dar. Das einzig wirklich neue Feature ist Fullstream.

Benchmark-Vorbetrachtung

Die von ATI zur Verfügung gestellte Karte arbeitet mit 275/275 MHz Chip- und Speichertakt. Diese Angaben wirft auch das Tool Powerstrip aus, ATI hat diese Zahlen gegenüber tecCHANNEL.DE bestätigt. Die Benchmarks stellen also die Werte des Radeon 9000 PRO dar. Da das Muster der Karte erst sehr kurz vor dem Launch eintraf, blieb keine Zeit mehr für Benchmarks mit 250/200 MHz, was dem "Radeon 9000" entspricht.

Die Tests liefen auch beim hohen Takt mit der passiv gekühlten Karte stabil. Bleibt zu hoffen, dass die lärmenden Lüfter nicht bei allzu vielen Herstellern anzutreffen sind. Als Treiber unter Windows XP kam die Version 6.13.10.6102 zum Einsatz, die zum Launch des Radeon 9000 auch auf den Download-Seiten von ATI zur Verfügung stand. Die einzige Anomalie des Treibers war ein doppelter Eintrag im Gerätemanager.

Dies trat auf der AMD- und der Intel-Plattform auf und ließ sich einwandfrei reproduzieren. ATI hat bis dato keine Erklärung für dieses Phänomen, das aber eher kosmetischer Natur ist. Die zum Testen verwendeten Plattformen sind in unserem tecLab-Report beschrieben.

Verwendete Benchmarks

Alle Grafikchips testen wir unter Windows XP mit DirectX 8.1. Wir verwenden aktuelle 3D- und 2D-Applikations-Benchmarks. Die 2D-Performance testen wir mit dem Applikations-Benchmark BAPco SYSmark 2001 in einer Auflösung von 1280 x 1024 Punkten und 32 Bit Farbtiefe. Er dient zur Kontrolle von Kompatibilität und Stabilität der Grafikchips. Die 3D-Leistung bestimmen wir mit folgenden Programmen:

Mit GLmark, SPECviewperf und Quake III Arena ermitteln wir die OpenGL-Leistung der Grafikchips. Die Direct3D-Performance testen wir zum einen mit dem 3D-Ego-Shooter Serious 2 und dem Benchmark-Paket 3DMark2001 SE. Letzteres prüft sowohl Funktionen und Features als auch die Leistung der Grafikprozessoren und -chips mit Hilfe von Spieledemos. Die wichtigsten Leistungswerte der Chips stellen wir auf den folgenden Seiten grafisch gegenüber.

SPECviewperf

SPECviewperf 6.1.2 ist eine OpenGL-Real-World-Benchmark-Suite. Sie nutzt Funktionen zum Modellieren von Objekten bei industriellen Anwendungen. Wir verwenden den SPECviewperf-Einzel-Benchmark AWadvs-04. Dieser beansprucht die Grafikkarte besonders.

SYSmark2001

Die 2D-Leistungsfähigkeit der Grafikkarten überprüfen wir mit dem Benchmark-Paket SYSmark2001 unter Windows XP. SYSmark2001 besteht aus aktuellen Anwendungsprogrammen wie Office 2000 und aus 3D-, Video- und Sound-Software.

3DMark2001 SE

Der Benchmark 3DMark2001 SE verlangt nicht nur nach Rechen- und Grafikleistung, sondern beansprucht auch den AGP-Bus und das Speicher-Interface stark. Mit ihm lässt sich zusätzlich die Leistung von Chipfunktionen wie Vertex- und Pixel-Shader prüfen.

Vulpine GLmark

Vulpine GLmark ist ein OpenGL-Benchmark. Er basiert auf der Vulpine Vision Game Engine, die in zukünftigen 3D-Spielen zum Einsatz kommen soll. Beim Test muss der Grafikchip komplexe Landschaften, Gebäude und typische Spieleszenen berechnen.

Den Test führen wir bei einer Auflösung von 1024 x 768 Bildpunkten und einer Farbtiefe von 32 Bit durch. Als Einstellung wählen wir "Advanced Settings". Diese nutzen OpenGL 1.2 und erweiterte Funktionen wie Cube Mapping.

Serious Sam 2

Der 3D-Ego-Shooter Serious Sam 2 basiert auf einer selbst entwickelten Game-Engine der kroatischen Spieleprogrammierer Croteam. Serious Sam 2 bietet komplexe Szenarien. Detaillierte Graslandschaften, scharenweise Gegner und vielseitige Licht- und Schatteneffekte sowie Farb- und Reflexionseffekte verlangen dem Grafikprozessor ein gehöriges Maß an Rechenleistung ab. Das Game kann sowohl die Direct3D- als auch die OpenGL-API nutzen. Zum Test der Grafikprozessoren verwenden wir Direct3D mit den Standardeinstellungen (Präferenzen: Normal) und einer Auflösung von 1024 x 768 Bildpunkten und 32 Bit Farbtiefe.

Dieses ungewöhnliche Ergebnis zeigt, was die Optimierung einer Game-Engine auf einen bestimmten Chip bringt. So zählte Serious Sam 2 zu den ersten Spielen, die ATIs Trueform unterstützten. Beim Start des Spiels zeigt sich auch, dass die Engine sämtliche ATI-eigenen Erweiterungen unterstützt.

Quake 3 Arena

Wie SPECviewperf und Vulpine GLmark setzt Quake III Arena v1.31 ganz auf OpenGL. Dieses 3D-Spiel zeichnet sich durch eine hohe Anzahl von Polygonen und komplexe Szenarien aus. Die Anforderungen an die Hardware und besonders an die Speicherbandbreite der Grafikkarten sind bei Auflösungen ab 1024 x 768 Punkten und 32 Bit Farbtiefe sehr hoch. Zwei weitere Tests in den Auflösungen 1280 x 1024 und 1600 x 1200 zeigen die Leistungsfähigkeit der Chips.

Fazit

Gemessen am Preis ist der GeForce4 MX der wahre Konkurrent des Radeon 9000. Diesen kann ATI in vielen Tests schlagen. Gegenüber dem nur rund 40 Euro teureren GeForce4 Ti 4200 ist der neue ATI-Chip aber chancenlos. Dennoch gab es noch nie alle Shader-Effekte zu so kleinem Preis wie beim Radeon 9000.

Davon hat der Anwender bisher aber relativ wenig, erst Spiele wie das im August erscheinende Unreal Tournament 2003 werden die Pixel- und Vertex-Shader voll ausreizen.

Verwirrend ist die Namensgebung. "Radeon 9000" lässt spontan vermuten, der neue Chip wäre durch die Bank besser als der Radeon 8500. In Wirklichkeit ist der Radeon 9000 aber in vielen Tests deutlich langsamer. Aber auch Konkurrent NVIDIA betreibt mit dem GeForce4 MX Etikettenschwindel, bietet er doch keine der Shader-Funktionen des GeForce4 Ti. Für ATI heißt es eben: "Von NVIDIA lernen, heißt siegen lernen". (nie)