Studium mit Arbeitsplatz

10.12.1999
30 Pioniere haben zum Wintersemester mit dem "Kooperativen Bachelor Studiengang Informatik" (Kosi) angefangen. Für das Sommersemester können Unternehmen noch bis zum 15. Januar einen Studienvertrag mit Fachhochschulabsolventen schließen - und sie für die Praxis ausbilden lassen. Petra Riedel

Von: Petra Riedel

In nur einem Jahr vom Konzept zum ersten Semester, ist ein rasanter Start für einen neuen Studiengang: Im September fingen 30 Pioniere in Dieburg mit dem Kooperativen Bachelor Studiengang Informatik (Kosi) an, der von der Fachhochschule in Darmstadt angeboten wird.

Das besondere daran:Alle Studenten haben einen Studienvertrag mit einem Unternehmen geschlossen, der ihnen für die Dauer der siebensemstrigen Ausbildung eine Vergütung garantiert, in der Regel zwischen 1000 und 1500 Mark pro Monat. Dafür verbringen sie die Semesterferien, und die Praxisphasen im dritten und fünften Semester in der Firma, die einem Kosi-Studenten einen Urlaub von 30 Tagen im Jahr gewähren muß.

Auf dem Studenplan stehen in den ersten Semestern Fächer wie Mathematik, Programmieren, Sy-stementwicklung, Betriebswirtschaft, Datenbanken und Kommunikationstechnik, Kosten- und Lei-stungsrechnung und Standard-Anwendungssoftware. Schwerpunkte des Studiums sind Betriebsinformatik und Telekommunikation. Neben dem Fachwissen sind aber auch andere Schlüsselqualifikationen Inhalt: In das Studium sind Blockseminare zu den Themen Teamverhalten, Gesprächs- und Verhandlungsführung sowie Projektmanagement eingeplant.

Geburtsstunde CeBIT

Die Geburtsstunde von Kosi geht auf ein Streitgespräch zurück, das Helmut E. Wörner, Vorsitzender des BVB-Arbeitskreises Europäische Telekommunikation (BVB = Bundesverband Informations- und Kommuniaktions-Systeme) und Geschäftsführer der Firma Controlware mit dem damaligen hessischen Ministerpräsidenten und jetzigen Finanzminister Hans Eichel geführt hat. Eichel sicherte dem BVB seine Unterstützung bei der Einrichtung eines neuen, praxisorientierten Studiengangs zu. Aus dieser Zusage wurde dann unter Moderation des BVBs eine enge Zusammenarbeit zwischen dem hessischen Wissenschaftsministerium, der Fachhochschule Darmstadt und Vertretern der IT-Industrie. Das Konzept von Kosi ist am Modell der Berufsakademien in Baden-Württemberg angelehnt, wo Studenten innerhalb von sechs Semestern zu IT-Spezialisten ausgebildet werden, so sie einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen haben.

Der Studienvertrag ist der Grund, warum sich die Studenten nicht, wie in anderen Studiengängen üblich, einfach immatrikulieren können: Kein Studienvertrag, keine Immatrikulation, lautet die Regel für Kosi. Wer keine Kooperationsfirma findet, dem steht immer noch das Bachelor-Studium der Allgemeinen Informatik offen.

Geeignete Praxisprojekte

Die Firmen wiederum müssen, bevor sie einen solchen Studienvertrag für interessierte Fachhochschulabgänger anbieten können, einen Kooperationsvertrag mit der Fachhochschule Darmstadt abschließen, in dem sie nachweisen, daß sie dem Studenten auch die für die Studienziele geeigneten Praxisprojekte anbieten können (Auszüge aus dem Kooperationsvertrag siehe Kasten rechts oben).

Die Firma Debis Systemhaus Gesellschaft für Elektronische Informationsysteme (GEI) in Darmstadt hat einen solchen Kooperationsvertrag abgeschlossen und bietet nun für das Sommersemester erstmals Kosi-Verträge für zwei Studenten an. Acht Bewerbungen liegen vor.

Gute Noten sind Voraussetzung

"Kriterium dafür, daß ein Interessent in die engere Auswahl kommt, ist ein Notenschnitt im Abitur oder Fachabitur von besser als zwei und gute Noten in den technischen Fächern und Englisch. Der Bewerber sollte auch möglichst Mathe und Englisch als Leistungsfach gehabt haben", sagt Jürgen Schaldach, Human Resources Assistance Manager bei Debis GEI. "Neben den drei Kosi-Studienplätzen gibt es für das Wintersemester noch vier Bewerbungen für einen Studienplatz der Wirtschaftsinformatik an der Nordakademie Elmshorn, mit der Debis-Kollegen in Hamburg bereits gute Erfahrungen gemacht haben, und zehn für Ausbildungsplätze zum Fachinformatiker bei uns im Haus," so Schaldach. Die Debis-Geschäftsstelle hat rund 350 Mitarbeiter.

In einem Mini-Assessment-Center werden im Dezember die Kandidaten herausgefiltert. Wer einen Kosi-Vertrag in der Tasche hat, kann sich auf eine monatliche Vergütung von 1100 Mark im ersten Studienjahr und weiteren 100 Mark pro Semester ab dem zweiten Jahr freuen - und nach Abschluß des Studiums auf einen Arbeitsplatz. "Ziel dieser Ausbildungsgänge ist natürlich, eigene Mitarbeiter heranzubilden, und zwar aus der Praxis in der Praxis." Darüber werde, so Schaldach, im Vorstellungsgespräch gesprochen. Zusagen für einen zukünftigen Arbeitsplatz gibt es nicht. Die Übernahme ist ergebnisabhängig, aber sehr wahrscheinlich. Bei Controlware GmbH in Dietzenbach ist die Absicht ähnlich. Zur Zeit laufen schon Bewerbungen für das Wintersemester 2000/01; drei Studenten aus dem Pilotsemester sind unter Vertrag. "Wir wollen die Studenten schon frühzeitig in unser Unternehmen einbinden, zum Beispiel haben wir sie auch zu unserer Weihnachtsfeier eingeladen", sagt Carolin Sessinghaus, Human Resources Manager bei Controlware. Ab Juli, wenn andere Fachhochschüler Semesterferien haben, werden die drei erstmals in Praxisprojekten in dem Unternehmen arbeiten.

Anmeldeschluß 15. Januar

Andere IT-Firmen wie Experteach GmbH, Dr. Materna, Software AG, aber auch die Deutsche Bank, Merck Pharma und Lufthansa Cargo AG wollen das praxisnahe Ausbildungsangebot in Dieburg nutzen. Insgesamt werden für das Sommersemester derzeit wieder etwa 30 Kosi-Studienverträge angeboten, wobei interessierte Studenten auch selber Ausbildungsfirmen akquirieren können.

Der Studienstandort Dieburg, wo zum Teil noch die Fachhochschule der Deutschen Telekom untergebracht ist, verfügt über Kapazitäten für 1200 Ausbildungsplätze. Die Zahl der Kosi-Studienplätze ist also nicht begrenzt, wie Professor Alfred S. Kessler, Vizepräsident der Fachhochschule in Darmstadt, betont.

"Im Moment läuft für uns noch die Pilotphase, weshalb wir für Kosi auch derzeit nicht soviel Werbung machen," sagt Dr. Werner Senger, Geschäftsführer des BVB und Mitinitiator des Studiengangs. Die Zahl der Studenten soll dann ab dem Wintersemester 2000/01 wachsen. In Zukunft sei auch geplant, nach dem Public-Private-Partnership-Modell Dozenten aus der Industrie einzusetzen.

Offizieller Anmeldeschluß der Studenten für das Sommersemester 2000 ist der 15. Januar. Informationen zum Studiengang Kosi erhalten Interessenten über die Homepage des BVB unter www.bvb.de. Hier sind alle Firmen aufgelistet, die jeweils für das kommende Semester Ausbildungsverträge mit Studieninteressenten anbieten. Außerdem steht dort der Studienvertrag und der Kooperationsvertrag zum Herunterladen bereit.