tecLab-Report: Linux als Client

18.12.2000 von Joerg Luther
Die Brauchbarkeit eines Linux-Desktop-Systems für die tägliche Arbeit hängt von vielen Kriterien ab. Bei nahezu gleichem Preis der getesteten Distributionen zeigen sich große Unterschiede bei der Ausstattung und den Verwaltungsfähigkeiten.

Bei unseren Testverfahren nehmen wir gezielt die Fähigkeiten einzelner Linux-Distributionen im Client-Einsatz unter die Lupe. Wo verfügbar, nutzen wir dazu die vom Hersteller explizit für den Desktop-Einsatz empfohlene Distributionsvariante. Bei Distributionen, die keine eigenen Versionen für Desktop und Server anbieten, lassen wir serverspezifische Einrichtungs- und Ausstattungsmerkmale bei den Testkriterien außer Acht. Als oberster Bewertungsmaßstab steht stets die eingängige und einfache Bedienung im Vordergrund.

Folgenden Testkriterien müssen sich die Linux-Distributoren im tecChannel-Labor stellen:

Die Details zu den Testverfahren finden Sie auf den folgenden Seiten wie auch in unserer Wertungstabelle.

Ausstattung

Eine komplette und von der gebotenen Funktionalität her runde, aktuelle Linux-Distribution erfordert heute mindestens drei CDs: Eine davon trägt ein bootfähiges Kernsystem zum Aufsetzen der Installation sowie die wichtigsten Systemdateien und Applikationen. Eine zweite Disk bringt zusätzliche Open-Source-Applikationen mit, die dritte enthält die Sourcen für die gelieferten Binaries.

Dazu können weitere Add-On-CDs mit zusätzlicher Open-Source- und kommerzieller Software kommen - obligatorisch sind sie nicht. Allerdings erweist es sich als recht angenehm, gewünschte Zusatzsoftware nicht lange im Web suchen zu müssen, sondern bereits auf CD vorliegen zu haben. Eine reichhaltige Ausstattung mit kommerziellen Software-Paketen werten wir als Bonus, wobei zeitbeschränkte und Demo-Versionen sowie Crippleware aus der Wertung fallen.

Für die Installation auf Rechnern, die nicht von CD booten können, sind Bootdisketten erforderlich. Alle Distributionen bieten die Möglichkeit, diese unter DOS zu erstellen. Deutlich zeitsparender ist es jedoch, wenn die Bootdisks bereits zum Lieferumfang zählen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man beispielsweise als Windows-NT/2000-Anwender kein DOS mehr auf seinem System hat

Handbücher und Support

Gerade für den Linux-Einsteiger erweisen sich ausführliche, deutschsprachige Handbücher als hilfreich. Sie sollten nicht nur die Installation selbst, sondern auch die spätere Bedienung und Wartung des Systems in leicht verständlicher Form beschreiben. Speziell eine kurze Einführung in die allgemeinen Grundlagen von Unix erleichtert dem Einsteiger das Leben.

Vor allem während der Installationsphase, aber auch während der Eingewöhnung in das neue Betriebssystem treten immer wieder Probleme auf, die sich allein durch das Studium der Handbücher nicht lösen lassen. Deshalb sollte eine Distribution auch einen Installationssupport für wenigstens 30, besser 90 Tage umfassen. Neben der Möglichkeit zu Anfragen per E-Mail oder Web sollte der Hersteller dabei auch einen telefonischen Support bereitstellen: Mit einem zerschossenen System lassen sich nur schwer Mails verschicken oder empfangen. Daneben ist für ausführlichere Anfragen auch der Fax- oder Postweg hilfreich.

Windows-Integration

Gerade bei der Client-Installation gilt es in vielen Fällen, Linux und Windows zur friedlichen Dual-Boot-Koexistenz zu bewegen. Daher prüfen wir, wie die Linux-Distribution mit einem bereits installierten Windows zu Rande kommt. Unser Testsystem verfügt daher über je eine als primäre Partition angelegte Installation von DOS 6.22 (500 MByte) und Windows 98 SE (4 GByte). Eine ideale Installationsroutine sollte demnach folgende Fähigkeiten aufweisen:

Installationsroutine

Die Installation erfolgt optimalerweise im grafischen Modus, der eine bessere Übersichtlichkeit und eine komfortable Bedienung per Maus ermöglicht. Dabei sollte das Setup-Programm eine ständig sichtbare, kontextorientierte und ausführliche Hilfe zum jeweiligen Installationsschritt anbieten. Bei der Navigation zwischen den einzelnen Installationsschritten ist es ideal, wenn die Routine Gelegenheiten bietet, Eingabe- oder Verständnisfehler zu korrigieren.

Bei der Auswahl der zu installierenden Software-Paket erweisen sich sinnvoll und ausreichend granular definierte, vordefinierte Paketgruppen als hilfreich. Sie sollten nach Möglichkeit nach dem künftigen Einsatzzweck des Rechners aufgeschlüsselt sein. Auch eine komplett manuelle Paketauswahl ist von Vorteil: Mit ihrer Hilfe kann sich der erfahrene Benutzer ein maßgeschneidertes System zusammenstellen. Für die serienweise Erstellung identisch konfigurierter Rechner sollte zudem die Möglichkeit bestehen, vordefinierte Paket-Listen über eine spezielle Installations-Diskette zu installieren.

Benutzeroberfläche

Für Linux stehen mit KDE und GNOME zwei unterschiedliche GUIs mit jeweils eigenen Stärken und Schwächen zur Verfügung. Die Distributionen sollten dem Anwender die Möglichkeit einräumen, beide Systeme in ihrer aktuellen Version auf ihre Eignung für die jeweiligen Anwendungsbereiche zu testen.

Daneben sind für Linux auch noch eine ganze Reihe von Window-Managern erhältlich, die in identischer oder ähnlicher Form auch auf anderen Unix-Derivaten zu finden sind. Auch diese sollten die Distributionen ohne den Zwang zu größeren Installations- oder Konfigurierungsarbeiten bereitstellen.

KDE und GNOME bieten dem Benutzer einen Windows-ähnlichen Desktop mit Icons für Programme, Verzeichnisse und Laufwerke. Idealerweise mountet eine Distribution neben den von Linux direkt genutzten Plattenpartitionen auch Disketten- und CD-ROM-Laufwerk sowie FAT-Partitionen automatisch und legt für diese Icons auf dem Desktop an.

Verwaltungswerkzeuge

Auch nach der Installation fallen laufend Wartungs- und Konfigurationsarbeiten an der Hard- und Software des installierten Systems an. Eine Distribution muss für diese Arbeiten entsprechende Verwaltungstools bereit stellen, die über den Umfang der in Systemsoftware und Benutzeroberfläche mitgelieferten Werkzeuge zumindest funktionell, besser noch im Komfort hinausgehen sollen. Direkt von einer GUI übernommene Werkzeuge fallen aus der Wertung, da sich unter Linux die Benutzeroberfläche jederzeit nach Maßgabe des Anwenders ändern kann.

Dies betrifft speziell Applets zur Konfiguration der Hardware-Komponenten und des X-Servers sowie zur Verwaltung der installierten Software. Idealerweise entsprechen die genannten Verwaltungswerkzeuge nach Umfang, Funktion und Komfort in etwa der Systemsteuerung unter Windows. Ihre Einbindung sollte in zentraler Form erfolgen: Zumindest also über ein gemeinsames Menü, besser noch über eine zentrale Applikation wie ein Control Center.

Aktualität und Umfang wichtiger Systemkomponenten

Zu den zentralen Komponenten jeder Distribution zählen Kernel und X-Server. Von beiden ist primär eine hohe Aktualität der Version und damit des Leistungsumfangs zu fordern.

Beim Betriebssystemkern interessiert ferner, für welche Prozessorversion er vorliegt. Ein nach dem Einer-für-Alle-Prinzip ausgelegter, für Prozessoren ab der 386er-Klasse kompilierter Kernel nutzt die Leistungsfähigkeit aktueller CPUs bei weitem nicht aus. Auch ein für Rechner der Pentium-Klasse oder besser ("i586") vorkompilierter Kernel ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Im Idealfall stellt die Distribution vorkompilierte Kernel für alle Prozessorklassen zur Installation bereit, sodass der Anwender auf ein manuelles Erstellen eines passenden Kerns verzichten kann. Vorkompilierte SMP-fähige Kernel führt unsere Vergleichstabelle zwar auf, sie fließen jedoch nicht in die Wertung ein: Bei typischen Desktop-Rechner sind Dual-CPU-Konfigurationen schon aus Preisgründen noch recht rar.

Bei den Komponenten des X11 -Systems prüfen wir, ob die Distribution den vollen Umfang der momentan unterstützten Grafikchip-Systeme unterstützt. Zusätzliche Accelerated-X-Server-Varianten führen wir zwar auf, werten sie jedoch nicht: Im Regelfall handelt es sich dabei um Software im Alpha- oder Beta-Stadium.

Aktualität wichtiger Software-Komponenten

Die zur Aktualität der Systemkomponenten getroffenen Aussagen gelten sinngemäß auch für wichtige Software-Komponenten. Dabei untersuchen wir für den Workstation-Einsatz typische Applikationen wie Anwendungen, Datenbanken, Mail- und Webprogramme sowie Programmiersprachen und Libraries. Als einzige Server-typische Komponente werten wir den Webserver Apache, der auch auf der Workstation die Basis für einige webbasierte Dienste sowie ein Hilfsmittel beim Webdesign darstellt.

Kleinere Abweichungen der Versionsnummer stellen dabei nicht zwangsläufig einen Beinbruch dar, da sich in der Open-Source-Szene die Revisionsänderungen in wesentlich kürzeren Zyklen abspielen, als bei kommerzieller Software. Ein Nachhinken der Major Version Number ist jedoch in der Regel nicht tolerabel. Auch die Installation einer Unstable Release ohne besonderen Hinweis werten wir wie das Ausliefern einer obsoleten Version.

Testkonfiguration

Als Testsystem dient ein Pentium-III/650 mit 128 MByte Hauptspeicher und 20,5-GByte-EIDE-Festplatte. Um das Zusammenspiel der getesteten Distribution mit Linux zu untersuchen, erhält er vor Beginn der Linux-Installation ein Dual-Boot-System aus MS-DOS 6.22 (500 MByte, primäre Partition) und MS Windows 98 SE (4 GByte, primäre Partition).

Testkonfiguration

Komponente

Daten

Mainboard

Asus P3B-F Rev. 1004

Sonstiges

Slot 1, BX-Chipsatz

Prozessor

Pentium III/650

Sonstiges

100 MHz FSB

RAM

128 MByte PC100 SDRAM

Sonstiges

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Festplatte

IBM DPTA-372050

Sonstiges

20,5 GByte UltraDMA/66

CD-ROM

Toshiba DVD-ROM SD-M1402

Sonstiges

40x, UltraDMA/33

Grafikkarte

Elsa Erazor III Pro

Sonstiges

AGP, Riva TNT2, 32 MByte

Netzwerkkarte

3Com 3C905C-TX

Sonstiges

PCI, 10/100 Mbit/s

Soundkarte

Ensoniq ES-1371 Rev.8

Sonstiges

PCI