VMware ThinApp im Praxiseinsatz

Test - Anwendungsvirtualisierung mit ThinApp 4.5 von VMware

06.07.2010 von Johann Baumeister,
Mit ThinApp bringt VMware ein Tool zur Virtualisierung von Anwendungen im Desktop-Umfeld auf den Markt. Die Software ermöglicht eine schnelle Erstellung und Verteilung von Anwendungen in einer komplexen IT-Infrastruktur. In unserem Test muss ThinApp 4.5 beweisen, was es leistet.

Durch die Übernahme von Thinstall Anfang 2008 und dem daraus entstandenen Produkt ThinApp will VMware die Virtualisierung von Anwendungen erobern. In der Applikationsvirtualisierung, zu der auch ThinApp gehört, wird die Arbeitsumgebung für eine Anwendung virtuell nachgebildet. Dadurch soll die Applikationsvirtualisierung die Softwareverteilung auf die Arbeitsplätze vereinfachen.

Die Benutzerprogramme werden dabei auf einem zentralen Server vorgehalten. Hierzu sind im ersten Schritt Softwarepakete zu schüren. Diese Pakete werden den Benutzern bei Bedarf zur Verfügung gestellt. Der Anwender kann dann über einen Link auf seinem Rechner-Desktop die virtuellen Anwendungen von einem freigebenen Laufwerk direkt vom Server abrufen.

Bildergalerie: VMware ThinApp 4.5
VMware ThinApp 4.5
Der Startbildschirm von ThinApp. Das Video liefert einen schnellen Überblick zur Funktionsweise.
VMware ThinApp 4.5
Im Prescan untersucht ThinApp den Rechner und prüft alle installierten Module und Registryeinträge.
VMware ThinApp 4.5
Nach dem Prescan erfolgt die Installation der Anwendung unter der Aufsicht von ThinApp.
VMware ThinApp 4.5
Der Postscan untersucht den Rechner erneut und ermittelt alle Änderungen gegenüber dem Prescan.
VMware ThinApp 4.5
Im letzten Schritt sind die Konfigurationseinstellungen für das ThinApp-Projekt zu bestimmen.
VMware ThinApp 4.5
Aus den Softwaremodulen samt Konfiguration schnürt ThinApp das Projekt.

Dennoch müssen bei dieser Aktion die virtualisierten Applikationen erst vom zentralen Server auf das Benutzergerät gelangen. Dies kann entweder beim ersten Aufruf der Applikation passieren, oder es erfolgt im Vorfeld eine Verteilung der virtualisierten Programme. Beim Aufruf der Anwendung wird diese dann auf den Desktop des Rechners geladen. Verglichen mit den traditionellen Softwareinstallationen sollen sich ThinApp-Anwendungen bedeutend schneller und einfacher verteilen - so die Theorie. Wir haben in einem Test von ThinApp 4.5 untersucht, inwieweit sich Theorie und Praxis der Virtualisierungslösung decken.

Die Architektur der Applikationsvirtualisierung

Applikationen laufen immer im Kontext eines Betriebssystems und einer bestimmten Systemumgebung. Bei der Virtualisierung von Applikationen wird den Anwendungsprogrammen die Laufzeitumgebung, die sie zur Ausführung der Programme benötigen, "vorgegaukelt". Sie ist vom restlichen System der Benutzergeräte abgeschottet. Änderungen, die der Benutzer oder eine Anwendung an der Windows-Registry oder sonstigen Konfiguration vornimmt, gelten nur in dem separierten eigenen Bereich dieser Applikation. Damit entfallen die Wechselwirkungen, die häufig zwischen Applikationen auftreten und sich gegenseitig Einstellungen oder Registry-Schlüssel verändern.

Die virtualisierten Applikationen sind auch von den lokal installierten Anwendungen dieses Rechners getrennt. Davon ausgenommen sind aber die Dateien in den Verzeichnissen oder etwa die Inhalte von Datenbanken, die durch die virtualisierte Applikation verändert werden.

Inkompatibilitäten mit anderen Programmen werden durch ThinApp verhindert. Zu dieser, oftmals als "DLL-Hell" bezeichneten Situation kommt es immer dann, wenn beispielweise zwei Programme zwei unterschiedliche Versionen einer bestimmten DLL (Dynamik Link Library, also Code-Module, die in der Regel von mehreren Anwendungen benutzt werden) benötigen, aber nur eine davon aktiv sein kann. Ähnlich verhält es sich, wenn zwei unterschiedliche Versionen des gleichen Programms auf einem Rechner eingesetzt werden sollen; auch dann sind Konflikte vorgezeichnet. Ein weiterer Vorteil von virtualisierten Anwendungen ist, dass die virtualisierten Applikationen auch von den lokal installierten Anwendungen dieses Rechners getrennt sind. Eventuelle Störungen dieser Programme untereinander sind somit ausgeschlossen.

Testdetails

Für diesen Test richteten wir ThinApp 4.5 auf einem Rechner mit Windows XP ein. Dieser wiederum wurde in einer virtuellen Umgebung unter der VMware-Workstation ausgeführt. Die Software haben wir von der Website von VMware bezogen - ThinApp 4.5 Suite. Es ist klein und kompakt. VMware hat die Software in gut 7 MByte verpackt. Verglichen mit so manchen Paketen, für die nicht einmal eine CD ausreicht, sondern eine oder mehrere DVDs verlangt, zeigt sich hier, dass man auch mit wenig Code gute Anwendungen bauen kann.

Zusammen mit dem Setup bezogen wir den ThinApp Reviewers Guide. Hier muss man aufzupassen: Der Reviewers Guide bezieht sich noch auf die Version 4.0. Wir haben den Versionsunterschied zuerst aber nicht weiter beachtet, denn oftmals bleibt die Dokumentation über einen längeren Zeitraum gültig. Allerdings werden im Revierwers Guide als unterstützte Betriebssysteme alle Windows-Versionen ab Windows NT bis zu Windows Vista angegeben - nicht aber Windows 7. Dies ist auch der Grund, weshalb wir den Test mit Windows XP durchführten. Später zeigte sich aber in den Release Notes zu ThinApp 4.5, dass auch Windows 7 unterstützt wird. Da dies allerdings auf die Funktionsweise des Tools keine Auswirkungen hat, blieben wir für unseren Test bei der Windows-XP-Umgebung.

Das Setup von ThinApp

Das Setup der ThinApp-Software lässt sich intuitiv durchführen und ist schnell erledigt. Anschließend findet der Anwender im Startmenü von Windows eine Programmgruppe VMware. Diese weist drei Einträge auf: einen Link zur ThinApp Hilfe, einen ThinApp Log Monitor und das ThinApp Setup Capture. Der Log-Monitor dient der Überwachung und Fehlersuche. Der Kern der Funktionen von ThinApp verbirgt sich dagegen im Setup Capture. Wer ungeduldig ist, wird sich am besten gleich diesem Programm zuwenden. Dennoch sollte man vorher einen Blick auf die Hilfe werfen: Sie verweist auf die Neuerungen von ThinApp 4.5, und hier zeigt sich, dass ThinApp 4.5 auch Windows 7 und Windows Server 2008 R2 unterstützt.

Der Startbildschirm von ThinApp: Das Video liefert einen schnellen Überblick über die Funktionsweise.

Nach dem Aufruf des Hauptprogramms Setup Capture öffnet sich ein relativ kleines Fenster - der "Setup Capture Welcome", ein Assistent, der durch den Gebrauch des Tools führt. Im unteren Bereich finden Sie diverse Schaltknöpfe wie Help, Back, Next und Cancel sowie einen Schaltknopf, um Lizenzschlüssel einzutragen. Mit dem Next-Knopf wird der Assistent gestartet. Zusätzlich ist ein "Quick Start Video" eingeblendet, dass Sie sich beim ersten Aufruf von ThinApp ansehen sollten, denn es zeigt in wenigen Minuten den Gebrauch und die Möglichkeiten des Tools auf. Dazu wird allerdings eine Internetverbindung benötigt, denn das Video wird von der VMware Website geladen. Mit Next gelangen Sie anschließend in das eigentliche Programmfenster von ThinApp.

In fünf Schritten zur Virtualisierung einer Anwendung

Die Bereitstellung einer Anwendung mit ThinApp läuft in fünf Schritten ab. Korrespondierend zu diesen fünf Schritten sind am oberen Rand des Verwaltungsfensters fünf Icons dargestellt. Diese zeigen, in welcher Stufe man sich gerade befindet. Ferner blendet das Tool immer kurze Hilfen zu den gerade durchgeführten Aktionen im Fenster ein. Die fünf Stufen sind in einer festen Reihenfolge zu durchlaufen; daher unterliegt die Steuerung dem Assistenten.

Das Vorgehen ist intuitiv und gliedert sich wie folgt: Zuerst analysiert ThinApp den Zustand eines Rechners und dessen Softwaresystem. Anschließend erfolgt die Installation eines Prototyps der Anwendung. Diese wird dem Benutzer später im Paket zur Verfügung gestellt. Die Installation des Prototyps wird von ThinApp überwacht. Dabei registriert ThinApp alle Änderungen am Dateisystem, an der Registry und an weiteren wichtigen Systemeinstellungen. Die protokollierten Anwendungen werden dann in dem Paket verpackt. Die nun erzeugten Pakete umfassen somit alle Änderungen, die notwendig sind, um den Rechner aus dem Ursprungszustand - vor der Installation der Anwendung - in den Zielzustand zu überführen. In diesem "virtuellen" Zielstand hat der Rechner den gleichen Aufbau, als wenn die Anwendung direkt auf dem Rechner installiert worden wäre.

Der Prescan des Systems

Der erste der fünf Schritte ist der Prescan, also eine Untersuchung des Rechners samt seinen Einstellungen. Dies ist gewissermaßen der Ausgangszustand. Die Ergebnisse des Prescan hinterlegt ThinApp in seinen Verwaltungsinformationen.

Vorarbeiten: Im Prescan untersucht ThinApp den Rechner und prüft alle installierten Module und Registry-Einträge.

Das Ausgangssystem, das hierbei untersucht wird, sollte möglichst universell ausgelegt sein und aus einer frischen Installation des Betriebssystems bestehen. VMware empfiehlt, von den unterschiedlichen Betriebssystemen mit eventuell individuellen Service Packs jeweils eine virtuelle Maschine zu erstellen, weil man damit eine optimale Vorlage für das Erstellen von Applikationspaketen hat. Es dürfen aber natürlich auch weitere Bausteine in dem System, liegen. Der Prescan dauert nur wenige Minuten; in unserem Test wurde er schnell und problemlos durchlaufen.

Installation, Postscan und Paketierung

Im nächsten Schritt installiert ThinApp die entsprechende Anwendung. Diese Installation ist nach den Vorgaben der jeweiligen Applikation durchzuführen. ThinApp überwacht dabei alle Änderungen, die der Setup-Prozess nun am System vornimmt. Falls erforderlich, kann der Anwender das Fenster des Programms auch verkleinern, um einen besseren Überblick über den Desktop zu behalten.

Der Postscan

Im Postscan untersucht ThinApp erneut die Registry, das Dateisystem und weitere Umgebungsparameter. Dabei findet auch ein Vorher-Nachher-Vergleich statt. Die Unterschiede repräsentieren somit all die Änderungen, die der Installationsprozess am Betriebssystem des Rechners und an seinen Einstellungen vorgenommen hat.

Erstellen des Paketes

Anschließend wird das Paket geschnürt. Hier muss der Nutzer weitere Einstellungen vornehmen. Prinzipiell unterstützt ThinApp Installationspaket im Format einer EXE-Datei und der MSI-Installationspakete. Ferner sind die Einstiegspunkte festzulegen, über die der Nutzer später die Anwendung aufrufen kann. Bei der nachfolgenden Definition der Gruppen wird festgelegt, wer das zu schnürende Paket und damit auch die virtualisierte Anwendung später ausführen darf. Dabei unterscheidet ThinApp nach "Jedermann" und einer definierbaren Active Directory-Gruppe.

Um das Active Directory in das System einzubinden, muss an dieser Stelle ein Zugriff darauf möglich sein. Bei der Festlegung des sogenannten "Isolation-Moduls" wird bestimmt, welche Dateien und Registrierungsschlüssel für die Anwendung sichtbar und veränderbar sein sollen. Der nächste Parameter ist mit "Sandbox" umschrieben. Damit wird die Isolierung der virtuellen Applikation bestimmt. Hierbei werden drei Optionen unterstützt: das Profil des Benutzer, ein USB-Stick oder ein ähnliches Medium, das zum Transport der Applikation dient, und ein Netzlaufwerk.

Erstellen des ThinApp-Projekts

ThinApp packt all diese Änderungen mitsamt den vorgenommenen Konfigurationseinstellungen in ein Projekt, was in unserem Test fehlerfrei erfolgte. Dieses Projekt kann auch weiter konfiguriert werden. Der Assistent prüft und konfiguriert damit nur die wichtigsten Projekteinstellungen. Daneben stehen aber weitaus mehr und feinere Einstellungen zur Verfügung. Diese sind in den Konfigurationsdateien des Projektes und des Paketes direkt vorzunehmen. Diese sind Textdateien. Das bedeutet, dass die weiteren Feineinstellungen am ThinApp-Paket durch einen Editor vorzunehmen sind.

Final: Im letzten Schritt sind die Konfigurationseinstellungen für das ThinApp-Projekt zu bestimmen.

Der letzte Parameter schließlich, die Package Settings, bestimmt zusätzliche Optionen, die für das zu schnürende Paket gelten sollen. Damit ist die Erstellung des Paketes abgeschlossen. Es wird in einem Verzeichnis auf dem Rechner hinterlegt. Von dort kann der Anwender nun seine virtualisierte Applikation direkt aufrufen, ohne dass diese vorher installiert sein muss. Alternativ kann das Paket aber auch direkt auf das Benutzergerät übertragen werden - praktisch vor allem für Notebooks oder Geräte, die nicht immer mit den zentralen Laufwerken verbunden sind.

Versandfertig: Aus den Softwaremodulen samt Konfiguration schnürt ThinApp das Projekt.

In unserem Testszenario haben wir sehr schnell mehrere Pakete erzeugt und problemlos per USB-Stick auf die Zielsysteme übertragen. Diese Zielsysteme stellen unsere Benutzergeräte dar. Dabei mussten wir natürlich darauf achten, dass die Benutzergeräte das gleiche Basisimage aufweisen wie das System, auf dem die ThinApp-Pakete geschnürt wurden, beispielweise Windows XP mit SP3 oder Windows 7 in der 64-Bit-Version.

Nach dem Click auf die übertragen Pakete konnten wir die darin eingebetteten Anwendungen fehlerfrei starten - ohne sie vorher installiert zu haben. Und genau das ist der Sinn und Zweck von ThinApp und seiner Applikationsvirtualisierung. Diese Aufgabe hat das Programm in unsrem Test tadellos erfüllt.

Fazit

Mit ThinApp 4.5 hat VMware einen wichtigen Baustein zur Virtualisierung von Applikationen im Angebot. Das Programm erlaubt dem Benutzer eine einfache und schnelle Zuweisung von Anwendungen, wie unser Test zeigt. Die herkömmliche Verteilung einzelner Anwendungen auf die Benutzer-Desktops entfällt damit. Sie wird durch eine weitaus einfachere Zuweisung von zentralen virtualisierten Anwendungen ersetzt, was Zeit und somit Kosten spart.

Die Software zur Virtualisierung von Anwendungen ThinApp ist schnell und einfach in Betrieb zu nehmen. In unserem Test sind keine Probleme aufgetreten. Alle gestellten Aufgaben wurden tadellos durchgeführt. Das Schnüren der Softwarepakete geht flott vonstatten und erfordert keine langwierige Einarbeitung. Allerdings sollte der Anwender vor einem Einsatz der Lösung im Unternehmen ein klares und sauberes Konzept zur Softwareverteilung erstellen und definieren, welches Basissystem er verwenden möchte und welchen Umfang die ThinApp-Pakete haben sollen. Ein unüberlegtes Vorgehen kann zu einem Wildwuchs an Programmpaketen und unterschiedlichen Modulen führen.

Die ThinApp 4.5 Suite von VMware ist als 60-Tage-Testversion erhältlich. Die Vollversion kostet ab 5690 Euro. Für eine entsprechende Client-Lizenz sind mindestens rund 45 Euro zu entrichten. (hal)

ThinApp 4.5

Produkt:

ThinApp 4.5

Hersteller:

VMware

Einsatzgebiet:

Virtualisierung von Applikationen

Komponenten:

ThinApp-Suite plus Client-Lizenz

Betriebssystem:

Windows

Preis:

60-Tage-Testversion, ThinApp-Suite ab 5687 Euro zuzüglich Client-Lizenz ab 45 Euro