Terabits im Internet

13.09.2000 von Ralf Froböse
Immer mehr Highspeed-Nutzer tummeln sich im Internet. Besonders DSL belastet den Backbone der Provider. Damit es nicht zum globalen Stau auf dem Datenhighway kommt, sind neue Übertragungsverfahren gefragt.

Der Weg ist vorgezeichnet: Die Provider stellen ihren Kunden immer mehr Bandbreite zu immer günstigeren Preisen zur Verfügung. Immerhin wollen Sie früher oder später nicht mehr an der Onlinezeit oder dem Datenvolumen verdienen, sondern an Zusatzdiensten wie Video on demand oder Multimedia-Shopping. Doch ein Benutzer, der statt mit ISDN mit DSL ins Internet geht, benötigt plötzlich zwölf Mal so viel Bandbreite. Dieser Faktor und die ohnehin steigenden Benutzerzahlen im Internet haben zu einer Explosion im Datenverkehr geführt. Jedes Jahr fließen 300 Prozent mehr Daten über die weltweiten Datenautobahnen. Zum Vergleich: Die Sprachübertragung legt gerade mal fünf Prozent pro Jahr zu.

Um mit dem explodierenden Datenvolumen fertig zu werden, müssen die Provider schnell Lösungen finden, damit es nicht zum globalen Datenstau kommt. Einfach noch mehr Glasfaser-Leitungen zu verlegen, ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Immerhin benötigt man Übertragungsraten im Terabit-Bereich. Also müssen mehr Daten über die bereits vorhandenen Fasern laufen.

Alte Technik ist am Ende

Elektrisches Multiplexing, das auf der zeitlichen Verschachtelung mehrerer Nachrichten über eine gemeinsame Leitung basiert und daher auch als Zeitmultiplex TDM) bezeichnet wird, kann das Bandbreitenproblem in naher Zukunft nicht lösen. Bei der bereits im Jahre 1853 erstmals vorgeschlagenen Methode sind heute gerade einmal 40 GBits/s "State-of-the-Art". Selbst wenn eine Vervierfachung der 40 GBit/s auf 160 GBit/s pro einzelner Glasfaser gelingen sollte, bleibt das Terabit immer noch außer Reichweite, so die Einschätzung internationaler Experten. Die Technik, die bei Glasfasern zum Tragen kommt, ist nichts anderes als die optische Variante der elektrischen Zeitmultiplex-Technik. Sie basiert darauf, dass die komprimierten Daten zahlreicher Nutzer zeitlich gestaffelt in Blöcken über einen Lichtwellenleiter gesandt werden. Der Empfänger entpackt die Daten und ordnet sie den jeweiligen Nutzern wieder zu.

Eine weitere technologische Hürde, die genommen werden muss, ist die heutige Silizium-CMOS-Technik. Die Technologie galt bislang als unangefochtener "Sieger", da sie über entscheidende Vorteile hinsichtlich Packungsdichte, Verlustleistung und Systemgeschwindigkeit verfügt. Einziges entscheidendes Handicap: Bei Systemen mit 40 GBit/s stößt sie an die Grenze ihrer Möglichkeiten. Einen längerfristigen Ausweg bieten neue und bisher wenig erprobte Chip-Technologien. Dies ist zum einen die Silizium-Germanium-Bipolartechnik, zum anderem ist es die Indium-Phosphid-Technik. Letztere birgt für künftige Anwendungen ein besonders interessantes Potenzial, da sie die elektrische Schaltungstechnik mit der Lasertechnik in einem Chip integriert.

Datenübertragung wird farbig

Ein schon kurzfristig Erfolg versprechender Weg in die Terabits ist aber vorhanden: Er führt über die so genannte Wellenmultiplex-Technik DWDM, welche die bisherige TDM-Technik ergänzt. DWDM basiert darauf, dass auf einer Glasfaser unterschiedliche Wellenlängen - sprich Farben - für die Datenübertragung parallel genutzt werden. An Wellenlängen nutzt die DWDM-Technik die Lichtwellenlängen der optischen Fenster bei 850, 1300 und 1550 Nanometern. Das zu übertragende Signal wird dabei einer Lichtfrequenz aufmoduliert. Das optische Koppelelement, der so genannte Wellenlängen-Multiplexer, bündelt die verschiedenen Lichtwellenlängen und überträgt den gesamten Lichtstrom über einen Lichtwellenleiter zum Empfänger. Mit Hilfe von Filtertechniken wird der Lichtstrom dort wieder in die einzelnen Kanäle separiert.

Bei diesem technischen Kunstgriff trägt jede Farbe ein TDM-Signal, das selbst bereits 2, 5, 10 oder 40 GBit/s transportiert. Wenn man nun auf 40 Wellenlängen jeweils ein 40-GBit/s-Signal oder auf 160 Wellenlängen jeweils ein 10-GBit/s-Signal überträgt, erhält man bereits eine Gesamtdatenrate von 1,6 Terabit pro Sekunde. Zurzeit befinden sich Systeme in der Entwicklung, die auf 160 Wellenlängen jeweils ein 40-GBit/s-Signal transportieren und so 6,4 Terabit pro Sekunde erreichen.

Nun zieht eine Erhöhung der Datenrate im TDM-Bereich unweigerlich eine Verschlechterung des "Signal-zu-Rausch-Verhältnisses" nach sich. Erhöht man einfach die Leistung, treten ab einem bestimmten Punkt "nichtlineare Optische Effekte" auf, die die zu übertragenden Impulse stark verzerren und damit die Datenrate herabsetzen. Zur Lösung dieses Problems werden so genannte Raman-Amplifier eingesetzt. Diese pumpen von der Empfangsseite her Leistung in die Faser ein und regen die Faser durch den Raman-Effekt so an, dass sie wie ein Verstärker auf die Nutzsignale wirkt. Auf diese Weise wird aus der passiven Faser ein aktives Medium, in dem das Signal sozusagen von innen verstärkt wird.

Quantensprung durch III/V-Halbleiter

Die ständig steigenden Ansprüche setzen die Eroberung höchster Frequenzbereiche im Mikrowellenbereich bis 100 Gigahertz voraus. Die Hersteller von Hochfrequenz-Chips für den Gigahertz (GHz)-Bereich sitzen daher bereits in den Startlöchern. Schaltungen für die Hochfrequenz-Signalverarbeitung bis zu einigen GHz lassen sich mit einer Kombination der Bipolar - und CMOS-Schaltungstechniken auf einem Chip realisieren.

Der erforderliche Quantensprung in Richtung höherer Frequenzen lässt sich indessen nur mit einer neuen Klasse von Halbleitern realisieren, den so genannten III/V-Halbleiterwerkstoffen. Dabei handelt es sich um Verbindungen der Elemente Aluminium (Al), Gallium (Ga) und Indium (In) aus der III. Gruppe des Periodensystems der Elemente mit den Elementen Phosphor (P), Arsen (As), und Antimon (Sb) aus der V. Gruppe. Unter diesen stellen Galliumarsenid (GaAs) und Indiumphosphid (InP) die bekanntesten Bauelemente aus III/V-Halbleitern dar. Im Vergleich zu Silizium verfügen diese über mehrere Vorteile. So erlaubt die wesentlich größere Beweglichkeit der freien Elektronen in III/V-Halbleitern eine höhere Arbeitsgeschwindigkeit bei geringer Verlustleistung. Höchstfrequenz-Anwendungen bis weit in den Gigahertz-Bereich sind damit möglich. Darüber hinaus können diese Bauelemente nicht nur Licht empfangen, sondern auch aussenden - eine Eigenschaft, die in optoelektronischen Systemen vielseitige Anwendung findet. Ohne Chemie wären viele Entwicklungen in der modernen Informationstechnik auf der Strecke geblieben, so die Einschätzung von Branchenkennern.

100 Gigahertz mit Indiumphosphid

Die Bedeutung des Halbleitermaterial GaAs, dessen weltweiter Einsatz im Vergleich zum Silizium derzeit noch bei einem bescheidenen Anteil von eins zu 99 liegt, wird künftig vermutlich stark zunehmen. Um die heute bereits vorhandenen und kräftig expandierenden Märkte raufen sich weltweit acht Unternehmen. In den USA sind es M/Acom, Litton und Airtron; in Japan Sumitomo, Fugukawa, Showadenko und Hitachi, und in Deutschland ist es die im sächsischen Freiberg ansässige Freiberger Compound Materials GmbH (FCM), die unlängst die GaAs-Aktivitäten der Wacker Siltronic AG übernommen hat.

Einige Takte mehr Zukunftsmusik bieten Bauteile aus Indiumphosphid (InP) oder Galliumnitrid (GaN). Beide III/V-Halbleiter, die auch für den Einsatz jenseits von 100 Gigahertz geeignet sind, haben bisher vor allem im militärischen Bereich Anwendungen gefunden. InP soll über das geringste Rauschen verfügen, während GaN-Halbleiter die höchsten Betriebstemperaturen verkraften. Etwaigen Spekulationen über ein baldiges Ende der Silizium-Technologie treten die beteiligten Entwickler aber mit Vehemenz entgegen. Ein Ende dieser Ära, so die übereinstimmende Einschätzung, sei noch lange nicht in Sicht.

Polymere lösen Glasfasern ab

Anders als bei Silizium in der Halbleitertechnik ist es um die Zukunft der Glasfasern selbst bestellt. Im Prinzip war es bereits vor 30 Jahren möglich, optische Fasern aus Polymeren (POF) herzustellen. Doch erst mit der zunehmenden Anzahl digitaler Geräte im Heim- und Bürobereich haben sie eine größere Bedeutung erlangt. Ihr größter Vorteil besteht darin, dass sich daraus sehr flexible Fasern mit großem Kerndurchmesser herstellen lassen, woraus sich Kostenvorteile für aktive Komponenten und Steckverbinder ergeben.

Wie jede optische Faser besteht eine POF aus einem transparenten Kern und einem ebenfalls transparenten Mantel mit etwas geringerem Brechungsindex. Bei den weit verbreiteten Glasfasern bestehen Kern und Mantel aus Quarzglas, dessen Brechungsindex durch Dotierung beeinflusst wird. Bei der POF hingegen besteht der Kern aus Polymeren wie zum Beispiel Polymethylmethacrylat (PMMA) oder auch Polycarbonat. Als Materialien für den Mantel kommen fluorierte Polymere zum Einsatz. Die POF unterscheidet sich von Glasfasern in der Regel durch einen sehr viel höheren Kerndurchmesser. Der relativ große Unterschied der Brechungsindexe erlaubt trotz des großen Durchmessers akzeptable Biegeradien.

Die Wahl des Kernmaterials bestimmt maßgeblich die erreichbaren Dämpfungswerte. Beim verbreitetsten Material PMMA treten die Verluste einerseits durch Streuung auf, die durch die unvermeidlichen Dichteschwankungen im Polymermaterial hervorgerufen wird. Weitere Dämpfungsverluste werden durch Absorption hervorgerufen. Die aus sehr langen Kohlenstoff-Kohlenstoff- beziehungsweise Kohlenstoff-Wasserstoff-Ketten bestehenden Polymere werden bei charakteristischen Wellenlängen zu Schwingungen angeregt wie Überlandleitungen im Wind. Beim PMMA dominieren in diesem Falle die Oberwellen der Schwingungen der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen. Angaben von Toray, Asahi und Mitsubishi zufolge ist es heute jedoch möglich, PMMA-POF herzustellen, die mit ihren Dämpfungsspektren nahe am theoretischen Minimum liegen.

Einsatzgebiete von POF

Eine zukunftsträchtige Einsatzmöglichkeit für die POF stellen Ultra-Kurzstrecken-Verbindungen zwischen Schaltkreisen oder Platinen dar. Infolge der zunehmenden Taktgeschwindigkeiten in Verbindung mit immer größer werdenden Busbreiten treten die physikalischen Grenzen von Leitungen auf Kupferbasis immer deutlicher zu Tage. So werden in verschiedenen Instituten zurzeit Systeme entwickelt, die auf der Basis von 125 Mikrometer POF und 850 nm Vertikallaserdioden-Arrays die Übertragung von bis zu 2,5 GBit/s über 64 parallele Kanäle ermöglichen. Ein weiteres Ziel in der Entwicklung polymerer Fasern liegt in der Vergrößerung des zulässigen Temperaturbereichs. Japanische Forscher stellten unlängst ein fluoriertes Polycarbonat vor, das den Einsatzbereich der POF von 85 - im Falle von PMMA als Kernmaterial - auf 145 Grad Celsius erhöht.

Weitere Einsatzgebiete für POFs sind breit gestreut. Alleine im Entertainment-Bereich sind heute bereits hochkomplexe Netze mit einer Vielzahl von Komponenten wie CD-Wechsler, Lautsprecher, Radio oder Navigationssystem entstanden. Der Einsatz der POF in diesem Bereich verspricht Einsparungen beim Gewicht, eine Senkung der Kosten und vor allem eine Verringerung von Problemen hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV). Daher werden POFs auch in modernen Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen und Flugzeugen für Datenverbindungen eingesetzt.

Fazit

Einer Einschätzung führender Experten zufolge wird sich die optische Datenübertragung in Verbindung mit der Werkstofftechnik und neuen Chip-Technologien im Bereich der Kommunikationstechnik künftig mehr denn je als Schlüsseltechnologie herauskristallisieren. Die Internet-Revolution, die gerade erst begonnen habe, werde die Anforderungen an die Bandbreite weiterhin drastisch steigen lassen. Den Terabits werden irgendwann Petabits folgen, genug Bandbreite wird es auf Dauer wahrscheinlich nie geben, so die übereinstimmende Prognose. (mha)