tecLab-Report: Linux als Server

10.01.2001 von Jörg Luther
Distribution ist nicht gleich Distribution: Die Brauchbarkeit eines Linux-Desktop-Systems für den Server-Einsatz hängt von einer ganzen Reihe eng miteinander verzahnter Kriterien ab.

In unserer Evaluation nehmen wir gezielt die Fähigkeiten einzelner Linux-Distributionen als Server unter die Lupe. Wo verfügbar, nutzen wir dazu die vom Hersteller explizit für den Server-Einsatz empfohlene Distributionsvariante. Bei Distributionen, die keine eigenen Versionen für Desktop und Server offerieren, lassen wir clientspezifische Einrichtungs- und Ausstattungsmerkmale bei den Testkriterien außer Acht. Als oberster Bewertungsmaßstab stehen neben der adäquate Ausstattung mit Serverdiensten auch Sicherheitsmerkmale und gute Verwaltungsmöglichkeiten im Vordergrund.

Folgenden Testkriterien müssen sich die Linux-Distributoren im tecChannel-Labor stellen:

Die Details zu den Testverfahren finden Sie auf den folgenden Seiten wie auch in unserer Wertungstabelle.

Ausstattung

Eine komplette und von der gebotenen Funktionalität her runde, aktuelle Linux-Distribution erfordert mindestens drei CDs: Eine davon trägt ein bootfähiges Kernsystem zum Aufsetzen der Installation sowie die wichtigsten Systemdateien und Applikationen. Eine zweite Disk bringt zusätzliche OpenSource-Applikationen mit, die dritte enthält die Sources für die gelieferten Binaries.

Dazu können weitere Add-on-CDs mit zusätzlicher OpenSource- und kommerzieller Software kommen - obligatorisch sind sie nicht. Allerdings erweist es sich als angenehm, gewünschte Zusatzsoftware nicht lange im Web suchen zu müssen, sondern bereits auf CD vorliegen zu haben. Sicherheitsrelevante Software wie Apache SSL, Openssl und Ssh/Openssh sollten dabei auf einer eigenen CD oder zumindest in einer eigenen Paketgruppe residieren und nur auf Anforderung installiert werden. Nicht jedes System benötigt diese in der Konfiguration nicht ganz trivialen Features.

Eine reichhaltige Ausstattung mit kommerziellen Softwarepaketen werten wir als Bonus, wobei zeitbeschränkte und Demo-Versionen sowie Crippleware aus der Wertung fallen.

Für die Installation auf Rechnern, die nicht von CD booten können, benötigt man Bootdisketten. Alle Distributionen offerieren die Möglichkeit, diese unter DOS zu erstellen. Deutlich Zeit sparender ist es jedoch, wenn die Bootdisks bereits zum Lieferumfang zählen.

Handbücher und Support

Auch für den erfahrenen Linux-Anwender erweisen sich ausführliche Handbücher als hilfreich. Sie sollten nicht nur die Installation selbst, sondern speziell auch Ausstattung und Eigenheiten der Distribution in schnell auffindbarer und eingängiger Form beschreiben. Ein englischsprachiges Handbuch ist dabei kein Beinbruch - wer mit Netzwerken umgeht, muss ohnehin immer wieder mit englischen Texten klarkommen. Auch für den Profi sind jedoch erfahrungsgemäß deutsche Texte schneller aufzunehmen.

Vor allem während der Installationsphase, aber auch während der Eingewöhnung in das neue Betriebssystem treten immer wieder Probleme auf, die sich allein durch das Studium der Handbücher nicht lösen lassen. Deshalb muss die Distribution auch einen Installationssupport für wenigstens 30, besser 90 Tage umfassen. Neben der Möglichkeit zu Anfragen per E-Mail oder Web sollte der Hersteller dabei auch einen telefonischen Support bereitstellen: Gerade Probleme mit dem Server verlangen im Regelfall nach schnellen Lösungen. Daneben kann sich für ausführlichere Anfragen auch der Fax- oder Postweg eignen.

Installationsroutine

Die Installation erfolgt optimalerweise im grafischen Modus, der eine bessere Übersichtlichkeit und eine komfortable Bedienung per Maus ermöglicht. Dabei sollte das Setup-Programm eine ständig sichtbare, kontextorientierte und ausführliche Hilfe zum jeweiligen Installationsschritt anbieten. Über eine Navigation zwischen den einzelnen Installationsschritten bietet die Routine idealerweise Gelegenheit, Eingabe- oder Verständnisfehler zu korrigieren.

Bei der Auswahl der zu installierenden Software erweisen sich sinnvoll und ausreichend granular vordefinierte Paketgruppen als hilfreich. Sie sollten nach Möglichkeit nach dem künftigen Einsatzzweck des Rechners aufgeschlüsselt sein. Auch eine komplett manuelle Paketauswahl ist von Vorteil: Mit ihrer Hilfe kann sich der erfahrene Benutzer ein maßgeschneidertes System zusammenstellen.

Benutzeroberfläche und Verwaltungswerkzeuge

Grafische Benutzeroberflächen haben im Serverbetrieb eigentlich nichts zu suchen: Bestenfalls dienen sie als kurzfristige Erleichterung beim Umstieg vom Client auf den Server, im typischen Betrieb stellen sie nur eine unnötige Verschwendung von Ressourcen dar. Deshalb sollte eine Server-Distribution keinesfalls ungefragt eine GUI installieren oder gar per Default ein grafisches Log-in aufsetzen.

Auch nach der Installation fallen laufend Wartungs- und Konfigurationsarbeiten an der Hard- und Software des installierten Systems an. Eine Distribution muss für diese Arbeiten entsprechende Verwaltungstools bereitstellen, die über den Umfang der über die Systemsoftware mitgelieferten Werkzeuge mindestens funktionell, besser noch im Komfort hinausgehen. Aus der OpenSource-Gemeinschaft stammende Werkzeuge fallen aus der Wertung, da sie keine originäre Leistung der Distribution darstellen. Als einzige Ausnahmen lassen wir die zur Fernwartung nötigen Tools Linuxconf und Webmin gelten.

Idealerweise lassen sich über die Verwaltungswerkzeuge alle administrativen Aspekte des Systems abdecken. Dabei sollten die einzelnen Tools über eine zentrale Management-Applikation integriert werden.

Umfang wichtiger Software-Komponenten

Ein wesentliches Qualitätsmerkmal jeder Distribution stellen die Systemsoftware und die angebotenen Serverdienste dar. Dabei untersuchen wir folgende Kategorien:

Auch die Aktualität der Komponenten spielt eine Rolle. Kleinere Abweichungen der Versionsnummer stellen dabei nicht zwangsläufig einen Beinbruch dar: In der OpenSource-Szene spielen sich Revisionsänderungen in wesentlich kürzeren Zyklen ab als bei kommerzieller Software. Ein Nachhinken der Major Version Number ist jedoch in der Regel nicht tolerabel. Auch die Installation einer Unstable Release ohne besonderen Hinweis werten wir wie das Ausliefern einer obsoleten Version. Auf Servern hat Beta-Software nichts verloren. jlu)

Testkonfiguration

Als Testsystem dient ein Pentium-III/650 mit 128 MByte Hauptspeicher und zwei 20,5 und 30,7 GByte großen EIDE-Festplatten. Die beiden Harddisks ermöglichen das testweise Aufsetzen softwarebasierter RAIDs der Level 0 und 1 (Striping respektive Mirroring).

Testkonfiguration

Komponente

Daten

Mainboard

Asus P3B-F Rev. 1004

Sonstiges

Slot 1, BX-Chipsatz

Prozessor

Pentium III/650

Sonstiges

100 MHz FSB

RAM

128 MByte PC100 SDRAM

Sonstiges

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Festplatte (Master)

IBM DPTA-372050

Sonstiges

20,5 GByte UltraDMA/66

Festplatte (Slave)

Maxtor 53073H4

30,7 GByte UltraDMA/66

CD-ROM

Toshiba DVD-ROM SD-M1402

Sonstiges

40x, UltraDMA/33

Grafikkarte

ELSA Erazor III Pro

Sonstiges

AGP, Riva TNT2, 32 MByte

Netzwerkkarte

3Com 3C905C-TX

Sonstiges

PCI, 10/100 Mbit/s

Soundkarte

Ensoniq ES-1371 Rev.8

Sonstiges

PCI